Protocol of the Session on May 16, 2013

Ich möchte es einmal politische Beförderungserschleichung nennen, was Sie tun; denn ich habe ein wenig das Gefühl, Sie versuchen hier auf dem Leid der Menschen noch Punkte zu sammeln im Bundestagswahlkampf,

(Antje Hermenau, GRÜNE: Nein!)

und das finde ich eben nicht in Ordnung und nicht angemessen. Das lehnen wir ab. Ich möchte auch begründen, warum.

Im Jahr 2007 hatte der dortige Regionale Planungsverband begonnen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Es wurde der Beschluss gefasst, ein Verfahren durchzuführen. Im Jahr 2008 erfolgte die Freigabe des Vorentwurfs; dieser ist im Folgejahr, 2009, geändert worden. Im Jahr 2010 fand im Rahmen eines Beteiligungsverfahrens, in dem die Hinweise aufgenommen wurden, eine Abwägung statt. Im Jahr 2011 ist der Entwurf freigegeben worden, 2012 folgten das Beteiligungsverfahren und die nochmalige Erörterung. Heute, im Jahr 2013, stehen wir – Sie haben es gesagt, Frau Hermenau – vor der eigentlichen Entscheidung.

Sie sehen: Jahrelang hat sich die Region mit dem Thema beschäftigt und auseinandergesetzt. Dies geschah parallel auch in Brandenburg; der Planungsverband arbeitet länderübergreifend, weil beide Bundesländer betroffen sind und der Braunkohleabbau regional entsprechend verzahnt ist. Insofern halte ich es nicht für fair, am Ende noch politisches Kapital aus dem Thema „Heimatverlust“ schlagen zu wollen; denn die Region setzt sich seit Jahren damit auseinander. Die Menschen erwarten, dass jetzt Entscheidungen gefällt werden, damit sie wissen, wie viel Geld sie bekommen und ab wann sie an einer neuen Zukunft arbeiten können. Ich hielte das für fair, damit die betroffenen Familien langfristig planen können.

An dem Thema wird in der Region lange gearbeitet. Ich finde es nicht richtig, dass Sie von den GRÜNEN jetzt, am Ende, auf diesen Zug springen wollen, um im schnellen politischen Dresdner Geschäft Punkte zu sammeln. Ich halte den vorhin beschriebenen Weg für einen Teil des Ziels; jetzt sind Entscheidungen zu treffen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie behaupten, in diesem Zusammenhang gehe es rein um „Profitinteresse“. Das sagt sich so schön. Ich halte diese Bewertung aber nicht für richtig. Wir als CDU haben schon immer gesagt, worum es uns geht: um die Bezahlbarkeit von Energie, von Strom, um Tausende von Menschen, die im Braunkohlebereich arbeiten und damit von der Braunkohle leben. So leicht wie Sie machen wir es

uns nicht. Wir lassen es Ihnen auch nicht durchgehen, wenn Sie versuchen, das, was dort passiert, mit der Bezeichnung „Profitinteresse“ in ein negatives Licht zu rücken. Es geht um verantwortliche, sachliche, langfristige Entscheidungen im Interesse der Energieversorgung unseres Landes.

Ich verbitte mir zudem die Unterstellung, Kollege Krauß verfolge nur Lobbyinteressen. Wir haben Vielfalt in unserer Fraktion, aber das ist in der Form nicht möglich. Unsere Arbeit ist sachorientiert. Wir greifen aber auch gern auf Sachverstand zurück. In diesem Sinne sollten wir auch die Debatte weiterhin führen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit in der ersten Runde.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

In der ersten Runde sprach für die CDU Herr Kollege von Breitenbuch.

Für DIE LINKE ergreift jetzt Frau Kollegin Kagelmann das Wort.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Entschuldigung!)

Oh! Wie konnte ich das übersehen!

(Antje Hermenau, GRÜNE: Keine Ahnung!)

Eine Kurzintervention am Mikrofon 3.

Danke schön. – Herr Kollege von Breitenbuch, Sie sagten, die Menschen, die in der Braunkohle arbeiten, würden dort eine Heimat finden. Ich komme aus einem Braunkohlerevier; meine Kindheit war davon geprägt. Ich weiß also, wovon ich rede.

Wenn Sie sich die Abwanderungszahlen nach Umsiedlungen anschauen, stellen Sie fest, dass ungefähr ein Drittel der umgesiedelten Bevölkerung „verloren geht“; das sind meistens junge Menschen. Ich komme noch darauf zu sprechen, wenn es speziell um die Sorben geht.

Was Sie hier predigen, ist ein Leben in einer Heimat ohne Zukunft. Dann arbeiten noch ältere Menschen und Menschen mittleren Alters in der Braunkohle, aber die jungen Menschen sind weggegangen, und es bleibt niemand mehr übrig. Ich würde das sehr genau bedenken im Hinblick auf das Argument, das Sie vorgetragen haben.

Sie haben gemeint, unser Antrag sei Ausdruck von Trittbrettfahrerei. Wie gesagt, ich komme aus einer Braunkohleregion im Leipziger Raum, weiß also, wovon ich rede. Ich bin dort großgeworden und habe viel erlebt. Vor diesem Hintergrund und vor dem Hintergrund dessen, dass ich 1997 angefangen habe, den Sorben zur Seite zu stehen, als der damalige Innenminister Kanther aus Hessen – CDU! – versuchte, die Zahlungen des Bundes an die Sorben zu minimieren, dürfen Sie mir durchaus zugestehen, dass ich weiß, wovon ich rede, wenn ich von den Sorben rede. Einer von ihnen ist Mitarbeiter in meinem Bautzener Büro.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege von Breitenbuch, wollen Sie auf die Kurzintervention reagieren? – Ja. Bitte.

Ich war letztens auf einer Belegschaftsversammlung bei Vattenfall und habe mir den Altersdurchschnitt dort genau angeschaut. Es waren junge, dynamische Familienväter, die dort saßen und aktiv für ihren Betrieb eingetreten sind. Ich denke, das wird man parallel in der Lausitz beobachten können. Diese Betriebe haben immer viele Lehrlinge ausgebildet, übernommen und mit jungen Leuten neue Mannschaften gebildet. Es sind dort neue Familien gegründet worden, und sie vertrauen darauf, dass es dort so weitergeht. Insofern kann ich die von Ihnen behauptete Überalterung der Mannschaften überhaupt nicht erkennen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Wir sind wieder in der Rednerrunde. Frau Kagelmann spricht jetzt zu uns.

Danke schön, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kommen wir von der indirekten zu direkten Betroffenheit, kommen wir zu einer Lausitzerin und damit zu jemandem, der diesen schwierigen Planungsprozess als Mitglied im Regionalen Planungsverband aktiv begleiten muss.

Wir haben es gehört: Auf der Zielgeraden eines längeren Planungsprozesses formiert sich neuer Widerstand, man wird im Lande unruhig. Das ist so nicht erwartet worden, obschon bereits 2008 ein Gemeinderatsbeschluss darauf hindeutete, dass man aus Schleife nicht wegwolle, also nicht umgesiedelt werden möchte. Von diesem hehren Gemeinderatsbeschluss wird heute leider nur noch wenig gesprochen.

Dennoch begab sich die Gemeinde parallel – aufgrund eines Beschlusses des Regionalen Planungsverbandes – bereits in Verhandlungen mit Vattenfall über die Modalitäten der Umsiedlung. Das betrachte ich aus heutiger Sicht als einen der schwersten Fehler.

Jetzt allerdings gerät durch das bereits erwähnte DIWGutachten der Planungsverband ins Schwimmen. Warum? Es bröckelt nämlich der zentrale Planrechtfertigungsgrund, auf den sich die bisherige Planung aufbaute. Da werden dann politische Größen herangekarrt. Ministerpräsident Tillich musste Ende Februar noch schnell nach Schleife eilen und die verunsicherten Gemeinderäte „aufbauen“.

Die Frage, die sich nach dem Gutachten stellt, ist tatsächlich zentral: Brauchen wir die Kohle, die unter Schleife liegt, oder reichen die bisher genehmigten Tagebaue aus, um Boxberg auch bis über das Jahr 2040 hinaus mit Kohle zu versorgen?

Es wächst in diesem Zusammenhang das Misstrauen der Menschen. Sind sie vielleicht von Anfang an hintergangen worden? Ist nicht die von ihnen erwartete Einsicht in

energiepolitische Notwendigkeiten eher eine erkaufte Akzeptanz für die Sicherung optimaler Verwertungsbedingungen für Vattenfall?

Kommen wir zu dem Planungsprozess: Wie kommt es überhaupt zu der Behauptung, die jetzt allenthalben kolportiert wird, die Mehrzahl der Betroffenen wolle weg? Dabei stützt man sich immer auf eine Reihe von Befragungen, die im Zeitraum 2008 bis 2011 in den Ortschaften durchgeführt wurden und die angeblich die allgemeine Bereitschaft zur Umsiedlung ergeben haben.

Wenn man sich die Fragebögen genauer anschaut, stellt man fest, dass nie abgefragt wurde, ob es eine grundsätzliche Umsiedlungsbereitschaft gebe und wie man die in Sachsen betriebene Energiepolitik generell bewerte. Das wurde nie abgefragt.

Dahinter steht natürlich, dass die Alternativlosigkeit des Kohleabbaus quasi vorausgesetzt wurde. Wenn man weiß, dass Vattenfall diese Befragung bezahlt hat, dann kann man nur mutmaßen – ein Schelm, wer Arges dabei denkt.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

In einer der ersten Befragungen allerdings gibt es einen Befund, den man genauer analysieren sollte. Es wurde gefragt: Was bewegt Sie, wenn Sie an die mögliche Umsiedlung denken? 57 % derer, die sich dazu äußerten, sprachen von negativen Gefühlen, von Angst vor der Umweltzerstörung, von Ohnmacht, auch von Ohnmacht in einem Planungsprozess, den man eben nicht demokratisch mitgestalten kann.

(Thomas Jurk, SPD: Das stimmt doch nicht!)

Daraus eine Zustimmung zur Umsiedlung herzuleiten, wie es in den letzten Monaten passiert ist, das ist schon ein Trauerspiel.

Noch eine Frage bewegt mich: Wie viel Entscheidungskompetenz hat der Regionale Planungsverband, dem ich – ich möchte fast sagen: leider – angehöre, tatsächlich? Laut Landesplanungsgesetz hat er praktisch keine Abweichungskompetenz. Er ist an den Landesentwicklungsplan und das Energie- und Klimaprogramm Sachsen straff gebunden.

Wir wissen, wie das aussieht. Wir wissen, dass das ganz starr oder starrköpfig auf die weitere Verstromung von Braunkohle setzt. Insofern ist der Entscheidungskorridor für den Regionalen Planungsverband ganz eng.

Die Redezeit ist zu Ende.

Meine Damen und Herren! Ich könnte Ihnen noch vieles über die Unstimmigkeiten im Planungsprozess berichten. Eines steht fest: Es braucht diese Kohle unter Schleife nicht. Wir sollten eine offene gesellschaftliche Debatte über die Energiepolitik in diesem Land führen.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Das war Frau Kagelmann für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt kommt für die SPD-Fraktion Herr Kollege Jurk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Energiewende muss gelingen. Die Energiewende braucht die Braunkohle als Brückenenergieträger, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und Beifall des Staatsministers Sven Morlok)

Die SPD Sachsen hat auf ihrem Energieparteitag aber auch klar beschlossen, dass wir ab dem Jahr 2050 nicht nur Strom, sondern auch Energie für Wärme, Heizung und für Mobilität zu 100 % aus erneuerbaren Energien erzeugen wollen. Das heißt, diesen Schnitt wollen wir machen, aber wir sagen auch, die Braunkohle wird eine Zukunft durch die stoffliche Verwertung, beispielsweise in Form von chemischen Basisprodukten anstelle der derzeitigen thermischen Verwertung zur Elektroenergieerzeugung, haben.

Wer das bestreiten will, der sollte bitte in die Region gehen. Die Akzeptanz für die Braunkohle ist auch im Schleifer Raum relativ hoch. Es gibt ganz klar Betroffenheit, die Leute artikulieren sich, das will ich gar nicht verschweigen, aber es gibt eine hohe Akzeptanz, die auch damit verbunden ist, dass mit der Braunkohle in erheblichem Maße Arbeitsplätze und wirtschaftliche Entwicklung in der Region generiert werden und dass die Leute wissen, wie wichtig Braunkohle im Moment für die Versorgungssicherheit unseres Energieversorgungssystems ist.