zu finden. Den gab es schlichtweg nicht. Es gibt ein Antragsheft, in dem ein schmaler Antrag des Bundesvorstandes niedergelegt ist, nicht einmal eine Seite lang, in dem aber auch nichts Konkretes steht.
Selbst das bisschen, was dort schriftlich niedergelegt wurde, wurde von den Hardlinern der sächsischen FDP noch abgelehnt. Ich muss gestehen, ich hatte gestern so einen kleinen masochistischen Anfall und habe mir die Rede von Holger Zastrow auf dem FDP-Bundesparteitag angesehen
mitsamt dem cholerischen Anfall am Schluss der Rede. Meine Fraktionsvorsitzende würde jetzt wahrscheinlich von „testosterongesteuert“ sprechen. Aber was Sie dort präsentiert haben, ist doch völlig losgelöst von jedweder Realität.
Sie haben da wieder einmal ein Horrorszenario der vollständigen Deindustrialisierung Sachsens durch den Mindestlohn gezeichnet. Sie versuchen ständig, das als Prinzipientreue zu verkaufen, Herr Zastrow.
Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, dem Redner zu ermöglichen, dass er hier in der Aktuellen Debatte auch seine Argumente anbringen kann. Dann haben Sie ja das Instrument der Kurzintervention. Sie können viele, viele Dinge nutzen. Bitte sprechen Sie weiter, Herr Kollege.
Sie versuchen, das zwar als Prinzipientreue zu verkaufen, Herr Zastrow, aber es gibt einen Unterschied zwischen Prinzipientreue und Dogmatismus. Da können Sie gern auch noch einmal im Duden nachschauen, worin der Unterschied besteht.
Ich hatte schon die letzten Male immer wieder angesprochen, dass es eine Vielzahl von neuen empirischen Studien gibt, die den alten Glaubenssatz, der Mindestlohn vernichte Arbeitsplätze, gründlich widerlegen. Ich werde das nicht alles wiederholen. Das ist alles in den Plenarprotokollen ausgiebig nachlesbar. Ich lege Ihnen noch einmal ausdrücklich die sogenannte Berkeley-Studie ans Herz, die aus meiner Sicht die qualitativ hochwertigste ist.
Die Redezeit geht jetzt doch ein wenig in Richtung Ende. Herr Krauß, ich fand es doch bezeichnend, dass Sie hier Ihre alten Glaubenssätze auch wieder präsentieren und dabei beständig – wie auch in der Vergangenheit – die Themen Tariflohn und Mindestlohn durcheinanderwerfen, ohne das irgendwie auszudifferenzieren und zu verstehen, was unter Umständen der Unterschied sein könnte. Was ich wirklich unangemessen finde, ist, uns hier immer wieder diese Platitüden und Selbstverständlichkeiten nach dem Motto „Wer arbeitet, muss mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet“ zu verkaufen.
Natürlich ist das richtig, aber das ist doch eine Selbstverständlichkeit und nichts anderes. Was ich Ihnen aber wirklich übel nehme, ist, dass Sie sich hier hinstellen und ein verzerrtes Klischeebild von Arbeitslosen zeichnen, die im Feinrippunterhemd am Fenster stehen und den ganzen Tag nichts anderes zu tun haben, als Däumchen zu drehen. Das ist unanständig.
Sie wissen, wir haben uns in der Vergangenheit für Mindestlöhne eingesetzt, wir werden uns auch weiterhin dafür einsetzen. Ich halte es ganz einfach für eine Frage sozialer Gerechtigkeit und nicht zuletzt auch eine Frage des sozialen Friedens in diesem Land, und ich habe die Hoffnung, dass im September nach der Bundestagswahl es dann auch möglich ist, tatsächlich zu gesetzlichen Mindestlöhnen zu kommen.
Der Abg. Jennerjahn sprach für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Für die NPD spricht jetzt der Abg. Gansel.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im letzten Jahr gab es in Deutschland mehr als 1,3 Millionen sogenannte Aufstocker, also Menschen, die so wenig verdienen, dass sie trotz einer geregelten Arbeit ihr Gehalt vom Staat aufstocken lassen müssen. Allein in Sachsen gibt es aktuell 125 000 Menschen, die trotz Vollzeitarbeit mit solch miesen Löhnen abgespeist werden, dass sie zusätzliche Leistungen aus der staatlichen Grundsicherung in Anspruch nehmen müssen. Laut dem auch schon hier in diesem Haus diskutierten aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung gibt es in diesem Land mehr als vier Millionen Vollzeitbeschäftigte, die weniger als 7 Euro in der Stunde verdienen. 1,2 Millionen Beschäftigte in diesem Land verdienen sogar weniger als 5 Euro brutto pro Stunde.
Während nun FDP-Chef Philipp Rösler gar eine Lohnuntergrenze von 4 Euro für ausreichend hält, lehnt die NPD diese gezielte Niedriglohnausbeutung entschieden ab und hat seit ihrem Landtagseinzug im Jahre 2004 wiederholt Initiativen für einen gesetzlichen branchenübergreifenden und armutsfesten Mindestlohn in diesem Landtag gestartet. 4 Euro Mindestlohn mag ja ein Luxuslohn in Röslers Herkunftsland Vietnam sein, aber hierzulande ist das Niedriglohnausbeutung. Ich möchte gerne, weil Ihre Pawlow‘schen Reflexe bekannt sind, eine Bemerkung von Rainer Brüderle variieren in Bezugnahme auf Röslers Mindestlohnaussage: Ein asiatischer Bambus mag davon
existieren können, eine deutsche Eiche aber nicht. Insofern kann man auch hier Rainer Brüderle mit seiner spitzen Zunge einmal lohnpolitisch zu Ehren kommen lassen.
Für die NPD ist klar, meine Damen und Herren, warum FDP und CDU gegen einen branchenübergreifenden gesetzlichen Mindestlohn sind und warum sie weiterhin stattdessen würdelose Aufstockerei von Geringverdienern favorisieren. Es geht schlicht und ergreifend darum, dass Arbeitgeber auch weiterhin mithilfe des Staates einen Teil ihrer Lohnkosten aufstocken können, dem Steuerzahler aufbürden können und sich damit gegenüber den Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können, die ihre Beschäftigten ordentlich aus den Eigenmitteln entlohnen.
Bei allem berechtigten FDP-Bashing vergisst die NPD aber nicht, wer die massenhafte Verbreitung von Niedriglöhnen erst ermöglicht und keinen Mindestlohn durchgesetzt hat, obwohl er sieben Jahre lang in der Bundesregierung dazu die Gelegenheit hatte, nämlich SPD und GRÜNE. Die ungerechte Rente mit 67, Steuersenkung für Spitzenverdiener, armutsfördernde Hartz-IV-Gesetze, die Ausweitung von Leiharbeit, Minijobs und prekärer Beschäftigung sind das Werk von SPD und GRÜNEN, die dafür seinerzeit den lauten Beifall von CDU und FDP erhalten haben. Ausgerechnet diese SPD lässt hier und heute zum wiederholten Mal scheinheilig über Mindestlöhne diskutieren, die sie unter Gerhard Schröder sieben Jahre lang nicht durchgesetzt hat. Diese sozialdemokratische Verlogenheit ist aus meiner Sicht wirklich abstoßend, und jeder deutsche Arbeitnehmer kann daher mit vollem Recht sagen: Wer hat uns verraten? – Sozialdemokraten!
Auch in den Bundesländern und Kommunen, in denen die SPD heute das Sagen hat, weigert sie sich beharrlich, den von ihr selbst gegenwärtig – weil ja wieder Wahlkampf ist – geforderten Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde durchzusetzen. Eines von vielen Beispielen dafür ist der Leipziger Zoo, ein Unternehmen mit kommunaler Beteiligung unter einem SPD-Oberbürgermeister, in dem noch heute Bruttolöhne von 6,50 Euro gezahlt werden.
Im Juni 2006 brachte die NPD ihre Initiative zur Einführung eines armutssicheren Mindestlohns in den Sächsischen Landtag ein, ein Antrag, der damals von der Einheitsfront von Linkspartei bis CDU abgelehnt wurde. Abgelehnt wurden damals auch alle NPD-Anträge, gesetzgeberisch gegen das Lohndumping, osteuropäische Billiglöhner und Scheinselbstständige vorzugehen. Bis heute lässt die Staatsregierung keine Gelegenheit aus, noch mehr Zuwanderung nach Sachsen zu fordern mit dem klaren Hintergedanken, dadurch das Arbeitskräfteangebot zum Vorteil der Arbeitgeber zu erhöhen und um die Löhne der deutschen Beschäftigten hier in Sachsen niedrig halten zu können.
Die Verweigerung eines armutsfesten Mindestlohnes bei gleichzeitiger Zuwanderung von Lohndrückern – wir
haben erst in diesen Tagen erfahren, dass im letzten Jahr mehr als 23 000 Ausländer nach Sachsen gekommen sind –, diese Verweigerung eines Mindestlohnes bei unbegrenzter Zuwanderung hat für unsere Landsleute aber noch eine weitere kapitale Folge.
In Sachsen wird ab dem Jahr 2030 mehr als jeder zweite heutige Arbeitnehmer von Altersarmut betroffen sein. Diese massive Altersarmut, die auf Sachsen zukommt, hängt auch mit dem Fehlen von Mindestlöhnen zusammen. Armut trotz lebenslanger Arbeit, meine Damen und Herren, das ist für die NPD ein sozialpolitischer Skandal, und die Verantwortlichen für diese sozialpolitische Sauerei sitzen auch hier in diesem Landtag, es sind Rot-Grün und Schwarz-Gelb.
Mit dem Abg. Gansel sind wir am Ende der ersten Rednerrunde angekommen und eröffnen eine zweite. Das Wort hat zuerst der Kollege der einbringenden Fraktion, der SPD.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der pädagogische Effekt dieser Debatte ist schon von meinem Kollegen aus der Fraktion GRÜNE angesprochen worden. Ich habe natürlich neben dem pädagogischen Teil vor allem auch einen zweiten Teil, dass nämlich die Menschen in diesem Land wissen sollen, worin der Unterschied liegt. Der Unterschied liegt zwischen dem, was Schwarz-Gelb als Mindestlohn verkaufen möchte, und dem, was wir Sozialdemokraten als Mindestlohn verstehen. Insofern ist die Debatte, die wir hier führen, richtig und notwendig; denn das, was die FDP auf dem Bundesparteitag beschlossen hat, ist nichts anderes als der Versuch, sich ein bisschen einen sozialen Anschein zu geben, den sie tatsächlich aber nicht haben.
Insofern ist es hier, Kollege Zastrow, in Ihrem Sinne eine Werbeveranstaltung, nach dem Motto „Bed news are good news“, und alles ist wunderbar. Tatsächlich aber geht es natürlich darum, dass wir bei einer solchen Debatte immer wieder die Zusammenhänge herstellen müssen, was wirklich in diesem Land passiert. Da ist es nach wie vor so, dass ich glaube, dass Sie als FDP eben tarifliche Hungerlöhne akzeptieren wollen, dass Sie sagen, es ist mir egal, ob ein Tarifvertrag, der mit Pseudogewerkschaften abgeschlossen worden ist, 4 Euro beinhaltet. Dann ist das ein Tarif, und das ist gut so. Das ist eben nicht gut so. Genau darin liegt der Unterschied.
Wenn wir Pseudogewerkschaften haben, wenn wir eine Situation haben, dass Arbeitgeberverbände hier in den
letzten 20 Jahren zerschlagen worden sind, dass die Kraft der Gewerkschaften zurückgegangen ist, dass wir Situationen haben, dass Arbeitgeber diejenigen bestrafen wollen, denen man mit Kündigungen droht, die Betriebsräte wählen wollen, wenn das alles Situationen sind, die dazu beitragen, dass wir leider nur noch 16 % der Unternehmen in Tarifverträgen haben und 40 % der Beschäftigten, dann ist der Staat gefordert. Punkt! Das ist die Botschaft!
Herr Brangs, vielleicht hat es auch Gründe, dass sich sächsische Arbeitnehmer weniger in Gewerkschaften organisieren wollen als anderswo. Aber das war nicht der Punkt.
Meine Frage ist: Sind Sie sich sicher, dass es keine DGBEinzelgewerkschaft gibt, die jemals einen Tarifvertrag unterzeichnet hat, der unter 8,50 Euro Stundenlohn liegt?
Da bin ich mir nicht sicher, weil ich weiß, dass es so ist. Dass auch DGB-Gewerkschaften das getan haben, ändert aber nichts am Umstand, lieber Kollege. Auch das kritisiere ich. Im Übrigen habe ich es auch kritisiert, als ich selbst Verantwortung getragen habe. Insofern bin ich mir da treu geblieben. Kein Problem. Das halte ich nach wie vor für falsch.