Protocol of the Session on December 18, 2013

Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Schiemann, wir haben zur Kenntnis genommen, dass Sie die Gesetzesgrundlage, die Verfassungsgrundlagen kennen. Die haben Sie jetzt zitiert. Dafür bedanke ich mich recht herzlich. Ich glaube, Ihre Aussage sollte darin gipfeln – jedenfalls haben Sie das vermutlich beabsichtigt –, dass Sie sagen: Wir haben das Erfolgsquorum abgeschafft, und deshalb haben wir das Quorum für ein Volksbegehren hochgesetzt. Dann sage ich, wie es Herr Kollege Biesok auch schon durchaus zu Recht ausgeführt hat: Ja, es gibt einen Zusammenhang. Das bestätige ich Ihnen ohne Weiteres.

Nur: Die Kritik, die jetzt dort anzubringen wäre, ist die, dass dieses Zugangsquorum mit 25 000 so hochgesetzt wurde, dass diese niedrige Schwelle des Erfolgsquorums überhaupt nicht mehr zieht, weil alle schon von Anfang an scheitern.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Kollegin Friedel war es, glaube ich, die gesagt hat: Wir sind bereit, über ein Erfolgsquorum zu sprechen, weil wir diesen Zusammenhang, den Sie hier aufgemacht haben, nicht bestreiten. Nur: Wir mussten feststellen, dass Sie in den Verfassungsverhandlungen und auch in all Ihren Redebeiträgen hier im Sächsischen Landtag überhaupt nicht bereit waren, das zu diskutieren. Deshalb ist es nicht fair, wenn Sie diesen Zusammenhang jetzt aufrufen und so tun, als ob die Fraktionen, die für mehr direkte Demokratie wären, diesen Zusammenhang nicht sehen würden und nicht bereit sind, auch über ein – möglicherweise geringes – Erfolgsquorum zu diskutieren. Aber Sie waren es, die sich dieser Debatte grundsätzlich verweigert haben. Deshalb ist Ihr Ansatz, den Sie hier bringen, nicht glaubwürdig.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Herr Schiemann, möchten Sie auf die Kurzintervention antworten?

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist einfach nicht wahr, dass wir nicht für direkte Demokratie sind. Aber selbstverständlich! Wir haben dieser Verfassung doch zugestimmt! Wir haben diese Verfassung mit unseren Stimmen entscheidend mit auf den Weg gebracht. Deshalb finde ich es nicht in Ordnung, dass man uns hier von verschiedenen Fraktionen unterstellt, wir würden etwas gegen das Volk haben. Das ist die Unwahrheit!

Es ist heute das erste Mal, dass eine Fraktion davon spricht, dass man bereit ist, über ein Abstimmungsquorum zu diskutieren, wenn man das Eingangsquorum senkt. Die einreichende Fraktion hat das in ihrem Antrag nicht so vorgesehen. Deshalb gehe ich davon aus, dass das nicht

wahr ist. Ansonsten würde die einreichende Fraktion heute über ein Abstimmungsquorum diskutieren.

Ich möchte Ihnen sagen: Damit wird die Volksgesetzgebung nicht besser. In Nordrhein-Westfalen ist es so, dass sie ein niedriges Eingangsquorum bei etwa 1,3 Millionen Stimmberechtigten und dann noch ein Zustimmungsquorum von 15 % haben. Das können Sie sich bei 18 Millionen Einwohnern und vielleicht 16 Millionen Abstimmungsberechtigten ausrechnen. In Rheinland-Pfalz gibt es ein ähnliches System. Dort gibt es bisher keinen Volksentscheid. In Brandenburg gibt es ein niedriges Eingangsquorum und 25 % Zustimmungsquorum. Dort gibt es bisher auch keinen Volksentscheid.

Deshalb sage ich: Es ist unlauter, dem Freistaat Sachsen zu sagen – – Wir hatten einen Volksentscheid – Kollege Biesok hat gesagt, dass er daran mitgewirkt hat –, der mit der Logistik der Sparkassen zustande gekommen ist. Es war nicht in erster Linie unser Ziel, Verbände damit zu betrauen, etwas auf den Weg zu bringen. Volksentscheide sollen schon aus der Mitte des Volkes kommen.

Herr Schiemann, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Ich bedanke mich, Herr Präsident. Ich wollte das klarstellen: Wir stehen hinter dem Volksentscheid, und wir wollen, dass das Volk beteiligt wird. Aber in diesem Antrag ist etwas dargestellt, das nicht der Wahrheit entspricht.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt die nächste Kurzintervention. Herr Bartl, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. Kollege Schiemann, ich gebe zu, dass wir uns seinerzeit in dem verfassungsgebenden Ausschuss ehrlich darüber verständigt haben, wie wir an die Volksgesetzgebung herangehen, die für uns ein Stück Neuland war und gewissermaßen auch ein Vermächtnis der friedlichen Revolution. Wir wollten das Neue aus der Wende, aus der friedlichen Revolution in eine moderne, neue Gesetzgebung aufnehmen.

Nachdem die Verfassung 21 Jahre existiert, haben wir festgestellt, dass unser Gedankenansatz, wir lassen das Quorum beim Volksentscheid weg und erhöhen deshalb bei dem Volksbegehren auf 450.000 Stimmen, im Leben nicht funktioniert. Wir erachteten das – ebenso wie das Bündnis 90 – von vornherein für schwierig. Warum ändern wir in diesem Landtag Gesetze, die wir 1992, 1993 oder 1998 gemacht haben? – Weil sich zeigt, dass die betreffenden Gesetze im Leben nicht funktionieren und angepasst werden müssen.

Deshalb haben wir heute ein neues Dienstrechtsreformgesetz oder vor einigen Jahren einmal ein Gemeindegebietsreformgesetz und Ähnliches gemacht. Jetzt sind wir in einer Situation, in der wir sagen, das Plebiszit, wie es in der Verfassung ist, funktioniert so nicht, ist so nicht

anwenderfähig, nicht anwenderfreundlich und führt vor allem nicht zu dem, was das Verfassungsgericht will. Es führt nicht zu einer Gleichrangigkeit zwischen Parlament und Volk als Gesetzgeber.

Dann muss ein ehrbarer Gesetzgeber Landtag sagen: Um diese Gleichrangigkeit wiederherzustellen, muss man einen Weg finden. Der Weg kann unterschiedlich sein. Der Weg wäre gewesen, wir hätten uns nach der Schuldenbremse hier einvernehmlich darüber verständigt, eingeschlossen meinetwegen die Einführung eines Quorums beim Volksentscheid. Die Tür haben Sie für die Legislaturperiode zugemacht.

Jetzt haben wir gesagt, dann machen wir die eine Tür auf, die uns die Verfassung lässt, es das Volk selbst entscheiden zu lassen. Insofern kann ich nicht erkennen, dass wir in irgendeiner Form mit dem Antrag von dem, was seinerzeit verabredet war, abweichen. Nein, wir nehmen das, was damals verabredet war, als ehrliche Absicht, aber eben nicht funktionierend, auf und bieten einen neuen Weg an.

Herr Bartl, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Vielen Dank, Herr Präsident.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Schiemann, möchten Sie noch einmal antworten? – Sie verzichten darauf. Vielen Dank. Ich frage die Abgeordneten: Wünscht ein Abgeordneter in der zweiten Runde noch das Wort? – Das kann ich nicht erkennen. Wortmeldungen für eine dritte Runde liegen mir nicht vor. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Martens, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie zum Schluss geschehen, hätte das eine sehr interessante Diskussion werden können – wurde es aber nicht. Denn der hier vorliegende Antrag, meine Damen und Herren – ich werde darauf eingehen – muss sich den Vorwurf gefallen lassen, handwerklich nicht sorgfältig gemacht worden zu sein. Auch die Antragsteller selbst sind ausweislich der eigenen Präsenz wohl nicht der Auffassung, als würde der Antrag auf Durchführung eines solchen Referendums zur Änderung der Verfassung heute hier Erfolg haben.

Vor zwei Jahren – am 12. Oktober 2011 – war ein fast identischer Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE hier im Plenum Gegenstand der Diskussion. Der damals behandelte Gesetzentwurf der LINKEN – das war die Drucksache 5/3705 – sah in Artikel 1 ebenfalls die Änderung der Artikel 71 und 72 der Sächsischen Verfassung vor. Abgesehen von geringfügigen redaktionellen Anpassungen werden jetzt mit dem Ziel, eine Volksabstimmung über die Verfassungsänderung durchzuführen, die glei

chen Änderungsanträge noch einmal zur Diskussion gestellt.

Neu ist lediglich die Idee einer Referendumsinitiative, mit der jetzt das Volk eine Abstimmung über vom Landtag beschlossene Gesetze verlangen können soll, meine Damen und Herren. Wir haben in aller Ausführlichkeit im Oktober 2011 die Argumente für und wider eine Absenkung der Quoren für Volksanträge und Volksbegehren erörtert.

Die Staatsregierung hat sich damals gegen die Änderungsvorschläge ausgesprochen, obwohl ich gleichwohl persönlich anfügen möchte, dass ich es durchaus für diskussionswürdig erachte, sich einmal über die Frage der Antragsquoren bei einem Volksbegehren im Hinblick auf die Entwicklung der Bevölkerungszahlen in Sachsen zu unterhalten. Aber dann bitte auch nur konzentriert auf diesen Punkt und das nicht mit einer Unzahl anderer Vorschläge und Überlegungen verknüpfen, meine Damen und Herren. Wie das der Antrag der LINKEN hier in das Plenum einbringt, wird es sicherlich nicht zielführend gehen.

Ausschlaggebend für die ablehnende Haltung der Staatsregierung zu dem auch schon alten Antrag war es, dass die Vorschläge einseitig in das ausbalancierte Regelungskonzept der Verfassung eingreifen.

Neue Entwicklungen oder Gesichtspunkte, die eine Änderung der damaligen Bewertung rechtfertigen würden, gibt es bisher nicht. Daher bleibt die Staatsregierung auch heute bei ihrer ablehnenden Haltung. Nicht neu sind insbesondere die Bezugnahmen auf die Regelungen im Freistaat Thüringen. Die Verfassung in Thüringen ist 2004 geändert worden. Soweit die Thüringer Rechtslage in der Begründung des Entwurfs genannt wird, geschieht dies gleichwohl fehlerhaft, Herr Bartl. Es ist nämlich nicht richtig, dass bei einer freien Unterschriftensammlung in Thüringen ein Quorum von 8 % bei Volksbegehren gelten würde. Bei freier Sammlung von Quoren sind 10 % notwendig. Und bei amtlich ausgelegten Unterschriftenbögen sind es dann 8 %, aber nicht bei der freien Sammlung. Das kann man nachlesen, es steht in Artikel 82 Abs. 5 Satz 2 der Thüringer Verfassung. Unzutreffend ist auch, dass in Thüringen kein Abstimmungsquorum für einen Volksentscheid vorgesehen sein soll.

(Marko Schiemann, CDU: 25 %!)

Nach Artikel 82 Abs. 7 Satz 3 der Thüringer Verfassung ist ein Gesetz im Wege des Volksentscheides nur dann beschlossen, wenn mehr als ein Viertel aller Stimmberechtigten zustimmt. Ein Viertel aller Stimmberechtigten! Wir sprechen nicht von der Teilnahme am Volksbegehren, an der Abstimmung; ein Viertel aller Stimmberechtigten! Das, meine Damen und Herren, ist eine Hürde, die um ein Vielfaches höher und auch wirklich effektiv schwerer zu erreichen ist als das, was wir in der Sächsischen Verfassung haben, meine Damen und Herren.

Hinzu kommt, dass in Thüringen weitaus kürzere Fristen für die Unterschriftensammlung bei einem Volksbegehren

gelten. Für die amtliche Sammlung stehen nämlich dort nur zwei Monate zur Verfügung, für die freie Sammlung vier Monate. In Sachsen dagegen beträgt die Zeit für eine Unterschriftensammlung mindestens sechs Monate,

höchstens acht Monate. Auch das ist ein deutlicher Unterschied im Umgang mit den Wünschen nach Volksbegehren und Volksabstimmungen.

Es bleibt also die Feststellung, dass die Vorschläge der LINKEN das Gesamtkonzept der Sächsischen Verfassung, insbesondere das Zusammenspiel eines hohen Quorums für das Volksbegehren und eines fehlenden Quorums für den Entscheid, in eine deutliche Schieflage bringen würden.

Auch die vom Kollegen Biesok angesprochene Frage der Abänderungssperre von Volksentscheiden durch den Gesetzgeber müsste man hier, wenn man ein schlüssiges Konzept vorlegen wollte, ansprechen. Aus Sicht der Staatsregierung ist es auch nicht geboten, den Anwendungsbereich von Volksanträgen auf sonstige, wie es heißt, Gegenstände der politischen Willensbildung zu erstrecken. Die Erfahrung zeigt, dass die aktuellen politischen Themen, über die in der Bevölkerung gesprochen wird, auch von den im Landtag vertretenen Parteien aufgegriffen und diskutiert werden.

Nicht zu befürworten ist schließlich die Idee einer Referendumsinitiative, bei der über Gesetze abgestimmt werden soll, die – jetzt kommt es – der Landtag bereits beschlossen hat. Vom Landtag mehrheitlich beschlossene Gesetze sollen nach Ihrem Vorschlag von nur 5 % der Stimmberechtigten blockiert werden können, so lange, bis dann ein Volksentscheid vorbereitet und durchgeführt werden kann. Wir haben die Zeiten für die Unterschriften mit sechs bis acht Monaten gerade erwähnt. Da stellt sich die Frage der Gewichtung und Legitimation von Entscheidungen des Landtages im Verhältnis zu den von Ihnen genannten 5 % der Stimmberechtigten, die allein durch den Wunsch nach einem Volksbegehren eine Landtagsentscheidung, eine Entscheidung des Gesetzgebers, zunächst einmal suspendieren können.

Zudem stellt sich dann auch die Frage, wie eine solche Initiative ablaufen soll. Gegenstand ist, wie es heißt, ein vom Landtag beschlossenes Gesetz.

(Marko Schiemann, CDU: Das soll aufgehoben werden!)

Das heißt, die Annahme des Gesetzentwurfes muss abgewartet werden. Wenn wir heute das Dienstrechts- und Besoldungsgesetz neu beschlossen haben,

(Zuruf der Abg. Andrea Roth, DIE LINKE)

dann müssten wir erst einmal warten, ob sich dagegen eine Volksbegehrensinitiative bildet oder nicht, die von 5 % der Bevölkerung ausgeht. Ansonsten ist das Gesetz angenommen und gilt.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Quark!)

Dieses Konzept hat uns noch keiner erläutert. Ich glaube, das ist schlicht übersehen worden.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Sollen wir denn die Verkündung von Gesetzen aussetzen, bis 175 000 Unterschriften gesammelt sind? Das Gesetzgebungsverfahren mit solchen Wartefristen würde sich über Monate hinziehen.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Nein, Herr Lichdi, der parlamentarische Gesetzgeber würde in der Tat durch solche Regelungen praktisch handlungsunfähig gemacht werden.