Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Es gibt noch bei der einen oder anderen Fraktion Redezeit. Möchte sie jemand nutzen? – Dies kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Jawohl. Herr Dr. Martens, Sie haben nun Gelegenheit zu sprechen; bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Mai 2011 hat Herr Rathenow das Amt des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR übernommen. Damit lag der Zeitraum vom 1. Juli 2011 bis 30. Juni 2012 für den von ihm jetzt vorgelegten 20. Tätigkeitsbericht vollständig in seiner Verantwortung, und für diesen Bericht wie auch für seine Tätigkeit sowie die seiner Mitarbeiter möchte ich Herrn Lutz Rathenow ausdrücklich im Namen der Staatsregierung danken.
Im genannten Zeitraum hat der Landesbeauftragte zum einen in vielen Bereichen an die erfolgreiche Arbeit seines Vorgängers angeknüpft, zum anderen aber auch neue Wege beschritten. Zum Beispiel hat er die Pressearbeit der Behörde verstärkt und dadurch zu deren intensiverer Wahrnehmung in der Öffentlichkeit beigetragen. Dies bedingt das weiterhin ungebrochene Interesse an den Angeboten des Landesbeauftragten, auch mehr als 20 Jahre nach dem Mauerfall. Die Beratungsangebote werden weiter zahlreich in Anspruch genommen, auch von vielen Betroffenen, die sich erst jetzt mit ihren Erfahrungen der Unterdrückung und Willkür des DDRStaatsapparates vertieft auseinandersetzen.
Der Übertritt eines Großteils ehemaliger Verfolgter in das Rentenalter veranlasst diese jetzt zu einem Rückblick in die eigene Zusammenarbeit. Oft ist diese mit Erinnerungen an schwierige Zeiten, mit dem Wachrufen erduldeter Einschränkungen, Schikanen, Repressalien, Gängelungen oder dem Verlust persönlicher Freiheit verbunden.
In den letzten Jahren zeichnete sich dabei der Trend ab, dass die Beratungen zu Akteneinsichtsgesuchen in die Unterlagen des MfS in den Hintergrund treten. Dafür steigt das Bedürfnis nach Beratung zur Rehabilitierung und nach Hilfe bei der Durchsetzung sozialer Ausgleichsleistungen wie der Opferrente. Um diesem Beratungsbedarf nachzukommen, finden jeweils im Herbst und im
Frühjahr überregionale Beratungsinitiativen des Landesbeauftragten statt. So war er zu diesem Zweck im Berichtszeitraum in zwölf Städten unterwegs und führte insgesamt 1 250 Beratungsgespräche durch, wobei er aufgrund des unerwarteten Ansturms das üblicherweise eintägige Beratungsangebot auch schon mal auf zwei Tage ausdehnte.
In vielen Fällen wurde über die Beratungen hinaus Hilfestellung beim Auffinden von Dokumenten oder bei der Antragstellung für Unterstützungsleistungen gegeben. Da anlässlich des vom Bund und den ostdeutschen Ländern im März 2012 vorgelegten Berichts zur Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR die Missstände in Kinderheimen oder vergleichbaren Einrichtungen verstärkt in den Fokus rückten, haben sich zunehmend auch die hiervon Betroffenen zu diesem Thema an den Landesbeauftragten gewandt.
Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit war die Bildungsarbeit an den Schulen. Der nachwachsenden Generation soll eine sachliche Auseinandersetzung mit den Mechanismen der SED ermöglicht werden, was daneben eine Sensibilisierung für die Werte einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung mit sich bringt.
Neben der Durchführung der etablierten Projekte entwickelten sich neue Kooperationen mit anderen Bildungsträgern. Etwa im Zusammenwirken mit dem Schulkino Dresden oder der Gedenkstätte Bautzner Straße wird Schülern nach der Präsentation des Films „Das Leben der Anderen“ aus dem Jahr 2006 ein Dialog mit dem Landesbeauftragten und einem Zeitzeugen, verbunden mit einer Führung durch die Gedenkstätte, angeboten. Die mobile Ausstellung „Unser Aufbruch“ präsentierte sich in einem Bus an 35 verschiedenen Orten und wurde vor allem von Schülern gern und mit Interesse angenommen. Die drei Wanderausstellungen zu verschiedenen Themenkomplexen wurden mehrfach ausgeliehen, und nicht im Einzelnen aufgezählt werden können die regelmäßig organisierten vielfältigen Podiumsdiskussionen, Vorträge, Buchvorstellungen und sonstigen Veranstaltungen des Landesbeauftragten.
Zur Förderung der Opferverbände hat der Freistaat ab 2011 Mittel in Höhe von 100 000 Euro pro Förderjahr bereitgestellt. Um den meist ehrenamtlichen Vertretern der Opferverbände die Antragstellung nach der Förderrichtlinie verständlich zu machen, leistete der Landesbeauftragte auch hier Unterstützung und organisierte einen Workshop.
Der 20. Tätigkeitsbericht zeigt, dass die Aufarbeitung der SED-Diktatur noch nicht abgeschlossen ist und weiterer Bedarf im Hinblick auf die Angebote des Landesbeauftragten besteht. Vielfach leiden die Opfer noch heute unter den Folgen des Stasi-Terrors, sodass deren Belange fortlaufend in den Blick zu nehmen sind. Nicht nur dazu leistet der Landesbeauftragte einen anerkennenswerten Beitrag. Durch seine Aufklärungsarbeit gelingt es, die Erinnerung an geschehenes Unrecht aufrechtzuerhalten und das Bewusstsein für Demokratie, Freiheit und
Die Sächsische Staatsregierung wird den Landesbeauftragten bei der Erfüllung dieser seiner Aufgaben auch weiterhin unterstützen.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Herr Abg. Schowtka, wünschen Sie als Berichterstatter noch das Wort? – Das kann ich nicht feststellen.
Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses in der Drucksache 5/12657 ab. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Ich habe keine Gegenstimmen und keine Stimmenthaltungen gesehen. Damit ist der Beschlussempfehlung des genannten Ausschusses einstimmig zugestimmt worden. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Meine Damen und Herren! Das Präsidium hat eine Redezeit von 10 Minuten je Fraktion festgelegt. Wenn das Wort gewünscht wird, dann beginnen wir mit der Aussprache, zunächst die CDU-Fraktion und dann die Fraktionen DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE und NPD und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss hat einstimmig beschlossen, dem Landtag zu empfehlen, den Bericht des Rechnungshofes zur Kenntnis zu nehmen. Ich kann davon ausgehen, dass wir im Wesentlichen fraktionsübergreifend zu der Erkenntnis gekommen sind, dass wir im südwestsächsischen Raum eine neue, moderne Haftanstalt brauchen. Die Gründe habe ich in meinem Redebeitrag dargelegt, den ich gern zu Protokoll geben möchte.
Ich möchte das aber nicht tun, ohne mich beim Rechnungshof für den Bericht und vor allem auch für die sehr sachbezogene, offene Diskussion in der letzten Sitzung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses zu bedanken. Der Blick des Dritten schärft auch die eigene Meinung, die man dazu haben muss. Ich glaube, dass das in der Diskussion im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss auch zum Ausdruck gekommen ist.
Vielen Dank, Herr Kirmes, für den Beitrag. – Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Abg. Bartl. Herr Bartl, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte meine Rede gern zu Protokoll gegeben; Entwicklungen in den letzten Tagen machen es aber notwendig, hierzu ein paar Worte zu sagen.
Wir waren uns im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss einig, auf der Grundlage einer gründlichen Befassung mit der Unterrichtung des Sächsischen Rechnungshofes, wofür wir uns beim Herrn Präsidenten und genauso beim Herrn Vizepräsidenten bedanken müssen – es war insgesamt eine sehr sachliche Debatte, beginnend mit der Expertenanhörung bis zur Auswertung in der Sitzung am 3. oder 4. September 2013 –, dass bei allem Bedenkenswerten, was der Rechnungshof vorzutragen hatte, letzten Endes der Ansatz der Staatsregierung, den sie in ihrer Stellungnahme zum Ausdruck gebracht hat, zutreffend, überzeugend und richtig ist, dass man tatsächlich – ich sage einmal – mehrdimensional an die Frage der Berechnung des Haftplätzebedarfs herangehen muss.
Wir waren uns einig – das Beispiel hinkt aber wahrscheinlich –, nachdem wir mit dem Untersuchungshaftgesetz für Sachsen, mit dem Jugendstrafvollzugsgesetz für Sachsen und zuletzt mit dem Strafvollzugsgesetz für Sachsen eine Art Software geschaffen haben, wie wir einen modernen Vollzug in Sachsen gewährleisten wollen – Gesetze mit einer klaren Ausrichtung, die sich in der Bundesrepublik Deutschland durchaus sehen lassen können –, dass wir jetzt auch die notwendige Hardware – in Anführungsstrichen – brauchen, sprich: die dem Gesetzesauftrag angemessene Ausstattung mit Haftplätzen.
Nach unserer Auffassung gab es eine Differenz zwischen dem Schlüssel, den der Rechnungshof gewählt hat, der von der Herangehensweise her vor allem auf die Bevölkerungsentwicklung abgestellt hat, und dem, was wir
meinen, was sachgerecht und um Unwägbarkeiten vorzubeugen an Haftplätzen vorgehalten werden muss. Wir wollten also nicht nur demografisch herangehen. Man muss auch davon ausgehen, dass es durch bestimmte Entwicklungen in der Altersstruktur der Straftäter einen veränderten Bedarf gibt. Wir haben zum Beispiel zunehmend auch Seniorinnen und Senioren, die als Straftäter auffällig werden. Wir haben einen erheblichen Anteil von Gefangenen – manche Praktiker reden von bis zu 70 % –, die von Betäubungsmitteln abhängig sind und mit Suchtproblemen zu tun haben. Dergleichen gibt es noch mehr.
Was ich jetzt ansprechen will, Herr Staatsminister, und was Anlass dafür ist, dass ich meine Rede nicht zu Protokoll gebe, ist der Umstand, dass wir und ich persönlich als Mitglied des Anstaltsbeirates in Chemnitz einen Tag nach der Befassung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses zur Kenntnis erhalten haben, dass durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom
27. August 2013 eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. April 2013 nicht zugelassen wurde.
Es geht um eine Klage einer Wohnungsgenossenschaft in Chemnitz, in deren Bereich in der Altendorfer Straße die offene Justizvollzugsanstalt – ein Teil Männer, ein Teil Frauen –, das sogenannte Freigängerhaus, liegt. Der Rechtsstreit zog sich über viele Jahre hin. Die Anwohnerinnen und Anwohner meinten, dass beim Planfeststellungsverfahren etc. pp. keine hinreichende Mitwirkung gegeben gewesen wäre. Sie meinten, dass dieses ursprünglich als Wohnheim für Strafvollzugsbedienstete genutzte Haus nicht zum Freigängerhaus hätte umgebaut werden dürfen.
Der Freistaat Sachsen unterliegt also in diesem Rechtsstreit am 5. April 2013 vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht und die Revision wird nicht zugelassen. Ich gehe davon aus, dass es im Justizministerium ein paar Juristen gibt. Jede und jeder weiß, dass die Gefahrengeneigtheit einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision immens ist und dass es in jedem Fall notwendig ist, von Stund an zu planen, wo die dort noch einsitzenden Gefangenen unterkommen sollen.
Wir haben uns in der Sitzung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses am 3. September 2013 mit dem Haftplätzebedarf befasst, erfahren vom Staatminister der Justiz aber kein Wort von dieser Entscheidung – keinen Ton. Wir wissen also nicht, dass es notwendig ist, schnellstmöglich eine Lösung zu finden. Eigentlich besteht dieses Haus seit dem 28. August rechtswidrig. Eigentlich darf es seitdem nicht mehr genutzt werden. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Wir halten das für keinen korrekten Umgang mit dem Parlament, Herr Staatsminister. Ich würde darum bitten, dass Sie dazu etwas sagen.
Wir meinen, wenn über den Haftplätzebedarf im Parlament beraten und darüber im Parlament abgestimmt wird, wenn wir uns zu der Unterrichtung verhalten sollen, dann muss allen Abgeordneten klar sein, wo die Probleme liegen.
Herr Präsident! Es ist mir nicht möglich, eine Rede zu Protokoll zu geben, weil ich keine vorgeschrieben habe. Deswegen möchte ich zu diesem Tagesordnungspunkt ganz kurz nur zwei, drei Sätze sagen.
Wir haben uns im Rechtsausschuss – der Kollege Kirmes hat es schon gesagt – eigentlich einstimmig – ich sage es jetzt etwas grob – über die Empfehlungen des Sächsischen Rechnungshofes hinweggesetzt. Die Empfehlung war, keine neue Haftanstalt für Sachsen zu bauen. Das Argument war, die bisherigen Haftplätze reichten aus.