Ist denn jemand hier im Saal Verfahrensbeteiligter, sodass er genau sagen kann, welche Gründe es gewesen sind, dass das Gericht so entschieden hat? Dann solle er sich bitte melden, wenn er Verfahrensbeteiligter ist.
(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Aufstehen! – Johannes Lichdi, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)
Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich beantworte Ihre Frage gern: Ich bin kein Verfahrensbeteiligter, allerdings – –
Ich wollte dem Kollegen entgegenkommen. – Herr Kollege, sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass ich am 2. Juli im Gerichtssaal anwesend war
und die Begründung des Vorsitzenden Richters, Herrn Ulrich Stein, vernommen habe und dass Herr Richter
Stein nach meiner Erinnerung gesagt hat, dass aufgrund des vorgelegten Videomaterials von über 200 Stunden, das auch aus seiner Sicht entlastendes Material enthält, eine völlig neue Sichtung erforderlich ist und dass er nicht absehen kann, wann Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht diese Sichtung vornehmen können, und er deswegen drei, vier, fünf oder sechs Monate – also offen – aussetzt? Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich das so vernommen habe? Es wurde im Übrigen einvernehmlich so von der Presse darüber berichtet, dass er das so gesagt hat.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe festgestellt, dass Herr Lichdi nicht Verfahrensbeteiligter ist. Damit ist die Sache für mich erledigt.
Wenn Sie als Gast dem Verfahren beigewohnt haben, dann war das Ihre Entscheidung. Ich habe nur festgestellt, dass es hier im Saal keinen Verfahrensbeteiligten gibt.
Für uns bleibt Folgendes klarzustellen: Der Sächsische Landtag ist kein Entscheidungsträger und kein mit einer Person Beteiligter in diesem Verfahren. Deshalb gehört es sich auch nicht, sich dort einzumischen; wir haben aufgrund der Verfassungslage kein Recht dazu.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Johannes Lichdi, GRÜNE, meldet sich zu einer weiteren Zwischenfrage.)
Nein. – Ob mir persönlich das gefällt oder ob mir ein Betroffener sympathisch ist oder nicht – ich muss die Regeln des Rechtsstaates akzeptieren. Das werden wir tun. Wir halten diese Debatte nicht für hilfreich, es sei denn, dass Sie politischen Druck auf die Entscheidung des Gerichts ausüben wollen. Das wollen wir nicht! Wir wollen einen Rechtsstaat, der korrekt entscheidet. Herr König hat mit seinen Verteidigern die Möglichkeit, im Verfahren entsprechend zu votieren und die Mittel zu nutzen, die der Rechtsstaat bietet.
Das war Kollege Schiemann für die CDU-Fraktion. – Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Herr Kollege Bartl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Schiemann, der Landtag ist Stätte der Gesetzgebung sowie der politischen Meinungs- und Willensbildung. Es geht um ein Verfahren, das seit Monaten bundesweit debattiert und reflektiert wird. Am siebenten Verhandlungstag hat ein Zeuge der Polizei ausgesagt – der entsprechende Vorwurf steht also im Raum –, 200 Stunden Videomaterial, in dem offensichtlich erheblich entlastende Beweise enthalten sind,
seien nicht in die Beweisaufnahme eingeführt worden, nicht vorgelegt worden und weder der Verteidigung noch dem Gericht – ob der Staatsanwaltschaft, weiß ich nicht – verfügbar gewesen. Daraufhin hat der Richter völlig rechtsstaatsgemäß entschieden, dass er die Verhandlung mehrere Monate lang aussetzen müsse, was zur Konsequenz hat, dass alles, was bisher verhandelt wurde, obsolet ist; es beginnt also völlig von vorn. Die beiden Verteidiger haben gesagt: „Hier ging es zu wie in einer Fälscherwerkstatt.“ Angesichts all dessen steht ein herber Vorwurf im Raum, zu dem das Parlament – es kontrolliert nach der Gewaltenteilung selbstverständlich nicht das Gericht, aber über den Justizminister die Staatsanwaltschaft als exekutives Organ – nicht schweigen darf.
Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Kollege! Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich am 2. Juli mit meinen eigenen Ohren vernommen habe, dass Frau Staatsanwältin SchmerlerKreuzer bestätigt hat, auch ihr habe dieses Material nicht vorgelegen?
Ich nehme das so zur Kenntnis. – Ich habe von einem Verfahrensteilnehmer noch die Botschaft übermittelt bekommen, sie habe sinngemäß gesagt, es sei ihr nicht zumutbar gewesen, 200 Stunden Videomaterial der Polizei zu sichten. Darauf sage ich: Es gibt einen § 163 der Strafprozessordnung. Dieser bestimmt, dass die Staatsanwaltschaft Leiterin des Ermittlungsverfahrens ist. Wenn ich ein Verfahren von der Sensibilität, von der politischen Bedeutung und von der – wir kommen nicht darum herum – Öffentlichkeitswirkung habe, muss ich mich als Leiter des Ermittlungsverfahrens mit allen verfügbaren Beweismitteln befassen, bitte schön auch mit 200 Stunden vorhandenen Videomaterials. Ich darf es nicht der Polizei überlassen, was dann vorgelegt oder nicht vorgelegt wird.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bartl, ich möchte die Frage stellen: Hat der Strafverteidiger die
Selbstverständlich hat er die Möglichkeit. Herr Kollege Schiemann, es ist nicht aus der Welt zu schaffen – auch nicht durch Beschweigen im Parlament –, was als Prozessfakt feststeht: Ein Polizeibeamter hat über die Existenz dieser 200 Stunden Videomaterial Angaben gemacht. Kollege Lichdi hat an der Verhandlung als Gast teilgenommen; ich war an dem Tag verhindert. Mir ist mitgeteilt worden, dort habe auch im Raum gestanden, dass der Leiter der Videoauswertung der SoKo 19/2 derselbe Beamte gewesen sein soll, der im August 2011 die Hausdurchsuchung in Jena geleitet hat.
Klar ist – das tragen letzten Endes auch die Verteidigerin und der Verteidiger vor –: Es liegt in der Verantwortung der Staatsanwaltschaft, von vornherein dafür zu sorgen, dass den Prinzipien der Aktenvollständigkeit, Aktenwahrheit und Aktenklarheit in jedem Verfahrensstadium zum Durchbruch verholfen wird.
Diese Prinzipien sind elementare Bestandteile des Rechtsstaates, in dem wir – Gott sei Dank! – leben. Am siebenten Verhandlungstag wurde klar, dass es mit den Prinzipien der Aktenwahrheit und der Aktenvollständigkeit in dem Verfahren nicht „passt“. Der aktuelle Kommentar zur StPO bezieht sich exakt darauf, dass „alle vom ersten Zugriff der Polizei (§ 163) gesammelten be- und entlastenden Schriftstücke einschließlich etwaiger Bildmaterialien und Tonaufnahmen nebst hiervon gefertigter Fotos“ vorzulegen sind. Das besagt die Kommentierung im Originalkernbereich dessen, was das Erfordernis der Aktenvollständigkeit und das Akteneinsichtsrecht der Verteidigung betrifft.
Herr Schiemann, ich habe ein Problem – das sage ich auch als Vorsitzender des 2. Untersuchungsausschusses –: Die Zeugen, die wir dort gehört haben und die im Zuge der „Sachsensumpf“-Aufarbeitung von Strafverfolgung betroffen sind, insbesondere die ehemalige OK
Referatsleiterin und ein ehemaliger Mitarbeiter aus dem Bereich der Beschaffung, der wegen vermeintlichen Verrats von Dienstgeheimnissen angeklagt ist, haben, soweit es überhaupt zur Eröffnung eines Prozesses gekommen ist, über ihre Verteidigung vorgetragen, dass ihnen Akten und Materialen vorenthalten worden seien, auf die sich die Anklage stützt.
Zig Seiten Material! Sie waren nie dabei, Herr Staatsminister Dr. Martens, wenn der Ausschuss Zeugen vernommen hat.
Dann entsteht natürlich der Verdacht, es habe Prinzip, dass man bestimmte Akten und Aktenteile nicht vorlegt.
Verantwortlich dafür ist die Behörde, die für die Leitung des Ermittlungsverfahrens zuständig ist und über die das Parlament – über den Justizminister – die Kontrolle ausübt.