Es gibt eine ganze Reihe Punkte – Herr Hartmann hat sie angesprochen –, die wir durchaus positiv sehen, und zwar auch in der Fortschreibung des Kommunalrechts. Ich denke dabei zum Beispiel an den Sport, der mit aufgenommen werden soll, oder auch an die Hauptsatzung der Gemeinden, die zwingend vorgeschrieben werden soll. Da bin ich ganz Ihrer Meinung und denke, dass es durchaus sinnvoll ist, das zu tun, um für die kommunale Ebene in den Gemeinden ein Stück Sicherheit zu schaffen. Ich
stimme auch zu, wenn wir die kommunale Zusammenarbeit der Landkreise und Kommunen stärken, zumal das ein Instrument ist, das auch in der neuen Förderperiode der EU gefordert und gefördert wird. Wenn wir das jetzt nicht in Kommunalrecht festschreiben, würden wir der Zeit hinterherrennen.
Aber es gibt natürlich auch eine ganze Reihe von Punkten, bei denen wir etwas anderer Meinung sind, wobei ich nicht ganz so streng wie Sie, liebe Kollegin Junge, damit umgegangen bin, weil ich weiß, wie man als Bürgermeister in praktischer Arbeit diese Dinge umsetzen muss. Wenn wir jetzt zu große Auflagen im Kommunalrecht festschreiben, dann ist die Umsetzung sehr schwierig und würde viel mehr Handlungsprozesse in den Kommunen und Landkreisen verlangen. Das kann nicht unser Ziel sein.
Ich habe deshalb ein paar Punkte herausgegriffen und betrachte damit unseren Änderungsantrag auch als eingebracht.
Ein Punkt ist die Fraktionsfinanzierung. Das halten wir als SPD für ein wichtiges Instrument gerade für kleinere Fraktionen. Wenn man heute sieht, wie die Doppik Gemeinde- und Kreisräte belastet, wenn sie sich in Sitzungen begeben müssen, ohne dafür Vorarbeiten – auch aus der eigenen Fraktion heraus – erhalten zu können, dann halte ich das für sehr schwierig. Deswegen halten wir die Fraktionsfinanzierung für einen wichtigen Bestandteil der neuen Gesetzgebung, die eingearbeitet werden muss.
Ein weiter Punkt ist die Ausschussöffentlichkeit. Da bin ich Ihrer Meinung, Kollegin Junge. Allerdings habe ich auch viele Abfragen auf der kommunalen Ebene bei Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern sowie Landräten gemacht. Da gibt es eine sehr unterschiedliche Auffassung. Ich habe es in meinen Funktionen immer so gehandhabt, dass ich so viel Öffentlichkeit wie möglich hergestellt habe. Aber es gibt durchaus Diskussionspunkte, die man vorberaten muss. Das geht zwar auch nach Ihrem Gesetzentwurfsvorschlag, aber wir denken, dass wir es den Gebietskörperschaften selbst überlassen sollten, ob sie die Öffentlichkeit herstellen wollen oder nicht. Wir möchten diese Art der Öffnungsklausel.
Stichwahl. Einen zweiten Wahlgang bei Bürgermeisterwahlen als Stichwahl durchzuführen, das halten auch wir für richtig und notwendig. Lieber Kollege Ulbig – ich sage hier Kollege als ehemalige Bürgermeisterkollegin –, wir wissen, wie leidig dieses Problem mit dem zweiten Wahlgang ist, bei denen plötzlich neue Kandidaten aufgestellt werden, die mitunter nicht die richtigen Fähigkeiten und Qualifikationen haben. Darin sind wir sicher d‘accord.
Zum Alter des Bürgermeisters haben wir keinen Änderungsvorschlag gemacht. Persönlich halte ich einen 18jährigen Bürgermeister oder Landrat für außerordentlich problematisch. Natürlich ist der Wähler der Souverän. Er soll entscheiden, ob er das möchte oder nicht. Es gibt so viele Berufszweige, bei denen eine Qualifikation vorge
schrieben ist. Aber ausgerechnet in diesen Bereichen, in denen weitreichende Entscheidungen in die Zukunft getroffen werden, ist das nicht der Fall. Das halte ich für problematisch. Aber das ist meine persönliche Meinung. Wir haben keinen Änderungsantrag dazu vorgeschlagen.
Auch bei den Quoren sind wir etwas anderer Meinung. Wir würden das gern differenzieren, und zwar nach Einwohnergrößen gestaffelt: 3 % für die großen Kommunen, bis 5 % für die kleineren Kommunen, damit die großen Kommunen eine variable Möglichkeit haben. Das Gleiche gilt für die Absenkung der Quoren der Einwohnerversammlung. Auch dort würden wir die Quorenverteilung analog wie beim Bürgerbegehren einbringen. Insofern sind wir da etwas anderer Auffassung. Das ist aber sicher eine Sache, über die man reden kann, wobei es eine Möglichkeit ist, ordnungsgemäß zu handeln.
Als Schwerpunktbereich nehme ich noch einmal das Gemeindewirtschaftsrecht. Das Gemeindewirtschaftsrecht ist für uns ein Schwerpunkt, bei dem wir sagen: Das kann so, wie es momentan verankert bleibt, nicht sein. Wir denken, dass die Einschränkung auf so wenige gemeindewirtschaftsrechtliche Unternehmen wie nicht wirtschaftliche Unternehmen – zum Beispiel Wasserversorgung, Abwasser- oder Hausmüllentsorgung – zu eng gefasst ist. Wenn man dort die Tierkörperbeseitigung – was eine klassische Aufgabe ist – oder Kindertageseinrichtungen, Sportstätten bzw. Bäder ausschließt, dann halte ich das für den falschen Weg.
IHKs und Handwerkskammern haben eigene Interessen, das wissen wir. Ich bin kein Gegner dieser Kammern per se, aber an der Stelle muss ich wirklich sagen: Auf der einen Seite kritisieren wir die Kommunen, wie sie mit ihren Geldern umgehen, und auf der anderen Seite beschneiden wir sie auf das Engste, wenn es auch einmal darum geht, in einer Kommune wirtschaftlich zu arbeiten. Deswegen haben wir damit ein absolutes Problem und möchten das wieder auf die alte Regelung, wie es im alten Kommunalrecht geregelt war, geöffnet haben. Dazu haben wir auch den Änderungsvorschlag eingebracht.
Als letzten Bereich – weil wir nicht ganz so viel Zeit haben wie DIE LINKE – möchte ich das Thema Sponsoring aufrufen. Ich bin sehr froh, dass wir das mit aufgenommen haben, gerade weil das in Zeiten der knappen Kassen ein Thema ist. Ich als Bürgermeisterin oder auch als Landrätin habe oft erfahren, wie heikel dieses Thema, mit Sponsoring umzugehen, ist und wie schnell man dort in den Grenzbereich gerät. Insofern bin ich sehr dafür, dass wir hier eine klare Regelung in unserer Gemeindeordnung schaffen. Deswegen bringen wir auch dazu die Änderungsanträge ein.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lange wurde eine umfassende Reform des Sächsischen Kommunalrechts angekündigt. Was dann auf den Tisch kam, war schlichtweg enttäuschend. Unbenommen: Sie ändern viele Details: manches – wie das Verfahren bei der Ausschussbesetzung oder die Neuregelung beim zweiten Wahlgang zur Bürgermeisterwahl in Artikel 4 des Gesetzentwurfes – in die richtige Richtung, manches auch in die falsche, beispielsweise die Aufweichung der Befangenheitsvorschriften für Ratsmitglieder.
Aber entscheidend für uns GRÜNE ist das, was Sie alles nicht anpacken. Was Ihrem Gesetzentwurf fehlt, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, ist die Vorstellung, wie man Sachsens Kommunen fit für die Zukunft macht. Sie haben offenbar nicht einmal Antworten auf diese Zukunftsfragen gesucht. Damit ist leider dieses Gesetzesvorhaben wieder mal ein typischer Fall von „als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet“. Dabei sind Sachsens Gemeinden und Landkreise von großen Umbrüchen herausgefordert.
Die Landkreise sind seit der sogenannten Reform von 2008 an Fläche und Aufgabenumfang nahezu explodiert. Diese Strukturen sind für Ehrenamtliche kaum noch überschaubar und sollen dennoch von ehrenamtlichen Kreisräten gesteuert und kontrolliert werden. Und auch die Gemeinden sollen nach Meinung der Regierung demnächst deutlich größer werden; mittelfristig ist die Mindestgröße von 5 000 Einwohnern vorgesehen! Auch damit wird Aufgabenaufwuchs verbunden sein.
Die Arbeitsbelastung der kommunalen Vertreter hat in den letzten Jahren massiv zugenommen. Gerade in den kreisfreien Städten steht Ehrenamtlichkeit der Stadträte nur noch auf dem Papier. Auf diese zunehmenden Anforderungen an die Kommunen und ihre Organe hätten Sie regieren müssen. Gleichzeitig müssen wir sehen, dass gerade die mittelgroßen und kleinen Städte weiter an Bevölkerung verlieren, besonders an jungen Menschen – mit all den bekannten Folgen.
Sie hätten sich deshalb die Frage stellen müssen, wie man die Kommunen in dieser Situation durch mehr Demokratie, durch mehr Mitbestimmung attraktiv machen kann, gerade für ehrenamtliches Engagement. Davon reden Sie zwar gern – hier am Pult oder auch in Tagungen zum demografischen Wandel –, aber Sie setzen es nicht um. Dazu gehört nämlich, dass Kontroll- und Beteiligungsdefizite in so großen kommunalen Strukturen ernsthaft abgebaut werden. Ihr Vorschlag zur bescheidenen Absenkung der Quoren für Bürgerentscheide leistet das nicht einmal im Ansatz.
Die Energiewende, zu der sich zumindest die CDUFraktion verbal bekennt, wird gerade entscheidend durch kommunale Unternehmen vorangebracht werden müssen. Offenbar sehen Sie diese besondere Kraft der kommunalen Selbstverwaltung aber nicht als Pfund, mit dem wir in Sachsen wuchern müssen, sondern als Problem. Ihre Vorschläge zum Gemeindewirtschaftsrecht sind ja gera
Welchen Maßstäben müsste eine echte Kommunalrechtsreform zu Anfang des dritten Jahrtausends in Sachsen genügen? Entscheidungsabläufe müssen zugunsten der Bürgerinnen und Bürger und der ehrenamtlichen Hauptorgane demokratisiert werden – weg von der einseitigen Verwaltungslastigkeit der Entscheidung. Die Hauptvertretungen brauchen mehr Entscheidungs- und Kontrollrechte und bessere Arbeitsmöglichkeiten, die gegenüber der Mehrheit nicht disponibel sind. Dazu gehört zum Beispiel auch die Abschaffung des Ratsvorsitzes für Bürgermeister und Landräte.
Die deutliche Absenkung aller Quoren für Bürgerentscheide und -begehren ist unverzichtbar, und die kommunalen Pflichten zur Beteiligung der Einwohnerinnen und Einwohner gehören erweitert. Herr Karabinski, wann ist denn jemals ein Einwohnerantrag mit diesen Quoren, die hier wieder festgeschrieben werden, erfolgreich gewesen?
Kommunale Unternehmen brauchen eine Stärkung im Rahmen ihrer öffentlichen Aufgabenwahrnehmung und der Subsidiarität, gerade für die Energiewende. Der Trend zur Kommunalisierung ist spürbar. Es hat Gründe, dass die Kommunen wieder stärker auf kommunale Unternehmen setzen werden, nicht nur bei den Stadtwerken, sondern auch beim Wohnungsbau, bei Pflegeheimen, bei Kulturbetrieben usw.
Dringend hätten sich CDU und FDP auch fragen müssen – wie wir in der Opposition und wie die Spitzenverbände –, wie eine überörtliche Tätigkeit kommunaler Unternehmen zukünftig hätte aussehen sollen und welche Handlungsformen gebraucht werden, zum Beispiel die Anstalt öffentlichen Rechts auf kommunaler Ebene.
Was macht die Koalition von CDU und FDP stattdessen? Bei den Quoren bewegt sie sich immerhin – aber nur einen halben Schritt, soweit es objektiv unumgänglich war. Die bescheidene Anpassung der Quoren ist keine echte Verbesserung angesichts der neu zusammengewachsenen Riesenkreise und kommenden Großgemeinden.
Zählen Sie einmal die Bevölkerung nach. Rechnen Sie das einmal um. 10 % sind dann immer noch eine Heraufsetzung. Warum nehmen Sie keine generelle Anpassung des Quorums auf 5 % vor? Das wäre ein echtes Ergebnis. Das schlagen wir ja vor.
Was ist mit der Stärkung der Ehrenamtlichen in ihren Rechten, wenn die Hauptsatzungen vorschreiben können, ob überhaupt Fraktionen gebildet werden dürfen oder nicht? Mehr Kontrollmöglichkeiten und Rechte für die Einzelnen – Fehlanzeige. Stattdessen wird auch noch die Finanzierungspflicht für die Kreistage abgeschafft. Damit
Moderne Beteiligungsverfahren zugunsten der Einwohnerinnen und Einwohner ist kein Thema für Sie. Unsere Vorschläge zur Bürgerbeteiligung auf Anforderung – dort, wo sie gebraucht wird, und von unten – werden nicht reflektiert, Einwohneranträge und -begehren laufen wegen zu hoher Quoren weiter leer. Von Informationsfreiheit spreche ich jetzt gar nicht erst. Hier bleibt der Gesetzentwurf ein Denkmal der Ignoranz von CDU und FDP gegenüber den Bedürfnissen der Bevölkerung.
Wie steht es mit einem klaren Bekenntnis zu den kommunalen Unternehmen? Hätten wir GRÜNE nicht Ihrer Koalition auf die Finger geschaut, wäre der Handlungsrahmen der kommunalen Unternehmen erheblich eingeschränkt worden.
Haben Sie gedacht, das Parlament liegt im Tiefschlaf? Klar, nach unserem Antrag im letzten Plenum haben Sie in letzter Minute eine Rolle rückwärts geschafft. Dafür wäre heute eigentlich ein Dankeschön aus der CDU fällig gewesen.
Leider haben Sie nur das halbe Problem beseitigt. Es bleibt immer noch das neue Bürokratiemonster übrig: die Anhörungspflicht aller betroffenen Kammern vor kommunalen Unternehmensentscheidungen.
Was haben Sie denn für ein Verständnis von Selbstverwaltung und unternehmerischer Flexibilität in der FDP? – So geht Unternehmensarbeit nicht. Verabschieden Sie sich doch von der unsinnigen Vorstellung, dass Freiberufler und Unternehmen ihre Kammern dafür finanzieren, damit diese die Tätigkeiten gemeindlicher Unternehmen evaluieren. Dafür sind die Rechtsaufsichtsbehörden zuständig. Auch die Kammern erfüllen staatliche hoheitliche Aufgaben, und zwar mit Pflichtbeiträgen von kleinen und mittelständischen Unternehmen, über die sich mancher in der Wirtschaft durchaus ärgert.
Es ist bezeichnend für die Bigotterie der FDP, dass sie an allen Ecken und Enden die Monstranz des Bürokratieaufbaus vor sich hertragen und an entscheidender Stelle ein Bürokratiemonster ausgedacht wird, um den Kommunen Steine in den Weg zu legen. Kümmern Sie sich lieber um die landeseigenen Unternehmen!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Nachbesserungsbedarf dieses Gesetzentwurfes ist riesig. Wir haben aus unseren Anträgen daher heute nur die wichtigsten heraussortiert und werden diese noch einmal zur Abstimmung stellen, Stichwort: Quoren für Bürgerbeteiligung, Pflicht zur Fraktionsfinanzierung auch für Landkreise und Streichung des sinnwidrigen Anhörungsverfahrens der
Kammern. Damit würden wir immerhin Teile der großen Defizite des Gesetzentwurfes beheben. Das, was Sie hier vorgelegt haben, bleibt am Ende nicht mehr als ein Rechtsbereinigungsgesetz. Die Worte „Reform“ und „Modernisierung“ verdient dieser Gesetzentwurf nicht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, es ist erforderlich, dass mit diesem Gesetzentwurf die Sächsische Gemeindeordnung zum dritten Mal in Folge an die gesellschaftliche Realität und die neuen Herausforderungen und technischen Veränderungen angepasst wird – und nun in diesem Fall auch einmal etwas umfangreicher als bisher.
Um es Ihnen aber gleich zu sagen: Ein großer Wurf ist auch diese notwendige Fortschreibung des Kommunalrechts nicht; denn man darf sich sicherlich auch die Frage stellen, warum der Entwurf von den beiden Fraktionen der Regierungskoalition angestoßen wurde und nicht von der Staatsregierung selbst, weil dort – zumindest aus unserer Sicht – noch der größere Sachverstand, die größere Sachkompetenz liegen würde.
(Benjamin Karabinski, FDP: Wir sind der Gesetzgeber! – Zuruf des Abg. Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU)
Ja, das sehen wir sonst ja auch immer. Aber das ist wohl auch eine Ursache dafür, dass es diesen unglaublichen Wust an Änderungsanträgen, der dann abgearbeitet werden musste, schon im Ausschuss gab.