Meine Damen und Herren! Ich rufe auf den Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE in der Drucksache 5/13355. Herr Lichdi, möchten Sie diesen noch einbringen? –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es war wenig der Gegenstand der Debatte. Deswegen stellen wir hier unseren Änderungsantrag. Es geht um den § 7 Abs. 4 des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes.
Herr Biesok hatte darauf hingewiesen, dass diese Vorschrift auf Anraten des Sächsischen Datenschutzbeauftragten eingefügt wurde. Ich habe schon im Ausschuss zum Ausdruck gebracht, dass wir die Auffassung des Sächsischen Datenschutzbeauftragten ausdrücklich nicht teilen. Wir möchten die geplante Neufassung des § 7 Abs. 4 des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes streichen. Damit möchten wir die bisherige Gesetzeslage aufrechterhalten, die im Regelfall eine Sperrung von personenbezogenen Daten vorsieht, wenn die Gesamtakte noch erforderlich ist. Entgegen dem klaren Wortlaut hat das Landesamt für Verfassungsschutz diese Vorschrift in der NSU-Affäre genutzt und so ausgelegt, dass es ihr – rechtlich – zulässig gewesen sein soll, auch Aktenteile und Einzeldokumente zu löschen.
Sie erinnern sich an Folgendes: Es ging um 800 Aktenstücke aus dem Bereich des Rechtsextremismus, die das Landesamt für Verfassungsschutz geschreddert hat, obwohl der NSU nach dem 4. November 2011 schon bekannt war. Wir ziehen deshalb einen anderen Schluss aus diesen Aktenschredderungen. Wir möchten das Landesamt für Verfassungsschutz in dem aus unserer Sicht rechtswidrigen Verhalten nicht nachträglich legitimieren. Deswegen lehnen wir diese Änderung ab.
Mir ist es ebenfalls wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass entgegen der öffentlichen und allgemeinen Meinung nicht klar geworden ist, ob das Landesamt nicht
doch NSU-relevante Akten geschreddert hat. Wir halten dies durchaus für möglich und wahrscheinlich. Der Datenschutzbeauftragte gab in seinem Bericht, ob personenbezogene Daten in Bezug auf Personen aus dem Umfeld des NSU gelöscht wurden, an, dass dies nicht nachvollzogen werden konnte. Ja, es konnte nicht nachvollzogen werden. Die Aktenteile wurden so gelöscht, dass dies nicht mehr möglich war.
Die Koalition weicht damit von dem allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsatz der Aktenvollständigkeit ab. Dieser ist gerade dazu da, das Verwaltungshandeln kontrollieren zu können. Dies muss eben bei einer geheimen Behörde wie dem Landesamt für Verfassungsschutz gelten.
Wir möchten unsere Hand zu dieser nachträglichen Legitimierung der Aktenschredderung nicht reichen. Deswegen beantragen wir die Streichung dieser Änderung, wie sie die Koalitionsfraktionen beantragt haben.
Es handelt sich um ein Bürgerrecht, dass Daten, die nicht mehr benötigt werden, gelöscht werden. Wenn jemand eine sehr lange Zeit nicht mehr bei einer extremistischen Organisation auffällig geworden ist, hat er einen Anspruch darauf, dass seine Daten gelöscht werden. Diese Löschung muss vollständig erfolgen. Die Daten dürfen nicht nur gesperrt werden. Deshalb halte ich das, was uns der Datenschutzbeauftragte als Formulierungsvorschlag mit auf den Weg gegeben hat, für richtig.
Im Gesetz ist vorgesehen, dass die Löschung zu dokumentieren ist. Die Dokumentation der Löschung darf aber nicht in der Form erfolgen, dass man aus der Dokumentation der Löschung die gelöschten Daten wieder rekonstruieren kann. Es muss klar sein, welche Aktenteile gelöscht wurden.
Es ist richtig, dass Aktenteile gelöscht werden können. Ansonsten gibt es bestimmte Vorgänge, die nicht löschbar sind, weil es sich um eine Dauerakte handelt. Wenn es beispielsweise einen Vorgang gibt, der sich mit Rechts- oder Linksextremismus in Sachsen beschäftigt, wird es manchmal Aktenteile geben, in denen eine Gruppierung oder einzelne Personen auftauchen, die sich aus dem extremistischen Umfeld zurückgezogen haben. Geht man nun davon aus, dass man aus diesen Akten keine Aktenteile löschen kann, würden die Daten ewig gespeichert werden. Dies ist mit meinem rechtsstaatlichen Verständnis nicht zu vereinbaren.
Möchte jemand zu diesem Antrag sprechen? – Das ist nicht der Fall. Somit kommen wir zur Abstimmung. Ich lasse über den Antrag in der Drucksache 5/13355 abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und wenigen
Wir kommen nun zum dritten Antrag der Fraktion GRÜNE in der Drucksache 5/13356. Herr Lichdi, ich bitte um Einbringung.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Hierbei geht es um die Frage nach der Neuregelung der Videoüberwachung von Demonstrationen und Versammlungen. Es bricht mir keinen Zacken aus der Krone, wenn ich vor dem Sächsischen Landtag sage, dass es sich um einen Fortschritt handelt. Herr Kollege Biesok hatte es vorgetragen: die Trennung von Übersichtsaufnahmen und tatsächlichen Aufnahmen nur dann, wenn eine erhöhte Gefahrenschwelle überschritten ist. Dies ist ein wesentlicher Fortschritt. Das ist gut so.
Allerdings ist dies eine Anpassung an eine Rechtsprechung, die schon seit Jahren in Deutschland bekannt ist und schon viel zeitiger hätte umgesetzt werden können. Sie bleibt natürlich auch in gewisser Weise auf dem halben Weg stehen: Vorschläge – nämlich die Versammlungsleitung in die Kontrolle, ob die Lichtbildaufnahmen noch benötigt werden oder nicht, ob sie ordnungsmäßig erfasst wurden oder nicht, einzubinden –, die bereits in anderen Bundesländern schon Gesetz geworden sind, wurden teilweise diskutiert und des Öfteren eingebracht. Genau dies schlagen wir vor.
Es gibt ein grundsätzliches Kooperationsgebot zwischen der Versammlungsleitung und der Polizei. Dieses Kooperationsgebot, das infolge der Brokdorf-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelt wurde, ist ausreichend, um die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Ich halte es auch nicht für richtig, dass der Versammlungsleiter über sämtliche polizeitaktischen Maßnahmen informiert wird. Gerade wenn es große und unübersichtliche Lagen sind – nur unter diesen Voraussetzungen dürfen Übersichtsaufnahmen gemacht werden –, muss die Polizei in der Lage sein, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Sicherheit der Demonstration oder Versammlung zu gewährleisten. Deshalb halte ich es für falsch, den Versammlungsleiter davon zu unterrichten, ab wann Übersichtsbilder angefertigt werden, zumal hier keine Identifikation von Einzelpersonen möglich ist.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 5/13356. Wer gibt seine Zustimmung? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.
Ich rufe auf die Drucksache 5/13362, Änderungsantrag der SPD-Fraktion. Frau Friedel, ich bitte um Einbringung.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben über die beiden Punkte, die auch Gegenstand unserer Änderungsanträge sind, schon sehr intensiv gesprochen. Auf der einen Seite betrifft es das Thema der Bestandsdatenabfrage und auf der anderen Seite das Thema der Übersichtsaufnahme. Ich möchte noch einmal versuchen, deutlich zu machen, worum es mir auch in meinem vorherigen Redebeitrag ging.
Die CDU bzw. die Koalition rechtfertigt ihr Gesetz mit folgendem Grundsatz: ohne Sicherheit keine Freiheit. Uns geht es darum, deutlich zu machen, dass Sicherheit nicht nur über den Weg der Freiheitseinschränkung herzustellen ist. Das Gegenteil ist der Fall. Wir müssen alle Wege suchen, die Freiheit beim Herstellen von Sicherheit zu erhalten. Das ist der Grundgedanke dieser Änderungsanträge.
Der gewählte Beispielsfall des Staatsministers, in dem die Bestandsdatenauskunft wichtig und richtig ist, ist völlig unstrittig. Das möchten wir ebenfalls. In diesem Fall ist eine Bestandsdatenauskunft eine sinnvolle Maßnahme, sofern anders nicht gewährleistet werden kann, in der gleichen Zeit an die notwendigen Informationen heranzukommen.
Worum es uns aber geht, ist, dass nicht alles und jeder Fall immer sofort mit einer Bestandsdatenauskunft beginnt. Bei jeder drohenden Ordnungswidrigkeit darf das erste Mittel nicht die Bestandsdatenauskunft sein. Deswegen schlagen wir in unserem Änderungsantrag vor, im Gesetz Folgendes deutlich zu machen: Soweit die Erreichung des Zwecks einer polizeilichen Maßnahme nicht anders gewährleistet werden kann, soweit es auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre, darf eine Bestandsdatenabfrage quasi das letzte Mittel der Wahl sein. Es geht darum, die Eingriffstiefe einzuschränken. Es geht nicht darum, der Polizei das Instrument vollständig zu nehmen. Es geht darum, deutlich zu machen, dass es sich um einen Grundrechtseingriff handelt. Dies ist nur möglich, wenn wir uns bemüht haben, alle anderen Instrumente auszuschöpfen.
Wir kommen zum zweiten Punkt. Herr Biesok hatte bereits dagegen gesprochen. Wir erachten es für sinnvoll, dem Versammlungsleiter die Übersichtsaufnahmen zu zeigen und ihm die Gelegenheit zu geben, die Aufnahmen einzusehen. Wir haben, das muss man konstatieren, ein Problem hinsichtlich des schwindenden Vertrauensverhältnisses zwischen der Polizei auf der einen Seite und der Zivilgesellschaft, die demonstriert und Versammlungen durchführt, auf der anderen Seite. Wir sollten jede Möglichkeit nutzen, dieses Vertrauensverhältnis zu erhöhen.
Wir haben es von der praktischen Seite gehört. Ein Kollege von der Berliner Polizei hat uns in der Sachverständigenanhörung erzählt, dass der Versammlungsleiter selbstverständlich mitgenommen und ihm gezeigt wird,
was gemacht wird. Selbstverständlich wird ihm gezeigt, was gefilmt wird. Das ist ein ganz anderes Vertrauensverhältnis. Wir sollten versuchen, dieses Vertrauensverhältnis zwischen der Polizei und der Versammlung, die die Polizei schützt, zu stärken. Deswegen sollte diese gesetzliche Regelung so gefasst werden, wie wir sie vorschlagen.
Frau Präsidentin! Der Antrag der SPD geht natürlich in die richtige Richtung. Wir würden ihm zwar nicht zustimmen, ihn jedoch auch nicht ablehnen. Ich möchte begründen, wieso das so ist.
Die SPD möchte die Eingriffsschwelle nicht hochsetzen. Zum einen soll weiterhin der Bestand bezüglich der vorliegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestehen bleiben. Das ist uns zu wenig.
Zum anderen soll auch der Zugriff auf Endgeräte, also auf Zugangscodes, erhalten bleiben. Es wird, was ich positiv finde, eine strenge Verhältnismäßigkeitsklausel, eine Ultima-Ratio-Klausel eingefügt. Das ist gut, das hilft uns weiter, ist aber eben nicht ausreichend.
Was ich mir gewünscht hätte, ist, dass sich die SPDFraktion auch mit der Beauskunftung etwas näher beschäftigt hätte, denn dort reicht es wirklich nicht aus, die Formulierung der Koalitionsfraktionen einfach zu übernehmen. Deswegen: Gut, aber nicht gut genug.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wir werden den Antrag der SPD-Fraktion ablehnen. Ich will das kurz anhand einiger Punkte begründen. Die SPD-Fraktion nimmt als Erstes eine Regelung auf – und zwar die im § 42 –, mit der sie den Begriff hinsichtlich der Ermessensentscheidung der Maßnahme etwas weiter klarstellt. Ich will darauf verweisen, dass § 3 Abs. 2 des Sächsischen Polizeigesetzes schon jetzt klar definiert, dass die Polizei von den möglichen Maßnahmen die zu ergreifen hat, die die geringste Eingriffsintensität darstellt. Das ist also dem Sächsischen Polizeigesetz immanent.
Ebenfalls ist der Löschungsvermerk in unserem Entwurf beinhaltet. Die Regelung von Nordrhein-Westfalen – ich denke, das ist in unseren Ausführungen deutlich geworden – lehnen wir grundsätzlich ab.
Ich möchte einen letzten Punkt nennen. Hinsichtlich der Erforderlichkeit bzw. der Unerlässlichkeit von Übersichtsmaßnahmen gilt: Es geht um eine Ermessensentscheidung, die dem Einheitsführer gegeben sein muss. An dieser Stelle ist das Wort „erforderlich“ das richtige. Was ist denn der Maßstab einer Unerlässlichkeit? Wir sind der Auffassung, dass es vom Einsatzgeschehen beurteilt
werden muss, zumal noch einmal klarzustellen ist: Es werden keine Aufnahmen getätigt, sondern es geht ausschließlich um einsatzkoordinierende Maßnahmen.
Kurzum: Freiheit ist der Anfang, und der steht auch. Die Freiheit des Einzelnen findet die Grenze da, wo er die Freiheit anderer berührt. Deswegen sind wir der Überzeugung, dass die Sicherheit einen elementaren Rahmen haben muss. Wir lehnen den Antrag der SPD ab.
Das ist doch genau der Punkt: Dass die Freiheit ihre Grenze an der Grenze der anderen findet, hat mit dem Thema Versammlungsrecht nichts zu tun. Übersichtsaufnahmen und das Vorhandensein auf einer Versammlung begrenzen die Freiheit von niemandem.
Gibt es noch weitere Wortmeldungen zum Änderungsantrag? – Da das nicht der Fall ist, lasse ich jetzt über diesen abstimmen. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Die Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.