Okay, da habe ich nicht aufgepasst. Entschuldigung! – Damit kommen wir nun zu Frau Kallenbach, Fraktion GRÜNE.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Während im Norden Deutschlands noch viele Menschen bangen müssen, geht es bei uns um das Aufräumen und um die gründliche Analyse. Einige haben
leider sehr vorschnelle Schlüsse gezogen und unzulässig Sündenböcke identifiziert: Naturschützer würden Gefahren für Menschenleben billigend in Kauf nehmen. Trauriger Höhepunkt im Zuge dieser Anwürfe waren Gewalt und sogar Morddrohungen.
So nach und nach wird jedoch klargestellt: Ein besserer Hochwasserschutz ist nicht an einzelnen Bürgerinnen und Bürgern oder Verbänden gescheitert; Frau Hermenau hat Ihnen das verwaltungsverfahrenstechnisch erläutert. An dieser Stelle möchte ich erwähnen: Wir haben in dieser Haushaltsstelle Ausgabenreste von 104 Millionen Euro, also, am Geld hat es auch nicht gelegen. Ich befürchte eher, dass mit dem abfließenden Wasser wieder „Business as usual“ gilt. In schöner Regelmäßigkeit hören wir den altbekannten Slogan: „Den Flüssen mehr Raum geben“ von Wissenschaftlern und Politikern, nur: Schnell wird er wieder vergessen. Das kennen wir seit 1997.
Was sind aber die Fakten? Die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz bringt es auf den Punkt, wenn sie resümiert: Wir haben uns unsere Hochwasser zum großen Teil selbst gemacht. In Deutschland wurden zwei Drittel der ursprünglich vorhandenen Auen durch Deiche von den Flüssen getrennt. In 15 Jahren ist nur 1 % natürlicher Retentionsraum geschaffen worden. Das hat im Übrigen auch bereits 2008 die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe festgestellt. Kollege Flath, das sind fachliche Ratschläge. Nur werden diese leider in Sachsen nicht so gut und intensiv gehört wie nötig. Dabei haben wir als Fraktion in schöner Regelmäßigkeit – 2010, 2011, 2012 – Anträge gestellt, um integrierte Ansätze des Hochwasserschutzes mit der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie sowie der Biodiversitätsstrategie in Einklang zu bringen.
Natürlich bringen technische Deichanlagen und Schutzmauern örtliche Entlastungen. Aber sie verschieben doch das Problem an die Unterlieger, und das, denke ich, ist Kleinstaaterei und zudem unsolidarisch.
Seit Jahren fordern wir – Frau Windisch, ich nenne es nochmals – flussgebietsübergreifende Betrachtungen unter Einbeziehung der Gewässer II. Ordnung. Das kann nachhaltige Lösungen schaffen. Was wir heute brauchen, ist ein nationaler Masterplan Hochwasserschutz – alle Bundesländer zusammen – und eine zeitnahe Vorlage der von der EU geforderten Risikomanagementpläne.
In einer von uns in Auftrag gegebenen Studie hat Prof. Dister vom WWF-Aueninstitut bereits 2012 nachgewiesen, dass auch in Sachsen ein Potenzial von circa 20 000 Hektar überflutbarer Aue vorhanden ist, und ich verspreche Ihnen: Wir werden das konkretisieren, obwohl
es vielleicht nicht unsere Aufgabe ist. Aber auch das sind wieder die fachlichen Ratschläge, die wir zur Kenntnis nehmen müssen. Allerdings braucht man dazu den Willen, es dann auch umzusetzen, selbst wenn es gegenläufige Interessen gibt.
Der Leipziger LTV-Chef erklärte öffentlich, dass ihm 2004 ein Konzept auf den Tisch gelegt wurde – ich frage mich, von wem auch immer –, das vorsah, dass 2 500 Hektar landwirtschaftliche Fläche als Auen und Flutungsflächen dienen sollten, und schlussfolgert – ich zitiere –: „Können Sie sich vorstellen, wie viele Agrarbetriebe dadurch kaputtgegangen wären?“ Herr Bobbe hat dabei wohl nicht bedacht, dass eine solche Fläche in Sachsen innerhalb von zehn Monaten neu versiegelt wird.
Herr Zastrow, noch einmal: Auch diese fehlen dann als zusätzliche Flächen, zumindest als Versickerungsflächen, weil Sie gefragt hatten: Wo sind die vorhandenen Flächen? Herr Bobbe spricht zudem von „grünen Fundamentalisten, die den Flüssen mehr Raum geben wollen“. Wahrscheinlich gehören jetzt auch Bundesminister Altmaier oder Thüringens Umweltminister Reinholz dazu, die Deichrückverlegungen bzw. temporäre Flutungen auch auf landwirtschaftlichen Flächen fordern. Noch einmal: Solche Worte fehlen uns aus Sachsen.
Ich habe abschließend noch einige Fragen und bitte Sie beide nochmals, gut zuzuhören – Sie hören ja nicht zu –: Wie ist das mit der Umsetzung in Dresden-Laubegast? Herr Zastrow, ich zitiere aus einer Antwort von Frau Orosz an die SPD-Fraktion im Stadtrat von Dresden: „Die Ausschreibung der Planungsleistungen wurde im August 2012 zur Bestätigung vorgelegt. Die LTV hat dem nicht entsprochen. Als Begründung wurden rechtsstreitige Fragen der Zuständigkeit für Unterhaltung und Betrieb der Hochwasserschutzelemente angegeben, zudem offene Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Novellierung des Sächsischen Wassergesetzes.“ – Also nichts von Bürgerbefragung!
(Beifall bei den GRÜNEN – Eva Jähnigen, GRÜNE: Hört, hört! – Holger Zastrow, FDP: Beteiligung! Das läuft doch gerade wieder!)
Was passiert mit dem vom Minister kurz vor 2010 eingeweihten und bis heute wegen unzulässigen Baugrunds sowie Baumängeln nicht funktionstüchtigen, für 38 Millionen Euro gebauten Rückhaltebecken in Rennersdorf?
(Holger Zastrow, FDP: Das ist doch etwas ganz anderes! Das ist der untere Elbarm, nicht die Promenade!)
schwemmungsgebieten? Herr Tillich, Sie machen mir Hoffnung. Das Sächsische Wassergesetz gibt dazu noch die Möglichkeit. Ich hätte noch einige Fragen mehr, die einer gründlichen Analyse bedürfen und eines entschlossenen Handelns im Sinne einer – hoffentlich ernst gemeinten – Nachhaltigkeitsstrategie für Sachsen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch ein wenig kommunal- und lokalpolitisches Kolorit in die Sache bringen. Ich habe am 9. Juni meine Tochter aus Grimma abgeholt und wollte ihr dort eigentlich das Katastrophenelend ersparen. Aber bereits auf der Autobahn erhielt ich per E-Mail die Information, dass auch für Sebnitz, meine Heimatstadt, Katastrophenvoralarm ausgelöst wurde. Als Betroffener von 2010 weiß ich, wozu unser kleiner Bach fähig ist, und ich eilte dann natürlich auch hin, um zu helfen.
Wir sind diesmal mit einem blauen Auge davongekommen. Die Innenstadt wurde nicht überflutet, obwohl der Bach 20 Zentimeter über der kritischen Marke lag, nämlich bei 1,70 Meter. Ab 1,50 Meter wäre eigentlich die Flutung der Innenstadt zu erwarten gewesen. Wir haben das den vielen professionellen und noch viel mehr freiwilligen Helfern zu verdanken, vor denen ich absolut den Hut ziehe, die es geschafft haben, diese 20 Zentimeter mit Sandsackverbau abzupuffern bzw. abzumildern.
Dennoch, wenn man mit den Betroffenen – egal, ob hier, in Sebnitz, in Grimma oder Pirna – spricht: Es gibt Wünsche, Erwartungen oder vielleicht auch nur Vorschläge an die Staatsregierung. Das Soforthilfeprogramm ist prinzipiell zu unterstützen, aber es ist nicht eindeutig. Mein Fraktionskollege von der NPD Herr Apfel hat es bereits angesprochen.
Es gibt Gemeinden, wie zum Beispiel die Gemeinde Neukirchen bei Chemnitz, die sich weigern, an Betroffene zu zahlen, deren Heizungsanlage in den Fluten untergegangen ist, nur weil diese im Keller stand. Ich denke, das ist nicht das, was damit eigentlich gewollt ist. Die Staatsregierung sollte versuchen, das zu präzisieren, damit solche Fälle bei der Entschädigung berücksichtigt werden können. Ganz wichtig ist, dass beachtet wird, dass auch Grundwasserschäden, die nur durch das Hochwasser entstanden sind, berücksichtigt werden.
Zu der Versicherungspflicht für Elementarschäden: Diese Möglichkeit sollte bestehen, aber es muss vor allem finanzierbar bleiben. Wer in der Zone IV wohnt, hat es im Moment, wenn er ein Angebot von der Versicherung bekommt, mit Summen zu tun, bei denen sich selbst im Schadensfall aller zwei, drei Jahre Versicherungszahlun
Ein Punkt, der vielleicht gar nicht so im Blick ist, sind die Sanierungsbeiträge. All die angesprochenen Städte – Sebnitz, Pirna, Grimma – haben ihre Sanierungsgebiete. Die Betroffenen sind also mehrfach gestraft. Sie würden gern ihre Sanierungsbeiträge möglichst auch mit Rabatt ablösen. Das geht nicht, weil eine Stundung nicht möglich ist. Sie haben zu ihren immensen Schäden – wie zum Beispiel mein Nachbar mit mehr als einer halben Million Euro, weil seine Bäckerei durch die Flut 2010 untergegangen ist – gleichzeitig aber noch für die Sanierungsbeiträge aufzukommen. Vielleicht kann man in solchen Fällen eine Stundung erreichen. Das wäre ein ganz wesentlicher Beitrag, solchen Leuten zu helfen.
Ein weiterer Punkt wäre, dass Hochwasserschutz wirklich Priorität haben muss. Es ist für die Landestalsperrenverwaltung schwierig, wenn nur ganz wenige Zeiten im Jahr genutzt werden können, bei denen Maßnahmen im Gewässer durchgeführt werden können. Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich möchte keinen Verzicht auf Naturschutzbelange, um Gottes willen. Aber es muss möglich sein, vielleicht auch unter Verzicht auf schwere Technik und mit klassischen Bautechnologien, jederzeit im Jahr Hochwasserschutzmaßnahmen umzusetzen.
Ein Punkt, der mich als Sebnitzer bewegt, ist das Thema „grenzüberschreitende Zusammenarbeit“. Für die Elbe mag das funktionieren, aber für die kleinen Flüsse ist es immer noch schwierig. Auf lokaler Ebene, kommunal, bekommen wir das gut hin. Aber um einen Schutz für Sebnitz zu erreichen, plant der Freistaat ein Rückhaltebecken mit 900 000 Kubikmetern auf überwiegend böhmischer Seite. Gespräche gab es lediglich im Rahmen der Grenzgewässerkommission. Wenn man so etwas machen möchte, gerade auf dem Territorium eines anderen Landes, gehört das in die oberste Ebene, zu Ihnen, Herr Ministerpräsident. Man kann sich natürlich auch anschauen, was die Tschechen wollen. Sie haben acht kleine Rückhaltebecken mit 1,5 Millionen Kubikmetern geplant. Vielleicht kann man darauf eher unterstützend wirken und sich auf Regierungsebene darüber verständigen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Ministerpräsident hat noch einmal um das Wort gebeten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe gerade die Nachricht aus Berlin bekommen, dass man sich über den Aufbauhilfefonds verständigt hat. Die Finanzierung ist geregelt. Damit kann der Wiederaufbau im Freistaat Sachsen losgehen. Das ist die gute Nachricht, die aus dieser Debatte hinausgehen sollte.
Der Betrag ist nicht gedeckelt, er beträgt mindestens 8 Milliarden Euro. Eine angenehme Angelegenheit – das
wird jetzt auch die Koalitionsfraktionen noch freuen –: Die Entflechtungsmittel sind ebenfalls bis zum Jahre 2019 ungeschmälert gesichert. Das heißt, wir können in den nächsten Jahren im Hochschul- und Straßenbau sowie im ÖPNV unsere Politik fortsetzen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Elf Jahre nach der Flut, ein Jahr nach der Bilanz des Umweltministers Kupfer zum Hochwasserschutz im Freistaat Sachsen: Im Juli 2012 hatte ich bereits viele Aspekte in die Diskussion gebracht, ich möchte mich heute nicht wiederholen, aber vielleicht einige weitere, neuere Denkanstöße liefern.
Noch einmal habe ich die Berichte des Herrn von Kirchbach zum Hochwasser 2002 und Herrn Jeschke zum Hochwasser 2010 gelesen, und wieder sind mir grundlegende Forderungen der Kommission aufgefallen, die bis heute nicht eingelöst sind. Ich zitiere gern, wie mein Kollege Gebhardt, noch einmal aus dem Teil „Empfehlungen für den Hochwasserschutz“ von Herrn General von Kirchbach: „Die Kommission schlägt vor, die Verantwortung für Deiche, Talsperren, Rückhaltebecken und Gewässerpflege in einer Hand zu bündeln.“
Ich möchte daher zunächst etwas weiter ausholen: Meine Fraktion hat am 12. Juli, also letzten Mittwoch, eine Liste mit 17 – zugegeben sehr detaillierten – Fragen zur Auswertung des Hochwasser an Staatsminister Kupfer gesandt. DIE LINKE war übrigens die einzige Fraktion, die – wie im Umweltausschuss verabredet – Fragen zum Hochwasser gestellt hat. – Das einmal so nebenbei.
Mit dieser Datengrundlage wollten wir heute in die Debatte gehen. Leider erhielten wir gestern die Antwort, dass der Minister erst am 5. Juli, also zur kommenden Ausschusssitzung, mündlich informieren wolle. Diese Konstellation haben wir leider immer wieder: Die Regierung hält gezielt – oder bewusst – Informationen, die sie hat, zurück,
um gleichzeitig der Opposition vorzuwerfen, dass sie nicht informiert wäre und dass sie mit falschen Zahlen und Fragen agiere. Das ist leider in der jetzigen Situation unangemessen.
Schlimm wird es, wenn es um Gesetzesänderungen geht. Bislang müssen wir davon ausgehen, dass bei der kommenden Sitzung des Umweltausschusses in zwei Wochen – also bei der Sitzung, bei der der Minister unsere Fragen mündlich erst beantworten will – über Änderungen des Wassergesetzes abschließend beraten und befunden
werden soll. Die Koalition will also ernsthaft über Änderungen des Wassergesetzes beraten, ohne dass eine detaillierte, sachliche und ruhige Prüfung der Vorgänge stattgefunden haben konnte. Aus dem hohlen Bauch heraus werden absehbar bei unklarer Datenlage weitreichende Änderungen gefordert; es werden möglicherweise Beteiligungsrechte eingeschränkt oder Bürgerrechte ausgehebelt.