– Nicht. Entschuldigung, muss ich abbrechen. Ja, es ist richtig, es war natürlich eine Frage, und ich habe spontan reagiert, was mir gar nicht zusteht. Entschuldigung.
Ich will noch einmal auf das Prinzip des Bürgerkontaktes vor Ort und der zentralen Erledigung beim KSV eingehen. Dieser hat sich aus meiner Sicht sehr bewährt. Das kann ich Ihnen auch aus meiner beruflichen Vergangenheit sagen. Dort sind wir damit sehr gut zurechtgekommen. Wir halten Ihren Antrag in der Form nicht für erforderlich und plädieren für Ablehnung.
Frau Präsidentin! Herr Krasselt, uns geht es mit diesem Antrag zunächst um eine Überprüfung des Kommunalen Sozialverbandes nach einem bestimmten Zeitraum. Das ist legitim. Jeder sollte sich dem auch wertfrei stellen.
Ich sage Ihnen: Man kann in der Tat sehr unterschiedlicher Auffassung darüber sein, welche Trägerform sich am besten eignet. Es stimmt eben nicht, dass die Kommunalisierung des gesamten überörtlichen Sozialhilfeträgers, wie in Sachsen, und darüber hinaus noch eine Reihe weiterer Aufgaben, die Herr Wehner genannt hat, bundesweit in den meisten Ländern ähnlich erfolgen würde. Wir haben es damit zu tun – ich gebrauche einmal diesen Begriff –, dass wir in Sachsen zu einem kommunalen Sozialkombinat gekommen sind oder – wenn Ihnen der Begriff Kombinat nicht gefällt – zu einem Sozialkonzern. Das ist sehr umstritten. Darüber müssen wir nachdenken.
Ich kann nicht damit umgehen, dass das Ministerium eine Verantwortung nach der anderen abgibt. Ich könnte mich dann mit kommunaler Selbstverwaltung, wie ich sie verstehe, im Einklang sehen, wenn die Mittel weitergereicht würden.
Wir haben in Sachsen bundesweit die niedrigsten Sozialausgaben. Darauf können wir nicht unbedingt stolz sein.
Die Kommunen, die vor finanzieller Belastung stöhnen, werden hier vorgeschoben, um das auszugleichen, was das Land eigentlich leisten müsste.
Herr Pellmann, zum Schluss sind Sie zur Wahrheit gekommen. Das freut mich. Es geht Ihnen um die Sorge, dass es für den Freistaat zu kostengünstig wird.
(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Sie verschieben die Lasten auf die Kommunen! – Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE)
Darum geht es Ihnen. Ich denke, das hat Herr Pellmann zum Schluss sehr deutlich gesagt, dass er die Sorge hat, dass alles zu kostengünstig wird. Das geht uns anders. Geld lässt sich nur einmal ausgeben.
Da ich von der kommunalen Ebene komme, weiß ich, was der KSV leistet. Ich weiß, dass die Kreise und kreisfreien Städte mit der Arbeit des KSV sehr zufrieden sind. Das kann ich Ihnen ausdrücklich bestätigen. Wenn dem so ist, dann sollten wir unseren Kreisen und kreisfreien Städten auch an dieser Stelle einmal vertrauen.
Sie wollen – das höre ich heraus – mehr Zentralisierung. Das führt garantiert in die Irre. Wir finden es gut, wie es ist, und halten eine momentane Evaluierung nicht für notwendig. Wenn eine Evaluierung gefordert ist, dann sollte sie zuerst von den Kreisen und kreisfreien Städten ausgehen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag fordert aus unserer Sicht zu Recht, dass wir ein besonderes Augenmerk auf den Kommunalen Sozialverband werfen, der für die Gestaltung von sozialer Arbeit und für die sozialpolitische Realität in diesem Land enorm wichtig ist.
Der KSV war schon immer als überörtlicher Träger der Sozialhilfe ein wichtiger sozialpolitischer Akteur – Herr Wehner ist auf die Entwicklung eingegangen –, aber seine Position ist in den vergangenen Jahren noch durch fünf weitere Entwicklungen gekennzeichnet.
Erstens. Durch die Verwaltungsreform – darauf wurde schon hingewiesen – sind weitere zentrale Aufgaben an den KSV übergegangen.
Zweitens. Die Bedarfe und die Leistungsentwicklung sind nicht zuletzt durch die demografische Entwicklung und die Veränderungen der Familienstrukturen gestiegen und werden weiter steigen.
Drittens. Die Rahmenbedingungen für die Versorgung gerade in ländlichen Räumen sind durch veränderte infrastrukturelle Bedingungen, durch Fachkräfteknappheit und durch Ressourcenmangel auf der kommunalen Ebene immer schwieriger geworden.
Viertens. Die Staatsregierung zieht sich immer weiter aus der Verantwortung als steuernde und rahmengebende Institution zurück.
Fünftens. Die damit einhergehenden Kürzungen im sozialen Bereich setzen die kommunalen Akteure weiter unter Druck.
All diese Entwicklungen rechtfertigen die im Antrag geforderte Evaluation, insbesondere eine qualitative Evaluation, wie Herr Wehner sie auch genannt hat. Die Diskussion wird sich sonst wieder nur bei Kosten und Fallzahlen aufhalten. Es wird eben nicht darum gehen, welche Angebote und Maßnahmen wir benötigen, um die Bedarfe der betroffenen Menschen vor Ort wirklich in den Blick zu nehmen. Ich denke da an das Wunsch- und Wahlrecht, an „ambulant vor stationär“ und an die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Derzeit wird immer hervorgehoben, wie effizient und kostengünstig der KSV arbeitet. Herr Krasselt hat das gerade auch wieder getan. Ich denke, allein darum kann es bei diesem Thema nicht gehen.
In Sachsen werden für die Aufgaben der überörtlichen Sozialhilfe pro Einwohner 55 Euro aufgewendet. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei 100 Euro im Monat. Für mich ist das nicht unbedingt der Beleg für eine besonders gute Leistung, sondern eher ein Beweis dafür, dass wir angesichts der enormen Bedarfe, die wir haben, wahrscheinlich viele Bedarfe in diesem Land gar nicht berücksichtigen. Wahrscheinlich kommt es eher daher, dass wir so kostengünstig sind.
Dennoch führt die Diskussion um den KSV bei mir immer ein bisschen zu einem Unbehagen. Warum ist das so? Ich will das erläutern. Meist besteht ein tiefes Misstrauen diesem Sozialpartner gegenüber und ein bisschen die Unterstellung, dass da etwas nicht so richtig läuft und sie nicht so richtig wollen. Es geht häufig darum zu schauen, wo Missstände sind und wie wir herausfinden können, was der KSV da wieder falsch gemacht hat. Ich finde diesen Ansatz weder zielführend noch hilfreich.
Sosehr wir die von mir genannten fünf Entwicklungspunkte bemängeln, so sehr sind wir auch darauf angewiesen, den KSV als wichtigen Partner in der sozialpolitischen Landschaft ernst zu nehmen, klare Forderungen an ihn zu stellen und ihn dann aber auch in seiner Arbeit zu unterstützen.
Dieses Misstrauen dem KSV gegenüber will ich nicht nur auf die Debatte beziehen, sondern finde ich auch in manchen Äußerungen der Staatsregierung, die den KSV manchmal als Sündenbock für alles nicht Funktionierende in diesem Land heranzieht.
Beispielsweise wurde der Übergang der Heimaufsicht zu einem aus meiner Sicht ungünstigen Zeitpunkt vorgenommen. Monatelang wurde durch das SMI und das SMS um die damit verbundenen Personalstellen gefeilscht. Die personelle Ausstattung der Heimaufsicht ist aus unserer Sicht unzureichend für diese Aufgabe, und der KSV ist jetzt in der schwierigen Lage, dies auf der Grundlage eines neuen Gesetzes umzusetzen. Wenn es dann zu Problemen kommt, kann man Vertreter des Staatsministeriums in Nachrichtensendungen hören, die sagen: Wir fordern vom KSV, dass er das jetzt gefälligst ordentlich umsetzen soll. Das ist aus meiner Sicht kein ehrlicher Umgang miteinander, und an dieser Stelle muss man auch
einmal sagen, dass die Absichten, die hinter der Aufgabenübertragung stehen, kritisch zu hinterfragen sind.
Danke. – Ich möchte noch einmal zum Thema Misstrauen fragen. Ich weiß nicht, woher der Begriff bei Ihnen kommt. Von der Staatsregierung kenne ich das nicht.
Von den Kreisen und kreisfreien Städten sowie von der CDU-Fraktion kenne ich das ebenfalls nicht. Wer also misstraut dem Kommunalen Sozialverband wirklich?