Protocol of the Session on June 20, 2013

(Martin Dulig, SPD: Freudige Erregung!)

werde ich öfter eine stellen müssen.

(Heiterkeit und Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Wir haben festgestellt, dass gerade im Forschungs- und Entwicklungsbereich – kurz: FuE – die Mikroelektronik sehr hohe finanzielle Aufwendungen erfordert. Ich bin der Meinung, dass das – bei aller Wertschätzung – unseren Freistaat zukünftig überfordern würde.

Deshalb ist es richtig und wichtig – ich appelliere besonders an die Fraktion, die, von mir aus gesehen, ganz rechts sitzt, gut zuzuhören –, dass die Europäische Kommission, wie es in der Pressemitteilung von Vizepräsidentin Kroes vom 24.05.2013 heißt, entschieden hat: Wir erkennen an, dass wir dieses Problem in Europa gemeinsam lösen müssen.

Wir haben in Europa drei Mikroelektronikstandorte: Dresden, Eindhoven, Grenoble. Daher müssen wir die Herausforderungen gesamteuropäisch anpacken.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deshalb ist es wichtig, dass die Europäische Kommission bis 2020 circa 100 Milliarden Euro aus privaten und öffentlichen Fördertöpfen für diese Investition tätigt. Wir befinden uns nicht mehr in einem innereuropäischen, sondern in einem globalen Wettbewerb. Das müssen wir uns vergegenwärtigen. Silicon Europe ist ein wichtiges Thema. Das werden auch wir hier mit begleiten.

Wir sind in Sachsen gut aufgestellt. Wir haben das mit unseren Fördermöglichkeiten erreicht. Wir müssen uns aber auch auf die Unterstützung der Europäischen Union und des Bundes ausrichten, weil uns das sonst finanziell überfordert. Wir wollen weiterhin – das sage ich ganz bewusst als wirtschaftspolitischer Sprecher meiner Fraktion – den kleinen und mittleren Unternehmen in ihren

Forschungs- und Entwicklungsbemühungen die finanzielle Grundlage geben, indem hier sächsische Erfindungen ihren Platz finden.

Ich darf erinnern, Sachsen ist das Land der Erfinder und der Denker und der nach vorn Strebenden, ob das die Filtertüte, der mechanische Webstuhl, die Zahncreme oder die Thermoskanne war, der Teebeutel oder sonst etwas, bis hin zum Meißner Porzellan, meine Damen und Herren. Ich glaube, wir werden gut aufgestellt sein, wenn wir uns diesen Dingen, die die Europäische Union voranbringen wird, gemeinsam widmen. Es ist wichtig, dass wir den Mikroelektronikstandort Dresden in Sachsen und damit den Mikroelektronikstandort Europa weiter stärken. Ich wünsche uns für die Zukunft weiterhin viel Erfolg.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die einbringende Fraktion haben wir gerade Kollegen Heidan gehört. Es schließt sich jetzt für die Miteinbringerin FDP-Fraktion Herr Herbst an.

(Karl-Friedrich Zais, DIE LINKE: Herr Herbst, haben Sie auch eine Kleine Anfrage gestellt?)

– Ich wusste die Antwort schon vorher, musste ich nicht machen.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Entwicklung der Halbleiterindustrie in Sachsen ist eine Erfolgsgeschichte. Jeder zweite in Europa produzierte Chip trägt heute das Label „Made in Saxony“. Silicon Saxony ist der größte Mikroelektronik-Cluster in Europa und wir sind im weltweiten Vergleich die Nummer 5. Ohne Frage ist die Entwicklung der Mikroelektronik einer der Treiber für die erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung in Sachsen. 25 000 Menschen finden in dieser Branche Arbeit. Wir haben einen Umsatz pro Jahr von rund 6 Milliarden Euro. Sachsen ist ein Top-Standort für Mikroelektronik und Nanoelektronik. Das liegt daran, dass der Rahmen einfach stimmt.

Wir haben in Sachsen mittlerweile eine stark entwickelte Forschungs- und Entwicklungslandschaft. Wir haben, was nicht in allen Branchen so ist, eine nahezu geschlossene Wertschöpfungskette. Es gibt sehr enge Verflechtungen zwischen der Halbleiterindustrie und anderen wichtigen Branchen in Sachsen. Denken Sie nur an den Automobilbau oder beispielsweise an den Maschinenbau. Es ist aber nicht alles nur einfach. Denn gerade die Halbleiterindustrie ist eine Branche mit extremen Herausforderungen. Sie ist kapitalintensiv, wenn man schaut, wie hoch die Investitionssumme pro Arbeitsplatz ist. Sie ist risikobehaftet. Sie schwankt sehr stark mit den Konjunkturzyklen. Wenn man sich das Beispiel Qimonda anschaut, kann man sehen, wie hoch das Risiko in dieser Branche ist.

Es gibt einen weiteren Punkt, der diese Branche sehr stark von anderen Branchen unterscheidet. Wir haben es hier nicht mit einem ganz freien Markt und ganz freien Wett

bewerb zu tun. Herr Heidan hat es angesprochen: Es gibt einen Wettbewerb im Bereich staatlicher Subventionen, insbesondere mit Nordamerika und Asien. Wir müssen darauf Rücksicht nehmen, dass diese Branche nicht nur durch das Agieren der Unternehmen am Markt bestimmt wird.

Die Mikroelektronik, das haben alle Regionen erkannt, hat strategische Bedeutung für die Entwicklung wichtiger Branchen, sie ist zudem sicherheitsrelevant. Wir müssen uns fragen, ob wir in Europa neben Nordamerika und Asien auch in Zukunft Produktions- und Entwicklungsstandort sein wollen oder nicht. Ich bin der Auffassung, dass wir das Geschäft nicht den anderen überlassen dürfen.

(Beifall bei der FDP)

Die EU hat gehandelt und dazu beigetragen hat auch die Initiative der Sächsischen Staatsregierung, auf EU-Ebene die Bedeutung der sogenannten KET (Key Enabling Technologies) auf die Tagesordnung zu heben. Die EU hat jetzt eine neue Strategie für die Mikroelektronik und Nanoelektronik herausgegeben. Herr Heidan hat es angesprochen: Es geht um die Unterstützung für die drei europäischen Hightech-Standorte Dresden, Eindhoven und Grenoble. Ich würde mir allerdings wünschen, dass auch die Bundesregierung stärker diese europäische Initiative unterstützt, denn die strategische Bedeutung muss man einfach erkennen.

Es geht nicht nur darum, dass wir Forschung fördern. Das tun wir umfangreich. Es geht im globalen Wettbewerb auch darum, dass man ganz vorn mit dabei ist bei der Technologieentwicklung, wenn es um neue Pilotlinien geht und um Produktionsstätten von besonderer Bedeutung. Wenn wir hier nicht reagieren, wenn wir hier nicht bei den neuesten Entwicklungen ganz vorn mit dabei sind, dann werden wir den Anschluss an die neueste Technologiegeneration verlieren. Und wer den Anschluss verliert, wird am Ende auch die Produktion verlieren. Das sollten wir nicht zulassen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir haben in Sachsen ein wichtiges Pfund, mit dem wir wuchern können. Die Menschen hier und die Gesellschaft sind aufgeschlossen gegenüber neuen Technologien. Wir sind technologieoffen. Innovation ist positiv belegt und auch die Innovationsstrategie der Staatsregierung geht in die Richtung zu sagen: Wir brauchen Innovationen, wir wollen sie aber technologieoffen gestalten. Es gibt hier eine einzigartige Forschungslandschaft. Wir schaffen es – und das ist wichtig –, internationale Fachkräfte hierher zu holen. Das ist ein Beitrag dafür, Sachsen auch international zu öffnen. Wir haben hier eine Menge an Kreativität und Unternehmergeist, nicht nur in den ganz großen Unternehmen, nicht nur bei Global Foundries und bei Infineon, sondern auch im Zulieferbereich. Wir als Sachsen bekennen uns zur Industrie und zur Industrietradition. Deshalb sollten wir wirtschaftspolitisch alles dafür tun, dass die Erfolgsgeschichte in der Mikro- und Nanoelekt

ronik in Sachsen weitergeht und dass wir es schaffen, auch in den neusten Technologiegenerationen nicht nur europaweit, sondern weltweit ganz vorn an der Spitze zu sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Nach den antragstellenden Fraktionen – Herr Kollege Herbst sprach gerade für die FDP-Fraktion – folgen jetzt in der Rednerreihe die Fraktionen DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Dr. Pinka.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin erst seit 2009 in diesem Landtag, habe aber mitbekommen, dass Sie Anfang 2009 ernsthaft hier gerungen haben, insbesondere auch meine Fraktion, um den Fortbestand eines der wichtigsten im Lande existierenden Chip-Hersteller, nämlich Qimonda. Von daher hätte es mich sehr gefreut, wenn Sie den Debattentitel „Wir haben aus Qimonda gelernt“ genannt hätten. Jetzt heißt er etwas anders, aber die Forderung ist natürlich gut.

Ich kann sie für unsere Fraktion nur unterstützen, aber ich habe auch von Herrn Minister Morlok gehört, dass er ganz allein in Brüssel war, dass ihn der Bundeswirtschaftsminister Rösler und Bundesforschungsministerin Wanka nicht in Brüssel mitvertreten haben. Das halte ich für sehr bedenklich, weil offensichtlich die anderen Länder wie Frankreich, die Niederlande oder Belgien höherrangig in Brüssel vertreten waren. Das hat Konsequenzen und macht sich bemerkbar.

Wenn wir die Produktion von Mikro- und Nanoelektronik bis zur Weltspitze führen wollen, dann müssen wir die 5 Milliarden Euro Anreiz, die die EU schaffen will, um 100 Milliarden Euro aus privaten und öffentlichen Mitteln in diesem Sektor zu mobilisieren, auch finanziell unterstützen. Die EU-Kommission hat hierzu gleich

100 Millionen Euro als Anreizfinanzierung lockergemacht. Und Dresden – sicher einer der bedeutendsten Chip-Standorte in Europa – hat hiervon leider nur 1 %, nämlich 1,1 Millionen Euro abbekommen. Das heißt für mich im Umkehrschluss: Andere Länder haben vielleicht schon signalisiert, dass sie perspektivisch gewillt sind, hohe Summen in die Hand zu nehmen, um dieser europäischen Vision auf die Sprünge zu helfen. Wundern würde mich das nicht.

Ich wüsste, was ich machen würde, wenn ich Wirtschaftsminister dieses Landes wäre. Ich wüsste, wie der Doppelhaushalt im nächsten Jahr aufgestellt sein müsste. Ich wüsste natürlich auch, wie ich noch deutlicher nach Berlin Schelte verteilen müsste.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Minister Morlok, es ist ja leider eine tiefe Wunde mit Qimonda. Damals war das Land Sachsen nicht bereit, wenige Hundert Millionen Euro in die Hand zu nehmen.

Jetzt geht es um Milliarden. Das müssen wir uns mal vor Augen führen.

(Zurufe von der CDU – Lachen des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Wenige Hundert Millionen! Jetzt geht es um ganz andere Größenordnungen! Jetzt geht es um Milliarden!

Ich möchte noch einen ganz anderen Aspekt in die Diskussion bringen. Wir hatten vor Kurzem die Verabschiedung des Abschlussberichtes der Enquete-Kommission. Neben dem Mikroelektronikbereich gab es auch den Rohstoffbereich, den wir weiterentwickeln wollten. Möglicherweise ist das für uns eine Chance; denn wenn sich Wacker jetzt von der Entwicklung der 450Millimeter-Technologie verabschiedet, könnte das tatsächlich eine Chance für Dresden sein.

In diesem Zusammenhang müssen wir aber darüber nachdenken, wo Dresden dann sein reines Silizium herbekommt. In Deutschland gibt es nämlich nur einen Produzenten von Reinst- und Rohsilizium, und das ist ein Unternehmen in Pocking. Dieses Unternehmen stellt etwa 30 000 Tonnen Silizium im Jahr her. Das geht alles zu Wacker. Wir haben also keinen frei verfügbaren Rohstoff. Vielleicht sollten wir einfach einmal darüber nachdenken, wie wir tatsächlich den Kreislauf schließen, Herr Herbst. Wir haben ihn nur nahezu geschlossen, denn am Anfang fehlt uns das Rohsilizium. Der Preis des Siliziums schwankt sehr stark am Markt.

(Zuruf des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Von daher könnten wir uns unabhängiger machen. Wir haben hochreine Quarze, die zurzeit gehaldet werden. Wir haben preiswerten Braunkohlenstrom. Wir haben neue Entwicklungen zur Herstellung von Koks aus Kohle und wir haben in Nünchritz die Silanherstellung.

(Zuruf des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Ja, aber wir müssen das doch nicht unbedingt verstromen, um das Geld nach draußen zu tragen. Wir könnten eine eigene Wertschöpfung im Land entwickeln, eine eigene chemische Industrie zur Siliziumherstellung.

(Beifall bei den LINKEN)

Das möchte ich gern hier anregen. Wie gesagt, Herr Minister Morlok, vielleicht denken Sie einmal darüber nach, diesen geschlossenen Kreislauf von der Rohstoffpolitik bis zur Chipherstellung zu ermöglichen. Sprechen Sie auch mit den Betroffenen in Nünchritz! Das ist ein großes Werk hier um die Ecke. Wir haben kurze Wege. Wir haben auch Quarze um die Ecke. Wir haben Energieträger, wir haben vielleicht die Koksproduktion. Wir sollten alles miteinander mischen, und dann hätten wir eine richtig gute Perspektive auch für unsere Chipindustrie.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die Fraktion DIE LINKE war das Frau Dr. Pinka. – Jetzt spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Jurk.

Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen haben ein aus meiner Sicht durchaus wichtiges und aktuelles Thema aufgegriffen, weil zu meiner Überraschung, aber auch Freude wichtige strategische Entscheidungen der EU-Kommission zu vermelden sind. Dennoch ist es wichtig, auch darüber hinaus nachzudenken, was das für den Freistaat Sachsen bedeutet und welcher Handlungsbedarf auch für die Sächsische Staatsregierung besteht, damit diese durchaus anerkennenswerte Initiative der Europäischen Union tatsächlich auch hier in Sachsen ankommen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist für mich schon bemerkenswert und eine späte Bestätigung, was für einen Sinneswandel ich hier seitens der Koalition erlebe. Meine Vorrednerin ist bereits darauf eingegangen. Die Diskussion über den Mikroelektronikstandort war ja in der letzten Legislaturperiode von der Insolvenz des Chipherstellers Qimonda geprägt. Ganz sicher ist es so, Frau Kollegin Dr. Pinka, dass wir ernsthaft auch im Ministerium – und das waren nicht nur Mitglieder der SPD, die auf diese großartige Idee kamen – darüber nachgedacht haben, inwieweit der Freistaat Sachsen auch durch eine Beteiligung am Unternehmen selbst Einfluss nehmen sollte. Dazu gab es schwierige Diskussionen. Wir haben wirklich alles versucht. Das war politisch nicht einfach. Ich will das jetzt nicht weiter ausführen. Es ist genügend darüber berichtet worden. Ich kann die Situation nicht mehr umkehren. Wir haben Qimonda verloren. Dennoch haben wir nicht den Mikroelektronikstandort Sachsen verloren. Das hat auch mit dem dichten Netzwerk zu tun, das sich in den letzten Jahrzehnten herausgebildet hat. Das ist eine erfreuliche Tendenz.