Protocol of the Session on December 18, 2013

Sie haben mit Ihren fremdenfeindlichen Äußerungen wieder einmal gezeigt, dass Sie nicht zu bremsen sind. Sie wollen mit handstrichartigen Anträgen die Freizügigkeitsregelung innerhalb der EU für Bulgarien und Rumänien gleich generell zu Fall bringen. Das ist doch die wahre Absicht Ihres Antrages! Das ist typisch für eine Gruppierung wie die Ihre und zeigt, dass Sie sich in keiner Weise überhaupt für ein gemeinsames Europa einsetzen können und wollen.

Sachsen versteht sich als ein weltoffenes und tolerantes Land in der Mitte Europas.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir sind gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Diskriminierung.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD)

In Ihrem Antrag, in der Begründung auf der letzten Seite – vielleicht haben Sie ihn nicht bis zum Ende gelesen, Herr Schimmer, aber das glaube ich nicht – fehlt nur noch eine Zusammenfassung, in der Sie Tschetschenen, Flüchtlinge aus Syrien und aus Afrika in einem Zug nennen.

Damit erfüllen Sie Ihren Spruch, den Sie immer wieder auf Ihre Wahlplakate geschrieben haben: Ausländer raus! Es hat nur noch gefehlt, dass Sie das in Ihrer Begründung geschrieben hätten.

(Alexander Delle, NPD: Das haben wir noch nie geschrieben!)

Ich finde es, gelinde gesagt, zum Erbrechen, was Sie hier veranstalten, und ich will Ihnen deutlich sagen: Ich habe in der eigenen Familie Verwandte, die nahe der rumänischen Grenze wohnen. Ich kann mir schlecht vorstellen, wie sie als EU-Bürger Ihren Antrag empfinden, wenn sie lesen, welche Forderungen, welche Grütze Sie hier aufgeschrieben haben, meine Damen und Herren. So muss es auch den rechtschaffenden EU-Bürgern der beiden genannten EU-Staaten gehen, die sich vielleicht überlegen, in Sachsen als Arzt, als Unternehmer

(Jürgen Gansel, NPD: Ja, das sind alles nur rumänische Nobelpreisträger!)

oder als Facharbeiter ihr neues Zuhause zu finden. Ich betone noch einmal: Wir hier in Sachsen sind weltoffen. Wir wollen Integration und wir schaffen Integration, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN und der FDP)

Meine Damen und Herren, bei aller Weltoffenheit – wir sind nicht weltfremd. Unser ehemaliger Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich hat dazu klare Worte gefunden. Er sieht in der geltenden Rechtslage die Freizügigkeit aller EU-Bürger, sich frei zu bewegen und aufzuhalten, wobei das Freizügigkeitsrecht davon ausgeht, dass Unionsbürger grundsätzlich entweder – und jetzt hören Sie gut zu! – erwerbstätig sind, also eigene Einkünfte erzielen, oder aber mit begründeter Absicht auf Erfolg Arbeit suchen.

Nicht erwerbstätige Unionsbürger müssen grundsätzlich über ausreichende Existenzmittel und einen Krankenversicherungsschutz verfügen, meine Damen und Herren. Das sind Regelungen grundsätzlicher Natur. Der Artikel 35 der Richtlinie 2004/38/EG beschreibt die Möglichkeit, erforderliche Maßnahmen zu treffen, um das Freizügigkeitsrecht im Falle des Missbrauches zu verweigern, aufzuheben oder aber zu widerrufen.

Zuwanderer, die mit Täuschungsabsichten zum Zwecke der Arbeitssuche einreisen, um in den Genuss staatlicher Leistungen zu kommen, sind daher nach der bereits geltenden Rechtslage nicht freizügigkeitsberechtigt. Es kann und darf ja wohl auch nicht sein, dass Einreisen mit dem Ziel erfolgen, eine Arbeit zu finden, obwohl gravierende mangelnde Sprachkenntnisse und eine schlechte Ausbildungssituation bei dem EU-Bürger vorherrschen. Die Ergebnisse sind auch hinlänglich bekannt, nämlich Arbeit zu Dumpinglöhnen oder die Einkommensbeschaffung mit Prostitution und Bettelei.

Auch hierzu gibt es klare Regelungen, die besagen, dass nach Ablauf von drei Monaten für nicht erwerbsfähige Unionsbürger nur mit dem Nachweis über ausreichende

Existenzmittel sowie bestehenden Krankenversicherungsschutz die Freizügigkeit weiterhin bestehen bleiben kann.

Dass dies politisch nicht gewollt ist, dürfte klar sein. Wir brauchen aber Ihren Antrag nicht, der genau in ganz anderer Zielrichtung ausgerichtet und aufgebaut ist. Generelle Verbote und Regelungen, wie sie von Ihnen beschrieben werden, meine Damen und Herren, und mit Ihrem Antrag beabsichtigt sind, brauchen wir hier an dieser Stelle, in diesem Hohen Hause aus meiner Sicht nicht zu beraten.

(Beifall bei der CDU und den LINKEN)

Wir brauchen regionale Strategien zur sozialen und wirtschaftlichen Integration. Dazu wurde bereits im November 2012 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter dem Leitthema „Armutswanderung aus Osteuropa“ eingerichtet. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, Handlungsansätze zur Entlastung der Kommunen zu erarbeiten. Damit wird eine Stigmatisierung der Roma vermieden.

Auch die EU hat diese Aufgabe erkannt. Deshalb kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit dem ESF-Programm unter anderem mit Beratungen die Integration in den Arbeitsmarkt fördern oder Qualifizierungen und Sprachförderung ermöglichen. Grundsätzlich stehen diese Programme auch Bürgern aus Rumänien und Bulgarien zur Verfügung.

Ein Letztes will ich noch sagen. Anfang dieses Jahres hat Rumänien einige Hausaufgaben von der EU bekommen. So wird der erneute Bericht zum Ende dieses Monats von der EU-Kommission erstellt werden. In ihm wird die Rechtsstaatlichkeit in den beiden Ländern neu bewertet werden. Es bedarf einer Gesamtbetrachtung zur Entscheidung des Rates über die Schengen-Vollanwendung.

Beide Länder verfügen über nationale Strategien zur Integration der Roma. Neben der Verbesserung bei der Beschäftigung und der Wohnsituation zielen die Programme insbesondere auf Bildung und Gesundheitsvorsorge. Diese Ansätze benötigen aber noch einige Zeit und werden die Kraft der Gemeinschaft erfordern.

Mit Ihrem Antrag zielen Sie eher auf Trennung und Stigmatisierung, auf Separierung. Das wollen wir nicht. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN und der Staatsregierung)

Das war Herr Heidan für die CDU-Fraktion. Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Herr Prof. Besier.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch dieser NPDAntrag ist wieder ganz dazu angetan, Vorurteile zu schüren und alte Feindbilder aufzurufen.

Es trifft durchaus zu, dass bei vielen Menschen in Deutschland diffuse soziale Ängste bestehen, wenn sie an

die mögliche Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien Anfang Januar 2014 denken. Solche Ängste bestanden schon vor einigen Jahren, als für Polen, Tschechien, die Slowakische Republik, Slowenien, Ungarn und die baltischen Staaten im April 2011 die volle EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit in Kraft trat. Entgegen den allgemeinen Befürchtungen, die die NPD schon damals hatte für sich nutzen wollen, ist eine Zuwanderung in großem Maßstab und daraus folgend eine soziale Katastrophe nicht eingetreten.

Jetzt kommt es zur Neuauflage dieser Instrumentalisierung von Ängsten und Befürchtungen. Um ja sicherzustellen, dass sich diese Ängste erneut politisch ausnutzen lassen, wird in der Begründung des Antrages – darauf hat Herr Kollege Heidan schon hingewiesen – auch noch vorsorglich die Vermutung geäußert, dass – ich zitiere – „es sich überwiegend um Angehörige der Volksgruppe der Roma handeln dürfte“.

Populistische Parolen, die ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Gesamtverhältnisse in völliger Verantwortungslosigkeit vorgetragen werden, haben es immer leichter, gehört zu werden, als abwägende Argumente,

(Jürgen Gansel, NPD: Als linke „Realität“!)

zumal solche mit einer komplexen Struktur.

Der demokratische Verfassungsstaat verpflichtet uns aber zu einer verantwortungsbewussten Analyse der anstehenden Probleme und zu Lösungsvorschlägen, die den Gesamtrahmen unseres Handelns berücksichtigen.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Zur bisherigen Arbeitsmigration aus Rumänien und Bulgarien konstatiert das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, eine Forschungseinrichtung der Agentur für Arbeit, dass Deutschland insgesamt von der Zuwanderung profitiert hat. Zwar seien die bulgarischen und rumänischen Neuzuwanderer geringer qualifiziert als andere, aber die Arbeitslosenquoten und die Anteile der Bezieher von Transferleistungen seien deutlich geringer als bei anderen Migrantengruppen. So liegt die Arbeitslosenquote von Zuwanderern aus den südeuropäischen EUKrisenstaaten oder von denen aus mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedsländern deutlich höher als die der bisher eingewanderten Rumänen und Bulgaren. Auch die Befürchtung, dass kinderreiche Familien aus Bulgarien und Rumänien in großem Umfang Kindergeld beziehen würden, bestätigte sich bisher jedenfalls nicht. Aufgrund der günstigen Altersstruktur der Zuwanderer entstehen im Blick auf die Rentenversicherungssysteme Gewinne für den Sozialstaat.

(Jürgen Gansel, NPD: Die sind ja alle sozialversichert!)

Hören Sie erst einmal zu!

Die zu erwartenden Auszahlungen sind sehr viel geringer als die geleisteten Einzahlungen. Überdies kommen verschiedene Studien zu dem Ergebnis, dass die ausländi

sche Bevölkerung einen positiven Nettobeitrag zu der fiskalischen Bilanz des Sozialstaates leistet, und zwar auch dann, wenn sie stärker von Arbeitslosigkeit betroffen ist und Leistungen der Grundsicherung bezieht. Während etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung steuer- oder beitragsfinanzierte Transferleistungen bezieht, ist dies bisher bei weniger als einem Viertel der Neuzuwanderer aus Bulgarien und Rumänien der Fall. Die gesamtwirtschaftliche Produktion würde insgesamt wachsen.

Vor der Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Südeuropa entschieden sich etwa 80 % der Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien für Spanien und Italien, was vor allem mit der geringeren Sprachhürde zu tun hat. Besonders nach 2008 trat eine verstärkte Umlenkung der Zuwanderung nach Deutschland ein. Der Wanderungssaldo lag im Oktober 2012 bei rund 24 000 Bulgaren und 44 000 Rumänen. Prognosen der Bundesagentur für Arbeit gehen im kommenden Jahr von einer Nettozuwanderung aus Bulgarien und Rumänien – das hat Herr Schimmer zutreffend gesagt – von 100 000 bis 180 000 Personen aus.

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist ja eine Kleinigkeit!)

Das stellt eine Herausforderung im Blick auf unsere Integrationsfähigkeit dar. Das ist doch gar keine Frage. Es ist freilich eine, die wir bewältigen können und auch bewältigen werden. Probleme könnte es bei einigen wenigen Kommunen, Duisburg, Hamm, Dortmund, geben. Das sind übrigens Städte, die allesamt nicht in Sachsen oder einem anderen ostdeutschen Bundesland liegen. Insofern frage ich mich, warum wir im Sächsischen Landtag darüber debattieren. Die süddeutschen Ballungsräume und das Rhein-Main-Gebiet werden wie bisher überdurchschnittlich hohe Anteile an der Zuwanderungswelle absorbieren. Zu Wettbewerbsverzerrungen käme es nur dann, wenn Mindestlohn und Sozialstandards nicht eingehalten würden.

(Zuruf von der NPD: Das ist schön!)

Die Redezeit geht zu Ende, Herr Professor.

Es ist so, dass wir bislang festgestellt haben, dass die Arbeitslosenquote sinkt, sobald keine Restriktionen mehr bei der Beschäftigungslage bestehen.

Wir haben also gute Gründe für einen gedämpften Optimismus.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN, der CDU und der SPD)

Wir sind nun bereits am Ende der ersten Rednerrunde angekommen. Die FDP hätte noch Redezeit. Hat die SPD Redebedarf? – Nein. Wir sind somit am Ende der ersten Runde angekommen und eröffnen nun eine zweite. Für die einbringende Fraktion spricht Herr Gansel.