Protocol of the Session on April 9, 2014

Wir sind uns einig, dass die Ausnahmetatbestände zur Kreditaufnahme in der Sächsischen Haushaltsordnung nachzuzeichnen sind und darüber hinaus einer näheren Erläuterung bedürfen, zum einen hinsichtlich der Definition der Normallage, hinsichtlich der Tilgungszeiträume, und zum anderen hinsichtlich der Rücklagenbildung. Nichts anderes tun wir im § 18 der Sächsischen Haushaltsordnung im Sinne der Verfassungsänderung.

Meine Damen und Herren! Die Linksfraktion hat zum vorliegenden Gesetzentwurf einen Änderungsantrag

eingebracht, auf den ich bereits an dieser Stelle eingehen möchte. Als Erstes verwundert es mich, dass Sie Ihr Änderungsbegehren im Ausschuss zwar ansprechen, aber nicht mit einem Änderungsantrag untermauern.

(Heiterkeit bei den LINKEN – Sebastian Scheel, DIE LINKE: Das ist ja wohl eine Frechheit!)

Sie haben ja noch Redezeit!

Erst im Ausschuss entwickeln Sie, an welcher Stelle der Haushaltsordnung Sie die Änderung des Artikel 94 Abs. 2 in der Sächsischen Haushaltsordnung verankern wollen.

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Überraschung!)

Uns zu unterstellen, wir hätten diese angebliche Folgeänderung unterschlagen oder schlicht vergessen, ist falsch.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Diese Änderung des Artikel 94 Abs. 2, auf die Sie anspielen, bedarf keiner Änderung der Sächsischen Haushaltsordnung. Im Artikel 95 Abs. 8 steht explizit: „Das Nähere regelt ein Gesetz.“ Das tun wir, aber Artikel 94 erfordert dies nicht. Eines ist auch klar: Die Verfassungsänderung hinsichtlich der Haushaltsaufstellung nach Artikel 94 gilt. Regelungen der Sächsischen Verfassung sind zu beachten, auch ohne einfachgesetzliche Wiederholung.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Welche rechtlichen Monster, meine Damen und Herren, würden wir schaffen, wenn wir anfingen, jeden Regelungsinhalt der Verfassung einfachgesetzlich zu wiederholen?

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Da brauchen wir keine SäHO!)

Meine Damen und Herren! Das ist weder notwendig noch sinnvoll. Aus diesem Grund werden wir auch Ihren Änderungsantrag ablehnen.

Gleichzeitig möchte ich noch einmal um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen werben. Die vorliegenden Änderungen der Haushaltsordnung sind zwingend notwendig und entsprechen eins zu eins dem, was wir im Rahmen der Verhandlungen zum Neuverschuldungsverbot besprochen haben. Die Verfassungsänderung hat uns diesen Auftrag hinterlassen. Kommen wir diesem Auftrag nach und stimmen Sie dem unveränderten Gesetzentwurf der CDU und FDP zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Nun die Fraktion DIE LINKE. Herr Abg. Bartl, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Prof. Schmalfuß hat Sie darauf aufmerksam gemacht: Wir alle erinnern uns noch daran, mit welch hehren Worten das bislang erste und einzige Gesetz zur Änderung der im Mai 1992 in Kraft getretenen Verfassung des Freistaates Sachsen am 10.07.2013 hier im Sächsischen Landtag behandelt und von der übergroßen Mehrheit der Abgeordneten verabschiedet worden ist. Das war ein würdiger Akt; darüber haben wir keinen Streit. Es war ein in einem langen Beratungs- und Verständigungsprozess zwischen den fünf demokratischen Fraktionen dieses Hauses ausverhandelter, letztlich auf drei Artikel der Verfassung beschränkter Kompromiss, der zumindest – davon waren wir überzeugt – mit dem Inkrafttreten dieses Verfassungsänderungsgesetzes am 1. Januar 2014 uneingeschränkt und mit dem gebotenen Respekt vor der Verfassung Wirkung entfalten sollte.

Nun soll mit dem heutigen Gesetzentwurf eine erste einfache gesetzliche Umsetzung erfolgen, die sich in Gestalt der Änderung des Gesetzes der Haushaltsordnung zunächst zwangsläufig auf die Änderungsartikel im Rahmen der Finanzverfassung beziehen. So weit, so gut.

Gleich im ersten Satz des Vorblattes Ihres Gesetzentwurfes, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU und FDP, heißt es unter Überschrift Zielstellung: „Ziel ist es, die Sächsische Haushaltsordnung (SäHO) an die ab 1. Januar 2014 geltende neue Verfassungslage anzupassen.“

Das geschieht aber nun ohne jede Plausibilität, Begründung und Rechtfertigung, bezogen allein auf Artikel 95, mit welchem die sogenannte Schuldenbremse als solche in die Sächsische Verfassung eingeführt wurde. Die Neuausregelung des Artikels 94 Abs. 2 hingegen, der genauso zur Finanzverfassung gehört, lassen Sie – und hier passt das Wortbild bestens – links liegen. Zu dieser Verfassungsänderung kam es nämlich auf Initiative unserer Fraktion als einer der Verhandlungspartner im fast zweijährigen Diskurs, wobei diese Änderung allerdings nicht nur von den anderen mitverhandelnden Fraktionen mitgetragen wurde, sondern von allen Abgeordneten, die der Verfassungsänderung zustimmten.

Der Artikel 94 Abs. 2 fügt den Verfassungsbefehl hinzu, dass bei der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplanes neben den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit – so bisher auch § 7 SäHO in der Umsetzung – einer hinzugefügt wird, nämlich dass auch dem sozialen Ausgleich Rechnung zu tragen ist.

Als unsere Vertreter im Haushalts- und Finanzausschuss auf eben diesen Fauxpas aufmerksam machten und forderten, dass gefälligst auch die Umsetzung dieses neuen Artikels 94 Abs. 2 der Verfassungsänderung hinzugekommenen Haushaltsstrukturgrundsatzes in der Haushaltsordnung erfolgt, setzte eine in der vorliegenden Schlussempfehlung zum Bericht des HFA nachzulesende höchst merkwürdige Debatte ein. Herr Prof. Schmalfuß, die Debatte haben Sie doch selbst miterlebt, wenn ich das richtig sehe. Oder er war nicht da und hat es verpasst? Dann kann es aber nicht am Änderungsantrag liegen, den Sie im Ausschuss verpasst haben. Ein Vertreter der CDUFraktion versicherte, dass die Nichtaufnahme einer Umsetzungsbestimmung zu Artikel 94 Abs. 2 – ich zitiere – „ohne böse Absicht erfolgt sei und dass es dieser gar nicht bedürfe, da die Sächsische Verfassung ohnehin das höhere Recht sei“.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Na, so was!)

Dann brauchten wir kein Ausführungsgesetz zur Verfassung, weil sie dann sowieso immer gilt.

Ein weiterer CDU-Fraktionär erklärte dann gleich rundweg, Artikel 94 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung, respektive die hier vorgenommene Verfassungsänderung, habe lediglich deklaratorischen Charakter.

(Heiterkeit bei den LINKEN)

Das ist wörtlich nachlesbar im Bericht. Und weiter: Für die Anwendung der Sächsischen Haushaltsordnung sei diese Formulierung ohne Bedeutung.

Als im Anschluss an eine 20-minütige Auszeit – beansprucht von der CDU-Fraktion – der Juristische Dienst erklärte, dass er aufgrund der Kürze der Zeit eine Wertung ohne nähere inhaltliche Prüfung nicht vornehmen könnte, ob auch Artikel 94 Abs. 2 der SäHO untersetzt werden muss, kam der Vertreter des Staatsministeriums für Finanzen mit der seltsamen Auffassung daher, die Haushaltsordnung werde überfrachtet,

(Heiterkeit bei den LINKEN)

„wenn alle Regelungen der Verfassung, die eine finanziellen Aspekt beinhalten, aufgenommen würden.“

(Jens Michel, CDU: Seltsam?)

Das habe ich zitiert aus der Beschlussempfehlung, das steht so drin.

Dann setzte ein weiterer Vertreter der CDU-Fraktion dem Ganzen die Krone auf, indem er behauptete, das Kriterium sozialer Ausgleich im neuen Artikel 94 Abs. 2 sei ein Staatsziel unter vielen. Und wenn man diese in die Haushaltsordnung aufnähme, müsste beispielsweise auch der Tierschutz hinein.

(Zuruf der Abg. Dr. Monika Runge, DIE LINKE)

Jetzt werde ich konkret und werde auch spitz: Der das von sich gab, war kein Geringerer als der frühere Justizminister des Freistaates Sachsen, Kollege Mackenroth. Justiz- und Innenminister gelten gemeinhin als sogenannte Verfassungsminister, das heißt, es sind die Ressortminister, die innerhalb der Regierung eine besondere Verantwortung hinsichtlich der Aufsicht über die Wahrung der Verfassung haben.

Ich gebe allerdings zu, dass man, um dieses Amt auszufüllen, die Verfassung kennen, sie verstehen und in der Lage sein muss, verschiedene Verfassungskategorien wie Staatsziele, Staatsfundamentalgrundsätze und Haushaltsfinanzgrundsätze auseinanderzuhalten. Ihnen, Herr

Kollege Mackenroth, und Ihrem schlechten Vorbild folgend Ihrer Fraktion und bedauerlicherweise auch der FDP-Fraktion ist das offensichtlich leider nicht gelungen.

An dieser Stelle versichern wir: Hier geben wir keine Ruhe. Wenn Sie gleich beim ersten Mal, da dieser gewiss nicht unsensible Verfassungskompromiss, um die Schuldenbremse praktisch umzusetzen, selbigen nach Ihrem Duktus und nach Ihrem Belieben umdeuten und die mit dem Verfassungsänderungsgesetz eingeführte Neuregelung nach eigenem Gutdünken gewichten, dann sind Sie gefährlich nahe dran am bewussten und gewollten Verfassungsbruch.

(Beifall bei den LINKEN – Marko Schiemann, CDU: Na, na, na!)

In jedem Fall ist Ihr Vorgehen eine verfassungsrechtliche Lumperei.

Dass die Ausregelung der Schuldenbremse in Artikel 95 und die Neuregelung der Finanzstrukturgrundgesetze in Artikel 94 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung miteinander

im Wechselspiel stehen, haben mehrere Sachverständige in der Anhörung des Verfassungsänderungsgesetzes betont. Ich verweise hier nur auf die Stellungnahme von Prof. Dr. Wieland auf eine diesbezüglich ausdrücklich nachgereichte Anfrage der Kollegin Jähnigen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 26. Juni 2013, in der es wörtlich heißt: „Die Bindung an den sozialen Ausgleich in Artikel 94 Landesverfassung ist wichtig, um zu verhindern, dass Einsparungen zur Verwirklichung der Schuldenbremse vorrangig durch Kürzung von Sozialleistungen erbracht werden.“

Es liegt auf der Hand, dass, wenn es Ziel dieses Gesetzes zur Änderung der Sächsischen Haushaltsordnung ist, diese an die ab 1. Januar 2014 geltende neue Verfassungslage anzupassen, sich Artikel 94 Abs. 2 wiederfinden muss. Die Haushaltsordnung ist nach allgemeinem Verständnis das Grundregelwerk, in dem die Grundsätze und Verfahren für die Aufstellung und Ausführung des Haushalts und die Kontrolle der Finanzen festgelegt sind. Das kann man sogar bei Wikipedia nachlesen, Herr Kollege Michel.

Wenn Sie an dieser Stelle schon bei der Änderung der Haushaltsordnung kneifen und das Haushaltsstrukturprinzip sozialer Ausgleich als vernachlässigbares Staatsziel herunterdeklinieren, ist dies zugleich eine beredte Weichenstellung für Ihr beabsichtigtes Herangehen an den ersten Doppelhaushalt nach Inkrafttreten der geänderten Sächsischen Verfassung.

Deshalb ist die Debatte um diese Frage mit der Lesung dieses Änderungsgesetzes eine höchst essenzielle und eine höchst prinzipielle. Deshalb beantragen wir, wenn sich das Hohe Haus heute hier quasi aus dem Stand keine abschließende Meinung dazu bilden kann, die Zurückverweisung dieses Änderungsgesetzes an den Haushalts- und Finanzausschuss und darüber hinaus an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss zur gründlichen Prüfung der Verfassungskonformität des Gesetzentwurfes, der jetzt mit dem Bericht und der Beschlussempfehlung des HFA vom 4. April 2014 vorgelegt worden ist.

Wenn Ihnen der soeben ausgereichte Änderungsantrag unserer Fraktion, der Ihnen vorliegt, zur sofortigen Willensbildung hier im Plenum nicht ausreicht, kann er für die Befassung in beiden Ausschüssen zumindest eine hilfreiche Grundlage sein.

Ich nehme abschließend nochmals Replik auf die damalige Sitzung des Landtags vom 10. Juli 2013 zur Annahme des Änderungsgesetzes zur Verfassung. Seitens der einreichenden Fraktion wurden dem Hohen Haus, den anwesenden Zuhörern, den zahlreich erschienen Vertretern der Medien und der allgemeinen Öffentlichkeit, die diesen Verfassungsgebungsprozess auch über Landesgrenzen hinaus verfolgten, zugesichert, dass diese Verfassungsänderung im Nachgang eins zu eins in nachgeordnete Gesetze aufgenommen werde. Kollege Michel, eins zu eins – dann halten Sie jetzt auch Wort und machen Sie es eins zu eins auch mit dem Artikel 94 Abs. 2.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Herr Bartl, ist Ihr Antrag so zu verstehen, dass wir die Debatte zunächst zu Ende bringen und Sie danach den Antrag noch einmal neu stellen, was die Überweisung betrifft? – Ist in Ordnung.