Wird von der CDU noch einmal das Wort gewünscht? – Ansonsten sind die Redezeiten aufgebraucht. Ich frage die Staatsregierung, ob sie das Wort wünscht. – Herr Staatsminister Dr. Martens; bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie bereits vorhin in der Aktuellen Debatte, scheint es so zu sein, dass man sich vor dem Sommer – der eher kühl zu werden schein – noch einmal so richtig in Wallung bringen möchte, um dann die Entspannung zu genießen, die einen im Urlaub überkommt. Anders ist das nicht zu erklären, wenn hier einfach mal in die Debatte eingestiegen wird nach dem Motto: Besser eine starke Behauptung als ein schwacher Beweis.
Von Herrn Lichdi wird erst einmal in den Raum gestellt, die Staatsanwaltschaft habe ihre Pflichten verletzt, Polizisten hätten nachweislich die Unwahrheit gesagt. Sie selbst führen aus, dass Material, das offensichtlich entlastende Beweise enthält, vorenthalten bzw. der Versuch, Beweismaterial vorzuenthalten, unternommen wurde. Herr Homann meint gleich, es sei neu zusammengeschnittenes und in belastender Form gefälschtes Material präsentiert worden. Ich weiß nicht, wo Sie alle das herhaben.
Ich weiß nicht, wo Sie das alles gesehen haben. Sie tun so, als hätten Sie 200 Stunden Videomaterial durchgesehen. Dann wären Sie aber die Einzigen, die das bisher gemacht haben, meine Damen und Herren. Sie wüssten jetzt bereits, was am Ende eines laufenden Gerichtsverfahrens das Ergebnis sein soll. Aber anmaßend ist das nicht?
Wenn Herr Lichdi in seiner Antragsbegründung meint, die Aussetzung des Verfahrens rechtfertige eine Landtagsdebatte, dann stellt das doch schon ein besonderes Licht auf das Rechtsstaatsverständnis der Antragsteller.
Meine Damen und Herren! Es ist schon ein besonderes Ding, wenn in einem laufenden Gerichtsverfahren eine Landtagsdebatte darüber geführt werden soll. Mit welchem Ziel eigentlich? Man möchte das Gericht nicht unter Druck setzen. Man möchte die Wahrheitsfindung nicht hinauszögern oder beeinflussen. Man möchte keine politische Stimmung erzeugen. Man möchte einfach nur einmal darüber gesprochen haben. – Das glauben Sie doch selbst nicht, meine Damen und Herren!
Natürlich möchten Sie damit etwas erreichen, und sei es nur die politische Diskussion in der Öffentlichkeit über ein Gerichtsverfahren. Das als solches ist nicht illegitim. Nur dürfen Sie sich dann nicht darüber wundern, dass der Vorwurf der politischen Instrumentalisierung eines Verfahrens auf Sie zurückfällt.
Was dahintersteckt, ist im Kern tatsächlich nicht der Wunsch nach einer politischen Justiz – nach einer Justiz, die über den Führungspfad Landtag, Justizministerium, Generalstaatsanwaltschaft, Staatsanwaltschaft, Staatsanwalt gesteuert wird. Das wäre der Steuerungsweg, den Sie sich vorstellen. Natürlich bleiben die Gerichte unangetastet, aber auf dem Weg könnte man es doch einmal versuchen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eines klarstellen: Die sächsischen Staatsanwaltschaften sind nicht politisch, sondern allein dem Gesetz verpflichtet.
Sie nehmen ihre Verfolgungs-, aber auch Aufklärungspflicht ernst, und sie erheben Anklage nach Abschluss von Ermittlungen, wenn sich aufgrund der Beweisführung die Verurteilung des Beschuldigten als wahrscheinlich bewerten lässt.
Meine Damen und Herren! Dabei hat der Staatsanwalt seine eigenen politischen Einstellungen unberücksichtigt
zu lassen. Ob die politischen Ziele eines Beschuldigten wie diesem bei der ihm vorgeworfenen Tat oder Handlung gebilligt werden oder nicht, hat bei der Frage der Anklageerhebung überhaupt keine Rolle zu spielen, und dies wird immer wieder und systematisch – ich behaupte sogar absichtlich – verkannt.
Nicht anders ist es zu werten, wenn in Stellungnahmen – etwa aus der Thüringer Landeskirche heraus – der Vorwurf erhoben wird, Herr König werde verfolgt, weil er sich gegen rechts engagiere, weil er Antifaschist sei. Das führt dann bis zu Aussagen wie von Herrn Thierse, der meint, dieses Verfahren sei keine Ermutigung, sondern eher eine Entmutigung. Herr Thierse hat alles das nicht begriffen, was einen Rechtsstaat ausmacht.
Die Justiz hat niemanden zu ermutigen. Die Justiz hat niemanden zu entmutigen bei der Frage, ob er sich antifaschistisch engagiert oder nicht. Das würde eine Justiz ausmachen, die sich politisch versteht. Das ist die sächsische Justiz ausdrücklich nicht. Sie können noch so viel versuchen hineinzuinterpretieren, es ist keine politische Justiz. Artikel 3 des Grundgesetzes verlangt, dass alle Bürger vor dem Gesetz gleich und gleich zu behandeln sind. Um das klarzustellen: Das gilt auch für Pfarrer, für Antifaschisten und für antifaschistisch engagierte Pfarrer, meine Damen und Herren.
In der „Sächsischen Zeitung“ vom 3. Juli wird geschrieben: „Das Demonstrationsrecht ist ein wichtiges Grundrecht. Gewalttätige Ausschreitungen, wie vor zweieinhalb Jahren geschehen, sind eine Straftat. Diesen Unterschied zu respektieren gehört in einer Demokratie zur Grundausstattung.“ Dem kann ich mich nur anschließen, meine Damen und Herren.
Im Verfahren König ist es so, dass nicht Abgeordnete, die Bürger oder die Presse, auch nicht die Landeskirchen, Herr Lichdi, über die Strafbarkeit des Angeklagten entscheiden, sondern das Amtsgericht Dresden, und zwar der gesetzliche Richter. Der wird die Beweise in der von Neuem beginnenden Hauptverhandlung würdigen und eine Entscheidung treffen.
In diesem Hinblick lassen Sie mich eines ausführen: Ich empfinde es als hochgradig unfair, in diesem Verfahrensstadium gegenüber dem Gericht eine solche auch öffentlichkeitswirksame Druckkulisse aus den Reihen des Parlamentes aufzubauen, sich hinzustellen und zu behaupten, wir wollen keinen Druck auf das Gericht ausüben, wir wollen das Verfahren auch nicht beeinflussen. Natürlich wollen Sie das Verfahren beeinflussen, denn sonst hätten Sie das alles hier heute nicht so beantragt. Dann sollten Sie es wenigstens zugeben und so ehrlich sagen, was Sie mit dieser Debatte in einem laufenden Verfahren erreichen möchten, meine Damen und Herren.
Wenn am Ende der Beweisaufnahme Beweise nicht ausreichen und das Gericht nicht überzeugt ist, dann wird es in diesem Verfahren einen Freispruch geben. Auch das ist ganz normal, das hängt vom Gericht ab. Wer einen Angeklagten schon vorher freispricht, weil ihm dessen politische Auffassungen gefallen, der hat das Prinzip des Rechtsstaates auch nicht verstanden oder will es nicht verstehen, meine Damen und Herren.
Zur Frage der Berichte, die das Justizministerium angefordert hat, und das als Vorwurf hochzuhalten, man würde damit politisch Einfluss nehmen wollen, lassen Sie mich eines klarstellen: Wir haben einen Bericht angefordert, nachdem wir aus den Parlament von der SPD-Fraktion ein Schreiben erhalten haben, in dem wir aufgefordert wurden, im Rechtsausschuss über das Verfahren zu berichten.
Daraufhin haben wir einen Bericht angefordert. Das jetzt hinterher als Steuerungsversuch im Verfahren hochzuhalten ist schon seltsam, meine Damen und Herren.
Es gibt übrigens jede Menge andere Anlässe, Berichte über Gerichtsverfahren anzufordern. Zum Beispiel wird Herr Jurk heute in der mündlichen Fragestunde eine Frage zu einem konkreten Verfahren vor dem OVG Bautzen stellen. Um diese Frage zu beantworten, haben wir uns selbstverständlich vom Oberverwaltungsgericht in Bautzen einen Bericht zu diesem Verfahren geben lassen. Also tun Sie nicht so, als sei das irgendetwas besonders Ungewöhnliches, meine Damen und Herren!
Meine Damen und Herren! Als Justizminister ist mir zu Recht ein Kommentar zu einem laufenden Verfahren untersagt. Ich muss auf die bisherige und zukünftige Haltung zur Unabhängigkeit der Gerichte verweisen. Der Vorwurf einseitiger Ermittlungen gegen den Angeklagten durch Staatsanwaltschaft oder Polizei wird in diesem Verfahren durch das Gericht zu klären sein. Ansonsten werden wir uns nach Abschluss des Strafverfahrens auch diesem Thema kritisch stellen und das auswerten, meine Damen und Herren. Dessen können Sie sich sicher sein. Aber nicht im laufenden Verfahren, das ist Sache des gesetzlichen Richters und nicht des Landtages; und diesen Unterschied müssen wir alle begreifen und danach handeln. Nur so können wir wirklich eine unabhängige Justiz in Sachsen weiter gewährleisten.
Ja, eine Kurzintervention. Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Es ist bekannt, dass Herr Kollege Dr. Martens ein launiger und unterhaltsamer Redner ist, auch ein Redner, der in der Lage ist – anders als andere Redner der Koalition –, eine Debatte zu führen. Sie haben hier in der altbewährten Art und Weise – wie Ihre Vorredner, wie insbesondere Herr Biesok – einen Popanz aufgebaut, um ihn dann mit großem Knall zerstechen zu lassen. Sie haben die Kunst der feinen Dreckschleuder, wie es auch Herr Biesok getan hat, wirklich trefflich ausgeführt.
Herr Dr. Martens, ich muss Ihnen ganz klar sagen: Wenn Sie glauben, dass wir den Rechtsstaat nicht verstanden haben, dann spreche ich Ihnen diese ungeheuerliche Unterstellung und Beleidigung ab.
Dieses Recht haben Sie nicht! Wenn Sie uns unterstellen, dass wir mit dieser Debatte den Wunsch nach einer politischen Justiz zum Ausdruck gebracht hätten, sage ich Ihnen, dann zerschneiden Sie tatsächlich den Grundkonsens der Demokratinnen und Demokraten.
Herr Dr. Martens, Sie sind klug genug, Sie wissen, was Sie im Gegensatz zu anderen Rednerinnen und Rednern der Koalition sagen. Ich sage Ihnen, Sie haben einfach in Ihrem ministeriellen Elfenbeinturm nicht verstanden, worum es geht.
Ich komme noch mal darauf zurück: Wir haben hier seit über zwei Jahren so etwas wie Bestrafung durch Ermittlungsverfahren. Ich erinnere an die 351 Leute, die sich nichts zuschulden kommen lassen, außer dass die sächsische Justiz meint, dass etwas strafbar sei, was in anderen Bundesländern nicht strafbar ist, die sich über zwei Jahre lang diesem ausgesetzt haben, wo es keine Medienberichterstattung wie im Fall König gegeben hat. So gibt es viele Fälle in Sachsen! Sie haben überhaupt keine Ahnung, wie es diesen Menschen geht, wie es denen finanziell und beruflich geht! Darum geht es! Der Fall Lothar König ist die Spitze des Eisberges, an dem man diese Vorgehensweise der sächsischen Justiz schlicht und ergreifend darstellen kann.