Protocol of the Session on April 10, 2014

Herr Gerstenberg, Sie sprachen von einer Tourismusförderung. Ich möchte das anhand eines Beispiels belegen. Graffiti und Schmierereien sind ein weltweites Problem. Es ist Jahrhunderte alt. Vor wenigen Monaten ereignete sich in Ägypten folgender Vorfall: Ein kleiner Chinese beschmierte den Lendenschurz von Alexander dem Großen auf chinesisch mit dem Graffiti „Ding Jinhao war hier“. Der Direktor des dortigen Museums behandelte dies sehr locker, obwohl der Schaden mehrere Tausend Euro betrug. Er sagte, dass in den 1890er Jahren bereits jemand den Lendenschurz beschmiert hatte. Wissen Sie, worin jedoch der Unterschied liegt? Die Eltern dieses kleinen Chinesen haben sich stellvertretend für ihren Schützling und für die Chinesen bei den Ägyptern entschuldigt. Können Sie sich vorstellen, dass sich die Jugendlichen oder die Eltern der Straftäter jemals für ihre Taten oder Schützlinge entschuldigen? Wie weit sind wir in dieser Gesellschaft gekommen? – Ich wollte dieses Beispiel nur einmal anführen.

Ich versuche, die Punkte rückwärts abzuarbeiten. Herr Brangs, Sie haben Folgendes festgestellt: Natürlich befinden wir uns im Wahlkampf. Sie befinden sich auch im Wahlkampfmodus. Das ist doch selbstverständlich. Dieser Antrag hat jedoch mitnichten damit zu tun. Das ist eine reine Feststellung.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Wenn Sie meinen Redebeitrag verarbeitet hätten und fair gewesen wären, dann hätten Sie gemerkt, dass ich einen breiten gesellschaftlichen Schulterschluss angemahnt habe. Darin war eine eindeutige Ermunterung an die Justiz enthalten.

Herr Bartl, natürlich war es ein Missverständnis. Natürlich habe ich in voller Bewunderung des Strafverteidigers das Beispiel genannt. Es ist seine Aufgabe, seine Klienten zu verteidigen. Das ist Bestandteil unseres Rechtsstaates. Das ist auch in Ordnung. Ich habe gleichermaßen daran erinnern wollen, dass die Justiz die Verpflichtung hat, die bestehenden Gesetze umzusetzen. Wenn zu wenig gerichtet wurde, ist es eine gesamtdeutsche Aufgabe der Justiz, nachzuarbeiten. Das ist die Intention der Bevölkerung. Wir benötigen keine schärferen Gesetze. Die Gesetze müssen nur eingehalten und ausgeführt werden.

Ich möchte Ihnen noch ein paar Beispiele nennen. Im Jahr 2005 – zu diesem Zeitpunkt war ich noch nicht Mitglied

des Landtages – fand eine Diskussion mit Barbara Höll in meinem jetzigen Wahlkreis im Leipziger Osten statt. Dieser Wahlkreis ist sehr stark von Schmierereien betroffen. In dem Bürgerverein bzw. Bürgerforum haben die Bürger klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Überwachungskameras akzeptiert werden. Das geschah auch im Zuge dessen, dass dort eine hohe Drogenkriminalität vorherrschte. Es war eine hohe Akzeptanz für Überwachungskameras gegeben. Es war die Akzeptanz der Bevölkerung. Es war die Akzeptanz der Leute, die zu diesem Forum kamen. Sie haben Folgendes gesagt: Es sei ihnen vollkommen gleich, wenn temporär zum Beispiel eine Überwachungskamera installiert werden würde. Wenn dadurch eine Eindämmung der Drogenkriminalität und Schmierereien stattfände, akzeptieren sie dies.

Ich habe über viele Jahre zum Beispiel in Jugendklubs in meinem Wahlkreis, in dem die Graffiti-Szene sehr stark ist, in vielen verschiedenen Workshops mitgearbeitet. Zuletzt hat die Mittelstandsvereinigung Leipzig, deren Vorsitzender ich bin, im vorigen Jahr eine Versteigerung eines Bildes eines internationales Künstlers, welches eine Form des Graffitis darstellte, durchgeführt. Svend-Gunnar Kirmes hat dies ersteigert. Er hat dieses ersteigerte Bild dem Jugendklub geschenkt. Dazu gab es Geld für Graffitiprojekte, damit den Jugendlichen Raum und Platz gegeben werden konnte. Die Stadt Leipzig hat mit der Polizei Präventionsmaßnahmen angeboten, an denen wir auch teilgenommen haben. Wir haben in diesem Zusammenhang ebenfalls Bilder ersteigert. Sie sehen, dass die Vielfalt sehr groß ist.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen einen Dokumentarfilm ans Herz legen. Er ist wirklich sehr sehenswert. Er heißt „Unlike U – Betreten verboten“. Dieser Film taucht sehr tief in die Sprayerszene in Berlin ein. Sie sehen, wie gefährlich das ist. Erst vor wenigen Wochen ist ein Jugendlicher bei dem Besteigen eines Güterwaggons von einem Stromschlag von einer Hochspannungsleitung getroffen wurden. Es ist mitnichten so, dass das, was die Jugendlichen oder die Szene macht, unkommentiert stehen gelassen werden kann. Es ist unsere Verpflichtung, die Leute darauf hinzuweisen, dass es Sachen gibt, die man machen kann oder eben nicht. Ob es sich nun um eine Subkultur handelt oder nicht, muss man nicht hinnehmen. Ich freue mich über den Konsens, der gemeinsam mit den Juristen herrscht: Es ist nicht nur eine Sachbeschädigung, sondern auch eine Missachtung des persönlichen Eigentums.

Recht vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das war Herr Pohle für die CDU-Fraktion. Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staatsregierung, ob das Wort gewünscht wird? – Herr Staatsminister Ulbig. Bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren

Abgeordneten! Eigentlich wäre die Staatsregierung erst im Ergebnis des Beschlusses in Form des Berichtes gefordert. Trotzdem will ich aus der Sicht der Staatsregierung ein paar Anmerkungen machen und auf ein paar Punkte aus der Diskussion eingehen.

Wenn man sich die Zahlen nicht für eine Stadt, sondern für das ganze Land anschaut, kann man zumindest sagen, dass wir im letzten Jahr eine leicht gesunkene Anzahl von Fällen und eine verbesserte Aufklärungsquote hatten. Das zu dem Thema in Richtung Polizei. Von etwas mehr als 1 000 Fällen im Jahr davor ist die Anzahl im letzten Jahr auf 1 200 aufgeklärte Fälle gestiegen. Das sind immerhin fast 20 %.

An dieser Stelle möchte ich sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Es ist eine tolle Leistung der Polizei, in diesem Deliktfeld so aktiv zu sein. Denn das ist durchaus keine leichte Aufgabe, und es macht deutlich, dass es doch ein wichtiger Punkt im Bereich der sächsischen Polizei ist. Es ist nämlich durchaus nicht einfach, die Straftäter zu überführen. Am besten wäre es, man würde sie auf frischer Tat ertappen, was nicht immer funktioniert.

Trotz alledem ist die Anzahl der Fälle und die Schadenssumme natürlich nach wie vor eindeutig zu hoch. Deshalb will ich auch aus der Sicht der Staatsregierung deutlich sagen: Diese illegalen Graffiti sind kein Kavaliersdelikt. Gerade in den betroffenen Innenstädten ist es doch ein echtes Riesenproblem. Das sehen wir durchaus selber, und zwar leider nicht nur in den Innenstädten, sondern wir merken es auch ganz besonders an den Autobahnbrücken. Es gibt ja kaum noch eine Autobahnbrücke, die nicht beschmiert ist.

Deshalb will ich den Aspekt „Kunst oder Straftat“ aus der Diskussion noch einmal aufgreifen. Es geht aus meiner Sicht nicht darum, das Thema Künstler als Problem darzustellen, sondern ich will es an einem Beispiel deutlich machen:

Ich habe den Beitrag von Spiegel-TV gesehen, in dem es um den sogenannten Graffitikrieg in Leipzig ging. Da war der O-Ton des interviewten Sprayers auf die Frage, ob er denn an die betroffenen Eigentümer denke, folgender: „Das ist mir egal!“ Das ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, aus meiner Sicht das Kernproblem. Das ist für mich an Respektlosigkeit nicht zu überbieten und hat auch nichts mehr mit Kunst zu tun.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Hier geht es in Wahrheit um Ruhm in der Szene – und das auf unser aller Kosten.

Deshalb geht es nicht darum, was die Kommunen gegebenenfalls noch mehr tun können. Es kann durchaus eine Leistung sein, mehr Flächen zur Verfügung zu stellen. Aber es geht eben nicht – ich glaube, das ist in der Debatte deutlich geworden –, dass das private, das staatliche oder das kommunale Eigentum ignoriert und gesagt wird: Wenn ich nicht genügend Flächen habe, gehe ich an eine solche Hauswand oder an eine solche Brücke ran, um

meiner Neigung wie auch immer nachzugehen. Das kann nicht akzeptiert werden, und das muss auch in der Gesellschaft deutlich ausgesprochen werden.

Das Zweite, was ich ansprechen möchte, ist das Alter der Straftäter. Es ist immer gesagt worden, das seien überwiegend junge Straftäter. Die Zahlen, die mir vorliegen, sehen wie folgt aus, meine sehr verehrten Damen und Herren: Mehr als die Hälfte aller Tatverdächtigen ist immerhin über 18 Jahre alt, und 37 % sind sogar über 21 Jahre alt. Vor diesem Hintergrund muss man davon ausgehen, dass wir hier nicht mehr im Jugendstrafrecht sind. An dieser Stelle kann ich auch nicht mehr von jugendlichem Leichtsinn sprechen.

Drittens ist aus meiner Sicht die Eigeninitiative zu stärken. Ich habe darüber gesprochen, dass es denjenigen, die da aktiv sind, durchaus um Ruhm geht, auch um Wettbewerb mit anderen Gangs. Deshalb finde ich es gut, dass auch Ideen entwickelt werden, die sich damit auseinandersetzen.

Herr Pohle hat schon etwas in dieser Richtung angedeutet. Einerseits gibt es Antigraffiti-Flatrates. Das ist aus meiner Sicht gut für die Eigentümer, deren Immobilien wiederholt verschandelt werden. Da übernehmen Firmen die Garantie, dass die Schmierereien in spätestens zwei Tagen beseitigt werden. Sie sind dann also weg. Genauso ist das eine Angelegenheit für die Straßenbaumeistereien, an der sie im Moment dran sind. Das ist eine Herkulesaufgabe, aber ich denke, das ist wichtig.

Auch das Engagement der Menschen vor Ort ist wichtig. Im Antrag ist Leipzig „STATTBILD e. V.“ angesprochen worden. Ich finde das richtig gut: Aufklären, Ideen entwickeln und die Zusammenarbeit mit der Leipziger Immobilienwirtschaft und der Polizei. Angesprochen wurden auch die Hausmeisterseminare, bei denen Leipziger Polizisten beraten.

Ich kann weder für die sächsische Polizei noch für den Bereich der Leipziger Polizei so stehen lassen, dass man sich aus diesem Bereich zurückziehen würde, sondern wir sind da tatsächlich aktiv.

Zum Abschluss möchte ich noch etwas in Richtung NPD sagen. Herr Storr, Sie haben die NPD quasi als die Antigraffiti-Typen dargestellt. Wenn man sich aber die Zahlen der Graffitistraftaten im ersten Halbjahr 2013 anschaut, dann kann man immerhin erkennen, dass mehr als 10 % rechtsmotiviert gewesen sind.

(Andreas Storr, NPD: Das können Sie doch nicht der NPD zuschreiben! – Zuruf des Abg. Holger Szymanski, NPD)

Wenn ich solche Zahlen anschaue, kann ich mich nur wundern, wie Sie sich hier hinstellen. Sie schreien wieder am lautesten. Schauen Sie erst einmal, dass man in Ihrer Klientel für die öffentliche Ordnung und Sicherheit eintritt, bevor Sie über andere Leute reden.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Meine Damen und Herren, wir kommen zum Schlusswort. Wer möchte es halten? – Herr Schiemann; bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Debatte hat deutlich gezeigt, dass die einreichenden beiden Fraktionen viel von Kunst und Kultur halten, aber nichts von Straftaten und Sachbeschädigungen fremden Eigentums.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dieser Aspekt ist in den Städten unterschiedlich zu bewerten. Ich glaube, Kollege Ronald Pohle aus der schönen Stadt Leipzig hat hier seine Umwelt dargestellt, die eben sehr viel nicht mit Kunst und Kultur zu tun hat, sondern mit kriminellen Handlungen an fremdem Eigentum. Das können wir nicht akzeptieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir wollen mit diesem Antrag als Koalitionsfraktionen eine Neubewertung einer Sachlage anstreben, die für uns eben nicht hinnehmbar ist. Wir regen dabei an, natürlich auch Maßnahmen zu ergreifen, die man hier in Dresden diskutiert. Wenn die Stadt Dresden der Meinung ist, dass sie Flächen für Kunst und Kultur zur Verfügung stellt, dann ist das eine Entscheidung der Kommune, der Landeshauptstadt Dresden. Ich glaube, das ist legitim, wenn ich Stellen habe, die ich zur Verfügung stelle.

Aber die neu gebauten Brücken an den Autobahnen, die schönen Häuser, die es in Leipzig gibt, oder die Bahnhofsgebäude sind eben nicht freigegebene Flächen, und dort haben illegale Graffiti überhaupt nichts zu suchen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir wollen ein Handeln der kommunalen Ebene. Wir wollen sie mit diesem Antrag bestärken. Wir wollen aber auch, dass der Staat klar zeigt, dass er Sachbeschädigung von Kunst und Kultur unterscheidet und entsprechend verfolgt.

Ich bedanke mich für die Debatte und hoffe, dass wir mit diesem Antrag einen guten Weg zur Verfolgung dieser Straftaten geebnet haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Schiemann.

Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Abstimmung. Wer der Drucksache 5/13724 seine Zustimmung geben möchte, hebt jetzt die Hand. – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei sehr vielen Stimmenthaltungen und keinen Gegenstimmen ist die Drucksache 5/13724 beschlossen und dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Nachbarschaftsschule Leipzig (NaSch) und

Chemnitzer Schulmodell unbefristet fortführen!

Drucksache 5/12202, Antrag der Fraktion DIE LINKE,