Protocol of the Session on June 18, 2014

Das hat dazu geführt, dass sehr viele Beschäftigte im Laufe der Jahre demotiviert mit ihren Aufgaben umgegangen sind, weil sie permanent von Stellenabbauplänen, von Zusammenlegungen von Behördenstandorten, von Verwaltungsreformen, Funktionalreformen und was wir alles an Reformen und Reförmchen durchgeführt haben, betroffen waren. Ich muss ehrlicherweise als jemand, der in einer Zeit, in der wir mit der CDU regiert haben, dem Lenkungsausschuss der Verwaltungs- und Funktionalreform angehört hat, sagen, dass ich heute, liebe Petra Köpping, manches anders entscheiden würde.

(Eva Jähnigen, GRÜNE: Was denn?)

Ja, das eine oder andere.

(Unruhe bei den GRÜNEN – Eva Jähnigen, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Widerspruch bei der CDU)

Das heißt also, wir müssen uns der Anstrengung stellen, die zu erledigenden Aufgaben einer gründlichen Prüfung zu unterziehen, und zwar nicht nur unter dem Gesichtspunkt der zur Verfügung stehenden Finanzmittel.

Herr Brangs, möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Aber gern.

Danke. Welches eine oder andere würden Sie, Herr Kollege Brangs, bei der Verwaltungs- und Funktionalreform jetzt anders entscheiden?

Ich denke, dass wir bei der Übertragung von Aufgaben an die Landkreise und kreisfreien Städte nicht das erreicht haben, was wir eigentlich erreichen müssten, um eine funktionierende Kommunalverwaltung möglichst bürgernah an den Menschen zu organisieren.

(Dr. Monika Runge, DIE LINKE: An den Menschen!)

Für die Menschen, für die Menschen, vielen Dank.

Das wäre ein Beispiel. Möchten Sie weitere Beispiele hören?

(Eva Jähnigen, GRÜNE: Gern!)

Dann müssen Sie eine Zwischenfrage stellen.

(Lachen des Abg. Mario Pecher, SPD)

Jetzt ernsthaft, das Thema ist wichtig genug. Aus der Erfahrung möchte man die eine oder andere Entscheidung zur Zusammenlegung von Dienststellen und der Übertragung von Aufgaben hinterfragen, ob dort Kosten und Nutzen und das von mir selber gerade beschriebene Qualitätsmerkmal der Beschäftigten der richtige Ansatz waren bis hin – und das ist nichts Neues – zum Thema Polizeireform, bei dem wir uns einer Zielgröße verschrieben haben. Auch darüber gab es schon Debatten, ob die Zielgröße die richtige war. Wir haben heute viele Erfahrungen. Es ist aber so, dass wir damals anders entschieden haben. Da stehle ich mich nicht aus der Verantwortung. Das haben wir damals so mitgetragen.

Es geht mir darum, eine Debatte zu führen, welche Auswirkungen das für die Beschäftigten, aber auch für die Menschen, die im Freistaat Sachsen leben, hat. Was die Personalpolitik in Schulen anbelangt, sind Eltern, Schüler und Lehrer gerade ganz aktuell davon betroffen. Es ist immer noch nicht geklärt, ob mit den Lehrerstellen, die jetzt zusätzlich geschaffen worden sind, die Aufgaben bewältigt werden können. Ich könnte die Verfahrensdauer

an den Sozial- und Verwaltungsgerichten und auch das Thema innere Sicherheit anführen.

Meiner Fraktion geht es darum, die Debatte darüber zu führen, was uns ein funktionierender und leistungsfähiger öffentlicher Dienst wert und wie wichtig er für die Gesellschaft und das Gemeinwohl ist. Derzeit haben viele Bürgerinnen und Bürger mehr Erwartungen an die Leistungen, die der öffentliche Dienst erbringen soll. Das ist nicht nur im Bereich der inneren Sicherheit so. Deshalb geht es im Kern darum, dass wir eine Abkehr von rein kostenorientierter Personalpolitik wollen.

Wir wollen eine langfristige aufgabenbezogene und nachhaltige Personalplanung. Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt und ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Nächste Rednerin ist Frau Jähnigen für die GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen, besonders von CDU und FDP, ich weiß, Sie hören es nicht mehr gern, dass wir erneut über die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes in Sachsen reden müssen. Die Demonstranten heute früh vor dem Landtag wären vermutlich auch lieber zur Arbeit gegangen, als immer wieder auf dieselben Probleme hinzuweisen. Leider unterlässt es Ihre Regierung Tillich bis zum heutigen Tag, sich der Personalprobleme der Landesverwaltung ernsthaft anzunehmen. Wir GRÜNEN befürchten, sie tut es auch weiterhin nicht.

So ließen Sie, Herr Staatsminister Dr. Beermann, beispielsweise anlässlich des Sonderberichts des Rechnungshofes „Personalwirtschaftliche Konzepte in der sächsischen Staatsverwaltung“ verlauten, dass das Stellenabbauziel von 70 000 Landesbediensteten 2020 zu erreichen sei. Dafür brauche es, so sagten Sie, Herr Staatsminister Beermann, kein Personalentwicklungskonzept. Die

Beschlussempfehlung liegt uns heute vor. Sie wollen also so weitermachen wie bisher.

Noch einmal zu den harten Fakten. Die Staatsregierung hatte im ersten Stellenabbaukonzept 2010 noch unter der Regierung von CDU und SPD 6 441 kw-Vermerke angebracht. Zum Doppelhaushalt 2011/12 – nun CDU- und FDP-regiert – wurden weitere 5 529 kw-Stellen aufgesattelt und im letzten Haushalt noch einmal 496 Stellen. Insgesamt 5 373 dieser kw-Stellen wurden bis Ende 2012 gestrichen. Noch einmal glasklar: Über 5 000 Stellen wurden in den letzten Jahren eingespart. Außer bei Polizei und Lehrern gab es fast keine Neueinstellungen. Weitere 7 000 Stellen sollen nach diesen Plänen folgen, zusätzliche Neueinstellungen aber nicht, und das, obwohl es in wichtigen Bereichen nicht zu einer Reduktion staatlicher Aufgaben kommt.

Das kann zu solchen Situationen führen, wie wir sie teilweise schon erlebt haben. Menschen brauchen bei Gefahr für Leib und Leben die Polizei. Die einzigen

verfügbaren Streifenbeamten eines ländlichen Reviers sind aber gerade am anderen Ende 100 Kilometer entfernt unterwegs. Eltern können ihre Kinder nicht auf die von ihnen gewünschte Schule schicken, weil die Klassen voll sind. Bürger erleben, dass sich ein naher Angehöriger im Pflegeheim den Rücken wund liegt, fragen dann, wann es Kontrollen von sächsischen Aufsichtsbehörden gab – das letzte Mal vor Jahren.

Sie werden vielleicht sagen, das sind Horrorszenarien. Wir GRÜNE wollen, dass solche Szenarien nicht eintreten. Wenn sie im Einzelfall doch Wirklichkeit werden – ich erinnere an den Polizeieinsatz in Hoyerswerda –, ist es für die Betroffenen schlichtweg furchtbar. Der massive Abbau von Stellen im öffentlichen Dienst wird aber, wenn er so fortgesetzt wird, in naher Zukunft schwere Folgen haben. Deshalb haben in den letzten Monaten Abgeordnete und Minister der Koalition Bedenken geäußert. Innenpolitiker von CDU- und FDP-Fraktion, der Innenminister selbst, gegen den selbst beschlossenen Stellenabbau bei der Polizei, der Justizminister gegen den beschlossenen Stellenabbau bei der Justiz. Weitere Abgeordnete tun es hinter vorgehaltener Hand und teilen die Bedenken von Gewerkschaften und Fachleuten.

Warum passiert eigentlich nichts in der CDU-geführten Koalition? Das Grundproblem ist, dass sich alle hinter Finanzminister Unland verstecken. Er soll angeblich allein verantwortlich sein. Agiert der Ministerpräsident hier nur als eine Art Bundespräsident oder sieht er sich wirklich in der Verantwortung für die ganze Regierung und das Personal in den sächsischen Verwaltungen? Sehen Sie sich, die Abgeordneten der Koalition, nur als Repräsentanten ihrer Wahlkreise in einer Art Beirat oder wollen Sie als Haushaltsgesetzgeber Politik für das ganze Land gestalten?

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Genau!)

Glauben Sie, dass Sie in der Art buchhalterischer Diskussionen die Menschen von den tatsächlichen Problemen der öffentlichen Verwaltung ablenken können? Wir fordern jetzt die Regierung mit unserem Antrag nochmals auf, die teilweise sieben Jahre alten Stellenabbaukonzepte zu überprüfen. Es ehrt jeden, der unter der Praxis seine Meinung verändert und überdenkt.

Sie müssen an die Anforderungen der heutigen Zeit, die aktuellen Aufgaben und die Situation in der Verwaltung angepasst werden. Angesichts der Erfahrungen mit dem Lehrermangel, des Mangels an für den Polizeidienst geeigneten Absolventen und der großen Altersabgänge, der zusätzlichen Kosten, um diese Situationen abzufedern, und der hohen Krankenstände in einigen Bereichen wie der Forstverwaltung muss endlich ein Umdenken in der Einstellungspraxis erfolgen. Es darf nicht dabei bleiben, dass keine frei werdenden Stellen mehr besetzt und Neueinstellungen bestenfalls im homöopathischen Bereich vorgenommen werden. Wir brauchen endlich ein Personalkonzept für die ganze Verwaltung von der ganzen Regierung.

(Beifall der Abg. Gisela Kallenbach, GRÜNE)

Geklärt werden muss, wo neue Einstellungskorridore geschaffen werden müssen, um der Überalterung und der drohenden Arbeitsunfähigkeit zu begegnen und – selbstverständlich – wie sie finanziert werden. Das betrifft nicht nur die Polizei, die Lehrerschaft und die Justiz, sondern auch wichtige Kontrollbehörden, wie in den Bereichen des Arbeitsschutzes, der Heimaufsicht sowie der Umweltverwaltung und den Hochschulen.

Allen Abgeordneten, die in der Koalition Bedenken gegen den zu hohen Stellenabbau haben, machen wir mit unserem Antrag ein Angebot. Noch befindet sich der Haushaltsplan nicht in der Beratung des Parlaments. Stimmen Sie jetzt unserem moderaten Bedenkenantrag zu, um noch rechtzeitig Druck auf die Haushalts- und Stellenplanungen zu machen. Sie können das nicht mehr länger auf die lange Bank schieben. Sie werden zur Wahl und danach daran gemessen. Handeln Sie jetzt, wenn Sie für das ganze Land gestalten möchten, und stimmen Sie unserem Antrag zu!

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Herr Michel ist als nächster Redner für die CDU-Fraktion an der Reihe. Herr Michel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es ist eigentlich bedauerlich, dass wir erst zu so einer späten Stunde dieses wichtige Thema Personalpolitik behandeln. Trotz der fortgeschrittenen Zeit ist es notwendig, dass ich meinen Ausführungen zu den Anträgen noch einige allgemeine finanzpolitische Aspekte zu den Personalkosten vorausschicke.

Personalkosten sind ein wichtiger Aspekt in einem Staatshaushalt. Ungefähr ein Viertel unseres Staatshaushalts fließt in die Personalkosten. Der Anteil der Personalkosten ist stetig steigend. Erinnern möchte ich Sie noch daran, dass die ungebundenen Finanzmittel im Staatshaushalt rund 4 % ausmachen. Das sind 4 % freie Finanzmittel. Das sind 4 % an Mitteln, die nicht durch Tarif oder Gesetz gebunden sind. Alles andere ist über Gesetze oder Personalkosten gebunden. Das stellt unseren Spielraum dar. Das muss man sich einmal in Erinnerung rufen. Wir alle wissen, dass sich diese Anteile mit jeder Tarifänderung und jeder Stellenmehrforderung noch verschieben. Es lohnt sich also schon, darüber zu diskutieren.

Hinzu kommt noch die demografische Entwicklung. Die sächsische Bevölkerung wird nicht nur älter. Sie wird auch zahlenmäßig weniger. Da wir keine 100-prozentige Steuerdeckungsquote haben und die externen Finanzquellen schwächer werden, ist es legitim, dass die CDUFraktion die Personalausgaben im Blick hat. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit Missachtung der Beschäftigten zu tun. Das hat etwas mit Verantwortung zu tun.

Wir möchten einen stabilen Freistaat. Dazu gehört eine leistungsfähige öffentliche Verwaltung genauso wie ein finanztechnisch handlungsfähiger Staat. In welch missliche Lage die öffentliche Hand gerät, wenn die Staatsfinanzen – gerade auch wegen zu hoher Personalkosten – aus dem Ruder laufen, können Sie sehen, wenn Sie die südeuropäischen Länder einmal näher unter die Lupe nehmen.

Im Übrigen sind die Personalkörper immer die Ersten, welche die drastischen Einschnitte zu spüren bekommen. Damit wird ein grober finanzpolitischer Rahmen für die Personalpolitik dargestellt; denn, wie bereits gesagt: Personalpolitik bewegt sich nicht im luftleeren Raum.

Gestatten Sie mir, dass ich zu den Anträgen komme.

(Beifall des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Ich möchte mit dem SPD-Antrag anfangen, Kollege Brangs. Sie fordern die Erstellung eines umfassenden Personalplanungs- und Entwicklungskonzeptes. Bis zur Vorlage dieses Konzeptes soll der beschlossene Stellenabbau ausgesetzt werden.

(Stefan Brangs, SPD: Ja!)

Meine Damen und Herren, es gibt einen vom Sächsischen Landtag beschlossenen Doppelhaushalt mit vorgesehenen kw-Vermerken. Mir ist immer noch nicht ersichtlich, warum wir kurz vor Vorlage des neuen Haushaltsentwurfes in der 6. Legislaturperiode den Vollzug der kwVermerke aussetzen sollen. Gemäß dem Antrag soll die Qualität der Beschäftigungsbedingungen evaluiert werden. Zum Argument der vermeintlich unzumutbaren Arbeitsverdichtung ist zu berücksichtigen: Die Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst in Sachsen sind vergleichsweise gut. Wir haben eine vollständige Tarifbindung. Der Durchschnittsverdienst in der Dienstleistungsbranche beträgt laut Statistischem Landesamt in Sachsen 2 983 Euro, für den öffentlichen Dienst betrug er zum Jahresende 2013 3 451 Euro.

Laut Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit beträgt das Arbeitsnehmerentgelt in den neuen Bundesländern rund 83 % des Niveaus in den alten Bundesländern. Im öffentlichen Dienst hat es eine hundertprozentige Ost-West-Anpassung gegeben.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Nur eine falsche Eingruppierung!)