Protocol of the Session on May 21, 2014

Da die Errichter dieses Fonds nur der Bund und die ostdeutschen Länder sind, sollten wir uns doch erst einmal dafür einsetzen, dass diese Aufstockung im Fonds ankommt und dass daraus die Entschädigung bezahlt werden kann. Es ist zu überlegen, ob eine weitere Aufstockung, also über die 200 Millionen Euro hinaus, notwendig ist. Das können wir machen. Wenn wir sehen, wie das Geld aus dem Fonds abfließt, können wir uns überlegen, ob wir weitere Aufstockungen vornehmen möchten.

Im Hinblick auf die Frist bin ich allerdings der Auffassung, dass wir eine vollständige Entfristung vornehmen sollten. Sie sagten, dass Sie sich eine Öffentlichkeitskampagne vorstellen. Ich weiß von Angehörigen der Opfergruppen, dass es für sie sehr schwierig ist, mit diesen Themen in der Öffentlichkeit konfrontiert zu werden und sich diesem Thema auch unter einem gewissen Druck mit der Aussicht stellen zu müssen, wenn es nicht jetzt getan wird, keine Chance mehr zu haben. Wir sollten den Druck herausnehmen und für eine Entfristung sorgen. Es sollte jedem selbst überlassen sein, wann er sich bereit fühlt, diese Dinge wieder anzusehen.

Als Letztes möchte ich noch Folgendes sagen: Neben diesen finanziellen Leistungen und anderen verfahrenstechnischen Möglichkeiten sollten wir einfach beachten, dass sich die Betroffenen wünschen, dass ihr Schicksal in diesem Land zur Kenntnis genommen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Die mangelnde Bereitschaft dazu drückt sich unter anderem darin aus, dass Einrichtungen, beispielsweise bauliche Anlagen, die in den Städten – denken Sie an die Jugendwerkhöfe – noch vorhanden sind, bisher nicht in ausreichendem Maße als Einrichtung eines Unrechtsstaates gekennzeichnet wurden. In vielen Kommunen, die solche Einrichtungen hatten, herrscht zu diesem Thema Schweigen. Das bedrückt die Betroffenen wirklich sehr.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Prof. Dr. Dr. Gerhard Besier, DIE LINKE)

Für die NPDFraktion spricht Frau Schüßler, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Koalitionsvertrag des Bundes wurde bereits vereinbart, die Leistungen für Opfer der DDRDiktatur anzuheben. Der Gesetzentwurf liegt vor. Dies wurde bereits mehrmals gesagt. Er wird also Anfang des Jahres 2015 in Kraft treten. Zuvor aber haben wir in Sachsen noch eine Wahl. Ich könnte mir vorstellen, dass es unserer Koalition auch sehr gelegen kommt, sich noch einmal für die Opfer der politischen Verfolgung in der DDR einsetzen zu können. Dies kommt zur rechten Zeit, um noch ein paar Stimmen für sich abzugreifen.

Die Staatsregierung soll ersucht werden, sich für eine Evaluation der bisherigen rehabilitierungsrechtlichen Vorschriften einzusetzen. Es sollen weitere, bisher nicht erfasste Personengruppen einbezogen werden. Außerdem wird bei dem Verfahren Transparenz gefordert und neben einer Verlängerung der Antragsfristen für den Heimkinderfonds eine zeitnahe Erhöhung der Opferrenten. Um das zu verdeutlichen, möchte ich aus der Infobroschüre der Bundesstiftung Aufarbeitung zitieren, in der es heißt: „Während die Zahl der aus politischen Gründen in Haft gekommenen Menschen auf 250 000 bis 300 000 geschätzt wird, wurden gerade einmal 300 Personen verurteilt, die meisten davon auf Bewährung. Mittlerweile konnten über 80 000 Menschen rehabilitiert und Entschädigungen in Höhe von 600 Millionen Euro ausgezahlt werden. Weitere etwa 100 000 Menschen, die nicht inhaftiert waren, aber wegen ihrer politischen Überzeugungen auf vielfältige Weise behindert wurden, erhielten ebenfalls Entschädigungen.“ Sie sprechen in Ihrer Antragsbegründung von etwa 50 000 Personen, die bisher eine Opferrente erhielten. Bei diesen Größenordnungen ist es durchaus verständlich, dass die Wirksamkeit, wie es im Antrag heißt, erst einmal überprüft werden sollte. Trotzdem bleibt für uns der Beigeschmack des Wahlkampfs.

Auffällig sind die vielen Fehler des anscheinend in großer Hast entstandenen Textes, der beispielsweise zu folgenden Stilblüten führt – ich zitiere wörtlich –: „Bis zum 30. Juni 2016 besteht derzeit für Betroffene die Möglich

keit, Vereinbarungen mit der jeweiligen Anlauf- und Beratungsstelle und dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben zu schließen.“ Davon abgesehen ist natürlich Folgendes richtig: Ohne die angesprochene Vereinbarung läuft gar nichts, nicht einmal ein lang ersehnter Urlaub. Dazu lag kürzlich eine Petition vor. Vielleicht erinnert sich noch jemand daran.

Gleich zu Beginn der Begründung wird darauf hingewiesen, dass allein gesetzliche Regelungen das Leid, die gesundheitlichen Schäden und Nachteile nicht ausgleichen, sondern nur lindern können. Die einzige Möglichkeit zur Verbesserung der Situation der Opfer wird aber von Ihnen in einer materiellen Besserstellung gesehen, wobei 50 Euro, die erste Erhöhung seit dem Jahr 2007, nicht so toll sind. Sie sollten aber dafür Sorge tragen, dass die am schlimmsten von der kommunistischen Diktatur unterdrückten Menschen, sofern diese das möchten, vermehrt zum Beispiel in die Schulen eingeladen werden und den Jugendlichen dort berichten. Das, was diese Menschen zu sagen haben, ist wesentlich frischer und wichtiger als die beliebten Zeitzeugenvorträge aus der Zeit des Dritten Reiches. Es ist deswegen wichtiger, weil diese Leute weniger Raum hatten, Ihre Geschichte zu erzählen, und deren Leiden und Schicksale weniger wichtig genommen werden und der Schoß, aus dem das kroch, durchaus noch fruchtbar ist. Diese Früchte zünden jetzt zum Beispiel in Leipzig Autos unserer Mitglieder und Kandidaten an oder bedrohen sie auf andere Art und Weise unter dem Deckmantel von Antifaschismus und Demokratie.

Aber auch der Dachverband der SED-Opfer scheint leider zu glauben, dass materielle Forderungen das Einzige sind, was zählt. Eine Vererbbarkeit der Leistungen halten wir als NPD-Fraktion nicht für zielführend. Das Leiden ist individuell. Eine Entschädigung sollte es daher auch sein. Das die betroffenen Opferverbände nicht ausreichend in das Gesetzgebungsverfahren des Bundes eingebunden wurden, verwundert uns nicht.

250 Euro und nunmehr 50 Euro mehr sind wirklich nicht viel, wenn man längere Zeit unschuldig im Gefängnis gesessen hat. Es ist kaum ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn einem das System der DDR eine Berufsausbildung oder ein Studium verweigerte. Man kann aber solche Ungerechtigkeiten und solche zerstörten Lebenswege nicht wiedergutmachen, auch nicht mit Geld. Wir als NPD-Fraktion meinen, dass die gesellschaftliche und angemessen öffentlich gemachte Anerkennung dieser Opfer mindestens genauso wichtig ist wie ein angemessener Geldbetrag.

Dem Antrag werden wir trotzdem zustimmen – trotz Ihres leicht durchschaubaren Wahlkampfmanövers –, weil wir den Opfern dieser letzten Diktatur auf deutschem Boden weder die Erhöhung der Opferrente noch die nötige Transparenz und die Vereinfachung der Antragstellung vorenthalten möchten.

(Beifall bei der NPD)

Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Frau Staatsministerin, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Vor 25 Jahren fand unsere friedliche Revolution statt, die den Weg zur deutschen Einheit freimachte. Das Eintreten Hunderttausender für Frieden, Freiheit und Demokratie war beispielhaft. Leider geraten dabei zu oft die zahlreichen Opfer des SED-Unrechts in den Hintergrund. Dabei waren sie es, die als Vorkämpfer für Freiheit, Demokratie und ein vereinigtes Deutschland eingetreten sind. Viele von ihnen wurden durch die SED-Diktatur ihrer Freiheit beraubt. Ihnen wurde schweres physisches und psychisches Leid zugefügt. Ihnen muss unsere Fürsorge gelten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Hilfe für die Opfer, erinnerndes Gedenken und die Aufarbeitung des Unrechts sind aber nicht nur für die persönlich Betroffenen sondern auch für das kulturelle und politische Selbstverständnis unserer Gesellschaft wichtig. Deshalb ist die Gesetzgebung für die Rehabilitierung von herausragender Bedeutung. In Gesprächen mit Vertretern der Opferverbände werden immer wieder Gerechtigkeitslücken sowohl bei der Umsetzung der Gesetze als auch bei den Gesetzen selbst sichtbar. Deshalb begrüße ich den Antrag der Koalitionsfraktionen ausdrücklich, weil er Verbesserungen für die Rehabilitierung anregt. Mein Haus wird diese Anregungen vollumfänglich aufgreifen und zusammen mit Bund und Ländern so weit wie möglich auch umsetzen.

Betrachten wir einmal diese Verbesserungen, die teilweise sogar schon umgesetzt wurden, im Einzelnen. Erstens sollen rehabilitierungsrechtliche Vorschriften auf ihre Wirksamkeit mit dem Ziel überprüft werden, die Situation der Opfer zu verbessern. Die Methoden der DDR-Organe, insbesondere der Staatssicherheit, sind immer noch in lebhafter Erinnerung. Menschen wurden dauerhaft seelisch erschüttert und nachhaltig traumatisiert. Deshalb habe ich meine Abteilung angewiesen, die noch einzurichtenden Traumaambulanzen auch für SED-Diktaturopfer zu öffnen.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens lässt sich mit abschließender Sicherheit nicht sagen, ob wir mit der derzeitigen Gesetzgebung bereits alle geschädigten Personen erfasst haben. Oftmals sind Gesetze mit der Lebenswirklichkeit nicht deckungsgleich. Wenn auch auf den ersten Blick keine weiteren Opfergruppen ersichtlich sind, möchten wir zusammen mit den übrigen Ländern und dem Bund dieses Feld weiter untersuchen.

Drittens behandelt ein weiterer Punkt Verfahrensfragen. Verfahren sollen aufgrund des teilweise hohen Alters der Opfer klar verständlich, transparent und zügig durchge

führt werden. Zudem werden wir uns dafür einsetzen, dass in allen Fällen, in denen die Beweisführung für die Betroffenen aufgrund der zeitlich lange zurückliegenden Ereignisse und des Vertuschens der DDR-Organe erschwert ist, eine Glaubhaftmachung der Ereignisse möglich wird. In den Fällen der straf- und verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung mit Gesundheitsschäden wird diese vereinfachte Beweisführung bereits jetzt praktiziert. Wir wollen weitere Möglichkeiten der Anwendung suchen und finden.

Viertens. In der letzten Woche wurde der Referentenentwurf des Bundes für ein fünftes Gesetz zur Verbesserung der Rehabilitierung der Opfer des SED-Regimes bekannt. Danach soll die Opferrente von bisher 250 Euro ab 2015 auf 300 Euro erhöht werden. Auch für beruflich Verfolgte erhöht sich die Ausgleichsleistung um 30 Euro auf dann 214 Euro monatlich. Für Verfolgte, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus eigener Versicherung beziehen, steigt der Leistungsbetrag von derzeit 123 Euro auf 153 Euro an. Wünschenswert wäre auch aus meiner Sicht eine Dynamisierung der Anpassungsregelungen.

Fünftens. Im Bereich der Rehabilitierung sollen letztlich Antragsfristen bis Ende 2025 verlängert werden, damit auch diejenigen, die zum Zeitpunkt der friedlichen Revolution in den Dreißigern waren, bei Eintritt in den Ruhestand die Erlebnisse aus der DDR-Vergangenheit noch aufarbeiten können.

Sechstens. Beim Fonds Heimerziehung in der DDR geht es nicht um ein klassisches Antragsverfahren. Betroffene schließen vielmehr eine privatrechtliche Vereinbarung mit den zuständigen Anlauf- und Beratungsstellen ab. Dem geht ein umfassender Beratungsprozess voraus. Dieser ist unverzichtbar für die persönliche Aufarbeitung der Betroffenen und zur Realisierung passender Hilfen. Eine Verkürzung dieses Prozesses kann daher nicht im Interesse der Betroffenen sein und würde den Grundgedanken dieses Fonds konterkarieren. Von daher ist es wichtig, diese Beratungen beizubehalten. In den letzten Monaten wurde ein Umlaufbeschluss der MPK Ost zur Aufstockung des Fonds vorbereitet und er ist kurz vor der Unterzeichnung. Die Geltendmachungsfrist mit Stichtag 30. September 2014 wurde insbesondere von den Finanzressorts der Länder gefordert, um die Mittelbereitstellung für die Aufstockung des Fonds seriös planen zu können. Diese Abstimmung ist ebenfalls bereits erfolgt. Für die Antragstellung reicht ein formloses Schreiben, mit welchem der Betroffene seinen Bedarf an Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten aus dem Fonds anmeldet. Ich kann Ihnen sagen, täglich gehen neue Anträge ein. Insofern ist der Aufwand für Betroffene gering. Der Termin wird auch noch angemessen publik gemacht.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Immer mehr junge Menschen besitzen keine eigenen Erfahrungen mit der deutschen Teilung. Sie müssen wir mit geeigneten Mitteln ansprechen, um ihr Interesse für Demokratie und Freiheit zu wecken und zu stärken. Deshalb weist die

Aufarbeitung des DDR-Unrechtsregimes künftig nicht mehr nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Stärker als bisher müssen wir an authentischen Gedenkstätten die Werte unserer friedlichen Revolution, wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte und Transparenz staatlicher Entscheidungen, auch den nachfolgenden Generationen vermitteln. Letztlich wird Aufarbeitung nur gelingen, wenn sich neben den staatlichen Stellen auch engagierte Bürger ehrenamtlich in Vereinen aktiv für die Aufarbeitung einsetzen. Viele dieser Vereine gehen auf Initiativen von DDR-Bürgerrechtlern und Oppositionellen zurück. Dieses Engagement verdient unser aller Würdigung und Unterstützung sowie meinen ganz besonderen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich rufe nun zum Schlusswort auf. Herr Abg. Schiemann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich aufrichtig und ehrlich bei Ihnen für diese Debatte und für diesen Antrag bedanken.

(Michael Weichert, GRÜNE: Bitte schön, Herr Schiemann!)

Ich bedanke mich ganz besonders deshalb, weil es angemessen ist, auch kritische Hinweise für diesen Antrag, der natürlich nicht in allen Punkten alles allumfassend ansprechen konnte, anzubringen. Deshalb mein aufrichtiger Dank für diese Debatte. Ich habe gespürt, dass viele in diesem Raum dies in Kontinuität und Ehrlichkeit gegenüber den Opfern schon viele, viele Jahre praktizieren. Wir haben – darauf möchte ich hinweisen – im Freistaat

Sachsen sehr zeitig eigenständige Lösungen verfolgt. Wir haben im Freistaat Sachsen eine Regelung geschaffen, wonach verfolgte Schüler aus einem Landesprogramm Rehabilitierung in Form einer finanziellen Unterstützung bekommen haben. Ihr Vorgänger, Frau Kollegin Clauß, Staatsminister Dr. Hans Geisler hatte das vorgeschlagen und darauf gedrungen, dass man verfolgte Schüler im Freistaat Sachsen mit einer entsprechenden Rehabilitierung finanziell unterstützen muss.

Wir haben in den zurückliegenden Jahren immer wieder von neuen Opfergruppen erfahren. Deshalb bitte ich um Nachsicht, dass wir vielleicht nicht alle Opfergruppen, die hinzugekommen sind, benannt haben. Wir haben auch beim Bundeskongress der Landesbeauftragten mit dem Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen dieses Thema diskutiert. Wir sollten im 25. Jahr der friedlichen Revolution wenigstens die Kraft haben, uns den Opfergruppen zuzuwenden, die jetzt bekannt sind. Ich gehe davon aus, dass dies nicht zu unserem Selbstzweck, auch nicht für Wahlkampfzwecke notwendig ist. Dies ist notwendig wegen des Respekts und der Achtung vor der Leistung von Menschen, die an einer Diktatur leiden mussten.

Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP,

der SPD und der Staatsregierung

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe Einstimmigkeit. Damit ist die Drucksache beschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet.

Wir kommen nun zum

Tagesordnungspunkt 8

Voraussetzungen für die Förderung einer tatsächlichen Gleichstellung

der Geschlechter im Bereich des Staatshaushaltes in Sachsen schaffen

Drucksache 5/13809, Antrag der Fraktion DIE LINKE,

mit Stellungnahme der Staatsregierung