Protocol of the Session on November 27, 2013

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Ich frage die Fraktionen: Gibt es noch Wortmeldungen in der zweiten Runde? – Das kann ich nicht erkennen. Wortmeldungen für eine dritte Runde gibt es ebenfalls nicht. Somit frage ich die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Ulbig, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Benjamin Karabinski sagte zu Beginn: „Was lange währt, wird meistens gut.“ Das kann ich nur unterstützen, und das gilt nicht nur für diese Debatte, sondern ausdrücklich für das gesamte Gesetzgebungsverfahren; denn eine ganze Menge Vorredner haben das Thema angesprochen. Es ist nicht nur ein, zwei oder drei Jahre her, die wir warten und miteinander diskutieren, um wirklich notwendige Änderungen im Bereich des Kommunalrechts hinzubekommen. Natürlich hat es die eine oder andere kleine Änderung gegeben. Aber eine grundlegende Veränderung ist eigentlich seit 15 Jahren nicht erfolgt.

Natürlich ist es richtig, wenn wir über kommunale Angelegenheiten sprechen, dass in einer solchen Debatte und im Vorfeld zum Gesetzgebungsverfahren ganz unterschiedliche Positionen vorgetragen werden. Das gehört zu einer lebendigen Demokratie dazu. Aber – das sage ich als ehemaliger „Kommunaler“ und jetziger Kommunalminister – ich bin doch sehr froh, dass sich am Ende einer solchen Debatte diejenigen durchgesetzt haben, die tatsächlich kommunale Erfahrungen haben und deren

Argumente im Wesentlichen eine entsprechende Rolle gespielt haben.

Man kann sagen: Der Einsatz hat sich gelohnt, und anders als einige Vorredner möchte ich sagen: Es ist ein historischer Tag für sächsische Städte und Gemeinden; denn der Gesetzentwurf bringt eine ganze Fülle sinnvoller Änderungen. Er vereinfacht das Kommunalverfassungsrecht, erleichtert die Arbeit der Rathäuser und fördert die kommunale Zusammenarbeit. So kann beispielsweise eine andere Kommune im Namen und nach Weisung der zuständigen Kommune Aufgaben für sie erfüllen, ohne dass diese die Zuständigkeit verändert.

Außerdem – das ist wirklich längst überfällig – ist das Thema Elektronische Kommunikation nun möglich. Als ich noch Oberbürgermeister war, haben wir uns im Stadtrat von Pirna schon darüber gestritten, ob es richtig ist, Einladungen elektronisch zu versenden oder nicht. Jetzt haben wir wenigstens eine entsprechende Rechtsgrundlage dafür. All dies sind wichtige Schritte in Richtung moderne Verwaltung.

Aus Regierungssicht freut mich eines ganz besonders: Unsere Kommunen haben jetzt die notwendigen Instrumente an der Hand, um die Herausforderungen der kommenden Jahre zu bewältigen, um entsprechende Lösungen mitzugestalten. Dabei möchte ich Christian Hartmann noch einmal bekräftigen: Das neue Gesetz fördert damit auch die kommunale Selbstverwaltung, und ich bin dankbar, ganz besonders auch Herrn Hartmann, dass dieses Thema in der Diskussion eine solche Rolle gespielt hat. Ich kann sagen: Die Kommunen sind jetzt für die Zukunft gut aufgestellt, deshalb werbe ich um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Aufgerufen ist das Gesetz zur Fortentwicklung des Kommunalrechts, Drucksache 5/11912, Gesetzentwurf der CDU- und der FDP-Fraktion. Wir stimmen auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Innenausschusses ab, Drucksache 5/13107.

Es liegt eine Reihe von Änderungsanträgen vor, über die wir gemäß § 46 Abs. 4 Geschäftsordnung in der Reihenfolge ihres Eingangs abstimmen. Ich frage die Abgeordneten: Wünscht ein Abgeordneter, dass ich alle Änderungsanträge vorlese? – Das kann ich nicht erkennen.

Frau Junge war so freundlich, mir mitzuteilen, dass von den 15 Änderungsanträgen der Fraktion DIE LINKE bereits 14 eingebracht sind, sodass nur noch der Änderungsantrag in Drucksache 5/13206 eingebracht wird. Frau Junge, Sie haben das Wort. Oder Herr Bartl? – Herr Bartl, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Der Änderungsantrag – deshalb heben wir ihn noch einmal hervor – hat für uns insofern eine Bedeutung, als

wir ein verfassungsrechtliches Problem in der entsprechenden Bestimmung sehen, die wir hierin gern gestrichen hätten, nämlich in der Neueinführung des Artikels 5 a. Dieser Artikel 5 a, wie er jetzt im Gesetz beinhaltet ist, ist erst im Rahmen der Debatte im Fachausschuss, also im Innenausschuss, nach der Expertenanhörung aufgenommen worden.

Es ist unbestritten, dass der in der Expertenanhörung – zum Beispiel durch den Sachverständigen Prof. Dr. Birk, auch in seiner schriftlichen Stellungnahme – in Bezug genommene Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 5. März 2013 darauf orientiert hat, dass es aus Gründen der Rechtssicherheit und der Rechtsfestigkeit eine bestimmte Frist geben soll, bis zu der öffentliche Abgaben gegenüber Bürgern längstens noch geltend gemacht werden können, beachtet und umgesetzt werden muss.

In der betreffenden Entscheidung ging es um ein Problem, bei dem ein Festsetzungszeitraum von neun Jahren umfasst war. Nun sieht die vorgesehene Lösung, wie sie durch die Abstimmung im Fachausschuss ins Gesetz aufgenommen worden ist, vor, dass fernerhin laut § 3 a innerhalb des Artikels 5 a eine Festsetzungsverjährungsfrist von 20 Jahren gelten soll, innerhalb derer für Kommunen die Möglichkeit besteht, gegenüber Bürgerinnen und Bürgern Beiträge für öffentliche Einrichtungen, Verkehrsanlagen usw. geltend zu machen.

Wenn man hinzunimmt, dass eine Hemmung eingebaut ist, dass diese Frist erst 2000 beginnen soll, weil man sagt, in den ersten zehn Jahren waren noch – ich sage es einmal so untechnisch – die Wirren des Aufbaus zu beachten, deshalb wollte man dies nicht mit hineinnehmen, dann könnte man im theoretischen Fall noch Forderungen aus solchen Abgaben gegenüber Bürgerinnen und Bürgern geltend machen, die 30 Jahre zurückliegen.

Diese Festsetzung einer derart langen Frist stößt aus unserer Sicht erst einmal grundsätzlich auf vielfältige Bedenken. Man kann – erstens – im Verhältnis Staat – Bürger nicht die Fristen aus dem Zivilrecht anwenden, wie sie meinethalben bei außervertraglichen Pflichtverletzungen beim Schadenersatz üblich sind. Das halten wir für ausgesprochen kompliziert.

Das Zweite ist, dass hier eine Regelung aufgenommen worden ist, die eben nicht der nochmaligen Anhörung des Städte- und Gemeindetages unterzogen worden ist. Also, wir meinen, sowohl materiell-rechtlich gibt es erhebliche Bedenken als auch formell wegen der fehlenden Anhörung. Deshalb unser Antrag, den Artikel 5 a zu streichen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank, Herr Bartl. – Es gibt noch eine Wortmeldung zum Änderungsantrag für die Koalition. Herr Hartmann.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Wir wollen den Bürger knechten!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erspare mir jetzt eine Bemerkung darauf.

Zu dem Änderungsantrag zu Artikel 5 a: Ursache – das hat Herr Bartl bereits dargestellt – ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu der Frage der Festsetzungsverjährung, und im konkreten Fall, die Ausgangslage dafür war, ging es um eine Bewertung eines entsprechenden Sachverhaltes in Bayern. Nun will ich zur kommunalen Abgabenordnung noch einmal klarstellen – das ist in Ihrer Pressemitteilung etwas reißerisch als Eindruck übrig geblieben –, dass jetzt die Koalition die Verjährungsfristen verfünffacht und der Bürger in einer sehr schwierigen Situation ist, weil die bisher geltende vierjährige Verfristung einer 20-jährigen weicht, und das ist einfach falsch und Quatsch.

Die jetzige vierjährige Verjährungsfrist, die in der Vergangenheit galt, wird auch zukünftig gelten; denn die Abgabenordnung sieht dafür zwei entscheidende Voraussetzungen vor: Erstens muss es eine entsprechende Satzung geben und zweitens die entsprechende Leistung. Dann gibt es den entsprechenden Festsetzungsbescheid und die Zahlung. An dem Verfahren ändert sich überhaupt nichts. Die Frage, die hier mit der Festsetzungsverjährung geregelt wird, ist die Frage, wenn es überhaupt keine Satzung gibt und eine entsprechende Rechtssicherheit eintreten muss; und das, was der Änderungsantrag an dieser Stelle regelt, ist, dass es eine abschließende Festsetzungsverjährung gibt, nach der man nicht mehr rückwirkend tätig

(Staatsminister Markus Ulbig: Tätig werden kann!)

werden kann – so ist es –, und das hat einfach nur eine Rechtssicherheit für den Bürger zur Folge. Man hätte auch 30 Jahre nehmen können. Wir haben gesagt: 1999, die ersten zehn Jahre, wie Herr Bartl gesagt hat, dann 20 Jahre, in denen eine Gemeinde noch eine entsprechende Satzung herbeiführen kann, und dann ist ab 2029 eine entsprechende Klarheit da. Wir müssen ja einen Ausgleich schaffen zwischen dem berechtigten Sicherheitsempfinden der Bürger zum einen und den Handlungsmöglichkeiten der Kommune zum anderen. Das heißt zum Schluss aber, dass das, was hier vorgetragen wird, falsch ist.

(Klaus Bartl, DIE LINKE, und Eva Jähnigen, GRÜNE, melden sich zu Zwischenfragen.)

Herr Hartmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke, jetzt nicht.

Es geht einfach nur darum, eine abschließende Regelung aufzunehmen. Mit den regulären Verjährungsfristen hat das überhaupt nichts zu tun. Insoweit bleiben wir bei unserer Änderung im Artikel 5 a.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Staatsministers Markus Ulbig)

Frau Jähnigen, Sie möchten noch zum Änderungsantrag sprechen? – Bitte.

Danke, Herr Präsident. – Wir hatten zu diesem sehr kurzfristig eingereichten Vorschlag der Koalition, zu dem es keine Anhörung gab und der in der Anhörung auch nicht Gegenstand war, in der Ausschusssitzung eine ausdrückliche Warnung des Sächsischen Rechnungshofes bekommen, jetzt ad hoc solche Festlegungen zu treffen.

Ich sage es einmal mit meinen Worten: Man stelle sich vor, dass in der Frage der Abgabenerhebungen noch 20 Jahre nach dem Entstehungsgrund Abgabenfestsetzungen im Gemeinderat erfolgen können. Unter Umständen sind dann inzwischen drei- oder viermal die Gemeinderäte neu gewählt worden – die Verwaltung ist vielleicht die gleiche –, und der Zusammenhang zwischen dem Anknüpfungstatbestand – eine Ausbaumaßnahme einer Straße oder eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme – und der Erhebung selbst ist dann so tatsächlich überhaupt nicht mehr vorhanden. Wir hätten uns schon eine gewisse Verlängerung – vier Jahre ist eine relativ kurze Frist – vorstellen können, aber 20 Jahre sind sehr lang.

(Staatsminister Markus Ulbig: Aber was ist denn heute?)

Ich würde insofern meiner Fraktion empfehlen, sich zum Antrag der LINKEN zu enthalten. Dass Sie das Problem heute aufgreifen, finde ich aber gut und wichtig.

Ich kann keine Wortmeldungen mehr erkennen.

(Christian Piwarz, CDU: Nein, es ist ja schon eingebracht! Keine Debatte!)

Es ist schon eingebracht. Es wäre höchstens noch eine Kurzintervention möglich. Aber entscheiden Sie einmal selbst, ob das jetzt sein muss.

(Christian Piwarz, CDU: Nein, nein!)

Doch, das geht. – Herr Bartl, was ist nun? Die Verhandlungsführung habe ich, und ich würde eine Kurzintervention von Ihnen zulassen.

(Christian Piwarz, CDU: Nur auf einen Debattenbeitrag!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich bedanke mich, dass Sie die Kurzintervention zulassen. – Ich möchte es noch einmal expressis verbis sagen: Es geht uns nicht vordergründig darum, generell keinerlei Fristen vorzusehen. Es wäre für uns durchaus nachvollziehbar zu sagen: vier, fünf Jahre dort, wo es im Interesse der Rechtssicherheit notwendig ist. Aber diese 20 Jahre sind verfassungsrechtlich immens gefährlich. Wir haben deshalb den Präsidenten des Sächsischen Landtages in einem Schreiben vom gestrigen Tag gebeten, den Juristischen Dienst um eine Expertise, ein Gutachten zu dieser Frage zu bitten, ob man das überhaupt aus verfassungs

rechtlicher, kommunalrechtlicher und staatsrechtlicher Sicht halten kann. Dieses Problem bitten wir zu beachten. Der Rechnungshof hat darauf nachdrücklich aufmerksam gemacht. – Vielen Dank, Herr Präsident.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich habe jetzt die Kurzintervention zugelassen. Wir werden das durch den Juristischen Dienst noch einmal prüfen lassen. Insofern wäre es mein Fehler gewesen, Herr Bartl, wenn Sie sprechen durften.

(Unruhe bei der CDU)