Eigentlich wollte ich mich hier nicht häuslich einrichten, aber das scheint heute so zu sein. Bitte, Herr Piwarz.
Wundert es Sie eigentlich, dass diese Fragen, die hier gestellt werden, ausgerechnet aus den Fraktionen kommen, die bislang nicht in der Lage gewesen sind, Direktmandate zu erzielen?
Deshalb – das habe ich bereits gesagt – lehnen wir die angestrebte Reduzierung aus demokratiepolitischen
Gründen ab. Wir wollen aber eines klarstellen und kommen damit zu dem entscheidenden Unterschied: Trotz der besonderen Bedeutung der Direktmandate für uns gibt es für uns keine Mandate erster und zweiter Klasse, was immer gern in die Diskussion gebracht wird. Jede Kollegin und jeder Kollege, die Mitglied des Hohen Hauses sind, repräsentiert das Volk des Freistaates Sachsen. Das haben wir eben gesagt.
Dies gilt für diejenigen, die direkt gewählt wurden, wie auch für diejenigen, die über die Liste in den Sächsischen Landtag eingezogen sind. Das wurde eben in den Zwischenfragen noch einmal bestätigt. Ein rechtlich vorgegebenes Übergewicht der Zahl von Direkt- und Listenmandaten sollte deshalb nicht erfolgen, da genau hierdurch der Eindruck in der Öffentlichkeit erweckt werden könnte, dass es diese Mandate verschiedener Wertigkeit gebe.
Die jetzige Regelung garantiert in besonderer Weise eine ausgewogene Verteilung nach Regionen, sozialer Herkunft, Beruf der Abgeordneten des Sächsischen Landtages. Deshalb würden wir auch ein reines Mehrheitswahlrecht ablehnen, das übrigens auch – und das hat die Anhörung ergeben – auf Flächenstaaten nicht passen würde. Deshalb war und ist es wichtig, die zumindest nominelle Verteilung der Direkt- und der Listenmandate bei 50 zu 50 zu belassen, das heißt, 60 Direktmandate, 60 Listenmandate. Diese Aufteilung ist im Übrigen auch für jeden Bürger nachvollziehbar.
Eine unterschiedliche Anzahl von Direkt- und Listenmandaten ließe sich den Bürgern schwer erklären. Dies gilt umso mehr, da es diese Regelung bereits seit fünf Legislaturperioden im Freistaat Sachsen gibt und diese damit einer gewissen Verfassungstradition entspricht.
Der Gesetzentwurf ist aber auch aus anderen Gründen abzulehnen. Wenn es tatsächlich aufgrund des Wählerverhaltens zu Überhang- und entsprechenden Ausgleichsmandaten kommen sollte, dann ist dies hinzunehmen. Wir halten die Regelung, dass die Zweitstimmen über die grundsätzliche Stärke einer Fraktion entscheiden, nach wie vor für richtig. Entsprechend kann es dann natürlich zu Überhang- und Ausgleichsmandaten kommen. Der Respekt vor dem Votum des Wählers gebietet dann auch die Erhöhung der Anzahl der Mandate.
Ich muss noch einmal darauf hinweisen, Frau Jähnigen, dass es nicht regelmäßig so ist, dass dann mehr, mehr und
mehr kommen. Das sind Einzelfälle und Schwankungen der Überhangmandate gewesen. Aus unserer Sicht können solche Ergebnisse nicht dazu führen, dass wir – und so scheinen Sie es zu wollen – das Wahlgesetz so lange ändern, bis uns die Anzahl der Mandate wieder passt. Dies entspricht nicht unserem Verständnis von Demokratie.
Im Übrigen ist die Ausgangsthese der einbringenden Fraktion, dass das jetzige Wahlrecht zwingend zu einer Aufblähung des Landtages führt, gerade durch die Bundestagswahl deutlich widerlegt worden. Entgegen der Befürchtung ist es trotz des starken Zweitstimmenergebnisses von CDU und CSU nur zu einer geringen Anzahl von Überhang- und Ausgleichsmandaten gekommen.
Nun möchte die einbringende Fraktion auch, dass statt der Sitzzuteilung nach d’Hondt das Divisorverfahren mit Standardrundung eingeführt wird. Wir alle wissen, dass jedes Sitzzuteilungsverfahren seine Vor- und Nachteile hat. Das hat sich auch bei den Anhörungen so ergeben, und dies zeigt auch die Lage im Bund und in den Ländern, wo verschiedenste Systeme zur Anwendung kommen. Aus unserer Sicht hat sich aber das im Freistaat Sachsen angewandte d’Hondt-System bewährt. Es gewährleistet stabile Mehrheiten. Es ist einfach zu verstehen und nachzuvollziehen. Aus unserer Sicht gibt es keinen Grund, hieran etwas zu ändern. Deswegen werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Landtagsgrößensicherungsgesetz stellt sich einer Frage, die in der öffentlichen Diskussion immer wieder aufflammt. „Der Landtag ist zu groß.“ „Das kostet zu viel Geld.“ „Wir müssen doch alle sparen.“
Gleich zu Beginn möchte ich dazu sehr deutlich sagen: Demokratie gibt es nicht zum Nulltarif. Wer davon träumt, will keine wirkliche Demokratie.
Der Gesetzentwurf der GRÜNEN widmet sich zwei Fragestellungen. Erstens geht es um die Sicherung der Regelgröße des Parlaments. Laut Verfassung des Freistaates Sachsen besteht der Landtag in der Regel aus 120 Abgeordneten. Zweitens geht es um das Berechnungsverfahren für die Sitzzuteilung einschließlich der Kappung nach oben.
Die beiden Vorschläge zur zweiten Fragestellung – der Wechsel von d‘Hondt nach Sainte Laguë oder, wie es im Gesetzentwurf heißt, Divisorverfahren mit Standardrun
dung und die Aufhebung der Höchstgrenzen für die Ausgleichsmandate zur Gewährleistung einer wirklichen Widerspiegelung des Landeswahlergebnisses bei der personellen Besetzung des Landtages – sind für uns als LINKE überfällig. Gerade kleinere Parteien werden dadurch in ihrer Mitwirkung beschnitten. Wir zählen uns selbst allerdings keineswegs zu den kleineren Parteien. Aber gerade das macht Demokratie auch aus, Gesetze nicht zum eigenen Vorteil zu gestalten.
Die erste Fragestellung des Gesetzentwurfes – die Sicherung der Regelgröße – und der konkrete Vorschlag der GRÜNEN sind nicht einfach zu beantworten. Eine Abkehr vom bisher bekannten Fifty-fifty-Verhältnis zwischen direkt gewählten und Listenabgeordneten ist erst einmal neu. Darüber muss nachgedacht und diskutiert werden.
Dies mit den diversen Vorschlägen der Wahlkreiskommissionen, die alle bei 50 zu 50 % blieben, oder der ganz konkreten Wahlkreisverteilung, wie sie der Landtag im Zusammenhang mit dem 5. Gesetz zur Änderung des Sächsischen Wahlgesetzes dieses Jahr bereits getan hat, zu vermengen, schien uns als LINKE nicht zielführend.
Meine Damen und Herren! Die Sächsische Verfassung formuliert: „Sie“ – gemeint sind die 120 Abgeordneten des Landtages – „werden nach einem Verfahren gewählt, das die Persönlichkeitswahl mit den Grundsätzen der Verhältniswahl verbindet.“ Ein 50-zu-50-%-Ansatz ist nicht festgeschrieben. Es ist also eine Änderung möglich, ohne die Verfassung zu ändern. Die derzeitige Realität ist bereits eine Abkehr von der Fifty-fifty-Regel. Der derzeitige Landtag hat 132 Abgeordnete: 60 direkt – das sind rund 45 % – und durch Überhang- und Ausgleichsmandate 72 über Liste gewählte Abgeordnete – das sind aktuell rund 55 %.
Diese Realität war für uns als LINKE das Argument, über eine Abkehr vom bisher Üblichen nachzudenken: eine Verkleinerung der Anzahl der Wahlkreise und damit der direkt gewählten bei gleichzeitiger Beibehaltung der Regelgröße von 120 Landtagsabgeordneten. Das ist doch erst einmal interessant: Ein Verhältnis von 48 – also 40 % – in den Wahlkreisen zu 72 über die Listen Gewählten, was dann wiederum 60 % sind.
Man muss sich diesen Überlegungen erst einmal öffnen. Die Argumente, die wir aber von der CDU und der FDP zum Teil heute hier oder in den Ausschüssen zu hören bekommen haben, als es um diese Fragestellung ging, waren und sind eigentlich sehr spannend: Die Wahlkreise würden zu groß. Diese Frage hat Sie aber bei der Kreisgebietsreform überhaupt nicht in Bezug auf die Kreisgrößen interessiert.
Die Flächengröße eines Landtagswahlkreises wird nach Gesetz über die Einwohnerzahl innerhalb festgelegter Grenzen bezüglich einer Unter- bzw. Überschreitung bestimmt. Dabei stehen durch den demografischen Wandel in den nächsten Jahren sowieso größere Veränderungen an. Es wird sich noch so mancher wundern, welche Flächengrößen ins Auge gefasst werden müssen, um die Gleichwertigkeit der Wahlkreise zu wahren.
Sie beklagen nun mögliche lange Wege für Wahlkreisabgeordnete. Entschuldigen Sie bitte! Das sind Hauptamtliche. Bei ehrenamtlichen Kreisräten hat Sie dieses Argument überhaupt nicht interessiert.
Herr Modschiedler verwies eben noch einmal auf die Identität, die Verbundenheit, die regionalen Besonderheiten. All diese Fragen hatten für Sie von der CDU keine Bedeutung bei der Kreisgebietsreform. Nehmen Sie Ihre eigenen Argumente – –
Nehmen Sie doch Ihre eigenen Argumente selbst ernst und seien Sie dabei konsequent. Auch Ihnen von der CDU kann ich nur sagen: Wahlkreisgrenzen werden wegen der Bevölkerungswanderung in Sachsen verändert werden müssen.
Wir als LINKE nehmen uns ernst, und wir haben lange diskutiert. Ein Teil unserer Fraktion wird diesem Vorschlag der GRÜNEN nicht zustimmen können, weil wir die Bürgernähe sowohl für den einzelnen Kreisrat als auch für den Landtagsabgeordneten in einer lebendigen Demokratie für sehr wichtig halten.
Die sich nun ergebende Wahlkreisgröße – gerade im ländlichen Raum – halten wir in diesem Zusammenhang für sehr problematisch. Es mag in Großstädten – Frau Jähnigen – etwas anders aussehen.
Ein anderer Teil unserer Fraktion wird dem Modell der GRÜNEN heute zustimmen, auch weil wir der Meinung sind, dass nach Wegen gesucht werden muss, wie die Regelgröße des Landtages – so wie sie in der Sächsischen Verfassung festgeschrieben ist – einzuhalten ist. Eine Abweichung von 10 % wie derzeit kann Unmut erzeugen. Wer die Demokratie langfristig bewahren will, muss sich auf den Weg begeben, um diese Fragen zu beantworten. Bürgernähe und Ehrlichkeit gegenüber den Menschen – beides ist notwendig.
Herr Präsident! Für meine Fraktion beantrage ich für Artikel 1 die punktweise Abstimmung der Einzelbestimmungen, also der Ziffern 1, 2 und 3.
(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN 2. Vizepräsident Horst Wehner: Vielen Dank, Frau Köditz. Ich werde darauf zurückkommen. Meine Damen und Herren! Für die SPD-Fraktion spricht Frau Abg. Friedel. Bitte, Sie haben das Wort. Sabine Friedel, SPD: Herr Präsident, vielen Dank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die drei Punkte, die das Gesetz regeln will, hat Frau Jähnigen angesprochen. Frau Kollegin Köditz hat es ebenfalls noch einmal getan. Wir stimmen auch zwei der drei Punkte zu, nämlich dem Umschalten vom d’Hondtschen Verfahren auf das Stan- dard-Divisor-Verfahren. Das ist für uns gar keine politi- sche Frage, das ist eine mathematische Frage. D’Hondt ist ungenau, das neue Verfahren ist genauer. (Beifall bei den GRÜNEN)
Zweitens, das Thema Deckelung der Ausgleichsmandate: Hierzu ist vorgetragen worden, warum die bisherige Regelung nicht richtig ist und warum wir eine neue brauchen.
Den dritten Punkt, die Anzahl der Wahlkreise zu verringern und die Anzahl der Sitze insgesamt beizubehalten, lehnen wir ab. Warum lehnen wir das ab? – Derzeit ist es so: 50 % von uns werden über Listen in den Landtag gewählt, 50 % über Direktmandate. Wir halten das für ein gutes Gleichgewicht. Wir finden es schädlich, wenn ein Unterschied zwischen den Abgeordneten gemacht wird. Alles, was dazu beiträgt, einen solchen Unterschied zu machen, genießen wir deshalb mit Vorsicht. Wir glauben, dass eine nicht mehr Fifty-fifty-, sondern eine
40-zu-60-%-Regelung dazu beiträgt, solche Unterschied zu machen und dass sie auch weniger gut verständlich für die Bevölkerung ist. Am Ende müssen auch die Wähler das Wahlrecht gut verstehen können.