Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Manchmal sind Große Anfragen wirklich große Würfe. Manchmal sind Große Anfragen aber auch nur große Zumutungen. Die Große Anfrage der SPD-Fraktion zum Stand der Umsetzung des Bologna-Prozesses gehört nach unserer Auffassung zweifellos zu den großen Zumutungen. Die Große Anfrage mit ihrer 500-seitigen Beantwortung mag aus Sicht der SPDFraktion ja eine Fleißarbeit ihres streberhaften Hochschulpolitikers Holger Mann sein; für das zuständige Ministerium und die Mitarbeiter an den Hochschulen war es eine unnötig Personal bindende Mammutaufgabe.
Euphoriker wollen wissen, ob die Umstellung der sächsischen Hochschulen auf die von der EU diktierten Bachelor- und Masterabschlüsse Fortschritte macht. Sie waren anscheinend besorgt, dass Sachsen bundesweit ins Hintertreffen geraten könnte, weil die Bologna-gerechte Umwandlung im Wintersemester 2011/2012 im Freistaat erst 83 % der Studiengänge umfasste, der Bundesdurchschnitt aber schon sagenhafte 2,3 % weiter war.
Um diesen Rückstand aufzuholen, hat die SPD-Fraktion nun eine 500 Seiten starke statistische Bleiwüste erstellen lassen, die viel akademisches Personal an den Hochschulen und im Ministerium gebunden hat, das für andere Aufgaben sicherlich besser eingesetzt worden wäre. Es sei daran erinnert, dass gerade die SPD nicht nur in diesem Landtag, aber auch hier, glühende Anhängerin der Bologna-Reform mit der Zwangsvereinheitlichung der europäischen Studieninhalte und Studienabschlüsse gewesen ist. Deswegen trägt auch die SPD-Fraktion in diesem Landtag die Mitverantwortung für die Folgeprobleme dieses hochschulpolitischen Gleichschaltungswahnsinns.
Ich muss Sie nicht daran erinnern, dass die NPD-Fraktion seit ihrem Landtagseinzug 2004 die einzige Fraktion gewesen ist, die bei wirklich jeder hochschulpolitischen Debatte darauf hingewiesen hat, dass mit Bologna ein Weg ins hochschulpolitische Nirwana beschritten wird. Das können Sie in jedem Landtagsprotokoll nachlesen. Wir haben immer gesagt, dass hier ohne Not mit einer deutschen Hochschultradition gebrochen wird. Wir haben gesagt, hier werden ohne Not deutsche Studienordnungen, bewährte deutsche Studieninhalte und Studienabschlüsse über Bord geworfen, und das alles nur deshalb, um es den Bildungsbürokraten der Europäischen Union, die das Ganze vor 14 Jahren in Bologna auf den Weg gebracht haben, recht zu machen.
Meine Damen und Herren, diese Große Anfrage der SPD ist auch ein Produkt des schlechten Gewissens und des Wissens darum, dass die Bologna-Reform keines, aber auch wirklich keines der Ziele erreicht hat, für die sie seinerzeit so hochgelobt wurde. Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass die Abbrecherquote in den neuen Studiensystemen deutlich höher ist als früher. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass das verschulte Lernpensum für die Studierenden ungleich größer geworden ist und, wie wir aus dem Munde von Herrn Gerstenberg gehört haben, zuneh
mend zu psychosozialen Problemen der Studierenden führt. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Fähigkeit und auch die Bereitschaft zu einem Auslandssemester gesunken ist und somit die intendierte Mobilität der Studierenden in ihr Gegenteil verkehrt wurde. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass die akademische Freiheit und die Persönlichkeitsbildung nach dem humboldtschen Ideal massiv beschnitten wurden und die ganze Reform als Vorgabe der EU-Bildungsbürokraten grandios gescheitert ist.
Zudem wird eine Vielzahl von Studierenden mit kaum verwertbaren Bachelorabschlüssen abgespeist, weil auch in Sachsen ein großes Missverhältnis zwischen den verfügbaren Bachelorstudiengängen und den berufsnotwendigen und berufsqualifizierenden Masterzusätzen besteht.
Selbst in den Ursprungsstaaten dieser SchmalspurBildungssysteme, in der angloamerikanischen Welt, muss niemand in sechs Semestern mit seinem Bachelor fertig werden. Dort braucht man mindestens acht Semester für einen Bachelor. Aber hier in Deutschland werden aus bekannten Gründen die Studierenden unter weiteren zeitlichen Druck gesetzt.
Zurück zu Sachsen: Die Ausdifferenzierung der hier angebotenen Studiengänge von über 250 ist inzwischen so kleinteilig und so kleingestaltig, dass man sich fragen muss, was ein Student der Fachrichtung „Tropical Forestry and Management“ eigentlich mit seinem Master anfangen kann, wenn er im Bereich des Managements der tropischen Waldwirtschaft eines schönen Tages keinen Arbeitsplatz findet. Es ist ja bei dieser Fachrichtung in mitteleuropäischen Breitengraden durchaus vorstellbar, dass einem solchen Studierenden des Managements der tropischen Waldwirtschaft die Arbeitslosigkeit droht.
Falls Sie, Herr Mann, der Ansicht sind, dass Sie von der NPD keine Ratschläge benötigen, empfehle ich Ihnen zur Lektüre das Interview Ihres sozialdemokratischen Vorzeigephilosophen Julian Nida-Rümelin, der erst am 1. September dieses Jahres in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ bemerkenswerte Aussagen zum Stand der Bologna-Reform machte. Dort empfiehlt besagter sozialdemokratischer Professor auch den Akademisierungswahn zu stoppen, nach dem jede Erzieherin auch noch einen Bachelor machen soll, der bekanntermaßen auch nicht berufsqualifizierend ist.
Meine Damen und Herren, die Große Anfrage zeigt aus Sicht der NPD, dass die Bologna-Beschlüsse von vor 14 Jahren einen hochschulpolitischen Scherbenhaufen angerichtet haben, den man nun mühsam zusammenzukehren versucht. Verantwortung dafür tragen die etablierten Parteien, die, wie bereits erwähnt, seit 2004 auch in diesem Landtag jede Vorgabe aus Brüssel auf hochschulpolitischem Gebiet unkritisch durchgewunken und damit das deutsche Hochschulsystem, um das wir seinerzeit beneidet worden sind, in Trümmer geschlagen haben.
Meine Damen und Herren, wir gehen jetzt in die zweite Runde. Es beginnt bei Bedarf die SPD-Fraktion. Herr Abg. Mann, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte die Runde nutzen, um auf ein paar Reaktionen zu reagieren und vielleicht auch auf ein paar Fehlinterpretationen zur Antwort auf die Große Anfrage der Staatsregierung einzugehen. Ich gehe chronologisch vor.
Zunächst danke ich Ihnen, Herr Mackenroth, für Ihre durchaus differenzierte Betrachtung. Aber in einem Punkt sind wir unterschiedlicher Meinung. Ich weiß nicht, an welcher Stelle man festgelegt haben soll, dass das Verhältnis zwischen Bachelor- und Masterstudierenden 4 zu 1 oder, wie Sie sagen, 80 zu 20 % sein soll. Hier gibt es, denke ich, durchaus unterschiedliche Vorstellungen von dieser Studienreform zwischen Konservativen und Sozialdemokraten und sicherlich auch anderen. Die mag es auch in der EU gegeben haben. Aber – ich versuche es noch einmal sachlich-argumentativ –, ich halte es nicht für zielführend, nur einen so geringen Teil der Bachelorstudierenden zum Master zu bringen, weil sie zum einen im Master unheimlich wertvoll für die Forschung sind und zum anderen in manchen Studiengängen – und da habe ich selbst auch die technischen Studiengänge hervorgehoben – die derzeitige Umsetzung auf einen sechssemestrigen Bachelor eben nicht die Grundlagen legt, die man für ein Berufsleben braucht.
Auch deswegen sollten wir schauen, dass wir den Bachelor berufsbefähigter hinbekommen oder eben mehr den Übergang zum Master ermöglichen, und zwar aus grundsätzlichen Erwägungen, auch damit der Bachelor eine Akzeptanz findet und Leute ihn wirklich nutzen, was übrigens die eigentliche Idee des gestuften Systems war. Bologna hat nirgendwo festgeschrieben, dass die Modularisierung das zentrale Instrument und Ziel sei, sondern ein gestuftes Studiensystem, Herr Tippelt.
Vielleicht wird dann dieses System auch genutzt, dass Leute zwischen den Studienphasen wirklich Praxiserfahrungen sammeln. Das ist durchaus auch eine Idee dieser Studienreform.
Ich muss auch mit einem anderen Trugschluss aufräumen. Ich weiß nicht, woher alle hier im Haus die Erkenntnis nehmen, egal welcher Redner von welcher Fraktion es auch gewesen sein mag, dass die Zahl der Studienabbrecher gestiegen sei. Dazu liegen uns schlichtweg in der Großen Anfrage keine konkreten Zahlen vor, und sie können in Sachsen auch gar nicht vorliegen, weil dazu schon die datenschutzrechtlichen Grundlagen und anderes fehlen.
Was wir in der Großen Anfrage nachzeichnen können, ist, dass es durchaus einen sehr erfreulichen Anstieg des Erreichens eines Studienabschlusses in Regelstudienzeiten gab, und zwar ausdrücklich bei Bachelor und Master. Um das einmal ins Verhältnis zu setzen: Ich glaube, man muss durchaus konstatieren, dass der vielgerühmte
Diplomabschluss in Sachsen hier ein Problem hat. Dort ist es selbst unter den Frauen, die ja eher die Erfolgreichen in der Bildungsbiografie sind, so, dass 2008 noch 18 % der Frauen in der Regelstudienzeit ihren Diplomstudiengang absolviert haben, während es bei der letzten Auswertung nur noch 15 % waren. Im Vergleich dazu sind Frauen bei Bachelor wie Master mit fast 58 % dabei, das Studium in Regelstudienzeit zu absolvieren.
Also, ich sage es nochmals: Es gibt durchaus auch erfreuliche Ergebnisse, die sich in der Großen Anfrage widerspiegeln. Das Schwarz-Weiß-Malen insbesondere von Ihnen, Herr Tippelt, geht hier fehl.
Ich will noch ganz kurz auf etwas anderes eingehen. Wir sind nicht die, die sagen, es dürfe keine Diplomstudiengänge mehr geben. Wenn Sie unseren Entschließungsantrag, insbesondere den Punkt 1.3, gelesen hätten, würden Sie das auch wahrnehmen. Uns geht es darum, dass sich Diplomstudiengänge auch wegen durchaus nicht erfreulicher Ergebnisse, die sich hier widerspiegeln, den gleichen Qualitätsstandards unterwerfen sollten, um eben ein Studium zu verbessern.
Zu Herrn Besier, dem ich wie Kollegen Gerstenberg sehr danken muss für die in großen Teilen übereinstimmende Einschätzung, vielleicht eine kleine Ergänzung: Die Module, die wir festgestellt haben, die größer als die empfohlenen im Korridor von 5 bis 10 ECTS-Punkten sind, bereiten uns zumindest keine Bauchschmerzen, weil das meistens die Module sind, in denen die Studierenden Abschluss- und Projektarbeiten absolvieren und die insoweit sehr wünschenswert sind, auch um einen Theorie-Praxis-Transfer in einem Studium zu gewährleisten. An dieser Stelle haben wir eher keine Bedenken.
Zu guter Letzt, Herr Gansel: Ich weiß nicht, was Sie sein wollen: Psychologe, Demagoge oder Abgeordneter.
Ich weiß auch nicht, woher Sie die Weisheit nehmen, dass mit der Bologna-Reform Studieninhalte auf europäischer Ebene gleichgemacht worden seien. Das trifft alles nicht zu, genauso wie die eben schon zitierten Zahlen bei der Entwicklung der Studienabbrecher. Ich glaube, Sie sollten genauer hinsehen. Weil wir Verantwortung auch für eine solche Studienreform übernehmen, an der wir einen Anteil hatten, haben wir diese Große Anfrage gestellt, und wir werden Ihnen bei der Einbringung des Entschließungsantrags auch sagen, welche Maßnahmen wir für sinnvoll halten, um diesen Prozess erfolgreicher zu gestalten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Gerstenberg, Sie haben wieder versucht, uns das Märchen von der angeblich
Ich habe Ihnen das von dieser Stelle schon vier- oder fünfmal erklärt, ich tue es noch einmal. Ich gebe es Ihnen auch schriftlich, ich rahme es Ihnen ein. Ich finde auch, das ist unter Ihrem Niveau. Es ist ein bisschen langweilig. Natürlich sind die Finanzmittel nicht so, dass sie allüberall sprießen, wie sich das manche besonders aus der Opposition wünschen. Aber warum klappen denn bestimmte Bereiche bei bestimmten Hochschulen schlicht und ergreifend besser als in anderen Hochschulen? Dass wir erst einmal unsere Hochschulen in die Pflicht nehmen und sie lehren müssen, ihre Hausaufgaben in bestimmten Bereichen zu machen, kann doch gar nicht bestritten werden. Daran, dass das auch mit weniger Geld gehen muss, müssen wir uns schlicht und ergreifend alle gewöhnen.
Kollege Mann, diese Relation 80 zu 20 steht in den ursprünglich in Bologna unterzeichneten Dokumenten. Dass diese sich danach zu den von Ihnen zu Recht herausgearbeiteten Unterschieden, etwa zwischen den dem Leistungsprinzip mehr verpflichteten Politikern und den Sozialdemokraten entwickelt hat, ist auch richtig. Aber die Zahl selbst habe ich mir nicht ausgedacht, sondern das war der Ausgangspunkt der Bologna-Entwicklung.
Ich hätte gedacht, dass Sie jetzt in der zweiten Runde noch ein bisschen mehr von Ihren politischen Forderungen auf den Tisch des Hauses legen. Wenn Sie das nachher beim Entschließungsantrag machen, werden wir darauf reagieren.
Wichtig ist mir zu sagen: Wer kann die Lösungen bringen? Wie können sie aussehen? – Ich glaube, wir brauchen ein atmendes System, flexibel, inhaltlich qualitativ hochwertig, nach Angeboten und regionalen Gegebenheiten differenziert und angepasst. Das kann nur vor Ort in den jeweiligen Hochschulen geleistet werden – Stichwort: Hochschulautonomie.
Es gibt in der Tat einige Dinge, die mir Sorgen machen. Ich würde mir wünschen, Herr Kollege Mann, dass Sie dazu vielleicht noch einmal ein klares Wort sagen. Ich erkenne dort, wo Ihre Partei und die GRÜNEN Verantwortung in der Landespolitik tragen, Tendenzen zur Gleichmacherei und auch weg von der – –
Ich sage das gleich. Ganz entspannt, Herr Kollege, ganz entspannt. Ich pflege meine kleinen Anwürfe auch zu untersetzen. Sie müssen mir nur einen Augenblick zuhören.
Also: Tendenzen zur Gleichmacherei und weg von der Hochschulautonomie. Es würde mir gut gefallen, wenn Sie das klarstellen. Beispiel: NRW und Baden
Württemberg schneiden die Autonomie zurück, stärken die bewahrenden Fakultäten, schwächen die Hochschulräte, die doch unseren Hochschulen die notwendigen Visionen geben sollen, in einem Ausmaß, dass es einen offenen Brief der Hochschulrektorenkonferenz zum Referentenentwurf des sogenannten Hochschulzukunftsgesetzes in NRW gibt von vor einer Woche, in dem steht: „Der Entwurf schränkt in zentralen Punkten die Wissenschaftsfreiheit und die Autonomie der Hochschulen in inakzeptabler Weise ein.“ Das ist ziemlich starker Tobak. „Der Referentenentwurf untergräbt die Autonomie der Hochschulen, indem er weit in die Hochschulplanung eingreift. Hierdurch werden die Bewegungsspielräume der Hochschulen eingeschränkt, da das Ministerium standardisierte Lösungen verpflichtend zur Umsetzung vorgeben kann“. Und so weiter.
Das ist, wie ich finde, wirklich bedenklich. Das wird es – das will ich auch klarstellen – hier im Freistaat Sachsen mit meiner Partei – so hoffe ich jedenfalls inständig – auf absehbare Zeit nicht geben. Wir glauben schlicht und ergreifend, dass die Freiheit der Hochschulen die Lösungen besser findet. Wir haben eine Rechtsaufsicht. Wir sorgen dafür, dass es nach Recht und Gesetz zugeht, was an den Hochschulen passiert. Aber wie es im Einzelnen detailgetreu angepasst vor sich geht, müssen die Hochschulen selbst wissen.
Dann wollte ich Sie eigentlich noch ein wenig beschimpfen, Stichwort: Militärforschung. Ich glaube, das müssen wir seit heute Mittag alles ein bisschen einstellen. Deshalb gebe ich das zu Protokoll und lasse es damit bewenden. Es ist in jedem Fall auch bedenklich, dass Sie in bestimmten inhaltlichen Bereichen – die schlechte Seite der Hochschulautonomie, Herr Dr. Gerstenberg – – Ich finde, das geht eigentlich überhaupt nicht. Der Bäcker backt auch Brötchen, die er den Soldaten gibt, und ist dadurch noch lange keine schlechte Seite der Backstube oder so etwas.
Ich finde, das geht nicht. Ich gebe das zu Protokoll. Ich will das jetzt nicht weiter vertiefen, meine aber, dass auch Sie die Geschichte – –
Ich gebe zu, Herr Kollege Biesok, das hätte einen höheren Unterhaltungswert als die Zahlen über den Bologna-Prozess. Aber ich lasse es sein und lasse es damit bewenden. Ich gebe den Rest dieses Teils zu Protokoll und bedanke mich dafür, dass Sie mir bis hierher zugehört haben.