Protocol of the Session on September 18, 2013

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich am Beispiel des Ortsteils Pausitz der Gemeinde Bennewitz verdeutlichen, dass dieses Konzept funktioniert. Dort sind vom Hochwasser der Mulde sechs Häuser so stark betroffen, dass eine Absiedlung infrage kommt. Mit Blick auf die geringe Anzahl der Häuser ist auch ein technischer Hochwasserschutz keine realistische Option; das zeigt die Kosten-Nutzen-Analyse der Landestalsperrenverwaltung. Stattdessen ist die Gemeinde Bennewitz vorangegangen. Sie bietet den Betroffenen im Tausch Grundstücke und gemeindeeigene Gebäude zu besonders günstigen Konditionen an. Die Staatsregierung unterstützt die Bürger über

die Richtlinie Hochwasserschäden 2013 mit bis zu 80 % Zuschuss, bezogen auf den tatsächlich entstandenen Schaden.

Sie sehen: Es gibt ein Konzept für diejenigen, die sich an anderer Stelle ansiedeln wollen. Dafür brauchen wir keine weitere Gesetzesänderung. Unser Konzept steht im Einklang mit dem, was der Bund und die anderen Länder mit uns vereinbart haben. Es berücksichtigt die Realitäten in Sachsen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Herr Staatsminister Beermann sprach für die Staatsregierung. – Jetzt hat die einbringende Fraktion der SPD das Schlusswort. Kollege Dulig wird es vortragen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich halte es für fahrlässig, Menschen in der falschen Sicherheit zu wiegen, Hochwasserschutzmaßnahmen lösten alle ihre Probleme. Die Natur hält sich nicht an unsere Prioritätenliste.

Ich finde es etwas „tricky“, wenn man Betroffenen sagt: Ihr könnt im Rahmen der jetzigen Richtlinie die Spielräume erhöhen, indem ihr euer Erdgeschoss zum Keller umwidmet, das 1. Obergeschoss zur Wohnfläche macht und somit mehr Schadensfläche angeben könnt.

(Uta Windisch, CDU: Das haben viele gemacht!)

Ich halte es für falsch, wenn es um die Motivation gehen soll, dass Menschen an anderer Stelle aufbauen, die Schadensregulierung als Grundlage zu nehmen und nicht den Wiederherstellungswert vor dem Schadensereignis. Ich halte es auch nicht für ganz ehrlich, wenn die 50Millionen-Euro-Diskussion noch darauf bezogen wird, ob das gutes Landesgeld ist oder woher es finanziert werden soll. Denn wenn wir ehrlich sind, wissen wir, dass wir durch die Spielräume des Aufbaufonds des Bundes und des Landes durchaus gute Effekte auch für das Land haben, sodass das finanzielle Argument für den Freistaat Sachsen, wie wir den Fonds finanzieren, nicht stehen kann.

Es ist dagegen aber ökonomisch sinnvoll, Umsiedlungen möglich zu machen, anstatt immer wieder aufzubauen, und es ist vernünftig, denjenigen die Möglichkeit zu geben, umzusiedeln, wenn sie das wollen. Wir haben dazu ein Konzept vorgelegt. Das ist schlichtweg eine Frage der Vernunft, und wir bitten um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das war das Schlusswort der Einreicherin SPD. Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/12660 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Vielen Dank. Stimmenthaltun

gen? – Eine große Anzahl von Stimmenthaltungen. Meine Damen und Herren! Damit ist die Drucksache 5/12660 nicht beschlossen und der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 10

NSA-Überwachungsaffäre: Voll-Überwachung internetbasierter

Kommunikation stoppen – Datensicherheit im Freistaat Sachsen stärken

Drucksache 5/12678, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gegen Verletzung

durch in- und ausländische Stellen wirksam schützen – Forderungen

des Sächsischen Datenschutzbeauftragten zu Konsequenzen aus dem

„Tempora“- und „PRISM“-Überwachungsskandal unverzüglich umsetzen!

Drucksache 5/12325, Antrag der Fraktion DIE LINKE,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: einbringende Fraktion GRÜNE, DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht. Die einreichende Fraktion ergreift mit Herrn Kollegen Lichdi das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde jetzt eine Rede halten, die Ihnen nicht gefallen wird.

(Heiterkeit)

Für eine nette Rede ist angesichts der Totalausspähung aller unserer Freiheitsäußerungen, auch Ihrer, Herr Kollege Piwarz, und dem Desinteresse und dem Totalversagen der verantwortlichen schwarz-gelben Regierungen wahrlich kein Anlass. Unsere gesamte elektronische Telekommunikation über das Internet, unser E-Mail-Verkehr sowie unsere Mobilfunkkommunikation werden gespeichert und ausgewertet. Die gesamte!

Die USA greifen nach dem Geheimbeschluss eines sogenannten Gerichts auf Daten bei Internetprovidern zu und analysieren sie mit dem Programm „PRISM“. Dabei erhalten sie nicht nur Verbindungsdaten, sondern auch Zugriff auf Dateninhalte, wahrscheinlich sogar in Echtzeit. Zahlreiche Hersteller haben bei ihrer Verschlüsselungs-Software von Anfang an gleich eine Hintertür für die NSA eingebaut.

In Deutschland greift die NSA im Monat mindestens 500 Millionen Datensätze ab. Im Monat! Davon

180 Millionen mit dem Programm „XKeyscore“! Nach Aussagen des Whistlesblowers Edward Snowden kann mit „XKeyscore“ per Suchmaske jede elektronische Kommunikation in Echtzeit abgehört werden. Die NSA liest bei Outlook mit – übrigens das Mail-Programm des Sächsischen Landtages. Die NSA überwacht den Datenverkehr usw. usf.

Auch das Vereinigte Königreich Großbritannien zapft mit dem Programm „Tempora“ aus Überseekabeln den gesamten Internetverkehr ab, speichert ihn für 30 Tage und reicht ihn zur Auswertung an die Amerikaner weiter. Inwieweit die Angloamerikaner auch deutsche Datenknotenpunkte, wie den zentralen in Frankfurt, abhören, ist bisher nicht bekannt. Falls das bekannt werden sollte, würde es mich nicht wundern.

Die Engländer schrecken sogar nicht davor zurück, ihre Partner in der EU bei einem G-8-Gipfel abzuhören. Auch die NSA hat diplomatische Vertretungen Deutschlands und der EU angezapft, als ob es sich um einen Gegner im Kalten Krieg handeln würde.

Meine Damen und Herren! Wir haben Edward Snowden zu danken, dass er uns die Augen geöffnet hat. Ich halte es für einen Skandal, dass sich dieser Mensch, der sich wie kaum ein anderer um unsere Freiheit verdient gemacht hat, in Putins Russland verstecken muss.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Hans-Jürgen Papier, hat zu Recht am 5. August festgestellt, „das Programm der NSA liege weit jenseits dessen, was das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen zur Vorratsdatenspeicherung und Telekommunikationsüberwachung noch für akzeptabel erachtet hat.“

Angesichts dessen, was wir heute wissen, müssen wir berechtigte Zweifel hegen, ob wir noch in einem Rechtsstaat leben. Im Lichte der Enthüllungen von Snowden war unsere gesamte rechtspolitische Auseinandersetzung der letzten 15 Jahre, etwa um den Großen Lauschangriff, den Staatstrojaner oder die Vorratsdatenspeicherung, eine niedliche Schaufensterveranstaltung im rechtsstaatlichen Sandkasten, den uns die Geheimdienste zur Ablenkung zugewiesen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Die anlasslose Totalüberwachung der elektronisch vermittelten Kommunikation verstößt gegen den fundamentalen rechtsstaatlichen Grundsatz, dass Eingriffe in die Freiheit der Bürger nur gegen Verdächtige und Störer zulässig sind. Eine Beschränkung der schweren NSA-Eingriffe auf schwere Straftaten oder Gefahren besteht nicht. Einen Schutz von Berufsgeheimnisträgern wie Geistlichen, Ärzten, Journalisten oder Abgeordneten gibt es ebenso wenig wie den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Die Totalspeicherung und Aushorchung ermöglicht und bezweckt geradezu die Erstellung von Kommunikations-, Bewegungs- und Sozialprofilen bis hin zu einem vollständigen Persönlichkeitsbild. Das hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich untersagt.

Meine Damen und Herren! Jede und jeder wird so in einen digitalen Käfig gesperrt. Nicht mehr die freie geschützte Kommunikation ist der Normalfall, sondern die Totalüberwachung aller elektronisch vermittelten Lebensäußerungen. Diese faktisch totale Rechtlosstellung des Bürgers, meine Damen und Herren, ist die Kernschmelze des Rechtsstaates. Die Totalüberwachung beraubt den Menschen seiner Würde und seines Persönlichkeitsrechts im Kern.

In den Augen der Geheimdienste sind wir nichts weiter als Datenspielmaterial, das hemmungslos nach allen Regeln der Kunst auszuquetschen ist. Die Bundesregierung vernachlässigt im Übrigen ihre verfassungsrechtliche Schutzpflicht. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt – und die Datenschutzbeauftragten haben darauf hingewiesen –, dass es „zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland gehört, für deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und internationalen Zusammenhängen einsetzen muss, dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf.“

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da können Sie einmal Ihren Freiheitswillen, den Sie heute Morgen so polemisch und populistisch ausgelebt haben, unter Beweis stellen!

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Meine Damen und Herren! Wir erkennen jetzt nichts weniger als Folgendes: Nicht nur Diktaturen, sondern formale Demokratien können zum Überwachungsstaat mutieren. Es ist eingetreten, wovor seit Jahren viele gewarnt haben: Nicht Al-Qaida gefährdet die Demokratie, sondern die Reaktion der Staaten auf deren Terroranschläge.

Meine Damen und Herren! Die deutschen Geheimdienste gehören mit zu den Tätern. Diese NSU-Versager haben die deutsche Öffentlichkeit nicht etwa vor der Ausspähung geschützt, ganz im Gegenteil! Sie haben sich bemüht, auch ein paar Brocken vom angloamerikanischen

Überwachungskuchen abzubekommen. Der BND und das BfV kooperieren mit der NSA und haben das Programm „XKeyscore“ erhalten. Im Gegenzug liefern sie die damit in Deutschland abgefischten Daten an die Amerikaner. Die deutschen Geheimdienste sind über einen Ringtauschverbund an dem Datenschutzverbrechen beteiligt. Der läuft nach dem Motto „Ich spioniere deine Bürger und du meine Bürger aus, und danach tauschen wir die Ergebnisse“. So werden innerstaatliche Hürden bewusst umgangen. Ich sage: Die Geheimdienste sind nichts anderes als kriminelle Organisationen im Gewand von Behörden.

(Beifall bei der NPD)

Kein Wunder bei der Verstrickung deutscher Geheimdienste, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung so tut, als sei nichts geschehen. Innenminister Friedrich, die personifizierte Ahnungs- und Hilflosigkeit, sowie Kanzleramtsminister Pofalla, das personifizierte Beruhigungsplacebo der Rautenkanzlerin, wollen der deutschen Öffentlichkeit weismachen, es sei gar nichts passiert, was man nicht in vertraulichen Gesprächen mit den amerikanischen Freunden ausräumen könne.