Was lässt sich sonst noch zum Halbjahresbericht der Staatsregierung sagen? Der Bericht enthält neben der förmlichen Einleitung zwei Teile: a) die Begründung der gegenüber dem vorangegangenen Halbjahresbericht
weggefallenen Themen und b) sieben übrig gebliebene Schwerpunkte, von denen – wie gesagt – einige halb oder ganz aus dem 6. Halbjahresbericht übernommen worden sind. Diese Übernahme wesentlicher Textteile betrifft die Schwerpunkte 3. Datenschutz, 4. Europäische Statistik, 5. Europäisches Vertragrecht und 6. Europäische Innovationspartnerschaft „Aktivität und Gesundheit im Alter“.
Es drängen sich also plausible Fragen auf. Die Staatsregierung verweist darauf, dass der Punkt Schlüsseltechnologien – ehemals Punkt 1 des 6. Halbjahresberichts – aus dem Fokus des Berichts als wesentliche europapolitische Entwicklung herausgefallen ist, ohne dass das Thema in der Politik der Staatsregierung an Bedeutung verloren hätte. Dann wird allerdings munter drauflos berichtet.
Halten Sie es wirklich für nachvollziehbar, dass zu diesem Thema nichts weiter als ein Schwerpunkt genannt wird, wenn die Bedeutung doch gleich geblieben ist und das Thema erkennbar von langfristiger Bedeutung für Sachsen sein wird? Worin liegen die Gründe dafür, dass dieses Thema nicht weiter gegenüber dem Landtag dargestellt wird?
Des Weiteren teilt die Staatsregierung mit, dass die Verhandlungen über das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ erfolgreich abgeschlossen worden sind und das Thema aus dem Bericht heraus
genommen werden könne. Allerdings ist dem Ausschuss – das habe ich vom Hörensagen, ich war selber leider nicht dabei – bei seiner jüngsten Brüsselreise wohl seitens der Kommission gerade zur Umsetzung von „Horizont 2020“ dargelegt worden, dass es hier großen Handlungsbedarf gibt, nicht zuletzt deswegen, weil einerseits Mittel in den Juncker-Fonds überführt werden sollen, andererseits ist gerade die erfolgreiche Umsetzung wesentlich von politischen Entscheidungen abhängig. Die Umsetzung ist nicht einmal beschlossen und dann läuft sie automatisch. Warum wird also nicht weiter zum Verlauf und zur Umsetzung berichtet?
Zu b) laufende wesentliche Entwicklungen. Hierzu wird im Punkt 3 Datenschutz-Grundverordnung angemerkt, dass die Staatsregierung das weitere Gesetzgebungsverfahren in Rat und Parlament begleiten wird. Da drängt sich dem geneigten Parlamentarier durchaus die Frage auf, ob es hier konkrete Formen der Beteiligung gibt oder ob es sich um eine allgemeine Feststellung im Sinne eines Monitoring handelt.
Meine Damen und Herren! Abschließend gestatten Sie mir folgende Anmerkung. Ich gehe davon aus, dass das Verbindungsbüro in Brüssel die Staatsregierung zu den wesentlichen Vorgängen in der EU, wie sie in der „Woche in Brüssel“ für die Öffentlichkeit Sachsens dargestellt werden, informiert und sich die Staatsregierung auch zu diesen Problemlagen verhält. Deshalb ist es ausgesprochen merkwürdig, dass diesem Hohen Hause mit dem Halbjahresbericht ein regelrechtes Kontrastprogramm geboten wird, das Themen als wesentlich für Sachsen auflistet, die zum großen Teil – mit Verlaub und großem Respekt vor der Bedeutung – nicht annähernd die Brisanz und Aktualität der tatsächlich brennenden Konflikte der EU und ihrer Bedeutung für Sachsen widerspiegelt.
Die Top-EU-Themen, wie Migration und Asyl, Sicherheit und soziale Fragen, treiben die Leute auch in Sachsen seit Monaten auf die Straße. Davon ist im 7. Halbjahresbericht keine Spur. Dieser Kontrast der im Halbjahresbericht dargestellten Themen zu den Entwicklungsschwerpunkten der EU muss zu einem Überdenken des Berichts führen, da a) wesentliche, die Menschen in Sachsen bewegende europapolitische Schwerpunkte im Berichtszeitraum
ausgelassen werden und weil b) kein wirklicher Überblick über die wesentliche europapolitische Tätigkeit der Staatsregierung im Sinne von Beteiligung Sachsens in der EU gegeben wird.
Wir wünschen uns eine Berichterstattung, die umfänglich die Initiativen der EU-Kommission im Rahmen der Subsidiaritätskontrolle und des politischen Dialogs sowie eine umfangreiche Bewertung dieser Prozesse umfasst. Nur so können Staatsregierung und Sächsischer Landtag sächsische Interessen wahren und rechtzeitig die erforderlichen Diskussionen im Hohen Hause führen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Berichtszeitraum war offensichtlich nicht viel los. Das kann man feststellen, wir haben das im Ausschuss ja auch schon diskutiert.
Ja, Herr Gebhardt, wir haben vom Frühjahr bis zum Herbst letzten Jahres einen Europa-Wahlkampf gehabt. Ich bin mehrfach in Brüssel gewesen. Ich finde auch nicht befriedigend, dass eine ganze Reihe von Themen, die uns im Moment in Europa umtreiben, in dem Bericht nicht die gebührende Berücksichtigung finden. Aber TTIP ist danach so richtig hochgekocht. Das muss man sich klarmachen. Das treibt die Menschen um, hat aber, was Subsidiarität und Ähnliches angeht, für den Freistaat Sachsen zunächst nicht die große Bedeutung.
dass jeweils im Unterpunkt „Entwicklung im letzten halben Jahr und Ausblick“ mit dem Begriff Ausblick nicht der Rückblick, sondern tatsächlich ein Blick in die Zukunft gemeint ist?
Sprachlich würde ich Ihnen folgen. Aber wo wir gerade dabei sind, Herr Stange, Sie haben eben eine Reihe von Ausführungen über unsere Brüsselreise gemacht und die Informationen, die wir dort bekommen oder nicht bekommen haben. Sie waren nicht zugegen, wie Sie vorhin selbst festgestellt haben.
Es wäre sinnvoll, wenn die darüber sprechen, die dabei gewesen sind. Da wäre eine Reihe von Missverständnissen nicht eingetreten.
Ich möchte aus diesem Bericht von den sieben Punkten zwei herausgreifen, die mir besonders wichtig erscheinen. Der eine Punkt betrifft weniger den Freistaat Sachsen in
seiner Gesetzgebungskompetenz, ist aber genannt und ich halte ihn wirklich für wichtig, nämlich das Thema europäisches Vertragsrecht. Da hat die Kommission eine ganz gute Idee gehabt, man könnte nämlich in Europa neben dem nationalen auch ein europäisches Vertragsrecht einführen, das die Vertragspartner gegebenenfalls vereinbaren können, wenn sie grenzübergreifende Verträge abschließen. Das scheint mir eine plausible Idee zu sein, wenn man bedenkt, dass wir nach wie vor gerade im Zivilrecht auf europäischer Ebene immer noch Probleme haben, wenn Verträge geschlossen werden.
Nun hat sich herausgestellt – so lässt sich diesem Bericht entnehmen –, dass das Projekt, das 2011 losgetreten worden ist, gescheitert sei. Ich halte das für recht bedauerlich und man sollte darauf hinweisen, dass es schade ist, wenn in der Europäischen Union so etwas Sinnvolles nicht zustande kommt.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt, der im Bericht vorkommt und noch einmal Erwähnung finden sollte, ist das Thema europäischer Datenschutz. Es wird darauf hingewiesen, dass die Europäische Datenschutz-Grund
verordnung und die Datenschutzrichtlinie nun wohl doch kommen würden. Es ist leider sehr lange, unter anderem auch durch das Verschulden der deutschen Regierung nicht dazu gekommen.
Die Datenschutz-Grundverordnung ist dringend notwendig, weil europaweit Handlungsbedarf besteht. Es ist sehr erfreulich, dass sie jetzt kommen soll. Wir müssen allerdings aus der Perspektive des sächsischen Gesetzgebers, glaube ich, berücksichtigen, dass das, was kommen wird, tief in unsere Gesetzgebungskompetenz eingreift.
Die Datenschutz-Grundverordnung wird Kompetenzen des sächsischen Gesetzgebers verdrängen. In Sachsen werden wir künftig nur noch darüber entscheiden, ob Datenschutz stattfindet, ob Datenverarbeitung stattfindet. Wir werden nicht mehr darüber entscheiden können, wie das geschieht und welche Schutzmechanismen bestehen. Das wird Europa europaweit einheitlich regeln. Ich möchte nur Ihr Augenmerk darauf richten. Das ist ein typischer Fall, bei dem tief in Gesetzgebungskompetenzen eingegriffen wird. Wenn das vorliegt, dann werden wir uns als Sächsischer Landtag dazu positionieren müssen. Bitte achten Sie darauf. Ich glaube, wir werden dazu hier im Landtag eine Debatte führen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Der Europaausschuss hat mit 15 Stimmen bei einer Enthaltung dem Sächsischen Landtag empfohlen, die Unterrichtung durch die Sächsische Staatskanzlei „Siebter Halbjahresbericht zu wesentlichen Entwicklungen der sächsischen Europapolitik“ zur Kenntnis zu nehmen.
Diese Beschlussempfehlung wurde also auch von Vertretern unserer Fraktion im Europaausschuss nicht abgelehnt. Das ist nicht weiter verwunderlich; denn schließlich geht es nur um eine Kenntnisnahme durch den Landtag, nicht um eine inhaltliche Bewertung. Der gute politische Anstand sowie die Verantwortung gegenüber dem Wähler gebieten es, einen Bericht der Staatsregierung zu einem bestimmten Politikbereich zur Kenntnis zu nehmen. Eine sachliche Übereinstimmung ist mit einer Kenntnisnahme des Berichts nicht verbunden.
Man könnte heute zu diesem Bericht durchaus einige Kritikpunkte anbringen, wie es meine Vorredner schon teilweise getan haben und wie sie auch in der vergangenen Sitzung des Europaausschusses von einigen Abgeordneten angesprochen wurden. Sie sind in der Beschlussempfehlung des Ausschusses benannt oder zumindest indirekt angesprochen. Das soll zu dieser späten Plenarstunde genügen.
Dass in dem Bericht sehr wenig Neues enthalten ist, hat der Vertreter der Staatsregierung im Ausschuss damit begründet, dass der Bericht in eine Leerlaufphase des EUParlaments und der EU-Institutionen falle, nämlich in die Zeit zwischen den Wahlen zum Parlament und der Bestätigung der neuen EU-Kommission.
Einen Punkt möchte ich allerdings kurz ansprechen, der aus meiner Sicht nicht gut sein wird: das Europäische Vertragsrecht. Wenn wir uns anschauen, wie ein Recht besteht, dann haben wir immer zwei Dinge – zum einen die Juristen. Sie haben es studiert und können es wissenschaftlich begründen. Zum anderen haben wir die parallele Bewertung in der Laiensphäre. Das ist nämlich gewachsenes Recht, was auch der Nichtrechtskundige gefühlsmäßig empfindet.
Wenn ich ein europäisches Vertragsrecht konstruiere, dann stülpe ich wieder eine Glocke darüber, was der Bürger nicht versteht, weil er dieses Recht nie gelebt hat. Er ist nicht in diesem Sinne erzogen worden. Dann habe ich wieder eine Glocke und nichts, was von unten, Europa einend, wächst. Das halte ich für gefährlich. Ich glaube, dass dadurch die Akzeptanz leidet, auch wenn es vielleicht nur Unternehmen und Gewerbetreibende betrifft. Aber auch bei diesen ist die Akzeptanz wichtig.
Es gibt eigentlich auch keine Notwendigkeit für ein europäisches Vertragsrecht. Wir haben das CISG. Wir haben das internationale Privatrecht. Wir haben die Möglichkeit der freien Rechtswahl. Das können sich die Vertragsparteien international suchen. Deswegen möchte ich einen warnenden Zeigefinger in Richtung dieser aufgestülpten europäischen Glocke erheben.
Das soll es für heute aber auch gewesen sein. Ich möchte mich kurzfassen und dafür werben, der Beschlussempfehlung zuzustimmen.