Gibt es noch weitere Wortmeldungen zum Änderungsantrag? – Da das nicht der Fall ist, lasse ich jetzt über diesen abstimmen. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Die Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.
Ich rufe jetzt den letzten Änderungsantrag, Drucksache 5/13368, auf, ein Antrag der Fraktion DIE LINKE. Herr Abg. Bartl, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Wir gehen mit unseren Änderungsanträgen zugegebenermaßen am
weitesten: Wir wollen im Grunde genommen die Streichung der Neuregelung in mindestens drei Artikeln.
Herr Lichdi, ich meine, es ist ein gewisser Widerspruch, wenn Sie – zu Recht – sagen: Die jetzt zugrunde gelegte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2012, anhand derer jetzt die Bestandsdatenproblematik in Sachsen nachvollzogen werden soll, hat ihren Ausgangspunkt in der Einschätzung des denkbaren Missbrauchs von Telekommunikationsdaten im Jahre 2005. – Wir sagen: Inzwischen hat sich eine Entwicklung ergeben, infolge der es schwer zu bewerten ist, ob und inwieweit es noch berechtigt ist, in diesem Umfang auf Bestandsdaten zurückzugreifen. Deshalb wollen wir, bevor das nicht geklärt ist, die Streichung. Das ist der Grund, weshalb wir in diesem Punkt weitergehen.
Ansonsten ist es handgreiflich eindeutig so: Wenn ich in § 42 Abs. 1 lese „Zur Abwehr einer im Einzelfall vorliegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darf der Polizeivollzugsdienst von demjenigen, der
geschäftstätig einen Telekommunikationsdienst erbringt und daran mitwirkt, die Auskunft einholen“, und dann lese ich bei demselben Ansatz aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil für Nordrhein-Westfalen, dass dort als Voraussetzung fixiert ist, dass „die hohe Wahrscheinlichkeit eines Schadens für Leben, Gesundheit, Freiheit der Person“ besteht sowie die „Erreichung und Zweck der Maßnahme auf andere Weise im Wesentlichen erschwert sein“ muss, dann liegt es auf der Hand, dass es nicht zusammenpassen kann, dass zwei Bundesländer in dieser Republik gänzlich unterschiedlich sehen, was notwendig ist, damit man überhaupt in die entsprechenden Grundrechte eingreifen kann.
Zur Frage der Übersichtsaufnahme von Versammlungen: Dazu gibt es eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, datiert vom 17. Februar 2009, die sagt: „Wer damit rechnen muss, dass die Teilnahme an einer Versammlung behördlich registriert wird und ihm dadurch Risiken entstehen, verzichtet auf die Ausübung eines Grundrechts.“, so das Bundesverfassungsgericht,
17. Februar, 1 BVR 249208. Da sagen wir: Wenn jemand zu einer Versammlung geht – dazu geht er unter anderen grundrechtlichen Rahmenbedingungen und der Wahrnehmung hin als zu einem Fußballspiel bei Dynamo Dresden, das ist doch kein Vergleich, den man heranziehen kann -,
dann ist es aus unserer Sicht von vornherein ganz klar programmiert, dass derjenige, der weiß, ich darf in Sachsen Übersichtsaufnahmen bei Versammlungen machen, überlegen muss: Kann mir das in irgendeiner Form zum Nachteil gereichen? – Genau diese Kollision mit diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sehen wir nach wie vor. Deswegen wollen wir gern, dass das gestrichen wird. Wir sind natürlich mit der jetzigen Gesetzeslage genauso wenig einverstanden, aber es ändert an der Maßgabe nicht wesentlich mehr.
Ich möchte kurz zum Änderungsantrag Stellung nehmen. Herr Bartl, ich finde, Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie sagen: Wir streichen das, und wir geben der Polizei diese Möglichkeit nicht an die Hand.
Ich denke, wir haben – gerade auch mit Teilen der Opposition – eine sehr konstruktive Diskussion darüber geführt, wo die Schwellen sind, wo man zugreifen kann, wie man das definieren muss und wie man die unterschiedlichen Rechtsgüter abwägt. Einfach zu sagen, wir haben das technische Instrumentarium, aber wir nutzen es bewusst nicht, und wir streichen die Regelung und halten daran fest, dass wir im Moment keine Zugriffsmöglichkeiten mehr haben, wird der Situation nicht gerecht. Es gibt genügend Gefahrensituationen für Leib und Leben oder für andere Bereiche, wo man auf diese Bestandsda
ten – nicht auf Inhalte – zugreifen kann, und da macht man es sich zu einfach, wenn man es streicht.
Zu den Übersichtsaufnahmen: Herr Bartl, Sie ignorieren schlicht und ergreifend, dass wir in unseren Gesetzentwurf hineingeschrieben haben, dass eine Identifikation nicht erfolgen darf. Das ist klare ausdrückliche gesetzliche Regelung. Sie intendieren, dass bei jeder Übersichtsaufnahme zur Lenkung und Koordination des polizeilichen Einsatzes eine einfache Identifikation stattfindet. Sie findet nicht statt. Wenn jemand einen Menschen aus einer Übersichtsaufnahme zu identifizieren versucht, dann verstößt er gegen das Gesetz. Das lasse ich mir von Ihnen als generelle Vermutung bei der Polizei nicht unterstellen.
Frau Präsidentin! Ich muss natürlich auf den Antrag der LINKEN eingehen, denn sie hat den ersten Anschein der Plausibilität in der Richtigkeit für sich, wenn sie die Bestandsdatenabfrage einfach generell so streicht.
Nur, wir sind der Auffassung, dass es eng begrenzte Fälle gibt, in denen zur Verhinderung von Gefahren für Leib oder Leben auch eine Bestandsdatenabfrage durch die Polizei sinnvoll sein kann; ich habe das ausgeführt. Deswegen kann es nicht darum gehen, generell die Bestandsdatenabfrage auszuschließen, sondern es kann nur darum gehen, sie auf die wirklich erforderlichen Fälle zu begrenzen.
Das leistet unser Gesetzentwurf, indem er die Gefahrenschwelle auf die hohe Wahrscheinlichkeit – also eine erhöhte Wahrscheinlichkeit – für Leib, Leben oder Freiheit – das sind also die höchsten Rechtsgüter – anhebt und indem sie die Bestandsdaten, die erhoben werden können, sehr stark auf Namen und Vornamen eingrenzt und das zusätzlich noch – wie die SPD – an eine Ultima-RatioKlausel, also eine besondere Verhältnismäßigkeit, knüpft. Ich denke, damit können alle Fälle, die hier von den Koalitionsräten und vom Herrn Innenminister gebracht wurden, unter diesen Fall subsumiert werden.
Unsere Kritik geht in eine andere Richtung: Die Koalition und die Polizei beabsichtigen, viel weiter zu gehen, und halten der Öffentlichkeit nur diese Fälle vor, weil diese Fälle, glaube ich, unstreitig sein sollten. Deswegen ist es bedauerlich, dass die Linksfraktion sich dazu nicht verständigen kann.
Ich frage Sie auch: Was soll denn dann gelten? Soll dann die polizeiliche Generalklausel wie bisher dafür gelten? Ist sie, wenn sie abgelehnt wird, auch nicht mehr heranzuziehen? Wenn die polizeiliche Generalklausel heranzuziehen wäre, dann wäre das in jedem Fall weiter als jetzt, wo es doch gewisse einschränkende Kriterien gibt. Also, ich glaube, dass Sie es sich doch zu einfach machen.
Bezüglich der Videoüberwachung muss ich leider dem Kollegen Biesok recht geben: Es steht im Gesetzentwurf,
dass die Übersichtsaufnahmen eben nicht identifizierend sein können, um die Missbrauchsmöglichkeit auszuschließen. Genau deswegen haben wir angeregt und beantragt, dass auch die Versammlungsleitung in den Vollzug dieser Übersichtsaufnahmen eingebunden wird. Aber es ist eindeutig geregelt, dass identifizierende Übersichtsaufnahmen rechtswidrig sind.
Gibt es weiteren Redebedarf? – Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich jetzt über diesen Antrag abstimmen. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Bei einer Reihe von Stimmen dafür ist der Änderungsantrag mit Mehrheit abgelehnt worden.
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur artikelweisen Abstimmung. Ich beginne mit der Überschrift, wie in der Beschlussempfehlung des Innenausschusses vorgeschlagen. Wer gibt der Überschrift die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei zwei Stimmenthaltungen und einer ganzen Reihe von Gegenstimmen ist dennoch der Überschrift mit Mehrheit zugestimmt worden.
Artikel 1, Änderung des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen: Wer gibt die Zustimmung? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Zwei Stimmenthaltungen. Bei zwei Stimmenthaltungen und einer ganzen Reihe von Stimmen dagegen ist Artikel 1 mit Mehrheit zugestimmt worden.
Artikel 2, Änderung des Sächsischen Kontrollgesetzes: Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Bei Stimmen dagegen ist Artikel 2 mit Mehrheit zugestimmt worden.
Artikel 3, Änderung des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes: Wer gibt die Zustimmung? – Gibt es Gegen
stimmen? – Stimmenthaltungen. – Keine Stimmenthaltungen. Bei einer ganzen Reihe von Stimmen dagegen ist Artikel 3 mit Mehrheit zugestimmt worden.
Artikel 4, Änderung des Sächsischen Versammlungsgesetzes: Wer gibt die Zustimmung? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Auch hier das gleiche Abstimmungsverhalten. Artikel 4 wurde mit Mehrheit zugestimmt.
Artikel 5, Einschränkung von Grundrechten: Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Bei einer Reihe von Stimmen dagegen wurde Artikel 5 mit Mehrheit zugestimmt.
Artikel 6, Inkrafttreten: Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Bei Stimmen dagegen wurde dem Artikel 6 mit Mehrheit zugestimmt.
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Schlussabstimmung. Ich stelle den Entwurf „Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen, zur Änderung des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes und zur Änderung des Sächsischen Versammlungsgesetzes sowie zur Änderung weiterer Gesetze“ als Ganzes zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Es gibt keine Stimmenthaltungen. Bei einer ganzen Reihe von Stimmen dagegen wurde der Entwurf des Gesetzes mit Mehrheit beschlossen.
Meine Damen und Herren, auch hier ist der Antrag auf unverzügliche Ausfertigung gestellt worden. Gibt es dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so. Damit ist auch dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen.
Es gibt wieder eine allgemeine Aussprache. Es beginnt die CDU-Fraktion. Danach folgen DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen von uns sind die Bilder des Junihochwassers noch lebhaft in Erinnerung. Nicht nur die Elbe war damals einmal mehr über die Ufer
getreten. Für viele Flüsse in Sachsen galt das Gleiche. Schäden an Leib und Seele waren oftmals die Folge. Ganze Dörfer wurden zum Beispiel in meiner Heimat von der Pleiße überschwemmt. Wenn Existenzen auch nicht vernichtet wurden, wurden sie doch zumindest ernsthaft bedroht. Hinzu kommen die immensen Sachschäden. Keller sind voll gelaufen, Heizungsanlagen wurden außer Kraft gesetzt, Autos, Motorräder und sonstiges technisches Gerät gerieten in den Garagen unter Wasser. Es kam stellenweise so schnell zu den Überflutungen, dass die
Leute darauf nicht reagieren konnten. Brücken wurden überspült, Unmengen von Geröll und Müll angeschwemmt. Uferbefestigungen, die in den Jahren zuvor auf Vordermann gebracht worden sind, sind vielerorts abermals zum Opfer der Wassermassen geworden.
Aber es konnte auch Schlimmeres verhindert werden. Es gab die tätige Hilfe von Nachbarn, Freunden und gänzlich anderen, unbekannten Leuten, aber auch von den vielen Feuerwehren, die im Einsatz waren, und vom Technischen Hilfswerk. Aber nicht zuletzt die Umsetzung der Empfehlungen aus der ersten Kirchbach-Kommission hat vielerorts dazu beigetragen, Schlimmeres zu verhindern.