Protocol of the Session on May 21, 2014

Wir würden uns heute aus diesen Gründen bei diesem Tagesordnungspunkt nur der Stimme enthalten und freuen uns auf die nächste Legislaturperiode und eine tiefgründige Diskussion.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nun die FDP-Fraktion; Herr Abg. Biesok, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Allein der Titel des Gesetzentwurfes ist meines Erachtens schon irreführend und anmaßend. Er lautet „Erstes Gesetz zur Modernisierung der Verfassung“. Meine Damen und Herren, wir haben diese Verfassung modernisiert, und zwar genau in dem Punkt, wo sie einer Modernisierung bedurfte, nämlich indem wir ein umfassendes Neuverschuldungsverbot eingeführt haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das ist moderne Politik, dass wir aus der Staatsschuldenkrise gelernt haben und nie wieder zur Finanzierung unserer eigenen Politik Schulden aufnehmen werden, damit zukünftige Generationen diese Schulden nicht zurückzahlen müssen. Das verstehen wir unter Modernisierung.

Es ist das Selbstverständnis der GRÜNEN zu sagen: Was unsere Lieblingsthemen sind, das ist Modernisierung. Das

nennen wir dann „Erstes Gesetz zur Modernisierung“ und bringen es hier ein. Das ist kein guter Stil. Das ist ein reiner Schaufensterantrag. Die GRÜNEN wollen noch einmal deutlich machen, dass das die Punkte sind, die sie nicht parlamentarisch umsetzen konnten. Das sind die Punkte, für die sie keine Mehrheit gefunden haben. Ich finde, das ist einer Verfassung nicht würdig. Wir haben einen sehr großen Konsens gehabt, wie wir mit der Verfassungsänderung umgehen. Das ist der Teil, den wir in dieser Legislaturperiode geschafft haben. Ich will nicht ausschließen, dass wir uns in der nächsten Legislaturperiode auch über andere Punkte unterhalten. Die Frage der Quoren beim Volksbegehren muss man sich sicher noch einmal detailliert ansehen. Da gibt es unterschiedliche Modelle. Aber das am Rande mit abzuhandeln, ist sicher nicht das Richtige.

Auch auf die anderen inhaltlichen Punkte möchte ich noch kurz eingehen. Die Umweltstaatsziele des Artikels 10 sollen ergänzt werden. Meines Erachtens ist das nicht notwendig. Die Gesamtheit dieser Schutzgüter hatten die Väter und Mütter der Verfassung meines Erachtens im Blick, als sie bereits jetzt in Artikel 10 folgendermaßen formulierten: „Der Schutz der Umwelt als Lebensgrundlage ist, auch in Verantwortung für kommende Generationen, Pflicht des Landes und Verpflichtung aller im Land.“ Das sagt meines Erachtens alles. Das ist eine hervorragende Formulierung, unter die sich alle diese Punkte fassen lassen, die die GRÜNEN jetzt hier mit aufnehmen wollen. Eines würde ich bei einer Verfassungsänderung niemals machen: Ich würde nicht die Verbandsklagemöglichkeit für Umweltschutzverbände erweitern. Sie haben Klagemöglichkeiten. Meines Erachtens sind diese schon viel zu weitgehend.

(Beifall bei der FDP)

Es ist mittlerweile möglich, dass einzelne Verbände unter Vorspiegelung bestimmter Umweltbelange infrastrukturelle Großvorhaben blockieren, ohne dabei auch nur das geringste, auch nur das kleinste finanzielle Risiko einzugehen. Wir haben das bei der Waldschlößchenbrücke erlebt, wie eine Fledermaus, die es nicht gibt, ein Großprojekt über Jahre verzögert hat. Es sind MillionenKosten für den Freistaat Sachsen und für die Landeshauptstadt Dresden entstanden. Man hat das eingesetzt, weil man diese Brücke politisch nicht wollte.

(Peter Schowtka, CDU: Hört, hört, Herr Lichdi! – Beifall bei der FDP und der CDU)

Diesen Gruppierungen werde ich jetzt nicht mit Verfassungsrang noch mehr Rechte einräumen. Sie haben genügend Rechte. Man muss sich darüber Gedanken machen, wie man sie einzelgesetzlich besser ausformt, damit sie nicht missbräuchlich eingesetzt werden. In die Richtung, in die Sie laufen wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, werden wir nicht mitlaufen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich halte auch grundsätzlich nichts davon, die Verfassung mit Staatszielen zu überfrachten. Die Verfassung ist für

uns der Rahmen, in dem wir handeln. Es sind sehr wenige grundsätzliche Staatsziele, die meines Erachtens in eine Verfassung hineingehören. Der Rest sind ganz konkrete Lebenssachverhalte, die das Parlament einfachgesetzlich regeln muss. Wir müssen nicht für jeden Sachverhalt, der gerade aktuell diskutiert wird, ein neues Staatsziel in die Verfassung aufnehmen.

Lassen Sie mich noch zu zwei anderen inhaltlichen Punkten etwas sagen. Ich habe Sympathien dafür, die Hürden für die Volksgesetzgebung zu erleichtern. Wir müssen uns ansehen, wie sich die Bevölkerungsentwicklung im Freistaat Sachsen verändert hat und wie wir die Quoren entsprechend anpassen können. Dabei muss man zwei Dinge sehen. Es gibt das Einstiegsquorum, wann man überhaupt zum Volksentscheid kommt, und es gibt das Zustimmungsquorum. Das Einstiegsquorum ist im Freistaat Sachsen relativ hoch, meines Erachtens zu hoch, dafür haben wir hier eine besondere Situation, dass es beschlossen ist, wenn die Mehrheit zustimmt, unabhängig davon, wie viele absolut zugestimmt haben. Das ist eine besondere Systematik im Freistaat Sachsen. Man muss gut überlegen, an welcher Schraube man dreht. Das bedarf einer sorgfältigen Erörterung.

Was die Informationsfreiheit anbelangt, meine ich, dass die Verfassung ausreichend ist. Wenn wir uns dem Thema Informationsfreiheit widmen, müssen wir uns über ein Informationsfreiheitsgesetz unterhalten, das unterhalb der Verfassung die Rechte neu regelt. Einer solchen Diskussion werden wir uns als FDP-Fraktion nicht verschließen.

(Beifall des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Auch aus diesen inhaltlichen Gründen lehnen wir als FDP-Fraktion diesen Gesetzentwurf ab. Ich hoffe, dass insbesondere viele Abgeordnete der Oppositionsfraktionen das Verhalten der GRÜNEN im Nachgang zur Verfassungsänderung im Rahmen einer Abstimmung zu würdigen wissen und diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Klaus Bartl, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Nun die NPD-Fraktion, Herr Delle, bitte. – Herr Delle, ich bitte um Entschuldigung. Ich habe Herrn Bartl nicht gesehen.

Herr Präsident, ich würde gern von der Möglichkeit einer Kurzintervention Gebrauch machen.

Bitte.

Kollege Biesok hat eben erklärt, dass er die Änderungsvorschläge in diesem Gesetzentwurf betreffend Artikel 10 für nicht notwendig erachtet, weil jetzt bereits im Artikel 10 die Formulierung stünde, der Schutz der Umwelt als Lebensgrundlage sei auch in Verantwortung für kommende Generationen Pflicht des Landes und aller im Land. Das ist korrekt, nur

dann kommt ein zweiter Satz, der sagt, das Land hat insbesondere den Boden, die Luft, das Wasser, Tiere und Pflanzen sowie Landschaft als Ganzes einschließlich ihrer gewachsenen Siedlungsräume zu schützen.

Nun sagt die einbringende Fraktion – das unterstützen wir voll –, dass sich aus der Entwicklung hinsichtlich des Klimawandels und dergleichen mehr jetzt die Notwendigkeit ergeben muss, expressis verbis die Atmosphäre mit zu erwähnen oder eben auch die Biodiversität. Das sind aus unserer Sicht Anliegen, die herangereift sind und debattiert werden müssen. Diese aus dem zweiten Satz herauszulassen und zu meinen, es reiche die Aufzählung, wie sie jetzt im zweiten Satz enthalten ist, erschließt sich uns überhaupt nicht und ist nicht nachvollziehbar. Diese Argumentation von Kollegen Biesok kann ich nicht verstehen.

Danke.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Das war eine Kurzintervention des Abg. Bartl. Herr Biesok, möchten Sie erwidern?

Ja. Ich kann nicht nachvollziehen, was der Kollege gerade gesagt hat. Wir haben durch die Formulierung in der Verfassung deutlich gemacht, dass das keine abschließende Aufzählung ist. Viele von diesen Schutzgütern, die Sie gerade aufgezählt haben, besitzen einen sehr starken Bezug zur Atmosphäre, so dass ein Schutz dieser Güter auch Auswirkungen auf die Atmosphäre hat. Deshalb halte ich es nicht für notwendig, die Atmosphäre explizit in die Verfassung aufzunehmen.

Herr Abg. Delle, jetzt haben Sie die Möglichkeit, das Wort zu ergreifen. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenige Tage vor der Kommunal- und Europawahl und nur wenige Monate vor der Wahl zum 6. Sächsischen Landtag mutet das vorliegende Gesetz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wie ein Hilferuf an. Es ist ein unverhohlenes Buhlen um Aufmerksamkeit – und das aus gutem Grund; denn in der allgemeinen Wahrnehmung spielen die GRÜNEN ja kaum noch eine Rolle – von der Steueraffäre ihres Bundestagsfraktionschefs einmal abgesehen. So haben sich die bündnisgrünen Kollegen offenbar dazu entschlossen, mit einem Mix aus grüner Klientelpolitik und – man höre und staune – lupenreinen NPD-Forderungen auf Wählerfang zu gehen. Um das Ganze möglichst hoch aufzuhängen, muss es dann schon die Verfassung sein, an der sich die GRÜNEN abarbeiten.

Wenn wir nun in den vorgelegten Entwurf hineinschauen, ist zunächst bemerkenswert, dass die eigentlich als typisch grün geltenden Forderungen nach immer mehr Umwelt- und Klimaschutz den geringsten Stellenwert haben. Denn wenn Sie sich anschauen, wie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN etwa den Artikel 10 der

Sächsischen Verfassung vorstellt, so stoßen Sie dort auf ein völlig unverbindliches Konglomerat reiner Staatszielbestimmungen, die – das räumen die GRÜNEN in ihrer Entwurfsbegründung sogar selbst ein – in keiner Weise einklagbare Rechtspositionen verkörpern.

Na klar, es ist dort von Umweltklima und Ressourcenschutz die Rede. Das liest sich auch sehr nett. Aber so, wie Sie das Ganze rechtssystematisch und legistisch aufgebaut haben, ist es völlig unverbindlich und letztendlich bedeutungslos. Wenn Sie schon den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen in die Verfassung aufnehmen wollen – aus Sicht der NPD-Fraktion wäre das gut und richtig –, dann doch bitte nicht als „es wäre schön, wenn …“-Konstruktion, sondern als auf den Punkt gebrachte und notfalls einklagbare Rechtsnorm. Alles andere ist unglaubwürdig. Bei den anderen Themen, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, zum Beispiel im Kampf gegen rechts, gehen Sie auch sehr viel energischer zur Sache als mit Ihrer halbherzigen Umweltromantik.

Mit Freude nehmen wir allerdings zur Kenntnis, dass Sie mit dem Thema „Stärkung der Volksgesetzgebung“ endlich einmal eine fortwährende Kernforderung der NPD aufgegriffen haben. Sie wollen die Stimme des Volkes stärken, indem Sie ein Referendum gegen Landtagsgesetze und geringere Hürden für Volksentscheide in der Verfassung verankern möchten. Wir als NPD-Fraktion haben seit unserem erstmaligen Einzug in den Sächsischen Landtag vor zehn Jahren genau diese Stärkung der Volkssouveränität immer wieder betont, und offenbar hat diese unsere NPD-Politik des steten Tropfens nun endlich dazu geführt, dass auch Sie sich dieses Themas endlich einmal annehmen.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Inwieweit Sie allerdings das deutsche Volk wirklich gestärkt wissen wollen oder nur auf Volkes Rücken hier Wahlkampf betreiben, wird sich dann in den nächsten Monaten entscheiden.

Neben der Unverbindlichkeit Ihrer Klima- und Umweltschutznormen steht jedoch ein weiterer Aspekt Ihres Gesetzentwurfs einer Zustimmung durch die NPDFraktion entgegen: die von Ihnen angestrebte Ausweitung der Verbandsklage. Denn das derzeit geltende Recht hält bereits in einem solchen Maße Möglichkeiten der Vereine und Organisationen bereit, sich in Fragen des Umwelt- und Tierschutzes auch juristisch einzubringen, dass es hier ganz gewiss keines weiteren Ausbaus mehr bedarf – schon gar nicht in der Verfassung. Wenn Sie die gegenwärtige Klageflut und das Ausbremsen von Projekten durch Verbände und Organisationen nicht selbst sehen, dann fragen Sie doch bitte einmal die zuständigen Gerichte oder die Projektträger und die betroffenen Bürger. Einem weiteren Ausufern der Verbandsrechtsklage kann nicht allen Ernstes durch die Sächsische Verfassung Vorschub geleistet werden.

Meine Damen und Herren, die NPD-Fraktion wird sich aus diesen Gründen der Stimme enthalten.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf für eine weitere? – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abg. Jähnigen. Bitte, Frau Jähnigen.

Herr Präsident! Verehrte Kollegen! Ich freue mich, dass in den letzten Minuten noch im Ansatz die eigentliche, längst notwendige Diskussion aufflammte, für die wir leider die Anhörung und die Ausschusssitzung nicht nutzen konnten.

(Christian Piwarz, CDU: Ach! Das ist schon frech! Woran lag es denn?)

Zum Beispiel daran, dass Sie keine Sachverständigen dazu geschickt haben, Herr Kollege Piwarz. Schade, dass Sie sich diesem Thema nicht stellen, sondern sich davor drücken.

(Christian Piwarz, CDU: Ach! – Lachen bei der CDU)

Dann hätten wir – Herr Kollege Bartl, da haben Sie ein wichtiges Thema unseres Änderungsantrags angesprochen – tatsächlich noch einmal über die Stellung des kassatorischen Volksbegehrens sprechen können. Wir haben uns da auch nach Einreichung unseres Gesetzentwurfs in Vorbereitung auf die Anhörung, die mit nur einem Sachverständigen nicht stattfinden konnte, sehr viel Gedanken gemacht und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die nun vorgeschlagene Stellung im Änderungsantrag die günstigere ist. Darüber kann man gewiss diskutieren; das sollte man dann auch.

Klar ist: Mit der Regelung des Vergaberechts, Herr Kollege Bartl, meinen wir ein klares Regelbeispiel, insbesondere als Auslegungshinweis, aber nicht als Eingrenzung. Die Anwendungsauslegung von Kollegen Biesok über die Umweltgüter dürfte nach aller Auslegung von der Entstehungsgeschichte der Sächsischen Verfassung her wohl kaum vertretbar sein, ansonsten hätten wir diese Änderung nicht vorgeschlagen.