Protocol of the Session on January 21, 2010

Dass Sie in der jetzigen Phase versuchen, mit allen möglichen – ich will nicht sagen Taschenspielertricks – Nebenschauplätzen im Nachgang Ihre Entscheidung noch einigermaßen in ein gutes Licht zu rücken, kann ich verstehen, aber im Kern bleibt es dabei: Es geht darum, dass wir als Politiker mit den Menschen in diesem Land so nicht umgehen können, dass wir auch mit den Kommunen und den Verbänden so nicht umgehen können. Unser Antrag sagt nichts mehr und nichts weniger, als dass das, was im Haushalt steht, umzusetzen ist. Es geht nur darum, dass wir die vorliegenden Anträge und das Volumen, das noch ausgeschöpft werden kann, wirklich ausschöpfen.

Vom Sächsischen Landtag sollte heute das Signal ausgehen: Wir haben verstanden, da ist etwas schiefgelaufen, das sehen wir als Parlamentarier so nicht, wir halten uns an das Haushaltsrecht, wir haben es in den Haushalt eingestellt und dieser Haushalt gilt. Deshalb noch einmal meine Bitte an die vielen Vertreterinnen und Vertreter der CDU-Fraktion: Haben Sie Mut, trauen Sie sich! Nehmen Sie Ihr Recht als Parlamentarier wahr und stimmen Sie unserem Antrag zu.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Ich danke Ihnen, Herr Brangs. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Herr Abg. Jennerjahn.

(Jürgen Gansel, NPD: Es geht doch gar nicht um Rechtsextremismus!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln heute unter dem Tagesordnungspunkt 6 zwei Anträge, die inhaltlich deutliche Parallelen aufweisen. Angesichts des Themas finde ich es sehr positiv, dass wir über zwei Anträge befinden können. Wir sollten uns aber zu Beginn der Frage zuwenden, wovon wir inhaltlich

eigentlich sprechen. Wir sprechen vom unrühmlichen, vorzeitigen Ableben eines sinnvollen Programms zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit. Wir sprechen von einer Arbeitsmarktpolitik des FDP-Wirtschaftsministers, die diesen Namen bisher schlichtweg nicht verdient hat. Wir sprechen von Begründungen, die der Überprüfung nicht standhalten können – das hat Kollege Brangs schon ein Stück weit ausgeführt. Wir sprechen von einer Vielzahl von Maßnahmenträgern, die sich durch das vorzeitige Ende der Kofinanzierung durch den Freistaat betrogen fühlen; und nicht zuletzt sprechen wir über Menschen, die in dieses Programm große Hoffnungen gesetzt haben und nun bitter enttäuscht zurückgelassen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Es ist noch kein halbes Jahr her, da schwärmten die Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums in Sachsen aus, um die Vorteile des Bundesprogramms Kommunal-Kombi zu preisen und potenzielle Maßnahmenträger von den Vorteilen der Teilnahme zu überzeugen. Dass sie Erfolg hatten, zeigt nicht zuletzt die stetig wachsende Zahl von Antragstellern in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres.

Während viele Anträge noch zur endgültigen Bewilligung beim Bundesverwaltungsamt in Köln liegen, verkündete Wirtschaftsminister Morlok im November das Aus der Kofinanzierung durch den Freistaat und begründete dies zunächst mit der Ausschöpfung der vorgesehenen Haushaltsmittel. Völlig zu Recht erntete die Entscheidung Kritik und Verständnislosigkeit auf allen Seiten. Aus den Reihen der SPD hieß es dazu beispielsweise: Ein Wirtschafts- und Arbeitsminister, der zusätzliche Arbeitsplätze streicht, habe den falschen Job gewählt.

Hierbei muss ich Sie ein Stück weit korrigieren, meine Damen und Herren von der SPD: Diese Kritik tut ihm unrecht. Herr Morlok hat den Job nicht selbst gewählt, sondern er wurde ihm übergeholfen, nachdem Kollege Zastrow den Job abgelehnt hatte.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion und der SPD)

Doch sprechen wir lieber über die betroffenen Maßnahmenträger wie die Diakonie Sachsen. Diese sprachen – ich zitiere – „von einem Rechtsbruch und Zeichen sozialer Kälte“. – Andere fassten sich kürzer und konnten das Problem letztlich auf drei Buchstaben reduzieren, die da lauten: FDP.

In Kreisen der FDP tönt es schon lange, man könne keine Beschäftigung gegen den Markt und gegen ökonomische Prinzipien aufbauen. Das Hochhalten des Marktes und seiner Grundlagen aus dem Munde derer zu hören, die mit ihrer Steuerpolitik einfachste ökonomische Zusammenhänge ignorieren, hat schon etwas Groteskes. Es ist auch grotesk, wenn man die volkswirtschaftliche Kurzsichtigkeit betrachtet, die dahinter steht. Gesamtgesellschaftlich betrachtet ist es letztlich günstiger, Arbeit statt Arbeitslo

sigkeit zu finanzieren. Außerdem konnte der Einsatz von Landesmitteln Bundesmittel und Gelder der Europäischen Union in Sachsen binden. Mit nur 220 Euro monatlich pro geförderte Maßnahme aus dem sächsischen Haushalt konnte Langzeitarbeitslosen ein dreijähriges Sozialversicherungsverhältnis angeboten werden, und sie konnten damit sowohl sozial als auch beruflich integriert werden.

Die Behauptung von Wirtschaftsminister Morlok, der Kommunal-Kombi würde Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt verdrängen, ist durch nichts belegt. Auch darauf hat Kollege Brangs schon hingewiesen. Es gibt zahlreiche Prüfungen, wie zum Beispiel durch die IHK, für jede einzelne Stelle. Kein einziger Arbeitsplatz im Handwerk oder in einem mittelständischen Betrieb wurde letztlich damit gefährdet. Vielmehr ging und geht es in dem Programm um zusätzliche Tätigkeiten, vor allen Dingen im gemeinnützigen Bereich, für die sonst kein Geld da ist und die deshalb gerade nicht von privatwirtschaftlichen Unternehmen erledigt werden können. Ohne Kommunal-Kombi würden diese Arbeiten unerledigt bleiben oder dem Ehrenamt zufallen. Das ist jetzt kein Plädoyer gegen das Ehrenamt, aber wir alle wissen bei aller Notwendigkeit von ehrenamtlichen Tätigkeiten: Das Ehrenamt ist in seinen Möglichkeiten auch ein Stück weit begrenzt. Insofern ist der Kommunal-Kombi eine sehr sinnvolle Zusatzmaßnahme gewesen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Auch dieser Begründungsversuch des Ministers ist in der Konsequenz nicht zu halten.

Es gab einen weiteren Grund, den Kommunal-Kombi abzulehnen. Diesen findet man auf einer Internetseite der Liberalen. Dort heißt es – ich zitiere –: „Es wird nichts produziert. Damit erfolgt also keine Wertschöpfung.“

(Zuruf von der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Dieser Satz illustriert das – ich formuliere es einmal halbwegs nett – etwas simple Weltbild der FDP. Sie erinnern sich alle an den Landtagswahlkampf im Jahre 2004. Dort hatte die FDP noch den markigen Wahlwerbeslogan plakatiert: „Herz statt Hartz!“ – Jetzt wird aber deutlich: Was sich nicht sofort in Heller und Pfennig beziffern lässt, hat keinen Wert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, erklären Sie das doch einmal all jenen, die sich im Ehrenamt engagieren und gesellschaftlich wichtige Aufgaben übernehmen, zum Beispiel in der Pflege und Betreuung alter Menschen. Sie produzieren alle nichts. Ganz im Gegenteil, sie lassen auch noch Dinge verschwinden: volle Windeln, Schmutz und Abfall im öffentlichen Raum oder Kummer kranker und einsamer Mitmenschen. – Im liberalen Weltbild hat das derzeit offensichtlich keinen Stellenwert.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Herr Staatsminister Morlok, nach den bisher aufgeführten Verdrängungstheorien haben Sie ein neues Argument ins Feld geführt, das auch nicht viel besser ist: Kommunal

Kombi führe nicht zur Wiedereingliederung der Teilnehmer in den ersten Arbeitsmarkt.

Da frage ich mich erstens, wie Sie das beurteilen können, wo doch die Maßnahme gerade erst richtig angelaufen ist und von niemandem beendet wurde. Zweitens geht aus der Stellungnahme Ihres Hauses auf unseren Antrag hervor, dass Sie bislang keine Kenntnis über die Details des Programms haben und Sie es offensichtlich auch nicht für notwendig erachten, diese Wissenslücke zu schließen. Stattdessen überlassen Sie eine Evaluation dem Bundesverwaltungsamt und sehen sich nicht in der Verpflichtung, eine über reine Mutmaßungen hinausgehende Einschätzung auf Landesebene zu treffen. Drittens ist das Bundesprogramm eindeutig so ausgelegt, dass gerade keine Überschneidungen mit dem ersten Arbeitsmarkt auftreten, um Verdrängungen regulärer Arbeit zu verhindern.

Ich hoffe, wir hören heute keine weiteren Begründungsversuche. Für den vorzeitigen Förderstopp muss jetzt wieder der sächsische Staatshaushalt herhalten. Jetzt gebe es angeblich im Haushaltstopf 2012 nicht genug Geld. Auch darauf wurde schon hingewiesen. Selbst wenn das stimmen sollte, frage ich mich, was mit den Haushaltsmitteln geschieht, die in den Jahren von 2008 bis 2011 nicht ausgeschöpft werden. Allein im vergangenen Jahr wurden von den geplanten 14 Millionen Euro nur 10 Millionen Euro verausgabt. Im Haushalt steht ausdrücklich, dass die Mittel übertragbar seien. Warum tun Sie das dann nicht einfach?

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

An der Sparsamkeit der FDP kann es nun nicht wirklich liegen, denn die umstrittene Diätenerhöhung zu Beginn des Jahres haben Sie mitgetragen. Sie haben weitere Staatssekretärsstellen geschaffen und andere Versorgungsposten eingerichtet.

(Zuruf des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Herr Staatsminister hat soeben darauf hingewiesen, dass noch circa 500 Anträge, mit denen circa 800 Stellen gefördert werden könnten, durch den vorzeitigen Bewilligungsstopp nicht mehr möglich sind. Auch wir hatten andere Zahlen. Bis zu 1 000 Stellen waren im Gespräch. Diese Stellen liegen auf Eis, obwohl die Kofinanzierung der Stellen vom Freistaat vorher noch bewilligt worden ist.

An dieser Stelle kann ich allen Betroffenen nur raten, beim Bundesverwaltungsamt in Köln Widerspruch einzulegen und die Entscheidung der Staatsregierung so nicht hinzunehmen. Immerhin wurden sämtliche Kofinanzierungszusagen des Freistaates rechtskräftig unterschrieben. Diese Unterschrift ist auch mehr als die Unterzeichnung einer Inaussichtstellung von Mitteln, wie es die Staatsregierung auslegen möchte. Das Bundesamt hätte keine einzige Stelle in Sachsen bewilligen dürfen; denn dazu braucht es einen gesicherten Finanzierungsplan. Eine Absichtserklärung der Sächsischen Staatsregierung, die Kofinanzierung vielleicht oder vielleicht auch nicht zu übernehmen, hätte in keinem Fall ausgereicht.

Auch nicht ausreichend – das ist mein letzter Punkt – war die Art und Weise, mit der das Wirtschaftsministerium die Öffentlichkeit über seine Entscheidung informiert hat. Alle Betroffenen, von den Maßnahmenträgern bis zu den Arbeitslosen, haben vom Stopp der Finanzierung erst aus der Presse erfahren. Das, meine Damen und Herren, ist für mich ein deutliches Zeichen ministerieller Geringschätzung derjenigen, für die das Ministerium eigentlich Dienstleister sein sollte. Ich fordere Sie an dieser Stelle ausdrücklich auf, sich mit den Fragen, die unser Antrag stellt, auseinanderzusetzen und gleichzeitig die Kofinanzierung aller noch offenen Anträge sicherzustellen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD – Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Ich danke Ihnen, Herr Jennerjahn, für Ihren Beitrag. – Nun ist die Fraktion der CDU an der Reihe. Es spricht Herr Abg. Krauß; Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über den Kommunal-Kombi. Der Vorredner hat es bereits gesagt: Es gab ein Ableben. Wir sind also mehr oder minder zu einer Trauerfeier zusammengekommen, auf der wir die Entwicklung beweinen können.

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Ich hätte mir eine Debatte im Oktober/November gewünscht, damit wir frühzeitig in die Entscheidung des Wirtschaftsministeriums eingebunden worden wären. Zum heutigen Tag hat die Diskussion des Themas leider wenig Sinn.

(Beifall der Abg. Stefan Brangs, SPD, und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Wir wissen, die Richtlinie sieht vor, dass Anträge bis Ende 2009 möglich sind. Diese Zeit ist jetzt, im Jahr 2010, abgelaufen.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Spitze des Wirtschaftsministeriums wäre gut beraten gewesen, vor ihrer Entscheidung deren Vor- und Nachteile deutlich abzuwägen. Das ist offensichtlich nicht passiert.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Ich halte dem Minister zugute, dass wir in einer schwierigen finanziellen Situation sind. Man muss an jeder Ecke sparen. Das wollen wir nicht von der Hand weisen; das steht außer Frage. Nichtsdestotrotz, eine Entscheidung so holterdiepolter zu treffen und einfach Schluss zu machen ist ein schlechter Umgangston gegenüber den Kommunen und Verbänden, den Betroffenen, aber auch gegenüber uns als Landtag.

(Beifall der Abg. Stefan Brangs, SPD, und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Ich kann nur sagen: Der Auftakt für den Wirtschaftsminister in seinem neuen Amt ist nicht gelungen. Das hat er vor allem sich selbst zuzuschreiben.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn man mitbekommt, dass das Geld alle wird, hätte ich mir gewünscht, dass ein Stichtag gesetzt wird. Man hätte sagen können: Leute, hört zu, alle Anträge, die bis zu diesem Zeitpunkt eingegangen sind, werden noch ordentlich bearbeitet und danach ist Schluss. Das hätte man machen können. Als das Kind in den Brunnen gefallen war, hätte ich mir gewünscht, dass man für die bereits vorliegenden Anträge eine Lösung findet. Das war unser Bestreben als CDU-Fraktion. Leider ist das Wirtschaftsministerium auf unsere Vorschläge nicht eingegangen.

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: So ist es!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie gesagt, wir können heute leider nur noch einen Nachruf halten. Deshalb möchte ich jetzt mit der Würdigung des Verstorbenen beginnen. Dabei soll man ja nichts Schlechtes sagen und das wird mir auch nicht schwerfallen.