Danke, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Runde Tisch Pflege lädt auch heute – wie jedes Jahr im Oktober – zu einer Demo vor dem Landtag ein. Unter dem Motto „Pflege braucht Zukunft“ wollen und müssen Pflegekräfte ein Zeichen für notwendige Veränderungen in der Pflege hier in Sachsen setzen.
DIE LINKE schließt sich diesen Protesten gern an, denn wir brauchen dringend ein Bündnis für eine gute Pflege,
Wir bedanken uns bei all denen, die heute vor dem Landtag auf der Straße stehen oder ihren Dienst tun; bei denen, die tagtäglich für Menschen da sind, die diese Hilfe brauchen – ob im ambulanten, teilstationären oder stationären Bereich oder Menschen, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen, mit oder ohne Unterstützung.
Sie alle brauchen unsere Hilfe – ja, auch unsere Hilfe – in Form von tragfähigen Gesetzen, Verordnungen, einer ausreichenden Finanzierung und Wertschätzung.
Frau Neukirch, ich sehe die Antworten der Staatsregierung etwas kritischer. Reicht Anschieben? Ist ein umfassendes Bündnis für die Pflege wirklich gewollt, oder reicht das, was jetzt da ist? Genau deshalb gehen die Menschen heute auf die Straße, hier vor dem Landtag.
Wenn Sie einen kurzen Blick in die Entwicklung der Gesetzgebung der letzten Jahre werfen, werden Sie wissen, warum: Es sind Bundesgesetze, aber mit wesentlichen Auswirkungen auf Sachsen.
2008 das Pflegeweiterentwicklungsgesetz; darin Schaffung von Pflegestützpunkten: in Sachsen nicht umgesetzt;
Qualitätsprüfung in stationären Einrichtungen: Auch hier gibt es nur gute Noten in den Einrichtungen; hier müssen Qualitätsstandards und Prüfinhalte dringend überarbeitet werden.
Ambulante Dienste werden nicht geprüft. Das betrifft auch die Kontrolle bei Komapatienten. Im Krankenhaus sind Ärzte notwendig – im ambulanten Versorgungsbereich nicht.
2012 das Familienpflegezeitgesetz: In Sachsen gab es fünf Anträge mit vier Bewilligungen; es besteht kein Rechtsanspruch, das Gesetz ist auf ganzer Linie gescheitert.
2013 das Pflegeneuordnungsgesetz. Sie merken, die Einschläge werden in kürzeren Abständen über uns hereinbrechen – wie im Gesundheitswesen. Das Pflegeneuordnungsgesetz ermöglicht Zeitvergütungen im
ambulanten Bereich. Die Verhandlungen zur Umsetzung zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern gibt es in Sachsen noch nicht.
Die Pflege soll in den nächsten Jahren durch Modellvorhaben und neue Pflege- und Versorgungsstrukturen unterstützt werden. Aber auch zu ambulanten betreuten Wohnformen fehlt die Verordnung, denn im – kurz gesagt – Heimgesetz stehen sie nicht drin.
Die Verbesserung der ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung in Pflegeheimen: 47 Ärzte haben Verträge mit
Ja. Wir fordern eine tiefgründige Pflegebedarfsplanung und darauf aufbauend ein umfassendes Landespflegegesetz. Wir fordern eine zeitnahe Verabschiedung eines bereits sehr lange geforderten Pflegebedürftigkeitsbegriffes auf Bundesebene als eine politische Entscheidung. Es ist notwendig und es wird Geld kosten. Wir brauchen dazu aber keine verpflichtende private Zusatzversicherung. Und wir brauchen auch keinen Pflege-Bahr.
Das wäre ein wesentlicher Beitrag dafür, die Pflegeversicherung auf solide finanzielle Fundamente zu stellen. Wir brauchen die Schaffung vielfältiger wohnortnaher Angebotsformen und Unterstützungsangebote wie ambulant betreute Wohnformen, und – besonders wichtig – wir brauchen die Sicherung des Berufsnachweises und die Förderung der Attraktivität des Pflegeberufes durch eine gute Ausbildung, durch gerechte Bezahlung, durch Vollbeschäftigung und durch Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Pflege.
Genau deshalb stehen heute Menschen vor der Tür, und das seit vielen Jahren immer wieder und zu Recht, denn sie sehen tagtäglich, wie Pflege in Sachsen funktioniert oder eben nicht funktioniert. Hören Sie endlich auf diese Menschen draußen vor der Tür! Sie wissen es besser! Zu den Pflegenden, die heute hier auf der Straße stehen, wird dann Frau Gläß noch etwas sagen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Maß der Menschlichkeit einer Gesellschaft bemisst sich auch und vor allem am Umgang mit von Krankheit und Pflegebedürftigkeit betroffenen Menschen. Die Sicherung einer guten Pflege hat einen Wert. Die pflegebedürftigen Menschen haben ebenso wie diejenigen, die Pflege leisten, einen Anspruch auf Anerkennung und Unterstützung durch die Gesellschaft.
Gestern wurde in Leipzig im Rahmen der Pflegemesse der Altershilfepreis 2013 durch die Staatsministerin Frau Clauß überreicht. Den Preisträgern möchte ich an dieser
Stelle recht herzlich gratulieren, denn ihr Engagement betrifft einen Bereich, der früher oder später uns alle betrifft: die Pflege von nahen Angehörigen oder von uns selbst. Mit dem Heimkonzept der Zukunft haben alle eingereichten Vorschläge zum diesjährigen Altershilfepreis eines gemeinsam: Pflege wird immer mehr als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden. Es entwickelt sich ein breites Verständnis für Pflegekonzepte, in denen das Wohnen zu Hause mit stationärer und teilstationärer Betreuung immer mehr verschmelzen. Das ist der richtige Weg.
Meine Damen und Herren! Die Zahl der Pflegebedürftigen und der Pflegeheime nimmt weiterhin zu. Die Bevölkerungsvorausberechnung weist auf einen erhöhten Bedarf an pflegerischen Leistungen in der Zukunft hin. Hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung in den neuen Ländern wird mit einem höheren Anstieg Pflegebedürftiger in der Bevölkerung zu rechnen sein als in den alten Ländern. So hat beispielsweise die Zahl der Leistungsbezieher der sozialen Pflegeversicherungen am Jahresende von 2002 bis 2012 fast um 30 % zugenommen. In Sachsen ist zwischen den Jahren 1999 und 2011 ein Anstieg der Leistungsempfänger von über 17 % erkennbar. Die Tendenz ist weiter steigend.
Nicht nur dieser Anstieg macht deutlich, dass man sich stärker als bisher mit diesem Thema und den damit verbundenen Herausforderungen auseinandersetzen muss. Ich bin an dieser Stelle unserer Staatsministerin Frau Clauß sehr dankbar, dass sie sich mit ihrem Ministerium dem Thema angenommen hat und mit dem Papier „Pro Pflege Sachsen“, welches derzeit im Landespflegeausschuss angehört wird, eine Grundlage schafft, um auf diese Entwicklung reagieren zu können. Dieses Papier greift unter anderem die Frage nach Tariftreue oder die bedarfsgerechte Zahl an Ausbildungsplätzen auf, welche im vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion genannt wurden. Hier liegen wir, Frau Neukirch, gar nicht so weit auseinander. Eine Doppelstrategie von Fakten zu fahren, halten wir an dieser Stelle allerdings für wenig zielorientiert, zumal der überwiegende Teil der im Antrag genannten Beteiligten bereits Mitglied im Landespflegeausschuss ist. Wir begrüßen es, dass das Sozialministerium die Initiative „Pro Pflege Sachsen“ erarbeitet hat und nun umfassend mit den Verbänden dazu berät.
In diesem Zusammenhang ist mir ein Anliegen besonders wichtig. Ich gehe davon aus, dass dies auch in den Beratungen besprochen wird. Es ist nicht nur wichtig, dass es besprochen wird und die Tariflöhne verhandelt werden, sondern dass diese auch entsprechend an die Mitarbeiterschaft ausgezahlt werden.
Jetzt komme ich zum Antrag der LINKEN. Meine Damen und Herren, in Ihrem Antrag fordern Sie einen Runden Tisch für Pflege. Da bin ich mit Ihnen einer Meinung. Wir
müssen aber auch Pflegebedürftige und Angehörige einbeziehen. Wenn es um Pflege geht, wird vielfach nicht mit denjenigen gesprochen, die es betrifft.
Aber nun noch ein paar Punkte zu Ihrem Antrag. Pflegestützpunkte. Der Freistaat Sachsen hat sich im Rahmen des Pflegeweiterentwicklungsgesetzes 2008 bewusst gegen die Schaffung von Anlaufstellen zur Beratung (Pflegestützpunkte) ausgesprochen. Zum einen sollte damit die Schaffung von Doppelstrukturen vermieden werden; zum anderen erschien und erscheint es wichtiger, eine wohnungsnahe Beratung zu gewährleisten als eine wohnortnahe Beratung durch Anlaufstellen. Die erste Auswertung der Arbeit der Pflegestützpunkte in anderen Bundesländern macht wiederholt deutlich, dass gerade in den ländlichen Räumen eine wohnortnahe Beratung nur eingeschränkt möglich war. Mit dem im Freistaat Sachsen vorhandenem Pflegenetz sowie den regionalen Netzwerken zur Pflegeberatung wird ein anderer Weg gegangen, der eine wohnungsnahe Beratung ermöglicht und die vorgetragenen Kritikpunkte an den Pflegestützpunkten vermeiden hilft.
Ich erinnere an dieser Stelle an die Anhörung zu unserem Antrag im Sozialausschuss „Stärkung der Selbsthilfe in der Pflegeversicherung“, in der ein Vertreter einer größeren Krankenkasse deutliche Aussagen zu Pflegestützpunkten getroffen hat. Erlauben Sie mir an diese Stelle noch einmal das Protokoll zu zitieren: „… dass die knappschaftliche Pflegekasse einen ihrer größten Pflegestützpunkte in Moers in Nordrhein-Westfalen mitten im Ruhrgebiet mit ähnlichen sozialen Problemen mangels Annahme geschlossen hat. Ähnliche Erfahrungen lassen sich auch für weitere Pflegestützpunkte treffen.“
Nun zu Ihrer Frage der Bedarfsplanung und zur Erstellung einer Analyse der gegenwärtigen Situation in der Pflege. Die Erstellung einer Analyse ist wichtig, aber wir wollen das nicht doppelt tun, denn das Statistische Landesamt hat bereits einen umfangreichen Katalog an Informationen und veröffentlicht diesen in Abständen sehr konkret. Wenn Sie sich auf diese Seite einklinken, sehen Sie, dass das sehr übersichtlich dargestellt ist. Die Erstellung von Bedarfsplänen und -prognosen wird schon in den Sozialräumen gemacht. Die Landkreise und kreisfreien Städte haben bereits Planungen vorgenommen. Diese sind auch prognostisch gesehen teilweise bis in das Jahr 2020 und 2030 fortgeschrieben.
In diesem Zusammenhang erscheint die Verabschiedung eines Pflegegesetzes nicht notwendig, da typische Aufgaben im Rahmen eines solchen Gesetzes, beispielsweise die Sicherstellung der pflegerischen Angebotsstruktur, das Zusammenwirken von Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen, Beratungen,
Pflegekonferenzen oder Pflegeplanung bereits durch die kommunale Ebene in eigener Verantwortung in Form der genannten Pläne und Prognosen wahrgenommen wird.
Das ist aus unserer Sicht der richtige Weg, weil gerade so regionale Besonderheiten beachtet werden können. Ferner kann zwar die Frage nach der Finanzierung und Förde
rung von Pflegeeinrichtungen in diesem Zusammenhang ebenfalls angesprochen werden; diesbezüglich ist aber festzustellen, dass seit 1990 über 1 Milliarde Euro im Freistaat Sachsen nach Artikel 52 Pflegeversicherungsgesetz bereitgestellt worden sind und auch die stationäre Pflegelandschaft, wie bereits erwähnt, auf einem guten Niveau ist. Eine Ausbildungsumlage wird von den fordernden Verbänden als gerechte Finanzierung der Ausbildung gesehen, indem nicht ausbildende Einrichtungen mit anteiligen Kosten der Ausbildung belastet werden. Als Nachteil einer Umlage ist anzuführen, dass sich die nicht ausbildenden Einrichtungen ihrer Verantwortung für die Ausbildung zumindest für den eigenen Bedarf dadurch entziehen und sich mit der Zahlung der Umlage freikaufen könnten. Es kommt also darauf an, Einrichtungen überhaupt dazu zu bringen, Auszubildende einzustellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit möchte ich zum Schluss kommen. Das Thema Pflege ist uns wichtig und wir werden es auch weiterhin aktiv begleiten. Die vorliegenden zu behandelnden Anträge von den Fraktionen der SPD und der LINKEN greifen in diesem Zusammenhang wichtige Facetten auf. Gleichwohl sind sie aber aus unserer Sicht nicht immer zielführend. Daher werden wir uns gegen diese Anträge aussprechen.