Der erste Kritikpunkt war zum Beispiel beim EFREProgramm – mein Kollege Mann hatte es angedeutet –, dass wir uns zu sehr auf den Straßenausbau und weniger auf innovative Projekte konzentrieren. Wir sind eines der wenigen Bundesländer, die dort den Schwerpunkt gesetzt haben. Das wäre doch änderungswert.
Der zweite Kritikpunkt betrifft den ESF. Auch dazu ist schon viel gesagt worden. Ich habe genau hingehört, als es darum ging, wo in Sachsen bezüglich der ESFFörderung in Zukunft die Schwerpunkte gelegt werden sollen. Das sind drei Bereiche: erstens, der Fachkräftemangel, zweitens, dass die Schulabbrecherquote gesenkt werden soll, und drittens das lebenslange Lernen. Zu genau den drei Punkten hätte ich erwartet, dass heute hier etwas kommt und man sagt, wie strategisch damit umgegangen werden soll, wenn das bei uns in Sachsen als Mangel erkannt wird.
Ich war jüngst in einem Unternehmen im Leipziger Umland. Es bildet 300 Lehrlinge aus. Ich habe gefragt, wie viele davon in Sachsen bleiben. Es war nicht einmal ein Drittel. Das sind Dinge, bezüglich derer ich sage: Wir geben viel Geld für Qualifikation usw. aus, und dann wandern die jungen Leute ab, und wir – bzw. Herr Minister Morlok – rühmen uns, ein Einwanderungsland zu sein.
Der nächste Bereich – der war für mich genauso wichtig – sind die KMU. Wie gehen die mit Wissenschaft, Technologie und Ähnlichem um? Wir als SPD-Fraktion haben Vorschläge unterbreitet und gesagt: Lasst uns ein Anreizsystem für 4 400 Unternehmen entwickeln, die eine Unternehmensnachfolge suchen. – Nichts ist passiert, der Antrag wurde abgelehnt. Das alles sind Dinge, bezüglich derer ich glaube, dass Handlungsbedarf besteht, der nicht durchgeführt wird.
Der dritte Kritikpunkt, der mir genannt wurde, ist die praktische Umsetzung. Bei Anträgen, die gestellt werden, verteilt sich diese Aufgabe auf zwei Ministerien. Sie stehen als Koalition dafür, dass wir eine Entbürokratisierung machen. Was die Leute jetzt erleben, ist die Ver
dopplung ihrer Arbeit. Das hat mit Entbürokratisierung nichts zu tun. Auch dazu hätte ich gern eine Aussage.
Frau Kollegin Köpping sprach für die SPD-Fraktion. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN könnte erneut das Wort ergreifen. – Es gibt keinen Redebedarf. – Bei der NPD auch nicht. Wir könnten jetzt in eine dritte Rederunde eintreten. Gibt es Redebedarf bei der einbringenden CDU-Fraktion? – Herr Dr. Meyer. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Es gibt durchaus noch einmal Redebedarf, denn einiges – insbesondere, was Prof. Besier erwähnt hat – kann man so nicht stehen lassen.
Ich denke, der Spruch „Wer lesen kann, …“ – bzw. zuhören – „… ist klar im Vorteil.“ bewahrheitet sich hier auch wieder, denn: Wenn man sich die Innovationsstrategie der Staatsregierung anschaut, wird man feststellen, dass es dort eben nicht einen rein produkt- oder rein technologieorientierten Innovationsbegriff gibt, sondern dass das Thema Innovationskultur und insbesondere Innovationskultur in Unternehmen eine ganz wichtige Rolle spielt. Auch im Hinblick auf die nächste Förderperiode, bezüglich derer wir alle wissen, dass der ESF vermutlich stärker als der EFRE-Bereich gefüllt sein wird, ist das ein deutliches Indiz dafür, dass man dort über die Köpfe Innovationen unterstützen möchte.
Ich will dazu noch ein paar Dinge nennen. Wir wollen beispielsweise Instrumente über den ESF konstruieren, wodurch es auch gelingt, Erfahrungspotenzial, also erfahrenes Personal, in die Innovationsprozesse einzubeziehen, dass man sozusagen die Brücke schlägt zwischen der Wissenschaft und der Industrie, der Wirtschaft, dass es gemeinsame Arbeitsgruppen gibt, die unterstützt werden. Das Wichtige ist vor allem, dass die KMU von ihren Kapazitäten her nicht in der Lage sind, eigene Forschungsprojekte auflegen zu lassen, oder insbesondere Handwerksunternehmen das nicht schaffen. Es gibt Instrumente wie den Innovationsassistenten, aber auch eine ganze Reihe von neuen Instrumenten in der künftigen ESF-Periode, die das ermöglichen sollen.
Die Kritik am EFRE kann ich ebenfalls nur bedingt teilen. Es ist schon wichtig, dass man auch Infrastruktur unterstützt, das ist auch Wirtschaftsförderung und genauso wichtig wie Innovation. Wenn ich mir meine Region
anschaue, den Zittauer Bereich, da ist es ganz entscheidend, dass wir auch über gute Straßenverbindungen an die Zentren angebunden sind. Was nutzt es, wenn wir dort eine innovative Firma haben, die ihre Produkte nicht an den Markt bringen kann, weil sie eben keine Straßen hat? Ich finde es ein bisschen weit hergeholt, dass man dazu den EFRE so in Kritik bringt.
Was war der Ansatz der Enquete-Kommission, warum – Frau Dr. Pinka, das noch einmal zu Ihrem Verständnis – haben wir uns überhaupt zusammengesetzt?
Wir haben das getan, weil wir wissen, dass die Förderperiode nicht mehr so üppig ausgestattet sein wird, wie das gegenwärtig der Fall ist, und dass wir mehr privates Geld für Forschung und Entwicklung akquirieren müssen. Ich glaube, da haben wir noch einiges zu tun, um Wagniskapital nach Sachsen zu holen. Wir müssen die steuerlichen Anreize für Wagniskapital setzen.
Wir müssen es schaffen, dass die Risikokapitalfonds besser und einheitlicher vermarktet werden, damit Deutschland ein Standort in der Welt ist, der für solche Kapitalgeber attraktiv ist. Wir müssen es auch schaffen, dass wir privates Geld über Stiftungen hereinbekommen, über Fundraising, über die Schwarmfinanzierung, Crowdfunding, Business Angels, aber auch revolvierende Instrumente. Das sind alles Punkte, über die wir reden sollten. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir heute darüber reden.
Wir müssen die steuerliche Forschungsförderung – das sage ich hier noch einmal ganz deutlich – weiterhin als Ziel fassen. Das ist ein ganz wichtiges Thema, weil es auch den Mittelstand unterstützt.
Sie haben gefragt, was seit Mai konkret passiert ist. Da ist schon eine ganze Menge passiert. Die Staatsregierung arbeitet gegenwärtig an der Umsetzung der Innovationsplattform. Es gibt Gespräche zwischen den Hochschulen und dem Wissenschaftsministerium, wo es um die anwendungsorientierte Lehrstuhlunterstützung für Technologietransfer und Gründungsgeschehen geht. Wenn man sagt, dass seit Mai nichts passiert ist, dann ist das wohl eine Übertreibung. Das ist ein relativ kurzer Zeitraum.
Ich möchte zurückkommen zu dem Spruch: „Sozial ist, was Arbeit schafft.“ Ich glaube, das ist aktueller denn je. Nur innovative Unternehmen können langfristig marktfähige Produkte etablieren und damit die Arbeitsplätze schaffen, die so notwendig sind. Ich finde es nicht in Ordnung, wenn andere Leistungen gegen Innovations- oder Technologieförderung ausgespielt werden. Ich glaube, dieser Spruch hat Aktualität. Deswegen muss unser aller Fokus darauf liegen, dass wir eine engere Vernetzung der gut aufgestellten Wissenschaftslandschaft mit den kleinen und mittelständischen Unternehmen hinbekommen.
Wir haben da viel zu tun. Ich fordere alle auf, konstruktiv mitzuwirken. Von daher, so denke ich, hat die Debatte das Thema wieder in den Fokus gerückt. Wir sind in der Lage, konkrete Umsetzungen vorzunehmen.
Wir hörten gerade die Ausführungen von Herrn Kollegen Dr. Meyer für die einbringende CDU-Fraktion. Gibt es jetzt in dieser dritten Rednerrunde weitere Wortmeldungen aus den Fraktionen heraus? – Dies sehe ich nicht. Damit ergreift die Staatsregierung das Wort. Frau Staatsministerin von Schorlemer, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! In keiner Legislaturperiode seit der Wiedervereinigung hat es im Freistaat Sachsen eine vergleichbar ausführliche Befassung mit technologiepolitischen Themen gegeben, wie das in diesem Hohen Haus der Fall ist. Dies ist selbstverständlich auch der Enquete-Kommission und ihrer Arbeit unter dem Vorsitz von Herrn Abg. Schmidt zu verdanken.
Die Innovationstätigkeit ist ein essenzieller Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft, auch, aber nicht nur für Sachsen. Zahlreiche Untersuchungen belegen dies. Innovierende Unternehmen sind erfolgreich. Sie sind doppelt so erfolgreich wie Unternehmen, die keine Forschung und Entwicklung betreiben. Sie weisen höhere Exportquoten auf, höhere Gehälter und Löhne. Sie zahlen letztlich auch mehr Steuern und Abgaben.
Insgesamt kann man sagen: Die besonderen Anstrengungen im Wissens- und Technologietransfer sind absolut gerechtfertigt. Sie lohnen sich für alle wegen des Return of Investment, auch für die öffentliche Hand.
Das erste Glied in der Wertschöpfungskette ist die gute Bildung. Der Kreis schließt sich über höhere Bildung und Forschung bei den Unternehmen, die kluge und neue Ideen kommerziell verwerten und so Werte und Wohlstand schaffen. In Sachsen ist gerade in diesem Bereich, getragen von einem breiten politischen Konsens von den unterschiedlichen politischen Akteuren, viel erreicht worden, sowohl insgesamt seit der Wiedervereinigung als auch in dieser Legislatur.
Weitsichtig wurde die Forschungslandschaft exzellent aufgebaut und dabei eine starke Grundlagenforschung berücksichtigt. Sachsens Schulen erzielen Spitzenplätze im Pisa-Ranking. Unsere Universitäten, allen voran die TU Dresden, haben Exzellenzniveau erreicht. Unsere Universitätsprofessoren werben im Schnitt mehr Drittmittel ein als in jedem anderen Bundesland.
Die Unternehmen und die Forschung kooperieren vielfältig und erfolgreich. Ich nenne an dieser Stelle nur den hohen sächsischen Anteil an den Siegerkonsortien im
BMBF-Wettbewerb „Zwanzig20“ von 50 % und den Platz 2 im Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des BMWi, hier hinter Baden-Württemberg.
Es sind vor allem auch die sächsischen Mittelständler, die im Verbund mit der Wissenschaft Mittel akquirieren. Hier wurden 460 Millionen Euro akquiriert, 15 % des deutschen Gesamtvolumens.
Politik und Verwaltung ruhen sich nicht aus. Sie schaffen Rahmenbedingungen und Anreize. Das Parlament befasst sich intensiv mit dem Themenkreis. Das habe ich bereits eingangs erwähnt. Es hat den Enquete-Bericht vorgelegt und das Hochschulfreiheitsgesetz novelliert. Die Staatsregierung hat mit dem Hochschulentwicklungsplan den Wissenstransfer zur dritten Säule neben Forschung und Lehre im Aufgabenkanon der Hochschulen aufgewertet.
Die Akteure des Wissens- und Technologietransfers werden noch systematischer als in der Vergangenheit zusammengeführt und weitere Potenziale damit angereizt. Ich nenne nur die drei Wissenschaftsforen Dresden, Leipzig und Chemnitz, die hier den unbedingt erforderlichen Vertrauensaufbau gerade im regionalen Kontext voranbringen. Wissenstransfer ist hier ein Schwerpunktthema.
Ich nenne weiter die vier Veranstaltungen „Forscher entdecken“. Wir freuen uns bereits auf die nächste Veranstaltung, die am 14. Mai 2014 in Chemnitz geplant ist. Ich verweise auch auf das Zukunftssymposium des Ministerpräsidenten „Neue Ideen für Sachsen“ vor 14 Tagen. Es hat zahlreiche Innovationsakteure zusammengeführt. Das geschah immer mit dem Ziel der intelligenten Vernetzung.
Wir optimieren fortlaufend das Förderinstrumentarium. Das wird ergänzt durch das niederschwellige Angebot der Innovationsprämie. Herr Mann, ich darf Sie korrigieren: Die Innovationsprämie ist 2010 von dieser Regierungskoalition eingeführt worden, nicht von der Großen Koalition. Der Innovationsassistent – ein sehr bewährtes Förderinstrumentarium – existiert bereits seit Mitte der Neunzigerjahre.
Die Innovationsprämie ist sehr erfolgreich. 75 % dieser kleineren und mittleren Unternehmen sind Erstkunden. Sie kommen das erste Mal mit Forschung und Entwicklung in Kontakt. Das halte ich für sehr positiv. Einige von ihnen nutzen bereits weitere Förderinstrumentarien wie den Innovationsassistenten und Verbundprojekte.
Es wird mit diesen Anstrengungen weitergehen. Das SMWK plant zum Beispiel ab 2014 im Rahmen einer erweiterten ESF-Technologietransferförderung die Förderung von Hochschulen, Forschungseinrichtungen, aber auch Kammern und Verbänden mit einem neuen Transferassistenten-Programm. Da gibt es zusätzliches Personal für den Transfer. Wir planen ein innovatives „InnoTeam“: gemischte Gruppen von Nachwuchswissenschaftlern und der Wirtschaft.
Mittels Zielvereinbarung und Einführung der Elemente einer neuen leistungsorientierten Mittelvergabe sollen die Anstrengungen der Hochschulen in diesem Bereich vorangebracht werden. Es soll vereinbart, nachgehalten und finanziell entlohnt werden.
Des Weiteren: Innovative Modelle und Konzepte, die sich aus den Wissenschaftsforen ergeben – durchaus in Richtung Bleibestrategie; diese halte ich ebenfalls für sehr wichtig –, werden durch Projektmittel in der Umsetzung unterstützt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Überlegenswert als neuer Weg ist unter Umständen auch, zu prüfen, ob es nicht möglich wäre, die Innovationstätigkeit stärker in das öffentliche Beschaffungswesen zu integrieren. Bund, Länder und Gemeinden haben letztlich jedes Jahr ein Auftragsvolumen von 300 Milliarden Euro. Wenn es gelänge, nur 1 % für neue, innovative Produkte und Verfahren gezielt einzusetzen, dann könnte der Innovationsschub gewaltig sein.
Fazit: Es kommt weiterhin zuvörderst auf innovationsfreudige Unternehmen an. Aber auch der Staat und die
Politik sind weiterhin gefordert. Ich verbinde in diesem Zusammenhang die Hoffnung damit, dass es gelingt, die vorgesehenen überproportionalen Einschnitte in die EFRE-Technologie und Forschungsförderung ab dem Jahr 2014 sinnvoll zu mildern. Denn wenn es uns gelingt, die richtigen Prioritäten zu setzen und die Schwierigkeiten zu überwinden, wenn wir Bewährtes optimieren und fortsetzen und wenn wir neue Wege gehen, dann – da bin ich sehr zuversichtlich – wird der Freistaat Sachsen auch auf seinem Weg zu einer der führenden wissenschaftlich und wirtschaftlich führenden Regionen in Europa erfolgreich weiter voranschreiten.