Protocol of the Session on September 18, 2013

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE)

Das war Herr Krauß für die CDU-Fraktion. – Jetzt spricht Herr Kollege Dulig für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Rentenüberleitungsgesetz ist eine der größten sozialpolitischen Errungenschaften der Einheit, weil ich glaube, dass wirklich diejenigen, die damals in Rente waren oder unmittelbar danach in Rente gegangen sind, zu einer Generation gehören, die durchaus eine gute Rente bekommen hat.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE)

Das sollte man auch anerkennen. Nur sind wir jetzt an dem Punkt, wo sich auch dieses Rentenüberleitungsgesetz langsam überlebt und wo wir andere politische Antworten finden müssen – eben weil inzwischen viele Menschen in Sachsen und Ostdeutschland leben, die aufgrund ihrer gebrochenen Erwerbsbiografien auf ein Problem zusteuern. Das betrifft nicht nur das Thema Altersarmut, sondern auch diejenigen, die in Arbeit sind, fragen sich: Wird meine Arbeit denn als Lebensleistung tatsächlich in der Rente anerkannt werden?

Dann wird die Frage, warum es insoweit noch Unterschiede zwischen Ost und West gibt, immer virulenter. Die Debatte, die wir heute hier führen, betrifft die Frage, welche Erwartungen in den vergangenen Jahren geweckt

wurden. Lieber Herr Krauß, wenn das Modell, das Ihnen vorschwebt, falsch war – warum stand es bei Ihnen im Wahlprogramm bzw. warum steht es im Koalitionsvertrag? Diese Frage müssen Sie beantworten.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Sie weisen durchaus auf eine reale Gefahr hin: Eine Rentenanpassung zwischen Ost und West wäre sehr schnell möglich, aber zulasten der ostdeutschen Rentnerinnen und Rentner. Deshalb muss man sich das Modell genau anschauen. Ich frage mich nur: Hatten Sie als CDU tatsächlich diese „kalte“ Rentenangleichung zwischen Ost und West geplant? Wenn ja, würde ich Ihnen recht geben: Gut, dass es nicht so gekommen ist! Dann aber hätten Sie erst recht die Menschen veralbert.

(Beifall bei der SPD)

Oder wollten Sie ein anderes Modell umsetzen, haben dafür aber keine politischen Mehrheiten gefunden? Ich weiß es nicht. Noch Anfang des Jahres versprach Frau Merkel beim DGB, die Rentenangleichung zwischen Ost und West werde kommen. Dafür hat sie noch vier Tage Zeit.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Nein, heute ist die letzte Kabinettssitzung!)

Die ist wahrscheinlich schon vorbei.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Kann sein!)

Wir müssen uns schon über das Modell unterhalten und über die Frage, ob es dafür politische Mehrheiten gibt. Denn ich sage: Wir brauchen politische Mehrheiten, auch zwischen Ost und West. Wenn wir es einfach laufen lassen, wird es immer schwerer, eine Mehrheit für die Umsetzung eines vernünftigen Modells der Angleichung zwischen Ost und West zu finden. Es war 1989/1990 eine große solidarische Leistung, das Rentenüberleitungsgesetz zu verabschieden. Wir brauchen auch jetzt wieder eine große solidarische Leistung, wenn es um die Angleichung geht. Es kommt aber auf das konkrete Konzept an.

Wir als SPD schlagen vor, die Rentenangleichung zwischen Ost und West schrittweise abzuschließen, indem wir den jährlichen Rentenwert hochsetzen und parallel dazu den Höherbewertungsfaktor absenken, um ab dem Jahr 2020 ein einheitliches Rentenrecht zu haben. Die Grundvoraussetzung dafür ist aber, dass wir gleiche Löhne haben. Angesichts dessen frage ich den – nicht anwesenden – Wirtschafts- und Arbeitsminister, was er dafür tut. Er tut das Gegenteil! Wenn Mindestlöhne vereinbart werden, widerspricht er der Allgemeinverbindlichkeitserklärung. Das heißt, hier wird aktiv Politik gegen eine Rentenangleichung betrieben, weil nicht für gemeinsame, bessere Löhne gekämpft wird.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Wir wollen, dass Tariflöhne gezahlt werden. Wir wollen keine Unterscheidungen mehr zwischen Ost und West.

Das Mindeste, was wir wollen, ist der Mindestlohn – flächendeckend und gesetzlich.

Ich muss Herrn Hahn widersprechen.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Was?)

Herr Hahn, Sie haben gesagt, Herr Tillich tue nichts. Ich muss ihn jetzt in Schutz nehmen: Es gibt viele Zitate, wonach er sich dafür einsetze, dass es den ostdeutschen Rentnerinnen und Rentnern bessergehe, dass endlich Gerechtigkeit komme. Ich kann Ihnen viele Zitate vortragen.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Gemacht hat er nichts!)

Die Frage ist nur, ob es jetzt besser ist oder ob die gegenwärtige Situation nicht vielmehr der Beleg dafür ist, dass die sächsische Stimme in der CDU ungehört verhallt. Oder wie soll ich es verstehen, dass die Vorstellungen der sächsischen CDU nicht einmal den Weg in das Regierungsprogramm gefunden haben?

Es ist noch mehr zu regeln als nur die Ost-WestAngleichung. Wir brauchen auch eine Lösung für die zu DDR-Zeiten geschiedenen Frauen. Wir brauchen eine Lösung für die 19 Berufsgruppen, die eine Zusatzversicherung abgeschlossen haben, die jetzt nicht im Rentenversicherungssystem wirksam wird. Deshalb schlagen wir vor, einen steuerfinanzierten Fonds einzurichten, um solche Härtefälle zu mildern. Sie sollten sich vor Augen halten, dass zu DDR-Zeiten viele Berufsgruppen einen schlechten Lohn in Kauf nehmen mussten wegen der Zusicherung, durch die Zusatzversicherung wenigstens bei der Rente bessergestellt zu sein. Sie können sich sicherlich vorstellen, wie die betroffenen Menschen sich fühlen: Damals wurden sie beim Lohn veralbert, heute werden sie wieder benachteiligt.

Die Redezeit ist abgelaufen.

Zum guten Schluss: Ich weiß nicht, wie wir es im Wahlkampf mit einem Spruch der Kollegin Lieberknecht halten sollen. Sie sollte auf die Frage antworten, wie man damit umgehen wolle, dass die Rentenangleichung nicht im neuen Regierungsprogramm der CDU steht, und sagte: „Beim letzten Mal stand die Rentenanpassung im Wahlprogramm, und wir haben sie nicht gemacht. Jetzt steht sie nicht im Wahlprogramm, und wir werden sie umsetzen.“

Die Redezeit ist beendet.

Ich bin mir nicht mehr so sicher, wie ich das Wahlprogramm der CDU lesen soll.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Kollege Dulig sprach für die SPD-Fraktion. – Für die FDP-Fraktion ergreift Frau Kollegin Schütz das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die soziale Sicherung im Alter, unser Rentensystem, ist ein bemerkenswertes System gesellschaftlicher Solidarität, das in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen stehen wird. Wir müssen uns gemeinsam darüber klar werden, wie wir diese Gesellschaftsverantwortung bzw. -verpflichtung tragen wollen.

Herr Dulig, Sie haben gerade angesprochen, was neben der Renteneinheit noch alles geregelt werden müsse. Sie hatten doch die Möglichkeit dazu! Von 1998 bis 2009 waren Sie in der Bundesregierung vertreten. Heute, 23 Jahre später, verlangen Sie Nachbesserungen? Damals hatten Sie die Chance. Erzählen Sie den Leuten hier nicht etwas anderes!

(Beifall bei der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben in den letzten vier Jahren gemeinsamer Regierungsverantwortung von Schwarz-Gelb viel erreicht. Wo soll ich anfangen? Bei der Rentensteigerung? Oder bei der Senkung des Rentenbeitragssatzes? Beides ist in den vergangenen vier Jahren erfolgreich umgesetzt worden. Ich darf konkrete Zahlen nennen: Zum 01.07.2011 gab es eine Rentensteigerung um 1 %, zum 01.07.2012 um weitere 2,18 % im Westen und 2,26 % im Osten. Im Jahr 2013 waren es noch einmal knapp 3 % mehr.

Wir haben gleichzeitig den Rentenbeitragssatz gesenkt: zum 1. Januar 2012 von 19,9 auf 19,6 %, zum 1. Januar 2013 auf 18,9 %. Das ist ein wichtiger Beitrag dazu, dass die Lohnnebenkosten unter 40 % gehalten werden können. Bürger und Unternehmen werden um 9 Milliarden Euro jährlich entlastet – ein sehr wesentlicher Betrag.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Jurk?

Bitte.

Vielen Dank! – Frau Kollegin Schütz, wie können Sie eigentlich Handwerkern erklären, dass nicht – anstelle der Beitragssatzsenkung – die Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge zurückgenommen wurde?

Sehr geehrter Herr Jurk, auch das wurde in Angriff genommen. Das war in dem Augenblick an der Stelle so nicht machbar, nicht möglich.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Warum denn nicht?)

Aber das ist natürlich nach wie vor ein wichtiges Ziel der Koalition.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Lachen bei den LINKEN und der SPD)

Wir haben das alles in den letzten vier Jahren als Ergebnis einer erfolgreichen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik – an die Kollegen der SPD: ohne Mindestlohn! – erreicht. Höhere Hinzuverdienstgrenzen beim Renteneintritt sind von uns durchgesetzt worden. Das haben wir übrigens auch beim vorzeitigen Renteneintritt erreicht, Stichwort: „Kombirente“. Wir haben das Schonvermögen zur privaten Altersvorsorge für ALG-II-Bezieher verdreifacht, damit sie ihr im Arbeitsleben Angespartes tatsächlich im Alter selbst verwenden können. Die Kommunen werden durch die steigende Beteiligung des Bundes von den Kosten für die Grundsicherung im Alter nachhaltig entlastet. Zudem haben wir die Zuschussrente, die auf Kosten der Beitragszahler gegangen wäre, verhindert.

Es liegen noch einige Aufgaben vor uns, keine Frage. Wer ein Leben lang hart gearbeitet hat, hat Anspruch auf eine faire Rente – in Ost wie in West. Allein im Jahr 2013 haben wir die Lücke zwischen dem Rentenwert Ost und dem Rentenwert West von 11 auf 9 % verringert. Auch das ist ein wesentliches Ergebnis der vereinbarten Umstellung auf ein einheitliches Rentenrecht.

Wir streben ein Konsensmodell an, das eine stichtagsbezogene, besitzstandswahrende Umstellung auf ein einheitliches Rentenrecht in ganz Deutschland vorsieht. Ab dem Stichtag soll jeder Euro Rentenbeitrag im gesamten Bundesgebiet den gleichen Rentenanspruch bringen. Das ist ein wichtiges Ziel.

(Zuruf von den LINKEN: Haben Sie aber nicht gemacht!)