Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Die Fraktionen haben jetzt die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Es beginnt die CDU-Fraktion. Bitte, Herr Wehner.
Frau Staatsministerin! Frau Präsidentin! Die Ständige Impfkommission gibt ja in Abstimmung mit dem RobertKoch-Institut die Impfempfehlung. Der Freistaat Sachsen weicht jedoch davon ab. Es interessiert mich, warum der Freistaat Sachsen von dieser Empfehlung der Ständigen Impfkommission abweicht.
Ja, das ist richtig. Wir haben in der Ständigen Impfkommission noch die Sächsische Impfkommission. Für mich war das auch überraschend. Wir sind als Freistaat Sachsen die Einzigen in Deutschland, die noch eine Impfkommission haben. Aber ich glaube, dass sich das in den letzten Jahren bewährt hat; denn mein Vor-Vor-Vorgänger, damals noch Gesundheitsminister Geißler, hat Anfang der Neunzigerjahre diese Sächsische Impfkommission ins Leben gerufen.
An dieser Sächsischen Impfkommission sind überwiegend Kinderärzte beteiligt, die selber viele Jahre Impfungen vorgenommen haben und dadurch dort ihr ganzes Wissen mit einbringen. Hier hat man festgelegt, dass wir gegenüber der Empfehlung der Ständigen Impfkommission die erste Impfung bei Masern ab dem 12. Lebensmonat durchführen, also ab 2. Lebensjahr. Allerdings sei es die Empfehlung der Sächsischen Impfkommission, die zweite Impfung nicht im 2. Lebensjahr, sondern dann erst im vollendeten 5. Lebensjahr vorzunehmen. Der Hintergrund
dieser Abweichung bzw. die Empfehlung unserer Sächsischen Impfkommission ist, dass man mehr die Polsterung, also Auffrischung, im Blick hat, Auffrischung für das Thema Röteln und Windpocken, und deswegen die Empfehlung der Sächsischen Impfkommission, hier von der Ständigen Impfkommission abzuweichen. Für den Freistaat Sachsen hat sich das in den letzten Jahren positiv ausgewirkt, wenn man sich die Zahlen anschaut. Man sagt, dass man diese Empfehlung der Sächsischen Impfkommission, die zweite Impfung erst im 6. Lebensjahr vorzunehmen und nicht im 2. Lebensjahr, für sinnvoll und gut hält.
Es wurde gefragt, warum es diese Sächsische Impfkommission noch gibt. Es gibt sogar Beispiele, an denen man sieht, dass später die Ständige Impfkommission sogar unseren Empfehlungen gefolgt ist. Ich glaube, mit diesem beratenden Gremium sind wir hier im Freistaat Sachsen sehr gut aufgestellt.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin, dass Sie dieses Thema heute zusätzlich zu unserem Antrag auf die Tagesordnung gesetzt haben, den unsere Fraktion dann im weiteren Fortgang auch zum Thema auf der heutigen Tagesordnung hat.
Wie viele anerkannte Impfschäden sind Ihnen aus diesem bzw. dem letzten Jahr bekannt? Wann ist mit einem Ergebnis Ihrer Prüfung über die Nachweispflicht der empfohlenen Impfungen bei der Aufnahme in Kindertagesstätten und in Schulen zu rechnen? Wie stehen Sie selbst dazu?
Zu Ihrer zweiten Frage: Ich kann Ihnen noch kein abschließendes Datum nennen. Das wäre jetzt auch vermessen. In den beiden Häusern sind zu der Frage, wie man das Thema aufgreifen kann, Juristen im Gespräch. Sobald das Ergebnis vorliegt, werde ich darüber umgehend berichten.
Mir sind derzeit keine registrierten Impfschäden bekannt. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Nebenwirkungen bei der Impfung gegen Masern sehr gering sind: Rötung, leichte Schwellung, leicht erhöhte Temperatur. Ich habe die Zahl jetzt nicht hier und werde das gern mitnehmen.
Auch vonseiten der SPDFraktion vielen Dank für das Thema. Ich komme noch einmal kurz zu dem von Ihnen erwähnten Problem der Datengrundlage. Hier interessiert mich, ob es Verbesserungsbedarf gerade hinsichtlich der Daten bei der Impfung für Erwachsene gibt und welche Möglichkeiten bestehen, hier eine verbesserte Datengrundlage zu schaffen, die uns hilft, über Maßnahmen nachzudenken.
Die Kassenärztliche Vereinigung hat Daten der letzten fünf Jahre erfasst. Diese Daten wurden an die Landesuntersuchungsanstalt übermittelt. Die Landesuntersuchungsanstalt wertet diese Daten jetzt aus. Diese Auswertung dauert einige Zeit. Es handelt sich um anonymisierte Daten. Es werden Geschlecht und Alter herausgefiltert.
Auf der Grundlage dieser Daten werden wir unsere Werbeaufforderungsmaßnahmen ausrichten. Auch beim Thema Impflücken im Alter halte ich es für wichtig, auf belastbare Daten zurückgreifen zu können. Es wäre gut – aber das spricht gegen den Datenschutz –, wenn man personalisierte Daten vorliegen hätte. Das böte für den zu Impfenden einen weiteren Vorteil. Nach der Auswertung haben wir belastbare Daten, um genau sagen können, in welchen Jahrgängen der Impfschutz geringer ist und ob eventuell nachgesteuert werden muss.
Das Thema Gesundheitskarte ist ebenfalls eine wichtige Grundlage. Das möchte ich in der Gesundheitsministerkonferenz auf die Tagesordnung bringen, um es deutschlandweit mit den Kollegen zu besprechen. Hier halte ich es für wichtig, dass man dort neben den Notfalldaten auch die Impfdaten festhalten kann. Ich halte das für einen guten Schritt. Wir müssen schauen, ob es uns auch so gelingt.
Frau Ministerin, den vollständigen Impfschutz, beispielsweise gegen Masern, erlangt man nur dann, wenn man an der ersten und zweiten Schutzimpfung teilnimmt. Gibt es in Sachsen verlässliche Zahlen, die belegen, wie viele Kinder und Jugendliche an diesen Impfungen teilgenommen haben? Oft sind die Zahlen nach der ersten Impfung höher und nach der zweiten etwas geringer. – Danke.
Es ist in der Tat so: Nach der ersten Impfung ist eine Durchimmunisierungsrate von 95 % gegeben. Wir weichen mit unserer zweiten Impfung ab. Wenn wir uns deutschlandweit vergleichen, müssen wir uns die Zahlen genau anschauen. Im deutschlandweiten Vergleich wird oftmals nur die Schuleingangsrate herangezogen. Wenn man nur darauf schaut, merkt man, dass wir Sachsen uns deutlich unter dem Durchschnitt in Deutschland bewegen.
Bei uns steht die Aufforderung, sich in der 2. und der 6. Klasse gegen Masern impfen zu lassen, sodass wir die Durchimpfungsrate der 6. Klasse heranziehen müssen. Dann nähern wir uns im deutschlandweiten Vergleich wieder ein Stück an.
Ziel ist allerdings – das möchte ich hier auch sagen –, dass wir nicht erst bei der 6. Klasse den zweiten guten
Durchimmunisierungsstand haben möchten, sondern wir streben an, es noch ein Stück nach vorn zu verlegen.
Frau Ministerin, genau das ist das Problem. Was die Durchimpfungsrate angeht, sind wir deutschlandweit Schlusslicht. Es stellt sich die Frage, inwiefern das mit dem sächsischen Sonderweg, nämlich Impfung erst im sechsten Lebensjahr, zu tun hat. Sie haben eingangs beschrieben, dass die Sächsische Impfkommission die zweite Impfung erst im sechsten Lebensjahr empfiehlt und hier abweicht. Hier gibt es viel Kritik, auch von den Kinderärzten. Wie positionieren Sie sich zu dieser Kritik, dass die Durchimpfungsrate in Sachsen gesteigert werden könnte, wenn Sachsen die Zweitimpfung im 2. Lebensjahr empfiehlt?
Ich habe eingangs gesagt, die Sächsische Impfkommission ist für uns ein gut beratendes Gremium. Die Argumente, die dafür sprechen, halte ich für nachvollziehbar und realistisch. Die derzeitige Situation in Sachsen erfordert es aus meiner Sicht nicht, davon abzuweichen, sondern wir müssen bei dem deutschlandweiten Vergleich das sechste Schuljahr mit heranziehen.
Wenn ich mir die Masernimpfung des sechsten Schuljahres anschaue, liegen wir wieder im Deutschlandschnitt. Natürlich wäre es schön, wenn wir das von diesem sechsten Schuljahr noch ein wenig herunterbekommen würden. Aber zu sagen, wir gehen von der Empfehlung der Sächsischen Impfkommission ab und schließen uns der Ständigen Impfkommission an, halte ich aus der Entwicklung, die Sachsen auf dem Gebiet genommen hat, nicht für zielführend. Im Gegenteil, ich teile aus heutiger Sicht die Auffassung, die die Sächsische Impfkommission für Sachsen vorgeschlagen hat.
Wir können jetzt den zweiten Themenkomplex hinzunehmen. Es beginnt wieder die CDU; Herr Abg. Wehner.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich bleibe noch beim Thema Impfen. Wir haben das Thema Impfen heute noch einmal auf der Tagesordnung. Von der Fraktion DIE LINKE wird gefordert, dass unverzüglich eine Kampagne für das Impfen gestartet werden müsse. Das suggeriert, dass der Freistaat nichts getan habe, was das Impfen betrifft. Sie haben eben schon auf den Impfkalender Bezug genommen. Mich würde noch einmal interessieren, welche weiteren Kampagnen es bereits im Freistaat gibt, die die Impfbereitschaft forcieren sollen.
Zum einen habe ich auf verschiedene Kampagnen hingewiesen: „Impf, mei Sachse, impf“ und die Werbemaßnahmen in Bussen und Bahnen. Das zieht sich durch die letzten Jahre hindurch. In diesem Jahr
haben wir begonnen, die 6. und 9. Klassen gezielt aufzufordern, weil wir dort Impflücken feststellen.
Es ist unser Bestreben, dass Betriebsärzte stärker eingebunden werden, bei Untersuchungen von Erwachsenen auf das Thema Impfen hinzuweisen. Die Gesundheitsämter kommen ihrer Verantwortung hervorragend nach, die Kinder- und Jugendärzte auch. Ich denke, beim Thema Impfen sind wir in unserem Freistaat auf einem sehr guten Weg, was die Aufklärungsmaßnahmen betrifft.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Auf dem Impfkalender, den Sie herausgegeben haben, geben Sie Informationen zum Schutz gegen Polio. Zuletzt wird hier darauf hingewiesen, alle zehn Jahre die Auffrischimpfung und Vierfachimpfung gegen Poliomyelitis vorzunehmen.
Ist Ihnen bekannt, dass unter der Ärzteschaft die Auffassung vertreten wird, diese Impfung sei nicht mehr erforderlich, da die Erkrankung an Poliomyelitis, also Kinderlähmung, ausgerottet sei? Und wenn, was wollen Sie tun, damit die Ärzte hierzu ihre Auffassung ändern?
Die Ärzte können erst einmal unterschiedliche Auffassungen haben. Ich gehe jetzt davon aus, dass es Kinderärzte gibt, die die eine Impfung stärker in den Blick nehmen und eine andere Impfung vielleicht weniger empfehlen. Da würde ich jetzt auch nicht für alle Ärzte sprechen wollen, weil ich glaube, dass jeder Arzt seine eigene Auffassung dazu hat.
Dieser Impfkalender ist in Zusammenarbeit mit der Sächsischen Impfkommission erarbeitet worden, und unser beratendes Gremium ist die Sächsische Impfkommission. Sie setzt sich zusammen aus zwölf Fachkundigen. Genau an diese Empfehlung halte ich mich, weil das die Empfehlung ist, die durch Fachleute heute erarbeitet wird.
Ich stelle auch noch eine Frage zum Impfen. Wir sind uns alle einig, dass Beratung und Aufklärung ein wichtiger Bestandteil im Umgang mit dem Thema sein muss. Mich interessiert: Wer berät neben den Kinderärzten und Hausärzten, die natürlich wichtige Instanzen sind, in Sachsen? Gibt es dafür innerhalb von Präventionsstrategien Ansatzpunkte und Ressourcen oder ist hier von Handlungsbedarf auszugehen?
Die Beratung zum Impfen erfolgt natürlich in den Gesundheitsämtern und in erster Linie bei den Kinder- und Jugendärzten, wie jetzt schon mehrfach ausgeführt. Die Gesundheitsämter nutzen jede Möglichkeit, wenn zum Beispiel Belehrungen von Beschäftigten
zum Umgang mit Lebensmitteln durchgeführt werden. Dort achtet man immer auf das Thema Impfen. Der Impfausweis muss dabei vorgelegt werden. Die Betriebsärzte – das hatte ich schon ausgeführt – sollten aus meiner Sicht stärker ins Boot genommen werden, um bei den Erwachsenen das Bewusstsein für das Thema Impfen zu schärfen. Ich glaube, wir sollten alle Ressourcen, die uns jetzt zur Verfügung stehen, stärker nutzen. Dafür ist die Impfdatenbank eine wichtige Grundlage, um zielgerichtet die zur Verfügung stehenden Steuergelder einzusetzen. Ich gehe davon aus, dass die vorhandenen Ressourcen gegenwärtig ausreichen, aber sicher noch ein Stück besser genutzt werden müssen.
Frau Ministerin, Sie haben sehr viel zum Thema Aufklärung gesagt. Inwiefern sieht sich das Ministerium denn in der Pflicht, die Aufklärungsarbeit im Bereich des öffentlichen Gesundheitsdienstes zu verstärken, was gerade die Schulen, Elternabende und Kindertagesstätten betrifft? Werden Sie dafür zusätzliche Ressourcen bereitstellen?
Ich gehe nicht davon aus, dass dafür zusätzliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Ich gehe vielmehr davon aus, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal genutzt werden. Das machen die Gesundheitsämter in hervorragender Weise. Darauf sollte man den Blick stärker richten. Kinder- und Jugendärzte – das habe ich mehrfach ausgeführt – kommen ihrer Verantwortung dabei sehr gut nach. Ich glaube, die zur Verfügung stehenden Ressourcen müssen optimal eingesetzt werden.
Wenn es gestattet ist, würde ich vom Impfen zu dem zweiten angekündigten Thema überleiten, dem Heimkinderfonds.