Meine Damen und Herren, die erste Runde ist beendet. – Mir liegen nun keine Wortmeldungen mehr vonseiten der Fraktionen vor. Wird dennoch das Wort noch einmal gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Damit bitte ich nun Frau Staatsministerin Clauß, das Wort zu nehmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Bei allen Problemen bzw. Diskussionen: Die Entscheidung für das Persönliche Budget war richtig; denn es ist ein Schritt mehr in Richtung selbstbestimmter Teilhabe, und es geht um eigene Entscheidungen und darum, dafür auch die Verantwortung zu übernehmen.
Gleichwohl wird das Persönliche Budget nicht so angenommen, wie wir es alle erhofft hatten und es uns gewünscht hätten. Auch wenn es sich hier um ein Bundesgesetz handelt und der Freistaat Sachsen kein Reha-Träger ist, also keine Leistungen erbringen kann, haben wir nach den Gründen für die fehlende Inanspruchnahme gefragt. Dazu haben wir in der Phase der Einführung des Persönlichen Budgets intensive Gespräche mit allen Reha-Trägern geführt. Später war unsere Hilfestellung seitens der RehaTräger leider nicht mehr so gefragt. Es zeigt sich: Eine der größten Herausforderungen liegt in der trägerübergreifenden Umsetzung.
Um Menschen mit Behinderung die Entscheidung für das Persönliche Budget zu erleichtern, hat das SMS eine Broschüre herausgegeben, die alle Reha-Träger und deren Leistungen kurz vorstellt. Außerdem haben wir mehrere Beratungsprojekte, speziell zum Persönlichen Budget, gefördert und der KSV hat im Internet einen Leitfaden zum Persönlichen Budget für seine Sachbearbeiter veröffentlicht.
Informationen sind also ausreichend vorhanden. Das Verfahren ist klar geregelt und die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation hat Empfehlungen entwickelt. Woran liegt es also? Neben der bereits erwähnten Herausforderung der trägerübergreifenden Bewilligung ist die Finanzierung eines Budgetassistenten schwierig. Einerseits soll das Persönliche Budget den festgestellten Bedarf decken und die erforderliche Beratung sichern, andererseits soll es die Kosten der Sachleistung nicht überschreiten. Für zusätzliche Assistenzleistungen bleibt da oft kein Raum, und wenn Raum bleibt, sind diese Unterstützungsleistungen am Markt zum Teil kaum oder nur zu einem höheren Preis erhältlich. Deshalb unterstützen wir die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe. Über die fachlichen Aspekte sind sich die Länder mit dem Bund bereits weitgehend einig, und nach der Einigung zum Fiskalpakt wird es wahrscheinlich im Rahmen der Erarbeitung eines Bundesleistungsgesetzes für Menschen mit Behinderung die Umsetzung geben.
Ein wichtiges Ziel dabei ist, die Hilfen personenzentriert zu erbringen und sie nicht länger an den jeweiligen Einrichtungen auszurichten. Ich hoffe, dass mit diesem Ansatz auch das Persönliche Budget einen neuen Impuls erhalten wird. Außerdem bedurfte auch das Persönliche Budget nicht der UN-Behindertenrechtskonvention; denn es war vorher da. Aber die Konvention stärkt eine Individualisierung von Leistungen und kann dem Persönlichen Budget sehr wohl einen neuen Schub verleihen.
Dass wir das Thema sehr ernst nehmen, zeigt auch die Zusage, die wir am vergangenen Montag zur Fachtagung „Auf dem Wege zur Inklusion“ – Sie hatten davon gesprochen – getroffen haben: dass wir die Berichterstattung dieses Themas aufnehmen werden. Ich konnte leider aufgrund der Schneeverhältnisse in Leipzig die Veranstaltung nicht pünktlich erreichen und bedanke mich noch einmal bei Herrn Schnabel, dass er alles übernommen hat.
Die Bearbeitungszeiten können uns nicht zufriedenstellen. Was die Daten betrifft, so können wir nur auf jene zurückgreifen, die uns die Reha-Träger melden. Eine andere gesetzliche Grundlage gibt es nicht. Herr Kollege Wehner, was die Inanspruchnahme von Gebärdensprache bei Hörgeschädigten betrifft: Das würde ich Ihnen gerne nachreichen. Dazu gibt es sicher auch noch eine Information an Sie.
Meine Damen und Herren, die Debatte zur Großen Anfrage ist abgeschlossen. Wir kommen nun zum Entschließungsantrag in der Drucksache 5/11475 von der Fraktion DIE LINKE. Herr Wehner wird diesen einreichen.
Frau Präsidentin, geben Sie mir bitte ein Zeichen, wenn die Zeit abgelaufen ist. Ich kann die Redezeit hier nämlich nicht deutlich erkennen.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich herzlich für die sehr sachliche Diskussion. Im Grunde genommen stelle ich Einigkeit fest, dass wir den Prozess der Handhabung des Persönlichen Budgets weiter vorantreiben müssen. Vielen Dank auch für den Hinweis, dass es der UN-Konvention nicht bedurft hätte. Aber ich meine, die UN-Konvention und deren Umsetzung sollte gerade für Sie Verpflichtung sein, den Prozess engagierter zu betreiben. Ansonsten ist alles klar.
Ich denke, wir brauchen in den drei Phasen des Persönlichen Budgets – Beantragung, Bewilligung und Führung – vielleicht noch mehr ausreichende Beratung, Information und Kompetenz.
Wir müssen Vorurteile bei der Gewährung des Persönlichen Budgets abbauen. Gerade ist wieder der Hinweis mit den Sachleistungen gekommen, dass es diese im Rahmen des Budgets nicht mehr gibt. Das ist genau der Grund für die überörtlichen Sozialhilfeträger, das Persönliche Budget nicht zu gewähren, weil sich eigentlich nichts ändert. Aber im Bereich der Selbstbestimmtheit ändert es sehr viel. Wir wollen mit unserem Entschließungsantrag erreichen und noch einmal feststellen, dass es ein sinnvolles Instrument ist. Wir brauchen eine konkrete Datenerhebung, und zwar unter der Verantwortung der Sächsischen Staatsregierung.
Wir bitten, unter Mitwirkung der Leistungs- und Erfahrungsträger für das Persönliche Budget die Hindernisse bei der Anwendung des Budgets aufzuarbeiten und weitergehende Handlungsvorschläge zu unterbreiten und möglicherweise auch die Diskrepanzen zwischen den Empfehlungen der BAR und dem Leitfaden des KSV auszuräumen. Der KSV geht nämlich davon aus, dass es
das Persönliche Budget überwiegend für erwachsene Menschen gibt. Die Empfehlung ist aber, dass es das vom Kindesalter bis zum hohen Alter geben kann. Auch dazu haben wir unterschiedliche Auffassungen im Freistaat Sachsen. Gleiches gilt, was die Budgetierung der Assistenz betrifft. Diesbezüglich müssten wir etwas nachbessern. Dazu soll dieser Entschließungsantrag dienen.
Wenn ich hierzu also Einigkeit im Saal festgestellt habe, möchte ich der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass Sie dem Antrag zustimmen. Das hilft den Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Wehner, Sie haben richtig erkannt, dass es sicherlich eine große Gemeinschaft im Landtag gibt und dass wir das Persönliche Budget weiter befördern wollen.
Es ist halt die Frage, ob wir das jetzt noch einmal beschließen müssen, was wir ohnehin schon einmal beschlossen und auch vor mehreren Jahren schon diskutiert haben. Wir haben immer gesagt, dass wir das wollen. Insofern ist die Frage, ob man das noch einmal extra tun muss.
Der zweite Punkt – das ist auch schon in der Debatte deutlich geworden – ist: Wir müssen uns die Zuständigkeiten genau anschauen. Wer ist wofür zuständig? Dann wissen wir, dass originär die Staatsregierung nicht zuständig ist. Die Staatsregierung kann – Frau Staatsministerin Clauß hat es dankenswerterweise noch einmal gesagt – bei Informationsveranstaltungen, in Broschüren usw. mithelfen, dass das Persönliche Budget bekannt gemacht wird. Aber die Zuständigkeit liegt bei Reha-Trägern, den Landkreisen oder beim Kommunalen Sozialverband. Dort ist sie aus meiner Sicht gut aufgehoben. Dort gibt es eine Kontrollmöglichkeit, ob das nun die Selbstverwaltung bei der Rentenversicherung oder bei den Landkreisen ist, auch dort gibt es Kreisräte und beim KSV die Verbandsräte jeder Partei. Auch dort kann man seine Vorschläge einbringen.
Ich möchte noch etwas in Richtung KSV sagen, weil die SPD sagte, es gäbe keinen Antrag auf Auszug aus einer stationären Einrichtung beim KSV. Man kann dem KSV relativ viel vorwerfen, aber was man ihm nicht vorwerfen kann, ist, dass er das nicht unterstützen würde. Da bin ich mir relativ sicher. Der KSV hat unter anderem durch sein Maßnahmenkonzept II und durch andere Maßnahmen genau das mit auf den Weg gebracht, weil er gern andere Wohnformen befördern will. Es kann in diesem Punkt ausnahmsweise einmal nicht am KSV liegen.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Wir wollen uns weiterhin für das Persönliche Budget einsetzen, halten aber Ihren Antrag für nicht zielführend.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst liegt es uns fern, den KSV irgendwelcher Bremsprozesse zu beschuldigen. Der KSV ist auch für die SPD-Fraktion ein Partner in diesem Prozess. Trotzdem müssen wir diese Tatsache, dass kein einziger Mensch von stationär auf ambulant umgesattelt ist, einfach zur Kenntnis nehmen und uns an der Stelle natürlich auch fragen, ob die Instrumente und die Verfahrensweise, wie wir sie jetzt haben, ausreichend und passend sind. Meine Fraktion wird dem Entschließungsantrag zustimmen.
Ich möchte noch hinzufügen, dass wir das Argument, dass der Freistaat hier nicht zuständig ist, für nicht zulässig halten. Wir sind der Meinung, dass der Freistaat sehr viel Gestaltungsspielraum hat, auf die einzelnen Träger einzuwirken, und dass das aus unserer Sicht auch Ihre Aufgabe ist.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch unsere Fraktion wird dem Entschließungsantrag zustimmen. Ich habe deutlich gemacht, dass ich die Rolle der Staatsregierung, die sie im Jahr 2007 beschrieben hat, als aktive Moderatorin auch heute noch für angebracht halte, und „aktiv moderieren“ heißt mehr als das, was mein Kollege gerade zum Ausdruck gebracht hat. „Aktiv moderieren“ heißt, tatsächlich auch Angebote für die Kommunen zu machen, Erfahrungsaustausch zu ermöglichen, Best Practice vorzustellen usw., um Ressentiments oder Vorbehalte irgendwelcher Art gegenüber dem Persönlichen Budget abbauen zu helfen.
Das ist die Aufgabe der Staatsregierung. Der Entschließungsantrag ist geeignet, diesen Auftrag der Staatsregierung auch zu erteilen. Deshalb werden wir dem Entschließungsantrag zustimmen.
Gibt es weiteren Redebedarf zum Entschließungsantrag? – Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich jetzt über den Entschließungsantrag abstimmen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer ganzen Reihe von Stimmen dafür ist dennoch der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden. Meine Damen und Herren! Ich schließe den Tagesordnungspunkt 4.
Die Abstimmung zu beiden Vorlagen erfolgt nach der Debatte natürlich getrennt. Ich eröffne die Aussprache, die, wie bei Anträgen üblich, durch die Antragsteller erfolgen wird. Ich erteile zunächst der Fraktion der CDU das Wort. Danach folgen FDP, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. – Herr Abg. Heidan, bitte.