Meine Damen und Herren! Die Fachkräftesicherung im Freistaat Sachsen ist eine zentrale Aufgabe, die wir nur alle gemeinsam stemmen können. Unser Tun muss sich deshalb am Erfolg unserer Schülerinnen und Schüler ausrichten und messen lassen, getreu dem bildungspolitischen Grundsatz: Jeder zählt.
Meine Damen und Herren! In der Aussprache ist nun die CDU-Fraktion an der Reihe. Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abg. Rohwer. Bitte, Herr Rohwer, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Soeben verkündete Frau Staatsministerin Kurth, dass es eine Übergangslösung für Projekte der Berufs- und Studienorientierung gebe und dass damit die Lücke zwischen den beiden EUFörderperioden geschlossen sei. Dies ist eine hocherfreuliche Nachricht. Es zeigt einmal mehr, dass die Sächsische Staatsregierung im Interesse der Bildung handelt und gestaltet.
Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Antrag der SPD-Fraktion will viel wissen. Er holt weit aus, ist aus meiner Sicht aber doch etwas schwach auf der Brust. Die aufgeführten Fragen sind bereits beantwortet worden, und etwaige Forderungen an die Staatsregierung halte ich für überzogen.
Wie Frau Staatsministerin Kurth bereits erwähnte, sind die Rahmenbedingungen für eine sachgerechte Berufs- und Studienorientierung durch das Kultusministerium gelegt worden. Sie sind nicht nur fester Bestandteil im Lehrplan, sondern Aspekte der Berufs- und Studienorientierung finden sich ebenso in den §§ 6, 7 und 35b des Sächsischen Schulgesetzes wieder.
Insbesondere im § 35b werden die Schulen angehalten, mit Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe und mit außerschulischen Einrichtungen insbesondere in Betrieben und Einrichtungen der Weiterbildung zusammenzuarbeiten. Mehr noch, die seit dem Jahr 2009 bestehende verbindliche Vereinbarung zwischen dem Freistaat und der Bundesagentur für Arbeit befasst sich mit der inhaltlichen Ausgestaltung der Berufs- und Studienorientierung und wird sehr erfolgreich umgesetzt.
Eine weitere Verregelung durch den Gesetzgeber, wie die SPD-Fraktion anregt, ist weder nötig noch zielführend, um die Berufs- und Studienorientierung zu optimieren. Dies würde nur weitere übergeordnete Strukturen hervor
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Berufs- und Studienorientierung folgt keinem Selbstzweck, sondern muss nah bei Schülern und Eltern sein. Dies erfordert auch eine enge Zusammenarbeit der Schulen mit ihrem akademischen und wirtschaftlichen Umfeld. Die Stärkung der Landesarbeitsgemeinschaft Schule-Wirtschaft sowie die Unterstützung regionaler Koordinierungsstellen sind Indikatoren der maßgerechten Initiative der CDUgeführten Staatsregierung.
Jungen Menschen den Berufseinstieg zu erleichtern, ist die Maxime. An dieser Stelle wird den Schulen genug Raum gelassen, um den regionalen und individuellen Bedürfnissen der Bildungseinrichtungen gerecht zu werden. Dies erfordert ebenso Verantwortungsgefühl und Eigeninitiative in den Schulen.
Insbesondere die Eigenverantwortung von Schülern und Eltern darf nicht zu kurz kommen. Unser Ziel muss es bleiben, die Potenziale der jungen Menschen zu fördern, um die Effizienz in diesem Bereich zu erhöhen und ein System nah am Schüler zu organisieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir können es uns angesichts des drohenden Fachkräftemangels heute weniger denn je leisten, dass junge Menschen hinter ihren Fähigkeiten zurückbleiben. Vor diesem Hintergrund hat die Union das bundesweite Programm „Chance Beruf“ angeregt. Diese Initiative stellt einen präventiven Ansatz dar, der individuelle Beratung und Orientierung für ausdrücklich jeden Jugendlichen beinhaltet, bei Bedarf auch mit persönlicher Begleitung in der Ausbildung.
Was unterscheidet das Programm „Chance Beruf“ von bisherigen Angeboten? – Es ist vor allem sein bildungsbereichsübergreifender Ansatz, der nicht von den vorhandenen Bildungswegen und -institutionen ausgeht, sondern von den jeweiligen Kompetenzen der ratsuchenden Menschen.
Die zentralen Elemente des Programms „Chance Beruf“ sind, erstens, eine individualisierte Berufsorientierung für jeden Schüler, zweitens, eine persönliche Begleitung während der Orientierungsphase und nötigenfalls auch während der Berufsausbildung für jeden Jugendlichen mit entsprechendem Bedarf, drittens, die Steigerung der Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung, viertens, eine professionalisierte Beratung für Schulabgänger mit Hochschulzugangsberechtigung für eine berufliche oder akademische Ausbildung und, fünftens, eine enge und intensive Beratung und Begleitung bei der Weiterbildung.
Dies soll unter anderem durch Instrumente wie die BundLänder-Initiative „Bildungsketten“ erreicht werden, die jungen Menschen vor dem Schulabschluss eine Potenzialanalyse und danach bei Bedarf eine Berufseinstiegsbeglei
Dieses Maßnahmenpaket soll für alle 500 000 Schülerinnen und Schüler von Haupt-, Real- und Förderschulen geöffnet werden und in modifizierter Form auch den 300 000 Jugendlichen angeboten werden, die ein Abitur anstreben.
Grundsätzlich ist es so, dass alle von dem Programm „Chance Beruf“ profitieren können; Hauptschüler mit schwieriger Ausgangslage genauso wie Akademikerinnen und Jugendliche vor der Berufswahl genauso wie erfahrene Fachkräfte, die sich weiterbilden wollen.
Die Union hat ihre Hausaufgaben aus unserer Sicht gemacht. Es ist aber stark zu bezweifeln, dass das auch für Sie von der SPD gilt.
Vor etwas mehr als vier Monaten wurde der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD verhandelt. Man einigte sich damals, 5 Milliarden Euro zusätzlich im Bereich Bildung investieren zu wollen. In der Theorie klingt das sehr gut, praktisch ist allerdings noch nichts passiert. Warum?, fragt man sich.
Die im Koalitionsvertrag festgelegten Regelungen zur Berufs- und Studienorientierung werden von der SPD im Geschäftsgang von Bund und Ländern blockiert. Es liegt nicht an der Union, schnell Verbesserungen in diesem Bereich zu erzielen. Sorgen Sie also lieber dafür, dass sich Ihre Kollegen in Berlin und in den Ländern an die Vereinbarung im Koalitionsvertrag halten. Dann kann auch dieses Programm „Chance Beruf“ mit einem Finanzvolumen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro flächendeckend implementiert werden. Davon können wir hier im Freistaat nur profitieren. Es liegt also an Ihren Kollegen, die Berufs- und Studienorientierung mit Augenmaß weiter zu gestalten.
Werte Damen und Herren! Es heißt also, auf Sicht fahren und nicht – zumal kurz vor der Landtagswahl – einem Aktionismus zu verfallen. Der Vorstoß der Staatsregierung verliert unser wichtigstes Ziel nicht aus den Augen, den langfristigen Fachkräftebedarf unter den Veränderungen im Bildungssystem zu sichern und die Berufs- und Studienorientierung maßvoll an solche Herausforderungen wie etwa den demografischen Wandel anzupassen.
Werden Sie nun bitte auch Ihrer Pflicht gerecht und halten sie Wort, um den bereits hohen sächsischen Standard der Berufs- und Studienorientierung weiterhin zu garantieren. Wir haben es im Koalitionsvertrag in der Berliner Großen Koalition vereinbart.
Der heutige Antrag der SPD im Sächsischen Landtag hat sich aus unserer Sicht erledigt, insbesondere durch die Übergangslösung, über die uns Frau Kurth gerade infor
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema lautet: Berufs- und Studienorientierung nachhaltig gestalten. Dies fordert die SPD zu Recht, denn auf diesem Gebiet ist trotz allem Lob, Herr Rohwer, noch lange nicht alles Gold, was glänzt. Frau Stange hat auf die vielen offenen Baustellen verwiesen.
Das frühe Kennenlernen produktiver Tätigkeiten und betrieblicher Abläufe fördert die Berufsorientierung der Heranwachsenden in besonderem Maße. Die Einbeziehung der Wirtschaft in den Schulunterricht bereichert das Lernen und vermittelt den Schülerinnen und Schülern erste Erfahrungen in der Arbeitswelt. Die Kooperation mit Unternehmen steigert die Lernqualität und erleichtert den Übergang ins Berufsleben.
Bereits mit dem Abschluss des nationalen Ausbildungspaktes im Jahr 2004 waren sich die Beteiligten darüber einig, dass der Unterricht an allgemeinbildenden Schulen die Vermittlung von Schlüsselkompetenzen wie Rechnen, Schreiben, Lesen sowie Ausbildungsfähigkeit und Berufsreife gewährleisten muss, wozu im Unterricht durchgängig der Bezug zur Arbeits- und Berufswelt gestärkt werden soll.
Meine Damen und Herren! So ganz neu ist das Thema nicht. In der letzten Legislaturperiode gab es dazu den Antrag der damaligen Koalitionsfraktionen mit dem Titel „Berufs- und Arbeitsweltorientierung in allgemeinbildenden Schulen im Freistaat Sachsen“. 2008 beantragte meine Fraktion die Einführung des Unterrichtsfachs Polytechnik und Berufsvorbereitung.
Im Sommer 2009 beantragten die damals in der Koalition verbundenen SPD und CDU „Berufs- und Studienorientierung der sächsischen Schüler unterstützen – Ausbildungs- und Studienabbrüche verringern“. Das war ein dem heute in Rede stehenden Antrag ziemlich ähnlicher Sachverhalt, nur dass dieses Mal die SPD die alleinige Autorin ist.
Auch in dieser Legislaturperiode, die sich nun dem Ende zuneigt, haben wir in mehreren Tagesordnungspunkten im Plenum das Thema Berufsorientierung behandelt; nicht zuletzt mit dem CDU/FDP-Antrag zu den alten Handwerksberufen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Teil 1 Ihres Antrags, liebe SPD, begehrt nun einen umfassenden Bericht der bislang auf diesem Gebiet durch die Staatsregierung aufgelegten Projekte und Maßnahmen inklusive aller der
durch den ESF geförderten Programme. Zwischenberichte und Berichte liegen zunächst mal – sagen wir einmal – teilweise umfänglich vor.
Na ja, sie liegen vor –, wenngleich, Kollege Bienst, nicht alle Antworten zufriedenstellend sind. Exemplarisch verweise ich auf die Antwort der Staatsregierung auf die Frage I.5, welche Abgrenzung es zwischen dem Berufsberater, dem Berufseinstiegsbegleiter, dem Sozialpädagogen, der für die Kompetenzentwicklung zuständig ist, dem Praxisberater und dem Schulsozialarbeiter gibt.
Die Antwort der Staatsregierung lautet: „Der Freistaat stellt sich dem Qualitätsanspruch, allen Schülerinnen und Schülern einen gelingenden Übergang von Schule in die Ausbildung zu ermöglichen. Mit der Implementierung von unterschiedlichem Unterstützungspersonal wird der Individualität Rechnung getragen, indem diese mit klar definierten Schülergruppen arbeiten und nach aufeinander abgestimmten Aufgabenbeschreibungen agieren. Alle am Prozess beteiligten Personen unterstützen den Klassenlehrer bei der Arbeit mit jedem einzelnen Schüler, bezogen auf die Bereiche Diagnostik, individuelle Förderung sowie maßgeschneiderte Berufs- und Studienorientierung.“
Frau Kurth und liebe Staatsregierung, die Ausführungen klingen gut. Das war aber nicht die Antwort auf die Frage. Die Frage, die die SPD zu Recht stellt, war die Frage nach der Abgrenzung. Darauf bleiben Sie eine Antwort schuldig. Ein wenig Aufklärung hat Frau Kurth vorhin in ihren Ausführungen gegeben, indem sie zwei der in Rede stehenden fünf, sechs oder sieben Sozialarbeiterpositionen näher beschrieben hat.
Es ist doch so, meine Damen und Herren, dass sich unterschiedliches Unterstützungspersonal an den Schulen um verschiedene Probleme kümmert und die vielen verschiedenen Projekte mit ihrem Personal dazu führen können, dass ein Schulleiter oder eine Schulleiterin mitunter überhaupt nicht weiß, welchen Sozialarbeiter er oder sie gerade vor sich hat. Ferner ist es so, dass die verschiedenen ineinandergreifenden, sich ergänzenden oder gar nicht tangierenden Projekte und Maßnahmen erst nach einer sehr langen Anlaufzeit miteinander koordiniert werden können. Das, meine Damen und Herren, sind nicht die einzigen Probleme.
Den zweiten Teil des SPD-Antrags können wir ausdrücklich unterstützen. Die Berufs- und Studienorientierung braucht eine echte konzeptionelle Untersetzung und ein strukturiertes Landesprogramm. Sie braucht nicht ein Nebeneinander vieler kleiner Maßnahmen, wie die Einstellung von sage und schreibe – es tut mir leid, Frau Kurth – 50 Praxisberatern für 336 Oberschulen und damit für knapp 90 000 Schüler. Sie braucht Langfristigkeit und Zuverlässigkeit. Hierzu ist es erforderlich, den über den ESF der alten Förderperiode geförderten Projekten, die im Sommer enden, aber zu Schuljahresbeginn dringend an
Nun haben wir gerade gehört, dass es eine Übergangsregelung geben soll. Ich freue mich, dass es Ihnen gelungen ist, mit der BA 5 Millionen Euro auszuverhandeln, sodass zu Beginn des Schuljahres keine Lücke entsteht und die Projekte arbeiten können. Ich freue mich tatsächlich dafür, weil das ein großes Problem ist.
Nunmehr wäre es schön, wenn man für alle anderen ESFProjekte, die sich nicht in der Berufsorientierung befinden, die Förderlücke auch noch schließen könnte. Hier gibt es noch einige Baustellen. Herr Unland schreibt schon mit. Dann bekommen wir das sicherlich auch gelöst.