Protocol of the Session on October 16, 2013

Wir hören oft, dass wir die Ursachen für die Flüchtlingsströme durch wirksame Entwicklungshilfe vor Ort beseitigen müssen. Richtig! Doch auch diese Perspektive sollten wir erweitern. Jeder Flüchtling, der auf Zeit konstruktiv in unserer Gesellschaft lebt, kann potenziell in seinem Herkunftsland Entwicklungshilfe leisten. Er kann dauerhaft für seinen eigenen Lebensunterhalt hier und vielleicht auch für seine Familie im Herkunftsland sorgen,

und selbst wenn er zurück muss, kann er in seiner Heimat Entwicklungshilfe von innen leisten, nämlich wenn er bei uns Chancen bekam, sie wahrnahm und mit mehr Kompetenz und Bildung zurückkehrt.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN und der SPD)

Auch zum zweiten Perspektivwechsel gehört eine nüchterne Betrachtung der Kosten. Humanität gibt es nicht zum Nulltarif. Die Kosten für den Lebensunterhalt auf Hartz-IV-Niveau, wie sie das Bundesverfassungsgericht festlegte, die Unterbringung, die soziale Betreuung und die Gesundheit belaufen sich schätzungsweise auf bis zu 10 000 Euro pro Jahr und Flüchtling. Der reine Lebensunterhalt für 100 000 Flüchtlinge kostet uns also circa bis zu einer Milliarde Euro pro Jahr.

(Andreas Storr, NPD: Das ist doch gut angelegtes Geld!)

Lassen Sie mich das gleich einordnen: Das entspricht 0,3 % des Bundeshaushaltes bzw. einem Sechstel unserer Ausgaben für die Entwicklungshilfe. Diese Kosten fallen Jahr für Jahr an, wenn wir Asylsuchende zum Nichtstun verurteilen. Wenn wir sie dagegen auf dem Weg zu einem eigenständigen Leben unterstützen würden – durch Spracherwerb, Integration, Akkulturation an unsere Werte, Qualifizierung und Berufsausbildung –, dann würde das – allerdings nur für eine Übergangszeit – ebenfalls bis zu 10 000 Euro pro Jahr und Flüchtling kosten. Lohnt sich diese Geldausgabe? „Frontal 21“ berichtete vor zwei Wochen über Herrn Assadi, einen Asylbewerber in Freiberg, der seit über zehn Jahren nicht arbeiten darf, obwohl er das gern würde. Unsere Verweigerung gegenüber Herrn Assadi hat den Landkreis und den Freistaat bisher über 100 000 Euro gekostet – bisher!

Sehen wir endlich ein, wie wir uns ins eigene Fleisch schneiden, wenn wir Flüchtlingen den Zugang zum Arbeitsmarkt verweigern!

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Aufgrund der aktuellen Ereignisse möchte ich auf das Thema des konstruktiven Zusammenlebens mit Asylsuchenden in Sachsen eingehen. Dafür setzen wir und niemand anders die Rahmenbedingungen. Im Asylbewerberheim treffen die verschiedensten Kulturen aufeinander. Menschen mit verschiedenen Wertesystemen und Moralvorstellungen müssen von jetzt auf gleich zusammenleben – und das auf engstem Raum. Sie sprechen unterschiedliche Sprachen und sollen sich nach unseren Regeln richten, die wir im Normalfall nur auf Deutsch kommunizieren, einer Sprache, die kaum ein Flüchtling beherrscht. Wie leicht kann es daher geschehen, dass die Selbstverständlichkeit der einen Kultur von der anderen als Provokation aufgefasst wird.

Ein friedliches Miteinander ist kein Selbstläufer. Deshalb sind wir in der Pflicht, aktiv die Werte und Regeln unserer Gesellschaft zu vermitteln; denn wir wollen, dass sich alle daran halten. Diese Vermittlung sollte schon in der Erst

aufnahmeeinrichtung beginnen, und zwar durch soziale Arbeit und effektive Ordnungsstaatlichkeit. Denn hier lernen Asylsuchende, welche Regeln des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft gelten. Faustrecht oder Grundgesetz? Wir wollen selbstverständlich das Grundgesetz und brauchen dafür professionelles Personal mit interkultureller Handlungskompetenz.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch die längste Reise beginnt mit den ersten Schritten. Hier sind drei, und zwar gleich in Sachsen: „Klugen Köpfen Türen öffnen!“ – eine gute Idee. Ich möchte ausdrücklich die Initiative von Innenminister Markus Ulbig unterstützen, qualifizierten Zuwanderern, die als Flüchtlinge zu uns kommen, legale Wege in den Arbeitsmarkt zu eröffnen. Mindestens ein syrischer Flüchtling arbeitet schon heute als Projektingenieur in der sächsischen Wirtschaft.

Zweitens. Ermöglichen wir doch allen Flüchtlingskindern, die in Sachsen Abitur gemacht haben, auch den Zugang zum Studium.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Drittens. Statt einige der geflüchteten Studenten und Akademiker in abgelegenen Heimen zu zermürben, öffnen wir ihnen doch die Universitäten – entweder zum Weiterstudieren oder als Mentoren für andere Studenten. Ich kenne keine bessere Entwicklungshilfe.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir brauchen neue Ideen und Konzepte für den effektiveren und menschlicheren Umgang mit der steigenden Zahl der Flüchtlinge. Bewahren wir dabei ruhig Blut und Besonnenheit, finden wir gemeinsam Lösungen. Die richtige Zeit für unser beherztes Handeln in der Politik ist jetzt, bevor uns das Problem über den Kopf wächst.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Das Wort hatte unser Ausländerbeauftragter, Kollege Gillo. Wir sind jetzt am Ende der ersten Rednerrunde angekommen und könnten eine zweite Runde eröffnen. Die einbringende Fraktion der NPD ergreift erneut das Wort. Herr Storr, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem massenweisen Zustrom von Asylanten sind bekanntermaßen auch große Belastungen der öffentlichen Haushalte aller Ebenen verbunden. Die Landkreise und kreisfreien Städte Sachsens haben schon in den letzten Jahren viel zu geringe Pauschalen des Freistaates erhalten, um die Pflichtaufgabe der Unterbringung, Verpflegung und Gesundheitsversorgung dieser Asylbewerber sicherzustellen.

Die Kommunen selbst müssen den Fehlbetrag aus ihren Einnahmen ausgleichen – und das schon seit vielen

Jahren. Vor diesem Hintergrund ist die unbestimmte Aussage des Innenministers Ulbig, in diesem und im nächsten Jahr die finanzielle Ausstattung der betroffenen Kommunen durch Sonderbedarfszuweisungen und Investitionszuschüsse zu verbessern, auch nicht mehr als eine Beschwichtigungsgeste gegenüber den Land- und Kreisräten.

Der Landkreis Görlitz hat eine Haushaltssperre auch mit den drastisch gestiegenen Kosten für die Asylbewerber begründet. Auf der letzten Kreistagssitzung hat die Mehrheit des Kreistages erwartungsgemäß diese außerplanmäßige Mehrausgabe von mindestens 1,3 Millionen Euro widerspruchslos abgenickt.

Eine politische Debatte wird in den Kreistagen grundsätzlich nicht geführt, weil man dort offenbar eine gewohnheitsmäßige Scheu hat, sich überhaupt zu politischen Fragen zu äußern und politische Positionen zu beziehen. CDU-Landrat Bernd Lange hat sich in der Debatte im Kreistag dann auch noch das Verdienst ans Revers geheftet, dass er als einziger sächsischer Landrat die zunehmende Unterfinanzierung des Landkreises im Hinblick auf steigende Asylbewerberzahlen öffentlich gemacht hat.

Nur, über Sinn oder Unsinn des Grundrechts auf Asyl hat er wie die überwiegende Mehrheit der Kreisräte nichts gesagt – außer einer nebulösen, im Grunde nichtssagenden Formel, die in etwa lautet, Deutschland sei ein christliches Land mit hohen moralischen Standards, die zu gewährleisten seien.

Warum erwähne ich diesen Vorgang und den Umgang mit diesem Thema im Kreistag des Landkreises Görlitz angesichts knapper Redezeiten so ausführlich? Weil genau mit diesem Umgang exemplarisch vorgeführt wird, wie man mit einem zentralen politischen Thema, dem Thema der Masseneinwanderung und faktischen Abschaffung des deutschen Volkes, umgeht: mit gedankenloser und gefühlloser Ignoranz gegenüber dem eigenen Volk, seiner eigenen geschichtlich und kulturell gewachsenen Identität.

Dagegen sehen sich die Parlamentarier und Kommunalabgeordneten der etablierten politischen Klasse gegenüber fremden Menschen aus aller Herren Länder offenkundig widerspruchslos als Herbergsvater, der für alle Kosten widerspruchslos aufzukommen hat.

Diesen politischen Wahnsinn, der sich in Liebedienerei gegenüber Ausländern und Gleichgültigkeit gegenüber dem eigenen Volk manifestiert, kann man eigentlich nur verstehen, wenn man in Rechnung stellt, dass ein über Jahrzehnte in den Bildungseinrichtungen und Medien dieses Landes inszenierter Schuld- und Sühnekult und der moralische Generalangriff auf eine positive Selbstwahrnehmung der Deutschen jeden Selbstbehauptungswillen hat erlahmen lassen und offenbar eine Gleichgültigkeit auch dem größten Irrsinn gegenüber zur Folge hat.

Ein Grundrecht auf ein Asylverfahren in Deutschland bedeutet: Jeder Mensch auf dieser Welt – wir sprechen hier von sieben Milliarden Menschen – ist nach Arti

kel 16a Grundgesetz Grundrechtsträger der Bundesrepublik Deutschland und hat ein Recht auf Unterbringung und Rundumversorgung für die Dauer der Prüfung eines vermeintlichen oder tatsächlichen Rechtsanspruches auf Aufenthalt in der BRD. Das ist doch wirklich Wahnsinn.

Doch auch das ist des Wahnsinns noch nicht genug; denn 65 000 registrierten Erstantragstellern im Jahr 2012 stehen sage und schreibe nur 740 Personen gegenüber, die nach den geltenden Gesetzen als asylberechtigt nach Artikel 16a anerkannt wurden – was einer Anerkennungsquote von 1,2 % entspricht.

Ein Grundrecht, meine Damen und Herren, für das es in 98,8 % der Anwendungsfälle keine Anspruchsgrundlage gibt, ist ein Anachronismus und hat damit keine Existenzberechtigung und gehört abgeschafft. Diesen Anachronismus erkennen selbst Vertreter der Ausländer- und Asyllobby. Aber statt den Irrsinn zu korrigieren, will man ihn noch weiter auf die Spitze treiben.

In einer dpa-Meldung vom 13. Oktober wird eine Äußerung des Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Herrn Manfred Schmidt, genannt, der erklärt hat, dass der deutsche Asylbegriff kaum mehr tauglich sei. Er wird laut dieser Meldung wie folgt zitiert: „Viele Menschen, die aus den Ländern des Westbalkans zu uns kommen, leben in wirtschaftlich sehr prekären Situationen. Keiner von uns würde mit ihnen tauschen wollen. Aber dieser Grund, nach Deutschland zu kommen, passt nicht ins deutsche Asylrecht.“ Seine Lösung des Problems sieht wie folgt aus: § 18 des Aufenthaltsgesetzes sei stärker zu nutzen.

Was ist die Konsequenz dieser Aussage? Die Bezugnahme auf den § 18 Aufenthaltsgesetz bedeutet natürlich bei der zu erwartenden sehr großzügigen Interpretation dieses Paragrafen ein Aufenthaltsrecht für jedermann in der Bundesrepublik Deutschland.

Weiter wird auf europäischer Ebene von der Politkommissarin Reding die Abschaffung der notwendigen Drittstaatenregelung gefordert – die de facto schon aufgehoben ist; sie soll jetzt aber noch de jure aufgehoben werden –, wonach das Asylverfahren im Erstaufnahmeland stattzufinden hat, und der Präsident des Europäischen Parlaments mit dem SPD-Parteibuch, Herr Martin Schulz, fordert angesichts der menschlichen Tragödie des Schiffsuntergangs vor der süditalienischen Mittelmeerinsel Lampedusa, dass Deutschland zusätzliche Menschen aufnehmen müsse.

Auch der sächsische Innenminister will sich natürlich im gleichen Chor zu Wort melden und erklärt 10 % der Asylbewerber zu ausländischen Fachkräften, die man angeblich so dringend brauche, ohne eine zehnprozentige Fachkräftequote bei den Asylbewerbern irgendwie herleiten und belegen zu können.

Auch deutsche Gerichte leisten ihren Beitrag dazu, dass der Wahnsinn in immer weitere Höhen aufsteigen kann. So urteilte erst jüngst das Landessozialgericht in Nordrhein-Westfalen, dass eine sechsköpfige Familie aus

Bulgarien, die sich erst 2012 in der Stadt Hamm ansiedelte und im Januar 2013 einen Antrag auf Sozialhilfe stellte, einen vollen Anspruch auf deutsche Sozialleistungen hat, wenn sie Deutschland zu ihrem neuen Lebensmittelpunkt erklärt.

Angesichts so viel geballter humanitärer Propaganda – moralisch verkleidet –, mit der man glaubt, den Politikirrsinn verdecken zu können, glaubt man offenbar jeden Widerspruch gegen eine solche irrsinnige Politik im Keim ersticken zu können. Aber Propaganda kann die Wirklichkeit nicht ersetzen, sondern nur über die Wirklichkeit hinwegtäuschen. Die Folgen einer solchen Politik werden sich nicht langfristig unter den Tisch kehren lassen. Konsequenz einer solchen irrsinnigen Politik ist, dass man immer größere Erwartungen in der ganzen Welt weckt, dass jeder, aber auch wirklich jeder mit der Hoffnung auf ein vermeintlich sorgenfreies und bequemes Leben nach Deutschland kommen kann, dort eine arbeitsfreie Rundumversorgung bekommt und schon allein für seine Anwesenheit willkommen geheißen wird. Oder ist Ihre sogenannte Willkommenskultur anders zu verstehen?

Die Todesopfer von Lampedusa sind nicht Opfer einer restriktiven Zuwanderungspolitik geworden, wie es jetzt immer mal wieder so behauptet wird, sondern sie sind Opfer einer völlig illusorisch geweckten Erwartungshaltung, jeder könne nach Deutschland kommen, weil er Mensch ist. Wer diesen Irrsinn weiter mitmacht, versündigt sich an der Zukunft unseres Volkes und unseres Landes. Eine weitere Zuwanderung gefährdet den inneren Frieden und macht uns arm. Stoppen wir den Irrsinn einer nicht mehr kontrollierbaren und substanzvernichtenden Zuwanderung! Stimmen Sie deshalb unserem Antrag zu!

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Gibt es in dieser zweiten Runde weiteren Redebedarf? – Ja. Für die Fraktion DIE LINKE eine Kurzintervention von Herrn Bartl.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meines Wissens haben wir keine Redezeit mehr; deshalb möchte ich von dem Mittel der Kurzintervention Gebrauch machen.

Herr Storr, Sie und Ihre Gesinnungsgenossen sind meiner Überzeugung nach verfassungsrechtlich nicht so unbedarft, wie Sie jetzt getan haben, und Sie machen es auch nicht fahrlässig.

Mit der Forderung auf Abschaffung eines einklagbaren Asylrechts fordern Sie eindeutig verfassungswidrig – nach Artikel 20 verfassungswidrig, nach Artikel 1 verfassungswidrig im Zusammenhang mit Artikel 79 Abs. 3 –, dass ein Grundrecht im Kernbereich aufgehoben wird. Das ist wegen der sogenannten Ewigkeitsgarantie nach Artikel 79 Abs. 3 Grundgesetz unzulässig und verfassungswidrig. Der Antrag hätte meiner Auffassung nach überhaupt nicht zugelassen werden dürfen.

Dass Sie das tun und dass Sie so weit gehen – in einer Situation, in der selbst die hartgesottensten Vertreter der Festung Europa wegen der Geschehnisse in Lampedusa nachdenken, einhalten und überlegen –, dass Sie sich hier hinstellen und wollen, dass wir zu einem Stand des Asylrechts zurückkommen, wie es zu Zeiten des Machtantrittes von Hitler war, das ist für mich, obwohl ich Sie zu glauben kenne, einfach atemberaubend.

Das Asylrecht kam 1949 ins Grundgesetz, weil eben durch die Zeiten des Faschismus viele, viele Menschen, die verfolgt wurden – wegen ihrer Gesinnung, wegen ihrer Rasse, wegen ihrer politischen Einstellung –, nicht genug Asyl in anderen Ländern gefunden haben. Deshalb kam es seinerzeit ins Grundgesetz, und zwar einklagbar.

(Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD)

Heute stellen Sie sich hin und wollen es abschaffen.