Protocol of the Session on June 19, 2014

(Beifall bei der NPD)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen der Fraktionen vor. Dann hat jetzt die Staatsregierung das Wort; Frau Ministerin Clauß.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zum vorliegenden Gesetzentwurf nehme ich wie folgt Stellung:

Erstens. Mit der Grundgesetzänderung von 2002 wurde der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz verankert und nach Artikel 20 a Grundgesetz schützt der Staat die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung. Das heißt, alle drei Staatsgewalten werden dadurch gebunden – die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und auch die Rechtsprechung – und müssen dies bei der Auslegung und Anwendung des geltenden Rechts beachten. Es existiert also eine ausreichende Grundlage, die tierschutzrechtlichen Normen auch ohne Verbandsklagerecht wirksam umzusetzen.

Zweitens. Der hier vorgelegte Entwurf geht weit über das Verbandsklagerecht in anderen Rechtsgebieten und über das Tierschutzverbandsklagerecht anderer Länder hinaus. Der vorgelegte Gesetzentwurf sieht in allen Fällen nicht nur die Feststellungsklage, sondern auch die Anfechtungs-

und Verpflichtungsklage vor. Dies führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit für die betroffenen Bürger; denn die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage hat aufschiebende Wirkung.

Die Bundesländer sind oft genannt worden: In Bremen ist das Klagerecht auf eine Feststellungsklage beschränkt und in Nordrhein-Westfalen ist bei Genehmigung für Tierversuche ebenfalls nur die Feststellungsklage möglich. Die Verzögerung betreffend, bleibt über Jahre unklar, ob die Antragsteller eine Genehmigung bekommen oder nicht. Es ist unverständlich, warum in Sachsen so weitgehend in die Rechte der Betroffenen eingegriffen werden soll.

Drittens. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Beteiligungs- und Anhörungsrechte sind unverhältnismäßig. Die geforderte Beteiligung der Tierschutzvereine sogar bei Gefahrenabwehrmaßnahmen nach § 16 a des Tierschutzgesetzes stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Betroffenen dar. Außerdem verzögern sie auch hier das Eingreifen der Behörde. Sogar wenn Schmerzen, Leiden oder Schäden bei Tieren bei einer Kontrolle festgestellt werden, kann nicht sofort eingeschritten werden, sondern es müssen Tierschutzvereine beteiligt werden. Dies geht zulasten des Tierschutzes und kann nicht unterstützt werden.

Die Verpflichtung, dass die Behörden von sich aus die anerkannten Tierschutzvereine beim Erlass von Erlaubnissen und Anordnungen beteiligen müssen, ist eine personell nicht zu leistende Belastung der Kommunen. Zudem handelt es sich um eine neue Aufgabe für die Kommunen, die ausgleichspflichtig wird.

Aus all den genannten Gründen kann ich dem Sächsischen Landtag die Annahme des Gesetzes nicht empfehlen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung, wenn es keinen Redebedarf mehr gibt. Es liegen keine Änderungsanträge vor. Wir stimmen ab über das Sächsische Gesetz über das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine, Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE, und zwar paragrafenweise.

Ich beginne mit der Überschrift. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer ganzen Reihe von Stimmen dafür ist dennoch die Überschrift mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe auf § 1 Anwendungsbereich. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Auch hier eine Reihe von Stimmen dafür. Dennoch ist § 1 mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe auf § 2 Anerkennung von Tierschutzvereinen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer

enthält sich der Stimme? – Gleiches Abstimmungsverhalten. Mit einer ganzen Reihe von Stimmen dafür wurde § 2 mehrheitlich abgelehnt.

§ 3 Mitwirkungsrecht. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Reihe von Stimmen dafür ist § 3 dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.

§ 4 Rechtsbehelfe der anerkannten Vereine. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Auch hier gleiches Abstimmungsverhalten. § 4 wurde mehrheitlich abgelehnt.

§ 5 Inkrafttreten. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist

dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Auch hier ist bei Stimmen dafür § 5 mit Mehrheit abgelehnt worden.

Da alle Paragrafen abgelehnt wurden, erübrigt sich eine Gesamtabstimmung. Der Tagesordnungspunkt ist damit beendet.

Meine Damen und Herren! Ich unterbreche jetzt die Sitzung für eine Stunde. Ich hoffe, dass das für die Präsidiumssitzung ausreichend ist, und bitte die Präsidiumsmitglieder, sich jetzt zusammenzufinden.

(Unterbrechung von 13:27 bis 14:32 Uhr)

Meine Damen und Herren, ich beende die Unterbrechung – die Tagungsleitung ist vollständig – und wir fahren in der 99. Sitzung des 5. Sächsischen Landtages fort.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 4

Medizinischer Sicherstellungsauftrag und Praxis

der medizinischen Versorgung im Freistaat Sachsen

Drucksache 5/13375, Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE,

und die Antwort der Staatsregierung

Meine Damen und Herren! In der Reihenfolge der Aussprache spricht zunächst einmal die Einbringerin der Großen Anfrage, die Fraktion DIE LINKE, danach die CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abg. Lauterbach. Frau Lauterbach, bitte; Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Die Große Anfrage zur medizinischen Sicherstellung und Praxis der medizinischen Versorgung im Freistaat Sachsen beschränkt sich im Wesentlichen auf die ambulante medizinische Versorgung; sie ist zu diesem Thema nicht unsere erste Große Anfrage und nicht die erste Debatte zum Thema medizinische Versorgung.

Die von uns gestellten Fragen wurden im Februar 2014 beantwortet. Das heißt, es liegen uns – soweit vorhanden – ganz aktuelle Zahlenwerte auf der Grundlage einer aktuellen neuen Bedarfsplanungsrichtlinie vor. Wir als Fraktion haben über viele Jahre auf den kommenden und drohenden Ärztemangel aufmerksam gemacht. Nun haben Sie als Regierung – die noch fehlt – doch eingesehen, dass Sie gegensteuern müssen.

(Staatsminister Sven Morlok: Ich bin doch da!)

Hauptursachen sind die zunehmende Überalterung der Ärzteschaft, der demografische Wandel sowie der nicht ausreichende ärztliche Nachwuchs. Neue Berechnungsgrundlagen reichen dabei jedoch nicht aus.

Ich möchte mich im Namen meiner Fraktion bei den Ärztinnen und Ärzten und allen an der medizinischen Versorgung Beteiligten, die durch ihr überdurchschnittliches Wirken noch eine gute Qualität im Gesundheitssektor sicherstellen können, bedanken.

(Beifall bei den LINKEN)

Wie lange können sie das noch leisten?

Sehen wir uns nun die einzelnen Antworten etwas genauer an, vergleichen wir einige Arztgruppen: Im Vergleich zu 2005 gibt es 2014 38 Hausärzte weniger. Bei Kinderärzten fehlen 49 Ärzte. So verwundert es nicht, dass ein speziell für die Versorgung von Kindern ausgerichteter Bereitschaftsdienst nicht flächendeckend vorgehalten werden kann. Bei Fachärzten gibt es geringe Steigerungen bei Augenärzten, Orthopäden und Urologen – sicherlich gerade wichtige Zweige, und das wollen wir durchaus anerkennen.

Das ist bei einer älter werdenden Gesellschaft keine ausreichende Entwicklung. Sie wissen ja, dass beim Älterwerden Sachsen spitze ist.

Die neue Bedarfsplanung weist nur sehr wenige Problemregionen auf, zum Beispiel fehlende Nervenärzte in Stollberg, Weißwasser, Rochlitz und Großenhain und fehlende Augenärzte in Döbeln, Weißwasser, Reichenbach im Vogtland und Niesky. Eine wirkliche Unterversorgung gibt es nur bei Augenärzten in Döbeln und bei Kinder- und Jugendpsychiatern in der Region Oberlausitz/Niederschlesien. Fast alle Landkreise sind jedoch mit Zulassungsbeschränkungen belegt. Das ist die neue Qualität der Bedarfsplanung im ländlichen Raum.

Man kann natürlich, werte Abgeordnete, in den Antworten der Staatsregierung noch sehr viel mehr lesen. Es gibt in Sachsen viele freie Arztsitze, aber keine weitere Unterversorgung. So fehlen insgesamt 222,5 Hausärzte – eine beträchtliche Zahl. Es gibt in Dresden zum Beispiel 23 fehlende Hausärzte. In Annaberg, Radeberg, Borna und vielen anderen kleinen Städten fehlen keine Hausärzte.

Wo liegen die Ursachen für diese Fehlentwicklung? Liegt die Ursache im neuen Demografiefaktor, der einen höheren Bedarf an vertragsärztlicher Versorgung besonders im ländlichen Raum begründen soll und damit aber eher die Städte wieder für Arztansiedlungen öffnet?

Es fehlen auch noch zehn Augenärzte, 43 Physiotherapeuten, 12 Kinder- und Jugendpsychiater. Insgesamt gibt es 312,5 freie Arztsitze und 40,5 freie Sitze für ärztliche Psychotherapeuten – aber keine Unterversorgung.

Was mich wundert – einmal aus der Praxis gesprochen –: Es fehlen kaum Orthopäden. Haben Sie schon einmal versucht, in Sachsen einen Termin beim Orthopäden zu bekommen? Das ist eine Tagesaufgabe und anschließend ein Tagesausflug, sollte man einen Termin ergattern – das ist für dieses Jahr aber nicht mehr möglich. Der Sicherstellungsauftrag ist durch unverhältnismäßig lange Wartezeiten für einen ärztlichen Termin und lange Anfahrtswege zu den ärztlichen Praxen gefährdet. Die Terminvermittlung der Krankenkassen für ihre Mitglieder funktioniert nur bei den wenigsten gesetzlichen Kassen und kann nur ein Notfallbehelf sein. Der Terminservice der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen funktioniert – dafür vielen Dank an die Kassenärztliche Vereinigung.

(Beifall der Abg. Marion Junge, DIE LINKE – Staatsministerin Christine Clauß: Es geht um den Sicherstellungsauftrag!)

Das macht sie ja auch, das ist okay, ich habe es probiert.

Der 117. Deutsche Ärztetag stellt einige Forderungen an die Staatsregierung, zum Beispiel die Erhöhung der Studienplatzzahlen oder die Stärkung der Allgemeinmedizin im Studium. Der Ärztetag stellt aber auch mit Besorgnis fest, dass Defizite entstehen beim Wechsel von ambulanter zu stationärer Versorgung und umgekehrt. Hier sollten wir in unser Nachbarland Brandenburg sehen, wo inzwischen mehr als 60 Gemeindeschwestern diese Lücken schließen helfen.

Werte Damen und Herren, die Kassenärztlichen Vereinigungen haben entsprechend den Bedarfsplänen alle geeigneten finanziellen und sonstigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu gewährleisten, zu verbessern oder zu fördern. Die KV Sachsen kann zur Finanzierung einen Strukturfonds bilden. Zur Absicherung der ambulanten ärztlichen Versorgung wurden einige Maßnahmen ergriffen: ob es die Anwerbung von ausländischen Ärzten ist, die finanzielle Unterstützung von Medizinstudenten, wenn sie in den ländlichen Raum gehen, oder das Stu

dium für Hausärzte in Ungarn. Es greift alles nicht so richtig und es wird zukünftig nicht ausreichen.