Protocol of the Session on June 19, 2014

Dieses neue Steuerungsmodell erfordert aber qualitativ bessere Informationen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer umfassenden integrierten Reform des öffentlichen Rechnungswesens. Ich glaube, Kollege Scheel, dass uns diese Grundannahme nicht unterscheidet: die Notwendigkeit besserer Information zur Steuerung im kommunalen Bereich und überhaupt im öffentlichen Bereich, also auch im staatlichen Bereich und im Bund. Auf EUEbene kann ich das nicht so beurteilen.

Jetzt gibt es zwei Verfahren. Bisher haben wir ein kameralistisches Verfahren, eine ausgabenorientierte Steuerung mit teilweise rudimentären Informationen, also eine Input-Steuerung. Wir wollen zu einer Output-Steuerung übergehen, die wir an Zielen und Produkten formulieren.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit einschieben: Warum wir von „Produkten“ im öffentlichen Sektor sprechen, erschließt sich mir nach wie vor nicht. Er ist ein Dienstleistungsbereich. Produziert wird woanders. Ich halte diese Wortwahl für grundhaft falsch, aber sie zieht sich

nun einmal überall durch. Dass wir von „Produkten“ sprechen, zeigt auch, dass wir anscheinend die Anerkennung benötigen, die unsere produzierende Industrie und das Handwerk haben. Das mag sein. Wir wollen das auch anerkennen. Ich würde es „Dienstleistungen“ nennen. – Exkurs zu Ende.

Nun hatten wir bisher ein Geldverbrauchskonzept, und wollen zu einem Ressourcenverbrauchskonzept übergehen. Dazu können wir entweder die Kameralistik erweitern oder die Doppik einführen. Diese beiden unterschiedlichen Systeme sind auch zwischen den Ländern, innerhalb eines Landes und auch zwischen den Ebenen innerhalb eines Landes unterschiedlich eingeführt und erschweren deutlich die Vergleichbarkeit. Sie geben so auch nicht die Möglichkeit eines Benchmark-Vergleichs, also eines Vergleichs der besseren, der effizienteren Lösung.

Die erweiterte Kameralistik beruht nach wie vor auf dem Kassenwirksamkeitsprinzip mit der Ausnahme, dass Abschreibungen und Rückstellungen in der Regel nicht kontinuierlich, aber immerhin dann doch – als Ersatzinvestitionen zum Beispiel – im Vermögenshaushalt erfasst werden.

Die Doppik richtet sich nach dem Verursacherprinzip. Sie bildet den Ressourcenverbrauch ab. Sie ist systematisch, sie ist konsequent. Sie ist ein geschlossenes System. Sie berücksichtigt die Zukunftslasten. Ich meine, es ist viel einfacher. 80 Millionen Menschen haben damit zu tun. Zwei Millionen Menschen im öffentlichen Dienst haben mit der Kameralistik zu tun. Vielleicht sollten wir uns dort annähern und den Weg in die Doppik finden.

Dieser Weg ist bisher sehr mühsam gewesen, weil man grundhaft über Generationen im öffentlichen Bereich immer anderes gelernt hat. Aber der Umstieg ist technisch einfach: Die EDV baut sowieso auf Doppik auf. Wir haben beispielsweise SAP-Systeme in der Staatsverwaltung, und im Hintergrund läuft immer die Doppik. Darüber liegt beispielsweise ISPS, aber die Doppik ist Grundlage der Daten, die wir im Freistaat haben.

Ich nenne ein Beispiel, damit der geneigte Leser unserer Mitschrift nachher weiß, worum es geht: Wenn wir im Dezember Vorräte an Heizöl kaufen, diese aber erst im Januar, im Februar oder im März verbrauchen, ist es nicht zielführend, wenn wir den Kauf des Heizöls im Dezember als Ausgabe und auch als Aufwand und als Kosten buchen, sondern ein Aufwand entsteht erst, wenn man das Heizöl verbraucht, also in den nächsten Monaten.

Kollege Scheel hat Gebäude angesprochen, die einem Verschleiß unterliegen. Gebäude werden bezahlt, wenn sie gebaut werden, aber ihr anschließender Verschleiß wird nicht mehr berücksichtigt. Ebenso ist es bei Pensionsrückstellungen. Da ist das Thema schon ernster. Bei den Pensionsrückstellungen haben wir uns in Deutschland eine implizite Schuld aufgebaut, die die explizite Schuld, also die Schuld, die wir am Kapitalmarkt aufgenommen haben, um das Doppelte übersteigt. Dies sichtbar zu machen ist eine ganz wesentliche Aufgabe auch der Doppik. Darum brauchte es eigentlich keines Wahlrech

tes. Man hat sich allerdings erst sehr spät geeinigt. So ist dieses ganze mühsame Verfahren in Gang gekommen.

Das Problem bei der Einführung: Den Kommunen fehlen für eine optimale Steuerung und Koordinierung die notwendigen Informationen – ich habe eben schon darauf hingewiesen –, die zudem auch nach sehr unterschiedlichen Regeln aufzuarbeiten sind. Beispielsweise haben die Kommunen in Nordrhein-Westfalen zwölf bis 18 Monate benötigt, um sich auf Doppik umzustellen. In den Großstädten hat das drei bis vier Jahre gedauert.

Das Problem, wie ich es sehe und über die Jahre verfolgt habe, ist: Statt es einfach zu machen oder statt es einfach zu machen – ich betone einmal „einfach“ und einmal „machen“ –, haben wir geglaubt, die Welt müsse neu erfunden werden. Das haben auch alle Länder und alle Kommunen in ihren Bereichen gemacht. Überall wurde Doppik neu erfunden. Es gibt keinen bundesweit einheitlichen Produktrahmen oder Dienstleistungskatalog. Wir haben Richtlinien entwickelt. Daraus sind insbesondere Umstellungskosten entstanden, weil wir auch nicht übernommen haben, was andere machen. Man hat sich vieles angeschaut, es ist aber nicht bundesweit einheitlich eingeführt worden.

Das ist vielleicht der Nachteil eines föderalen Systems, aber auch ein Beschäftigungsprogramm im öffentlichen Dienst. Wenn ich sehe, wie in einer Steuerberaterkanzlei oder beispielsweise bei einem Wirtschaftsprüfer zum Thema Doppik oder Bewertungen Unterlagen liegen und wie viel in meinen Augen mehr der Schriftverkehr und der Ordnungsrahmen mittlerweile heute in den Amtsstuben ausmacht, dann denke ich, wir haben vielleicht auch einiges überreguliert, anstatt uns nach dem schon vorhandenen und klug über Jahrzehnte, weit über hundert Jahre entwickelten doppischen Rahmen in der Wirtschaft zu richten.

Die Doppik wurde also neu erfunden mit eigenen Regelungen, mit speziellen Ergänzungen. Man muss auch ein bisschen etwas anpassen. Das hat also gedauert, und die Änderungen in der Finanzsituation der Kommunen kommen mit einer Doppik endlich aber einmal zur Darstellung. Eine Transparenz kommt hinein. Aber es muss sich eines verändern – und da unterscheiden wir uns jetzt in unserem Ansatz –: das Verhalten. Also nicht nur, dass wir mit Doppik Transparenz schaffen, das Verhalten muss sich ändern – nicht nur das Verhalten zur Doppik, sondern das Verhalten mit der Doppik.

Wir haben beispielsweise den Kämmerer der drittgrößten Stadt im Freistaat gehört, der zu der Entscheidung, ob man ein Stadion baut, sagte: Hätte ich Doppik, hätte ich es nicht machen können. Jetzt habe ich noch Kameralistik, jetzt kann ich es tun. Hätte ich Doppik, hätte ich es nicht machen können, weil dann deutlich geworden wäre, was für Kosten infolge einer solchen Entscheidung entstehen. Mir ging es jetzt nicht um das Stadion, nur um das Denken, das dahintersteht. Dann hätte ich die Kosten dieser Entscheidung gesehen und vielleicht keine Geneh

migung bekommen, wenn man die Folgekosten gesehen hätte. Die werden ja bisher nicht ausgedrückt.

Herr Scheel, Sie haben jetzt das Problem der Bewertung angesprochen – von Liegenschaften, von Kunstwerken, von Straßen, von anderen Dingen. Das ist, glaube ich, ein sehr temporäres Problem, eine Frage des Umgangs. Man könnte sich darauf verständigt haben, ganz einheitlich im Freistaat zu sagen: Wir bewerten beispielsweise Kunstwerke nicht, weil wir sie nicht verkaufen wollen. Die Frage der Beleihungswerte, also der Bewertung von Vermögenspositionen, ist aber doch nicht die Steuerungsgröße. Die Steuerungsgröße, die eigentlichen Aktiva, das eigentliche Vermögen eines öffentlichen Haushaltes ist die Steuer- und Wirtschaftskraft, ist der ausgeglichene Haushalt. Die Steuerung geht nicht danach, wie wir die Bilanz-Aktiva erhalten oder abschreiben müssen. Das Vermögen sagt nichts aus über die Konsolidierungsoptionen, die eine Gemeinde oder ein öffentlicher Haushalt hat.

Ich möchte zum Schluss dazu aufrufen, dass wir bitte nicht weiter die Einführung der Doppik verzögern.

(Lachen bei den LINKEN)

Es ist bislang ausreichend Zeit gewesen. Es ist auch noch ausreichend Zeit mit den neuerlich zugestandenen Fristen bis 2016.

Wir haben bereits seit 1996 eine Experimentierklausel für das kommunale Haushaltsrecht eingeführt. Damals war das noch mit einem Wahlrecht verbunden. Das war möglicherweise nicht richtig. Da war ich aber nicht dabei. Wir hatten – wie Sie, Herr Scheel, schon dargestellt haben – 2003 die Beschlüsse der Innenministerkonferenz. Jetzt schreiben wir das Jahr 2014 und geben noch einmal bis 2016 Zeit. Kommunen in anderen Gegenden haben deutlich gemacht, dass es geht, wenn man es will.

Wollen wir ehrlich sein: Es ist die Angst vieler Kämmerer, alles offen zu machen und der Öffentlichkeit zu verdeutlichen, wie es um die Kassenlage, die Finanzsituation und den zukünftigen Finanzbedarf eigentlich aussieht. Das ist in meinen Augen das eigentliche Problem, die Angst um den doppischen Haushaltsausgleich. Sie haben darauf hingewiesen. Das treibt die Kämmerer um. Das kann aber nicht der Grund dafür sein, die Doppik nicht schnellstmöglich einzuführen. Das kann höchstens der Grund dafür sein, dass wir in den Richtlinien, wie Haushalte zu bewerten sind, eine entsprechende Vorgabe machen, wie wir mit möglicherweise nicht ausgeglichenen doppischen Haushalten umgehen, da nun endlich die Verschuldungssituation richtig zum Ausdruck kommt.

Erst der Ausweis der tatsächlichen Lage kann zu einer nachhaltigen Konsolidierung führen. Erst dann können wir eine angemessene Leistung entwickeln, um aus der Lage herauszukommen. Dazu brauchen wir die Konzentration auf Kernprozesse der öffentlichen Verwaltung und auf das, was notwendig ist. Und auch dann können wir die vielen ausgegliederten Aufgabenbereiche organisch

verknüpfen.

In meinen Augen ist die Doppik des Weiteren Voraussetzung für eine interkommunale Kooperation, für eine Zusammenarbeit von Kommunen, für eine faire Preisermittlung, für ein Benchmark, für Vergleiche, die notwendig sind, um Effizienzreserven zu erkennen und zu heben.

Und erst die Doppik zeigt die dritte Verschuldungsgröße, nämlich die des Instandhaltungsbedarfs, die der unterlassenen Instandhaltung, die, nachdem wir die explizite Verschuldung im Freistaat begrenzt haben und die implizite Verschuldung mit Rücklagen ausgleichen, bislang auf Landesebene nicht dargestellt wird.

Zusammenfassend ist für uns die Doppik ein nachhaltiges Instrument. Das ist Nachhaltigkeit, wie sie von Carlowitz vor 300 Jahren in Chemnitz-Rabenstein grundhaft beschrieben hat. Sie ist ein nachhaltiges Instrument, weil die Wirkungszusammenhänge abgebildet werden, weil nicht nur ein Ziel, sondern viele Ziele zusammengefügt werden, beispielsweise die Ausgabensteuerung verbunden mit den Investitionen, verbunden mit der Schuldenbetrachtung und den Pensionslasten, die daraus entstehen.

Kurzfristige Konsolidierungserfolge erwarten wir mit der Doppik nicht, aber die Grundlage haben wir gelegt. Konsolidierungserfolge können nur langfristig erreicht werden, weil sich Verhalten und Denken verändern müssen.

Die Doppik ist gerecht, auch sozial gerecht, denn sie ist generationengerecht. Sie bewertet ehrlich auch in Bezug auf die Mitarbeiter, die damit zu tun haben – also alle im öffentlichen Dienst Beschäftigten, weil sie eine Steuerung nach Zielen ermöglicht –, eine Steuerung, die leistungsorientiert ist und den Mitarbeiter einer Leistungsbeurteilung unterziehen kann, der er sich stellen kann. Seine Leistung wird sehr viel deutlicher.

Die Doppik bindet letztlich den Bürger und die Kommune zusammen. Das Versteckspiel, das man gelegentlich bei der Kameralistik sieht, hört auf. Es ist ein gleiches Denkmodell im öffentlichen Sektor wie bei Bürgern. Es ist bundesweit durchzusetzen.

Ich bitte darum, den Antrag abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP – Beifall bei der Staatsregierung)

Vielen Dank, Herr Patt. – Herr Scheel, Sie wünschen?

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Eine Kurzintervention!)

Bitte sehr.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herr Patt, ich kenne das langsam. Ich kenne das, wenn Herr Prof. Beermann zu uns kommt und mit uns darüber spricht, wie toll die Personalflexibilisierung funktioniert. Wenn es darum geht, wenn etwas in der CDU oder bei der Staatsregierung nicht funktioniert, dann

alle Leute besoffen zu quatschen, da sind Sie wirklich ganz großartig. Sie haben auch ganz großartig zu der Frage des Anspruchs der Doppik gesprochen. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber zu der Frage der Wirklichkeit und der Umsetzungsprobleme haben Sie kein Wort verloren.

Seit sechs Jahren gibt es eine gesetzliche Grundlage. Sie sind, verdammt noch mal, eine regierungstragende Fraktion, zu der Sie, Herr Patt, gehören. Und dann erzählen Sie: Das muss jetzt aber schneller gehen, ich stelle mir das irgendwie anders vor.

Da bekomme ich wirklich Angst um dieses Land. Das muss ich Ihnen sagen. Ich erwarte natürlich, wenn man eine Gesetzesgrundlage und die rechtlichen Maßgaben wie eine Mittelbehörde und die Landesdirektion mit theoretischen Durchgriffsrechten hat, dass man handelt, wenn man Fehlstellen entdeckt. Aber zu denen haben Sie sich gar nicht geäußert.

(Staatsminister Markus Ulbig: Dazu habe ich noch Gelegenheit!)

Was die Doppik alles Schönes kann, ist mir bekannt, auch das, was sie wollte. Darauf weisen wir hin. Ich bitte Sie, in den Antrag hineinzuschauen, bevor Sie sich da vorn hinstellen und zu dem Antrag reden. Ich frage: Was ist denn eigentlich der Umsetzungsstand? Da bitte ich Sie auch, den Rechnungshofbericht zur Grundlage zu nehmen, der sehr deutlich Kritik geäußert hat, und nicht um die Probleme herumzureden, sondern sich den Problemen zu stellen. Das ist zumindest noch die nächsten zwei oder drei Monate Ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit als regierungstragende Fraktion.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Patt, Sie möchten erwidern?

Herr Scheel, ich habe deutlich gemacht, dass wir in der grundhaften Überzeugung von der Doppik anscheinend nicht voneinander abweichen, wohl aber in der Frage der Dringlichkeit, dass sie endlich umgesetzt wird. Die Kommunen haben sich am 12.09.2005 in Sachsen eindeutig darauf verständigt, die Doppik einzuführen.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Sie haben ein Gesetz gemacht!)

Jetzt sind wir im Jahr 2014. Dass das zehn Jahre dauern kann, kann ja wohl nicht sein. Wir haben einen Fahrplan aufgestellt. Dieser wurde bereits 2003 auf den Weg gebracht. Darin stand genau – das können Sie alles lesen –, dass im Jahr 2008 ein Richtlinienkatalog verabschiedet werden soll. Dieser ist auch verabschiedet worden.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Der Landtag hat ein Gesetz gemacht!)

Er ist nämlich mit der kommunalen Ebene und dem Rechnungshof zusammen erarbeitet worden. Außerdem

haben wir fristgerecht ein Gesetz vorgelegt. Genau wie es in dem mit den Kommunen erarbeiteten Fahrplan stand, ist es zeitlich abgearbeitet worden.