Zum Schluss noch die Sache mit dem Wahltermin. Damit soll der Zugang zu Wahlen verbessert werden, um noch einmal zum Gesetzesnamen Bezug zu nehmen. Der Wahltermin soll außerhalb der Schulferien liegen. Bitte ein wenig mehr Gründlichkeit! Gemeint sind doch sicherlich die Schulferien in Sachsen; denn ansonsten wird es bei den verschiedenen Terminen in Deutschland sehr kompliziert, noch einen Wahltermin zu finden.
Die Wahlbeteiligung hängt an sehr vielen Faktoren. Wir alle kennen doch die Debatten: Bei schönem Wetter gehen die Leute nicht wählen, weil sie lieber in den Garten gehen, und bei schlechtem Wetter gehen die Leute nicht wählen, weil sie nicht vor die Haustür wollen.
Ich will das Anliegen keineswegs ins Lächerliche ziehen, aber angesichts des Gesetzentwurfes von CDU und FDP zum Wahltermin, der heute leider ohne Aussprache stattfindet, halte ich den Ansatz der GRÜNEN, diesen nur außerhalb der Schulferien zu fordern, für etwas zu kurz gesprungen.
Die von CDU und FDP vorgeschlagene Änderung ist eine Systemänderung für Sachsen. Bisher gab es in Sachsen keine Übergangszeit. Sprich: Demnächst kann die Wahlperiode des alten Landtages beendet sein, und der neue Landtag ist noch nicht zusammengetreten. Es gibt keine verfassungsrechtlichen Bedenken dazu – das hat die Anhörung gezeigt –, die Übergangszeit wird sogar gesetzlich auf einen Monat begrenzt. Genau dieses Verfahren ist ein neues Modell für Sachsen.
Bei beiden Regelungsvorschlägen werden wir als LINKE uns enthalten, sowohl beim Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch beim Gesetzentwurf von CDU und FDP.
Meine Damen und Herren! In den einzelnen Artikeln des Gesetzentwurfes von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind jeweils verschiedene Aspekte enthalten. Deswegen wird es seitens der LINKEN bei allen Artikeln des Gesetzentwurfes eine Enthaltung geben.
Frau Herrmann, das möchte ich zum Schluss noch einmal betonen: Daran misst sich nicht das Verhältnis der LINKEN zur Demokratie. Demokratie ist für uns ein hohes Gut.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wahlen sind die Königsdisziplin in der Demokratie. Der Wahltag ist ein toller Tag, an dem viele Menschen wählen gehen sollten. Viele tun es aber inzwischen nicht mehr, und einige – das ist sehr dramatisch – tun es nicht, weil sie es nicht können, weil sie die Möglichkeiten und den Zugang dazu nicht haben. Hierbei handelt es sich zumeist um Menschen mit Beeinträchtigungen, die aus verschiedenen Gründen keinen Zugang zur Wahl haben. Das ist ein wesentliches Problem für unsere Demokratie, das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aufgreifen. Deswegen sind wir grundsätzlich für den Antrag sehr dankbar.
Es gibt sehr viele verschiedene Facetten, warum Menschen mit Behinderungen am Wahltag ihr Menschenrecht, das Recht wählen zu können, nicht wahrnehmen können. Leider sind die Ursachen dafür so vielschichtig, dass wir das überhaupt nicht mit einem einzigen solchen Antrag bearbeiten können. Aus meiner persönlichen Praxis bei der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen kenne ich zum Beispiel das Dilemma, dass am Wahltag, der immer an einem Sonntag stattfindet, gar nicht genügend Personal in den Einrichtungen vorhanden ist, damit Menschen mit Behinderungen überhaupt ins Wahllokal begleitet werden können.
Zyniker sagen: Dafür gibt es die Briefwahl – ich finde, dort kennt Inklusion schon ihre ersten Grenzen –, es reicht für Menschen mit Behinderung, wenn sie per Brief wählen; sie müssen nicht ins Wahllokal, das geht auch so. Unserer Fraktion ist es wichtig – den GRÜNEN offenbar auch –, dass Menschen mit Behinderungen auch ein Wahllokal betreten und an dem Wahlsonntag präsent sein können, um von ihrem Recht Gebrauch zu machen.
Allerdings können wir dem Antrag, so wie er hier vorliegt, trotzdem nicht zustimmen, weil wir einige Probleme bei der Umsetzung sehen. Zum Beispiel finde ich es ganz schwierig – meine Vorrednerin hat dazu bereits viele wichtige und richtige Aspekte genannt –, dass der Punkt
Wählervereinigungen aufgenommen worden ist. Wählervereinigungen ist für mich ein völlig anderes Thema, das mit der Überschrift „Verbesserung des Zugangs zu Wahlen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wahlrecht“ nichts zu tun hat. Leider sehe ich hierbei keinen Zusammenhang.
Wir sehen weitere Punkte sehr kritisch, zum Beispiel den völlig richtigen Wahlausschluss von Personen unter Generalbetreuungen, Menschen, die eine Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben und aufgrund dessen in psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht sind. Hierzu warten wir gerade auf eine anstehende Regelung auf Bundesebene. Ich halte es nicht für günstig, eine Regelung zu treffen, bevor die Regelung von der Bundesebene kommt; denn dann müssten wir wieder etwas novellieren.
Ebenfalls kritisch sehen wir das Fristsetzen für Kommunen. An der Stelle möchte ich etwas Grundsätzliches dazu sagen, was dieses Gesetz, wenn wir zustimmen würden, für die Kommunen bedeuten würde: Es wäre aus meiner Sicht wirklich eine ziemliche Zumutung. Wir müssen mit den Kommunen, wenn wir das umsetzen wollen, in einen ganz anderen Dialog treten; denn auf solch eine Art und Weise, wenn wir so etwas vorlegen, bereiten wir den Gutwilligen und denjenigen, die in den Verwaltungen sitzen oder etwas erreichen wollen, ganz viele Schwierigkeiten.
Der Gesetzentwurf sieht leider auch nicht, dass es bereits Initiativen in Kommunen gibt, diese Missstände zu beheben. Auf kommunaler Ebene gibt es Umsetzungsbeschlüsse – also Maßnahmenpläne –, wie man die UNBehindertenrechtskonvention umsetzen kann. Diese
lokalen Teilhabepläne werden gemeinsam – getreu dem Motto: Nichts über uns ohne uns – in Arbeitsgruppen erarbeitet, zum Beispiel in Dresden oder Chemnitz. Das ist mir bekannt. Dort wird gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen und den Mitarbeitern der Stadtverwaltung entschieden, was zum Beispiel gemacht werden kann, um die Wahllokale barrierefrei zu machen. Das halte ich für einen guten und unterstützenswerten Weg; denn unser Ansatz ist es, Lust auf Inklusion zu machen und Freude an Inklusion zu wecken. Ich denke, dass mit Anträgen wie diesem leider vor Ort die Freude an Inklusion ein wenig verloren gehen kann.
Das wollen wir verhindern. Deswegen sagen wir: Vielen Dank für den guten Anstoß, für das gute Ansinnen. Trotzdem gibt es unsererseits aus den genannten Gründen leider nur eine Enthaltung.
Liebe Kollegin Kliese, einerseits beklagen Sie, dass Behinderten nicht genügend Helfer zur Verfügung stehen, andererseits wollen Sie nicht zustimmen, dass wir einen Rechtsanspruch auf Assistenzen vorschreiben. Das verstehe ich nicht. Wenn es Defizite gibt, muss man diese Defizite ändern. Was ist das Mittel dazu? Ein Rechtsanspruch gegen den Staat, damit die Leute wirklich die Assistenzen bekommen. Was wäre die Alternative? Die Alternative sind schöne Worte. Wir wollen es verbindlich regeln.
Das Zweite ist: Barrierefreiheit läuft – solange sie für die Kommunen nicht verpflichtend ist und vor allem auch nicht kontrolliert wird – ins Leere. Sie beklagen das einerseits, andererseits sagen Sie, wir machen den Kommunen eine Zumutung. Ja, wir wollen, dass die Kommunen die Barrierefreiheit durch einen Stufenplan regeln – mit einem langen Umsetzungszeitraum und mit staatlichen Kontrollen. Ich denke, dass wir sonst keine schnelle genügende Umsetzung erreichen können, deshalb diese gesetzliche Regelung.
Natürlich können und sollen die Kommunen dazu diese Pläne machen, wie Sie gesagt haben. Aber wenn sie niemand kontrolliert, bleibt alles im Vagen. Wir hatten ein gutes Beispiel dazu in der Anhörung. Der Bürgermeister für Ordnung und Sicherheit der Landeshauptstadt Dresden, Detlef Sittel, CDU – auch für Wahlen zuständig –, hat uns in der Anhörung erzählt: Wir tun alles dafür, damit die Wahlen barrierefrei sind. Alle haben sich gefreut. Was war dann die Praxis? Es gab bei der Wahl nicht einmal Schablonen für Blinde, obwohl die Behindertenverbände diese der Stadt angeboten haben.
Das heißt „alles tun“. Es wird nicht kontrolliert, obwohl die barrierefreie Wahlorganisation jetzt schon eine Pflichtaufgabe ist.
Wenn wir das nicht verbindlicher regeln, dann wird es so bleiben, wie es jetzt ist. Deshalb schlagen wir diese Verbindlichkeit vor. Das ist keine Belastung für die Kommunen, sondern eine Chance, Barrierefreiheit mit allen Betroffenen – so, wie Sie das wollen – umzusetzen.
Zum ersten Punkt gab es ein kleines Missverständnis. Ich hatte mich dabei auf die Situation in Pflegeheimen und in stationären Einrichtungen bezogen und nicht auf die Assistenzen. Es ist so, dass es nicht genügend Personal in den Pflegeeinrichtungen gibt. Das ist insbesondere an den Wochenenden der Fall. Wir haben bereits Initiative gezeigt. Es gibt zum Beispiel die großen Aktionen „Pflege braucht Pflege“. Meine Kollegin Dagmar Neukirch ist bezüglich der Verbesserung des Pflegeschlüssels sehr aktiv. Das ist der Punkt, auf den ich abzielte. Ich bezog mich in dem Fall nicht auf die Assistenz, denn darin stimmen wir Ihnen zu.
Zum zweiten Punkt: Muss gesetzlich den Kommunen etwas vorgeschrieben werden? Wer kontrolliert es? Es gibt Pläne zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auf kommunaler Ebene. Diese wurden zum Beispiel in den Kommunen Dresden und Chemnitz verabschiedet, aus denen diese Arbeitsgruppen erwachsen sind. Diese Arbeitsgruppen werden kontrolliert, nicht zuletzt durch die GRÜNEN und andere Stadträtinnen und Stadträte vor Ort. Das halte ich für eine sinnvolle Kontrolle.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Regelungen zur Umsetzung der EU-Behindertenrechtskonvention begleiten uns ständig; heute im vorgelegten Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, aber auch in den nächsten Jahren, wenn man an die überaus wichtigen Bereiche der Integration und Inklusion im Bildungswesen und am Arbeitsmarkt denkt und an die immer älter werdende Bevölkerung in Sachsen.
Auch wir als FDP-Fraktion sehen bei dem vorliegenden Gesetzentwurf beim Thema „Teilnahme an Wahlen“ Handlungs- und Verbesserungsbedarf. Allerdings überrascht es schon, wenn man beim Durcharbeiten des Gesetzentwurfs der GRÜNEN feststellt, dass es sich hierbei um eine wahre Wundertüte an Vorschlägen aus allen Bereichen des Wahlrechtes handelt. Neben Regelungsvorschlägen zur Barrierefreiheit im Wahlrecht finden sich auch Vorschriften über die Verfügbarkeit von öffentlichen Räumen zu Wahltagen, zum Wahltermin oder auch über den Zugang von Wählervereinigungen zu den Landtagswahlen. Zu Letzterem wurde von der GRÜNENFraktion bereits kurz vor der letzten Landtagswahl ein entsprechender Gesetzentwurf eingebracht.
Mit dem aktuellen Gesetzentwurf möchten die GRÜNEN die Wahlrechtsausschlüsse im Wahl- und Kommunalwahlgesetz für Menschen, die unter einer vollumfassenden Betreuung stehen, und für solche, die nach einer Straftat im schuldunfähigen Zustand psychiatrisch untergebracht sind, beseitigen. Mit den Wahlrechtsausschlüssen für Betreute werden wir uns als FDP noch intensiv befassen, denn auch wir sehen hier Handlungsbedarf.
Jedoch wurde zu diesem Zweck bereits auf Bundesebene eine interdisziplinäre Forschungsgruppe aus Rechtswissenschaftlern, Politikwissenschaftlern, Psychologen und Pädagogen eingesetzt. Deren Expertise wollen wir auf alle Fälle abwarten. Denn es macht keinen Sinn, diese Materie jetzt auf Landesebene zu regeln und gegebenenfalls anders zu handhaben, als es dann auf Bundesebene bei Bundestags- oder Europawahlen vorgenommen wird; denn hier muss bei der Anpassung abgestimmt vorgegangen werden.
Eines ist jedoch auch klar: Es ist nicht so – hierauf hat beispielsweise Herr Prof. Dr. Strohmeier im Rahmen der öffentlichen Sachverständigenanhörung zu dem Gesetz am 8. Mai dieses Jahres hingewiesen –, dass Wahlausschlüsse per se unzulässig sind. In engen verfassungsrechtlichen Grenzen ist dies möglich. So stellen sich hierbei Fragen nach den konkreten Abgrenzungskriterien oder dem Umgang mit Personen, die nicht unter Betreuung stehen, da sie eine vollumfängliche Vollmacht besitzen. Im Gegensatz zu vollständig Betreuten sind diese nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen.
Bei all diesen Fragen müssen wir auch immer die erheblichen Gefahren des Missbrauchs berücksichtigen, die bei der Ausgestaltung des Wahlrechts eine wichtige Rolle spielen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein weiterer großer Teil des Gesetzentwurfes widmet sich der Barrierefreiheit von Wahlverfahren und letztlich der Wahlhandlung selbst. Sicherlich muss hier für eine weitestgehende Barrierearmut – was etwa den Zugang zu Wahllokalen oder das Vorhandensein von Wahlschablonen für Blinde und Sehbehinderte angeht – gesorgt werden.
Beachtet werden muss in diesem Zusammenhang aber auch, dass diese Vorgaben von den Kommunen umgesetzt werden müssen. Wenn man sich die Ausführungen in der öffentlichen Anhörung nochmals in Erinnerung ruft, dann weiß man, dass von den anwesenden Vertretern der Kommunen anhand von Zahlenmaterial belegt wurde, dass es mittlerweile – was zum Beispiel den rollstuhlgerechten Zugang zu Wahlräumen angeht – eine sehr positive Entwicklung gegeben hat.
Eine Vorgabe zur Erreichbarkeit von Wahlräumen mit dem öffentlichen Personennahverkehr, meine sehr verehrten Damen und Herren von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ist jedoch abzulehnen. Diesbezüglich müssen wir einfach ehrlich sein: Dies ist in der Praxis nicht realisierbar. Viele Wahlräume befinden sich schon heute – das soll und muss auch so sein – in fußläufiger Distanz. Der öffentliche Nahverkehr erfüllt jedoch eine andere Rolle. In den Städten sind es vorrangig die stadtteilübergreifenden Verbindungen, und im ländlichen Raum ist es die Verbindung zwischen den verschiedenen Orten.
Abschließend noch kurz zu den Vorschlägen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Regelung des Wahltermins. Uns eint das Ziel, einen Wahltermin in der Ferienzeit zu vermeiden. Die Koalition wird heute hierzu noch einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen, aus dem hervorgeht, wie diese Problematik künftig gelöst werden kann.
Während Sie jedoch in Ihrem Gesetzentwurf am bestehenden System festhalten und die Ferienzeit explizit als solche – also die Sommerferienzeit in Sachsen – ausschließen, schränken Sie damit die Flexibilität der Festlegung des Termins als solches ungemein ein – mit all den Konsequenzen, die meine Vorredner schon angesprochen haben. Es wäre dann gut möglich, dass die Neukonstituierung des Landtages, die innerhalb von 30 Tagen
stattfinden muss, innerhalb der Sommerferien vonstattengeht. Das kann man so machen, muss es aber nicht.
Hingegen ermöglichen wir als CDU/FDP mit unserem Gesetzentwurf, dass der zulässige Spielraum voll ausgeschöpft werden kann, also auch ein Wahltermin nach den Ferien möglich sein muss – auch mit dieser Fristenberechnung nach BGB und nicht mehr in dieser starren Haltung, wie wir sie bisher hatten. Verfassungsrechtlich – das ist uns in der Anhörung gesagt worden – ist das absolut zulässig. Das haben uns die Experten in der Anhörung bestätigt.
meine Fraktion ablehnen. Er ist nicht gut durchdacht und liefert keinen befriedigenden Ansatz für die Frage der Wahlrechtsausschlüsse. Im Übrigen lässt Ihre Übergangsfrist, die bis zum 31.12.2015 genannt ist, keinen realistischen Umsetzungswillen erkennen; denn reicht es, bis zum 31. Dezember 2015 einen barrierefreien Wahlraum im Wahlkreis zugänglich zu machen, würde es ab 01.01.2016 heißen, dass nach Ihren Vorgaben in diesem Gesetz circa 30 000 Wahlräume umzurüsten wären. Das ist unrealistisch und damit zum Scheitern verurteilt. Dafür ist unserer Fraktion das Thema der Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention viel zu wichtig, als dass wir es an einem solchen Punkt scheitern lassen würden. Wir schlagen ein stufenweises Vorgehen vor. Auch aus diesem Grund werden wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen.