Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Informationsverhalten vieler von uns ist heute ein gänzlich anderes als in den Neunzigerjahren. Für die tägliche Berichterstattung spielt neben der Tageszeitung, dem Fernsehen und auch dem Radio das Internet heute eine immer wichtigere Rolle. So ist die Auflagenhöhe der Tageszeitung von 2002 bis 2012 von 27,4 Millionen auf 21,13 Millionen gesunken.
Dagegen beläuft sich 2013 die Anzahl der Personen in Deutschland, die das soziale Netzwerk Facebook nutzen, auf über 25 Millionen. Der unschätzbare Vorteil dieses sozialen Netzwerkes ist es, dass die einzelnen Meldungen von den jeweiligen Fans geteilt werden können, und so wird die jeweilige Information in unglaublich schneller Zeit zigtausendfach vervielfältigt und verbreitet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die sächsische Polizei wäre nicht die erste Landespolizei in Deutschland, die soziale Netzwerke nutzt.
Bei der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern sind neben Fahndungshinweisen und Vermisstenmeldungen auch Stellenangebote zu finden. In Rheinland-Pfalz gibt es auch Sicherheitshinweise und Verhaltenstipps bei Verkehrskontrollen, und auch die Polizei in Hessen fahndet per Facebook. Übrigens stimmt bei jeder Fahndung via Facebook zuvor ein Richter zu.
Vorreiter bei der Facebook-Nutzung war die Polizei Hannover. Deren Facebook-Präsenz hatte heute Mittag, um 13:30 Uhr, 113 177 Fans. Fans, das sind Personen, die die Meldungen der Polizei Hannover direkt lesen. 2011 wurden acht Fälle der Hannoveraner Polizei nur deshalb gelöst, weil die Polizei Facebook genutzt hat. Unter anderem war die Netzgemeinde an der erfolgreichen Suche nach einem verschwundenen Kind beteiligt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese positiven Erfahrungen der genannten Bundesländer sind für uns Anlass genug, vom Innenminister einen umfangreichen Bericht über den derzeitigen Stand des Einsatzes des Internets bei der Arbeit der sächsischen Polizei einzuholen und die Prüfung einer zentralen Präsenz der sächsischen Polizei in sozialen Netzwerken anzuregen.
Natürlich wissen wir auch um die Risiken, die eine Facebook-Nutzung mit sich bringt. Aus diesem Grund geben wir zunächst eine entsprechende Prüfung in Auftrag. Jedoch finde ich, dass man auch hier nach Niedersachsen schauen kann. Dort wurde das Problem mit dem Schutz von Personendaten ganz gut gelöst. Das Verfahren gestaltet sich dort wie folgt: Auf Anregung einer Polizeidienststelle stellt das LKA eine Meldung ein und bittet unter Angabe der jeweiligen Dienststellennummer um telefonische Hinweise. Dem Gerücht, dass bei einer Fahndung der Polizei via Facebook eventuell eine mediale Hetzkampagne droht, möchte ich gleich vorbeugen: Man kann die Kommentarfunktion unterdrücken, sodass ausgeschlossen wird, dass auf der Facebook-Präsenz der Polizei eine Person öffentlich an den Pranger gestellt wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns – aktuell – noch einen Blick nach Niedersachsen werfen. Die Polizeidirektion Göttingen veröffentlicht heute zwischen 6 und 23 Uhr alle 60 Geschwindigkeitskontrollstellen im südlichen Niedersachsen auf ihrer FacebookSeite. Die Angaben werden tagsüber immer dann aktualisiert, wenn Kontrollstellen verlegt werden.
Ich zitiere eine große deutsche Tageszeitung: „Die Polizei will auf diese Weise um Verständnis für die ungeliebten Blitzer werben. Die Aktion soll zeigen, dass es bei Geschwindigkeitskontrollen eben nicht um Abzocke geht, sondern um einen sicheren Verkehrsfluss. Die Polizei Göttingen arbeitet mit Facebook, weil hier vor allem junge Menschen aktiv sind, die als Fahranfänger für die Risiken im Straßenverkehr sensibilisiert werden sollen. Generell will die Göttinger Polizei künftig stärker über
Meine Damen und Herren, da kann ich nur sagen: Chapeau! Hut ab! Die Polizei in Niedersachsen ist ganz offensichtlich im modernen 21. Jahrhundert angekommen und nutzt vorbildlich die modernen Kommunikationsmittel.
Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt: Was die niedersächsische Polizei kann, das kann natürlich auch die sächsische Polizei. Unser Ziel ist es, dass auch die sächsische Polizei Facebook zur Aufklärung von Straftaten, zur Suche von vermissten Personen und auch zur Unterstützung von Fahndungen nach flüchtigen Personen nutzt, ebenso für Veranstaltungen des Polizeiorchesters wirbt, Stellenanzeigen und vielleicht auch Blitzermeldungen bei Facebook einstellt. Denkbar und möglich ist hier vieles. Wichtig ist, dass die Polizei das Potenzial von Facebook nutzt – unter Einhaltung aller datenschutzrechtlicher Bestimmungen, so, wie es in anderen Bundesländern bereits erfolgreich umgesetzt wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, im November 2012 haben nun auch die Justizminister der Länder beschlossen, mit einer Arbeitsgruppe die rechtlichen Grundlagen für eine Polizeifahndung mit Internet zu untersuchen – übrigens ein einstimmiger Beschluss aller 16 Landesminister.
Sie sehen, wir befinden uns mit unserem Vorstoß in guter Gesellschaft. Ich bitte Sie herzlich um Zustimmung zu unserem Antrag.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Langsam muss man sich um den Zustand der noch amtierenden Koalition Sorgen machen. Vor allem im Bereich der Innenpolitik bringen CDU und FDP außer Placebo-Anträgen und eher symbolischen Akten nichts Substanzielles mehr zuwege. Dies gilt für die morgige Drucksache zur Grenzkriminalität ebenso wie für den hier zu behandelnden Antrag. Dieser trägt die Überschrift „Polizeipräsenz im Internet erhöhen – Soziale Netzwerke zur Polizeiarbeit nutzen!“. Im Kern geht es dabei jedoch lediglich um einen Berichtsantrag, und es drängt sich förmlich die Frage auf, ob der zuständige Arbeitskreis der CDU und der von ihr gestellte Innenminister denn überhaupt noch miteinander kommunizieren; denn wenn sie wenigstens hin und wieder miteinander reden würden, dann hätten sie uns den vorliegenden Antrag ersparen können.
Nun gut, Sie wollen von der Staatsregierung einen Bericht. Sie wollen wissen, wie die vorhandenen Möglich
keiten, mit der Polizei via Internet in Verbindung zu treten, bislang genutzt wurden. Sie fragen des Weiteren nach dem derzeitigen Engagement der sächsischen Polizei in sozialen Netzwerken oder bei Nachrichtendiensten wie Twitter, und Sie wollen eine Übersicht darüber, welche Polizeiposten bzw. Polizeireviere dort derzeit bereits präsent sind. Warum Sie das hier im Plenum und nicht im zuständigen Fachausschuss behandeln, mag Ihr Geheimnis bleiben, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen.
Wenn man sich ansieht, Herr Kollege Hartmann, in welcher Frist Sie den Bericht erwarten, dann ergeben sich weitere Fragen zur Ernsthaftigkeit Ihres Anliegens. Bei vergleichbaren Anfragen der Opposition erklärt sich die Staatsregierung regelmäßig außerstande, innerhalb so kurzer Zeiträume die geforderten Angaben zu liefern. Jetzt sollen binnen sechs Wochen offenbar sämtliche Polizeireviere und Polizeiposten sowie weitere Behörden in Sachsen abgefragt und entsprechende Übersichten erstellt werden. Die Beamten haben scheinbar sonst nichts zu tun.
Darüber hinaus soll innerhalb dieses engen Zeitfensters auch geprüft werden, wie der Einsatz sozialer Netzwerke in der Polizeiarbeit verstärkt werden kann und ob die Einrichtung einer zentralen Präsenz der sächsischen Polizei sinnvoll ist. Wer so agiert, Herr Hartmann, kann mit seinen Anträgen nicht wirklich ernstgenommen werden. Sie gaukeln Aktivität vor, weil Sie in puncto Verbesserung der persönlichen Sicherheit schon seit geraumer Zeit nichts – aber auch gar nichts – mehr zu bieten haben.
Die Rechtslage ist doch eindeutig: Für die Nutzung sozialer Netzwerke bedarf es keines Landtagsbeschlusses. Unter Beachtung der geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen hätten Sie diesbezüglich schon seit Jahren aktiv werden können. Andere Bundesländer sind da schon lange sehr viel weiter als Sachsen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für meine Fraktion, DIE LINKE, will ich hier ganz klar festhalten: Sofern die gültigen gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden, kann und soll natürlich auch die Polizei in sozialen Netzwerken aktiv werden können. Es wäre geradezu fahrlässig, moderne Informations- und Kommunikationsinstrumente nicht zu nutzen. Allein mit „Aktenzeichen XY“ kann man in der heutigen Zeit nicht mehr nach Straftätern fahnden; darin sind wir uns hier einig, Herr Karabinski.
Aber wir kennen auch die Risiken des Internets – im Gegensatz zum Innenminister dieses Landes, der dem Vernehmen nach jüngst im NSU-Untersuchungsausschuss nicht einmal richtig beschreiben konnte, was denn das Internet eigentlich wirklich ist.
Wir fordern die Koalitionäre auf, die kritischen Anmerkungen des Datenschutzbeauftragten ernst zu nehmen. Strafverfolgung ist und bleibt eine hoheitliche Aufgabe des Staates und kann deshalb nicht eben mal so auf private Internetfirmen übertragen werden.
Der Antrag von CDU und FDP wäre eigentlich nicht notwendig gewesen – dazu habe ich eingangs schon gesprochen –, er richtet aber auch momentan keinen Schaden an, weil er lediglich einen Bericht fordert und einen Prüfauftrag auslöst. Da eine Vor- oder gar endgültige Entscheidung mit dem vorliegenden Antrag nicht verbunden ist, werden wir bei der Abstimmung mit Enthaltung votieren. Dies nicht zuletzt auch deshalb, Herr Kollege Hartmann, weil im Antrag kein einziges Wort dazu enthalten ist, wer denn die gewünschte verstärkte Internetpräsenz künftig personell betreuen soll.
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie müssen endlich begreifen, dass es schlichtweg unmöglich ist, der Polizei immer neue Aufgaben zu übertragen und zugleich mehr als 2 400 weitere Stellen abbauen zu wollen. Das kann nicht funktionieren, meine Damen und Herren, und deshalb können wir Ihrem Antrag in der vorliegenden Form auch nicht zustimmen.
Beindruckend, nicht? – Ich erkläre Ihnen auch gern, warum wir Ihrem Antrag zustimmen. Ihr Antrag sagt: Die Staatsregierung möge berichten, wie die Online-Wache genutzt wird. Das ist gar nicht so schlecht. Ich habe die Anfrage selbst schon einmal vor zwei oder drei Jahren gestellt. Die kann man einmal aktualisieren. Ich bin dankbar, dass Sie mir die Arbeit abnehmen, diese Anfrage noch einmal zu stellen. Schauen Sie einfach nach, 2010, da steht es drin.
Als Zweites schlagen Sie vor, die Staatsregierung möge berichten, wie die Polizei die sozialen Netzwerke nutzt. Gut, ich gehe davon aus, dass Sie es wissen, weil ich es auch weiß, wir innenpolitischen Sprecherinnen und Sprecher das natürlich verfolgen. Aber es ist auch kein schlechter Service für die Kolleginnen und Kollegen, die in anderen Bereichen tätig sind. Möge die Staatsregierung berichten. Das tut ja nicht weh.
Drittens. Die Staatsregierung möge prüfen, ob man die sozialen Netzwerke nicht noch etwas stärker nutzen könnte. Prüfen soll man immer alles, warum also nicht auch das? Wenn die Staatsregierung dazu etwas zu sagen hat, soll sie das gern tun.
Das ist schon Ihr ganzer Antrag. Na klar, dem stimmen wir zu. Aber haben Sie wirklich den Eindruck, Sie haben mit diesem Antrag die Welt bewegt? Haben Sie wirklich den Eindruck, Sie haben mit diesem Antrag auch nur ein ganz kleines Stück zur inneren Sicherheit im Freistaat
Sachsen beigetragen? „Polizeipräsenz im Internet erhöhen“ – so ist der Titel. Wie wäre es, wenn Sie erst einmal die Polizeipräsenz auf der Straße erhöhen?
Wir haben vor wenigen Wochen die aktuellen Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik bekommen, und Sie wissen genauso gut wie ich, was die eigentlichen Deliktfelder und Probleme sind: Fahrraddiebstähle, Autodiebstähle, der Diebstahl von Wertgegenständen aus Kfz, Wohnungseinbrüche, Drogenkonsum. Das sind die wesentlichen Bereiche, auf die sich Kriminalität in Sachsen bezieht. Was machen wir denn dann mit den sozialen Netzwerken?
Da stellen wir dann Fotos von leeren Parkplätzen ein und schreiben: Hier stand mal ein Auto. Wer hat es gesehen? Oder wie stellen Sie sich das vor? Und damit haben wir dann die Kriminalität bekämpft? Bestreifung und Polizeipräsenz – das wäre eigentlich das, was im Freistaat Sachsen notwendig wäre, um Kriminalität zu bekämpfen und Polizeiarbeit effektiver zu machen.
Sie machen – darüber sprechen wir hier seit vielen Jahren – das ganze Gegenteil: Sie bauen Polizeistellen ab. Sie schließen Reviere. 30 von den 70 Revieren in Sachsen haben Sie geschlossen, und dann verlegen Sie sich aufs Internet und sagen: Mit virtueller Polizeipräsenz könnte es möglicherweise besser werden. Sie machen virtuelle Sicherheitspolitik in diesem Freistaat, und das seit mindestens drei Jahren, und die Bürgerinnen und Bürger merken langsam, dass das nur virtuell ist und nichts dahintersteckt. Ich vermute mal, wenn Sie daran nicht bald etwas ändern, dann wird es mit der Sicherheitskompetenz der CDU in Sachsen vorbei sein.