Protocol of the Session on November 27, 2013

Für die Fraktion der GRÜNEN Frau Jähnigen, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Gesetzentwurf hat schon einiges Lob bekommen; dem können wir uns in einigen Punkten anschließen, zum Beispiel bei der Neuregelung einer öffentlich-rechtlichen Herausgabepflicht für archivwürdiges Gut und auch bei der Regelung des neuen Aktenarchivgutbegriffes, insbesondere mit Blick auf die elektronische Datenerfassung. So weit, so gut.

Er hat aber auch zwei große Probleme. Das erste Problem – Herr Biesok sprach es schon an – liegt in der geplanten Änderung des § 10. Der § 10 regelt im Gesetzentwurf personenbezogenes Archivgut so weit, dass es angesichts der Sperrfristen zum Schutz Verstorbener zu einer „Allesoder-nichts“-Situation kommt. Anders als bisher würden Akten entweder ungeschwärzt oder gar nicht herausgegeben. Das kann nicht das Ziel sein, und deshalb werden wir Ihnen noch einen Lösungsvorschlag unterbreiten, den ich aus Redezeitgründen in der Begründung des Änderungsantrages vorstellen werde.

Ein zweites Problem betrifft auch eine Erneuerung im Gesetz: Erstmalig soll das Sächsische Archivgesetz Verwaltungsvereinfachungen zur Aktenvernichtung

vorsehen. Akten werden nicht, wie bisher, von vornherein angeboten – formal entscheidet ja jetzt das Archiv, was vernichtet und was archiviert wird –, sondern es können von vornherein Akten von der Archivierung ausgeschlossen werden.

Das macht sicherlich Sinn. Aber Frau Köditz erwähnte schon den Umgang des Verfassungsschutzes und anderer Sicherheitsbehörden mit bedeutsamem, archivwürdigem Gut. Deshalb sind wir der Auffassung: Solche Verwaltungsvereinfachungen brauchen Öffentlichkeit, das heißt Transparenz. Das gilt auch für diese Verwaltungsvereinbarungen.

(Beifall der Abg. Gisela Kallenbach, GRÜNE)

Dazu unterbreiten wir einen weiteren Vorschlag. Wir glauben nämlich, dass es Aufgabe des Archivgesetzes ist, das Archivwesen einerseits auf große Transparenz, andererseits auf Datenschutz auszurichten. Das ist in dem vorliegenden Gesetzentwurf noch nicht gelungen, mit unseren Änderungsanträgen aber möglich.

Vielen Dank bis hierhin.

(Beifall der Abg. Gisela Kallenbach, GRÜNE – Gisela Kallenbach, GRÜNE: Lang anhaltender Beifall von Frau Kallenbach! – Heiterkeit)

Gibt es vonseiten der Fraktionen weiteren Redebedarf? – Das ist nicht der

Fall. Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Ulbig, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es gibt wahrscheinlich nur wenige Entwürfe der Staatsregierung, die so gut von der Feder gegangen sind und die sowohl in der Anhörung als auch in der anschließenden Plenardebatte im Sächsischen Landtag gelobt wurden. Dafür, dass es an der einen oder anderen Stelle unterschiedliche Auffassungen gibt, habe ich durchaus Verständnis; das ist der Natur der Sache geschuldet.

Was ich aber deutlich zurückweisen möchte, ist Ihre Behauptung, Frau Köditz, bei der Erarbeitung des Entwurfs sei geschlampt worden. Es gehört vielmehr dazu, dass im Laufe der Diskussion, der Anhörung, der Auseinandersetzung in den Ausschüssen auch Änderungswünsche zutage treten. Das ist gar keine Frage. Frau Köditz, Ihre Behauptung möchte ich noch einmal klar und deutlich zurückweisen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Kerstin Köditz, DIE LINKE)

Ich vermute, dass Formulierungen an der einen oder anderen Stelle deshalb so, wie wir es erlebt haben, diskutiert werden, weil es Missverständnisse gibt. Ziel des Gesetzentwurfs ist es nicht, Einschränkungen vorzunehmen, sondern es geht um die Schaffung der Voraussetzungen für ein modernes Archivwesen. Dazu bedarf es einer Erweiterung.

Frau Jähnigen, von „versteckten Klauseln“ kann keine Rede sein. Es soll nichts verheimlicht werden. Das Gegenteil ist der Fall! Mit dem neuen Gesetz verbessern wir den Zugang zu unseren Archiven. Das ist im Kern auch von den Sachverständigen, unter anderem von dem von Ihnen vorgeschlagenen Dr. Schnoor, bestätigt worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gut so, dass über den Gesetzentwurf hinaus die Arbeit der Archivare und generell derjenigen, die im Archivwesen tätig sind, gelobt worden ist. Ich bin dankbar dafür, dass im Freistaat Sachsen so viel – nach meinem Kenntnisstand: mehr als in jedem anderen Bundesland – für das Archivwesen getan wird.

Erst vor zwei Wochen habe ich das neue Staatsarchiv in Chemnitz eingeweiht. Damit wurde der Endpunkt umfangreicher Baumaßnahmen für das Sächsische Staatsarchiv als Gesamtbehörde markiert. Alle fünf Archivstandorte sind jetzt nach den modernsten Erkenntnissen des Archivbaus untergebracht. Wir verwahren dort Kulturgut aus fast 1 100 Jahren sächsischer und deutscher Geschichte. Damit gehört das Sächsische Staatsarchiv zu den drei meistgenutzten Landesarchiven in der Bundesrepublik überhaupt. Das ist nicht ohne Grund so: 104 Kilometer Akten, 60 000 Urkunden, 700 000 Karten, 1,7 Millionen Fotos und 16 000 Lauffilme und Tonträger sind heute

an den Standorten Chemnitz, Dresden, Freiberg, Leipzig und Wermsdorf untergebracht.

Mit dem neuen Gesetz werden wir nicht nur den Zugang zu diesen – und natürlich zu den neuen – Dokumenten erleichtern. Darüber hinaus – es ist mehrfach angesprochen worden – verbessert dieses Gesetz die Sicherung der elektronischen Unterlagen, es stärkt die Position der kommunalen Archive und stellt klar, dass Archivgut Bestandteil des Landeskulturgutes ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Damit können wir zur Abstimmung kommen. Aufgerufen ist der Entwurf der Staatsregierung für ein Gesetz zur Änderung des Archivgesetzes für den Freistaat Sachsen. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Innenausschusses in der Drucksache 5/13106.

Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor, die sicherlich noch eingebracht werden sollen. Wir beginnen mit dem Änderungsantrag in der Drucksache 5/13213. Dazu erhält Frau Jähnigen das Wort. Wenn Sie möchten, können Sie den Änderungsantrag in der Drucksache 5/13211 auch gleich einbringen.

Danke, Frau Präsidentin! Ich würde gern zunächst nur einen Änderungsantrag einbringen, weil es um zwei sehr verschiedene Gegenstände geht.

Gut.

Ich habe schon darauf hingewiesen: Es soll erstmals geregelt werden, dass durch Verwaltungsvorschrift verwaltungsintern geklärt werden soll, welche Akten dem Archiv nicht angeboten werden. Mit anderen Worten: Es wird erstmals Schreddervorschriften geben. Das hat auch Sinn, weil Akten tatsächlich differenziert zu behandeln sind.

Nach unseren Erfahrungen mit dem Verfassungsschutz und dem Schreddern von brisanten, unangenehmen Akten, die einen hohen Kontroll- und Transparenzbedarf – auch über Jahre hinweg – auslösen, meinen wir allerdings: Wenn es nicht darum geht, Herr Innenminister, geheime Dinge zu machen oder Nebenklauseln zu beschließen, dann gibt es eine sehr einfache Lösung: Wenn es solche Verwaltungsvorschriften gibt, müssen sie veröffentlicht werden – ganz einfach. Das ist unser Vorschlag. Wenn Sie keine geheimen Regelungen zum Schreddern von Akten wollen, Herr Minister, dann muss unserem Vorschlag jetzt zugestimmt werden. Er löst das Problem. Er schafft Transparenz, er schafft Verwaltungsvereinfachung, er schafft Klarheit. Kein unkontrolliertes Schreddern!

(Beifall der Abg. Gisela Kallenbach, GRÜNE)

Wer möchte zu dem Änderungsantrag sprechen? – Herr Abg. Schiemann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erstens. Ich gehe davon aus, dass das Verwaltungsvorschriftengesetz des Freistaates Sachsen eine Veröffentlichung nicht vorsieht. Zweitens. Nach der bisherigen Praxis im Archivwesen sind die Verwaltungsvorschriften immer veröffentlicht worden. Ich kann nicht einen Grund erkennen, warum nach Verabschiedung des Gesetzentwurfs eine neue Praxis angewandt werden soll. Ich gehe davon aus, dass – im Sinne einer Maßnahme für Transparenz – auch diese Verwaltungsvorschrift veröffentlicht wird. Deshalb brauchen wir dem Antrag der einreichenden Fraktion nicht zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt weiteren Redebedarf. Frau Köditz, bitte.

Wenn man den Worten von Herrn Schiemann Glauben schenken möchte, könnte man es auch umgedreht formulieren: Dann schadet es auch nicht, diese Formulierung in das Gesetz aufzunehmen. Seitens der Fraktion DIE LINKE sind wir immer für Transparenz im Verwaltungshandeln. Deswegen werden wir diesem Änderungsantrag zustimmen.

(Christian Piwarz, CDU: Sie können ja noch hineinschreiben, dass grundsätzlich die Sonne scheinen soll!)

Wenn es keinen weiteren Redebedarf gibt, lasse ich über den soeben eingebrachten Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE abstimmen. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist der Änderungsantrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe den Änderungsantrag in der Drucksache 5/13211 auf und bitte auch hier um Einbringung. Frau Jähnigen, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt kommen wir zu einem Knackpunkt des Gesetzentwurfs. Die Regierung will, dass sich zukünftig die Schutzfristen für die Herausgabe personenbezogener Archivgüter nach dem Tode Betroffener auf solches Archivgut beschränken, das – ich zitiere – „seinem wesentlichen Zweck nach personenbezogen“ ist. Das sollte, so steht es in der Begründung des Gesetzentwurfs, Seite 11, Zeile 11 folgende, „zu einer leichteren Zugänglichkeit für Archivgut und zur Verwaltungsvereinfachung für die Archive“ führen.

Im Klartext gesagt: Solche Akten sollten nicht mehr wie bisher in Archiven und auch bei Stasiunterlagen üblich mit Schwärzung der Namen von Drittbetroffenen heraus

gegeben werden. Entweder es wird völlig gesperrt oder es unterliegt gar nicht mehr den Schutzfristen. Als Folge liegt auf der Hand: Archive würden dann nach summarischer Gesamtwürdigung schnell feststellen, dass Archivgut seiner Zweckbestimmung nach gar nicht personenbezogen ist, dann wird es ohne Einzelprüfung komplett herausgegeben, oder sie stellen das Gegenteil fest, dann verschwindet das Archivgut lange im Keller.

Der Sachverständige Dr. Schnoor, Herr Minister, hatte in seiner Anhörung zum Gesetzentwurf darauf hingewiesen, dass bei Anwendung dieser Regelung die Akten in einem besonders prominenten Fall, der Akten des ehemaligen Rates des Kreises Kamenz, entweder gar nicht an Staatskanzlei und Presse hätten herausgegeben werden können oder ohne Schwärzung der Namen, anders als es damals geschah.

Die Koalition möchte das Problem jetzt lösen, indem sie im Benehmen mit dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten versucht, für diese Anwendungsfälle des § 10 eine gleichrangige Geltung des § 9 einzuführen, anders als das Gesetz bisher gehandhabt wurde. Allein aus dem Änderungsantrag und der Formulierung „unbeschadet“ ergibt sich diese Lösung nicht. Im Ausschussbericht ist sie nicht dezidiert festgehalten worden. Sie steht auch im Widerspruch zur Gesetzesbegründung, die der Einreicher nicht geändert hat. Uns überzeugt das nicht, wenn hier nicht zu Protokoll erklärt wird, was eigentlich gemeint ist. Gesetze müssen in der Rechtsanwendung, gerade auch für kleine Archive, in den nächsten Jahren und Jahrzehnten hieb- und stichfest sowie ohne Hintertürchen sein.

Wir machen Ihnen deshalb mit unserem Änderungsantrag erneut einen besseren Vorschlag. Wir wollen die Sperrfristwirkung wie bisher auf alle Akten ausdehnen, die sich – ich komme zum Schluss – auf natürliche Personen beziehen. Wir wollen auf eine etwaige Zweckbestimmtheitsprüfung oder Ähnliches verzichten. Die Herausgabe ist dann möglich, es muss geschwärzt werden. Was bei Stasiakten geht, das geht auch bei den sächsischen Archiven.

Vielen Dank.

(Beifall der Abg. Gisela Kallenbach, GRÜNE)

Wer möchte dazu sprechen? – Herr Abg. Schiemann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe es verpasst, mich ganz herzlich beim Datenschutzbeauftragten des Sächsischen Landtages zu bedanken. Das möchte ich an der Stelle nachholen und verknüpfe das jetzt mit der sehr langwierigen Diskussion, die wir im Innenausschuss geführt haben und bei der der Datenschutzbeauftragte des Freistaates Sachsen, Herr Schurig, uns geholfen hat, einige Klippen zu nehmen. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Wir haben nämlich auf der einen Seite deutlich festgestellt, dass wir einen erleichterten Zugang zum Archivgut möchten – und es geht nicht nur um Verwal

tungsvereinfachung, das muss man so deutlich ansprechen –; deshalb haben wir einen gemeinsamen Änderungsantrag erarbeitet, der im Ausschuss unstrittig war. Das war der Versuch, dieses Problem zu umschiffen. Auf der anderen Seite geht natürlich nichts unterhalb der Prüfung, die § 9 festschreibt, wo deutlich gesagt wird, wer Zugang zu den Archiven hat. § 9 ist im Zusammenhang mit diesem Änderungsantrag, den wir beschlossen haben, zu sehen.

Als letzten Punkt möchte ich Ihnen sagen, dass der Abwägungsprozess im Einzelfall sehr schwierig sein wird. Die datenschutzrechtlichen Fragen sind in diesem Gesetz weit mehr gestärkt worden, als das bisher in der Praxis gehandhabt worden ist. Auf der einen Seite soll ein erleichterter Zugang möglich sein, auf der anderen Seite muss natürlich der Datenschutz im Freistaat Sachsen gesichert sein. In diesem Spannungsverhältnis wird sich die Verwaltungsentscheidung bewegen, ob herausgegeben wird oder nicht. Ich gehe davon aus, dass Ihr Änderungsantrag keine Lösung bringt. Deshalb bitte ich, den Änderungsantrag abzulehnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)