Protocol of the Session on March 14, 2013

kämen wir auch hin, wenn diese Grundrechte auch für nationale Deutsche gelten würden?!

Selbst derjenige, der die Achtung von Grundrechten nationaler Deutscher einfordert – eigentlich eine bare Selbstverständlichkeit, wenn man sich einmal das Grundgesetz durchlesen würde, Herr Staatsminister Ulbig – ist natürlich nach offizieller Lesart ein Feind der Freiheit und der Demokratie und gehört selbst unter Beobachtung gestellt.

Für die NPD-Fraktion steht fest: Dieser Verfassungsschutz ist nicht reformierbar, und für ihn kann es nur eine Lösung geben, nämlich die Auflösung. Das Herumdoktern an dieser Behörde,

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

wie es in dem Antrag der GRÜNEN zwischen den Zeilen zum Ausdruck kommt, verhindert nur echte Reformen, die eigentlich notwendig wären.

Da wir als NPD-Fraktion aber grundsätzlich alle Ansätze unterstützen wollen, die die Arbeit des Inlandsgeheimdienstes kritisch unter die Lupe nehmen, werden wir dem Antrag zustimmen, auch wenn wir ihn für einen Schnellschuss halten und es sinnvoller gewesen wäre, ihn vorher im Innenausschuss zu beraten. Die NPD-Fraktion wird den Antrag auch deshalb unterstützen, weil uns Punkt 2d, also die Frage, inwieweit auch personelle Änderungen, insbesondere in der Führungsebene, geplant sind, sehr interessiert.

Sicher, der langjährige LfV-Präsident Reinhard Boos ist zwar schon zurückgetreten, aber sein Vertreter, Herr Dr. Olaf Vahrenhold, der die Behörde als Abteilungsleiter bereits seit den Neunzigerjahren maßgeblich geprägt hat, ist nach wie vor im Amt. Noch viel problematischer – und jetzt sollte vielleicht auch einmal der Herr Staatsminister zuhören – sieht es mit dem vermeintlichen personellen Neuanfang in Gestalt des jetzigen Präsidenten MeyerPlath aus, der durch seine frühere Tätigkeit beim Verfassungsschutz in Brandenburg inzwischen selbst als hochgradig belastet gilt.

Mittlerweile wurde bekannt, dass der heutige LfVPräsident Meyer-Plath in seiner Brandenburger Zeit VMann-Führer des hinlänglich bekannten und auch berüchtigten V-Mannes „Piato“ war, der vom Brandenburger Verfassungsschutz als Spitzel eingesetzt wurde, obwohl er wegen versuchten Mordes an einem nigerianischen Asylbewerber vorbestraft war. Der Brandenburger Verfassungsschutz war dafür verantwortlich, dass die entscheidende Quellenmeldung des V-Mannes „Piato“ aus dem September 1998, dass sich das Trio im Untergrund bewaffnet habe und weitere Überfälle plane, nicht an die Polizei weitergegeben wurde.

Außerdem, Herr Staatsminister Ulbig, steht trotz eines eiligen Dementis aus Potsdam weiterhin der Verdacht im Raum, dass der Brandenburger VS einen weiteren VMann im unmittelbaren NSU-Umfeld führte, der auch Querverbindungen nach England zu der Organisation „Combat 18“ gehabt haben soll. Es drängt sich hier

jedenfalls ganz stark der Verdacht auf, dass der heutige Präsident des Sächsischen LfV, Gordian Meyer-Plath, ganz nahe dran war an einer mörderischen Geheimdienstoperation, die am Ende zehn Menschen das Leben kostete.

Solange dieser ungeheuerliche Verdacht nicht ausgeräumt ist, kann Gordian Meyer-Plath nach Auffassung der NPD das Sächsische Landesamt unter gar keinen Umständen leiten. Manchmal, Herr Ulbig, geht es eben nicht nur um Strukturen, sondern schlicht und einfach auch um personelle Kontinuitäten. Um es in diesem Falle ganz deutlich und gerade heraus zu sagen: Beim Sächsischen Landesamt stinkt der Fisch vom Kopf her.

Bevor nicht wenigstens die problematischsten personellen Kontinuitäten beendet werden, brauchen wir uns über Strukturreformen überhaupt nicht zu unterhalten. Wir Nationaldemokraten bleiben dabei natürlich bei unserer Auffassung, dass am Ende einer solchen Reform, einer überfälligen Reform der Geheimdienste die Auflösung der sogenannten Ämter für Verfassungsschutz stehen muss.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Mir liegt noch eine Wortmeldung für eine zweite Runde vor. Ich frage die GRÜNEN trotzdem noch einmal, ob noch Redebedarf besteht.

(Zuruf von den GRÜNEN: Es sind nur noch 44 Sekunden!)

Ja, ich frage trotzdem ordnungshalber. Es waren noch 44 Sekunden. – Es wird verzichtet. Es spricht Herr Hartmann für die CDU-Fraktion. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein bisschen erinnert das hier alles an ein Theaterstück. Die Dramaturgie ist sehr klar und schlicht. Herr Hahn hat das Ganze sehr in Rollen eingebettet. Da gibt es einmal den bösen Geheimdienst, die allmächtige Union, für die dieser böse Geheimdienst tätig ist. Es gibt einen schwachen Minister ehrlicher Natur, der sich hin- und hergerissen zwischen der Entwicklung kaum durchsetzen kann. Es gibt die gute LINKE, die voransteht und alles aufklären will, um die Zerschlagung des Bösen zu erreichen.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE)

Es gibt dann noch die Statisten SPD und GRÜNE am Rande des Geschehens. Nur ganz so einfach, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das ganze Thema nicht, und wir müssen es ein wenig zurückholen. Denn genauso, wie Herr Hahn der CDU vorgeworfen hat, sie wollte verschleppen und möglichst weit weg, kann man auch den Eindruck gewinnen, die LINKE möchte es nur sehr populistisch und sehr aufmerksam weiter betrieben haben, und die Ziele und Inhalte stehen nicht im Mittelpunkt dieser Frage.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb möchte ich noch einmal auf die Frage zurückkommen, um die es eigentlich geht. Es geht um eine Expertenkommission, die den Auftrag hatte – so war es schon im Titel des Expertenberichtes formuliert –, die Strukturen und die Aufgabenwahrnehmung und die Kontrolle innerhalb des Amtes zu bewerten. Es handelt sich hier um einen Baustein, um einen Baustein einer ganzheitlichen Aufklärung und ganzheitlichen Diskussion, um die Frage der Organisation, der Aufgabenwahrnehmung und in einem zweiten Schritt auch der Kontrolle des Verfassungsschutzes.

Eines möchte ich an der Stelle ganz klar zum Ausdruck bringen: Die CDU-Fraktion steht nach wie vor zu der Notwendigkeit eines Landesamtes für Verfassungsschutz auch in der Zuständigkeit des Freistaates Sachsen.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Was in dieser Diskussion und dieser Dramaturgie ein wenig untergeht, ist für den Zuschauer die Frage der Trennung der beiden Aufgabenbereiche, nämlich der des Parlamentes und der der Staatsregierung, frei auch nach der Frage der Zuständigkeit von Exekutive und Legislative. Die Aufgabe der Exekutive ist es jetzt, in einem ersten Schritt zu bewerten und die Frage zu beantworten: Was kann im Ergebnis der Ereignisse, die wir mit dem NSU erlebt haben, mit der Frage, warum bestimmte Prozesse nicht erkannt werden, verändert werden?

Die Beantwortung dieser Frage geschieht im Rahmen der derzeit geltenden rechtlichen Bestimmungen und der Aufgabendefinition des Landesamtes für Verfassungsschutz. Deswegen hat dieser Bericht diese Fragen aufgegriffen und sie in einer Handlungsempfehlung zusammengetragen. Natürlich ist es folgerichtig, dass dieser Bericht jetzt eine Grundlage für die Diskussion innerhalb des Sächsischen Staatsministeriums des Innern bildet, um zu hinterfragen, wie mit den einzelnen Vorschlägen, mit diesen sehr konkreten Vorschlägen und Hinweisen umgegangen werden soll; wie durch mehr Transparenz, durch mehr Organisation Verbesserungen erreicht werden können.

Deswegen ist es auch sinnvoll und richtig, dass der Sächsische Staatsminister des Innern an dieser Stelle eine weitere Arbeitsgruppe gebildet hat, um diese Hinweise zu analysieren, die Praktikabilität zu bewerten und es abzustimmen.

Der Freistaat Sachsen ist in dieser Rolle nicht allein auf dem Markt, denn er tut es in Abstimmung, in Bewertung einer Gesamtdiskussion, die wir über die Landesämter für Verfassungsschutz und über das Bundesamt für Verfassungsschutz führen – und diese Diskussionen, die Expertenbewertung und die Aufgabenbewertung laufen.

Es gibt eine zweite Aufgabe, die dem Gesetzgeber und diesem Parlament obliegt, und zwar die Aufgabe, in dieser Diskussion aufzuklären, und ich betone an dieser Stelle noch einmal: mögliches Versagen und Fehlverhalten

innerhalb eines Untersuchungsausschusses, der sich dieser Frage zu stellen hat – mögliches Fehlverhalten und Versagen der Behörden im Freistaat Sachsen.

Diese Formulierung beinhaltet, dass wir derzeit aufarbeiten, prüfen, bewerten, anhören, um am Ende zu einem Ergebnis zu kommen. So manches Mal mutet es schon sehr verwunderlich an, dass einige in diesem Hohen Hause das Ergebnis einer Untersuchung schon heute kennen und damit eigentlich die Frage durchaus berechtigt erscheinen lassen: Was soll dann ein Aufklärungsprozess?

(Beifall bei der CDU und der Abg. Kristin Schütz, FDP, und Michael Weichert, GRÜNE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir verfügen heute über Kontrollgremien – die G 10 und die PKK –, die die Aufgabe haben, hier tätig zu werden, zu hinterfragen und zu kontrollieren. Das tun sie mit der notwendigen Verantwortung, und ich glaube, dass auch hier die Frage durchaus legitim ist, wie diese Kontrolle in der Zukunft gestaltet wird. Aber das ist ein zweiter Diskussionsprozess, dem sich dieses Hohe Haus zu stellen hat.

Zum Abschluss möchte ich Sie um weniger Aktionismus bitten – nicht für die öffentliche Debatte und für das eigene Wohlfühlverhalten, sondern im Interesse der Funktionsfähigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz innerhalb einer Sicherheitsarchitektur in Deutschland und einer koordinierenden Verantwortung eines Bundesamtes in Kooperation mit anderen Sicherheitsstrukturen und einer vernünftigen parlamentarischen Kontrolle die Diskussion sachlich zu führen und den zuständigen Stellen die Zeit zu lassen, die Aufarbeitung, Bewertung und Organisationsveränderung vorzunehmen. Darum geht es und nicht um das Rollen von Köpfen, um bessere Quoten in der Pressepublikation.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Abg. Kristin Schütz, FDP, und der Staatsregierung)

Ich kann keine Wortmeldungen mehr in der zweiten Runde erkennen. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Ulbig, Sie möchten das Wort nehmen; bitte, Sie können sprechen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es ist nicht das erste Mal, dass wir uns zu diesem Themenkomplex hier im Hohen Hause auseinandergesetzt haben, und es wird mit Sicherheit auch nicht das letzte Mal sein, dass wir über dieses Thema sprechen; denn mit Auffliegen des NSU hat es natürlich zu Recht Kritik an den Sicherheitsbehörden gegeben und es gibt ein berechtigtes öffentliches Interesse, dass diese Thematik aufgeklärt wird und eine entsprechende Diskussion in diesem Hohen Hause stattfindet.

Heute steht ein Ausschnitt zur Aufarbeitung dieses Themenkomplexes auf der Tagesordnung. Deshalb möchte ich zuerst sagen: Ich werde nicht mehr darüber informieren, dass wir uns natürlich in diesem Zusammenhang seit dem 4. November des letzten Jahres innerhalb der Sicherheitsbehörden, innerhalb der zuständigen Ministerien mit diesem Themenkomplex auseinandergesetzt haben, dass es Veränderungen gegeben hat und dass ich auch in diesem Hohen Hause zu diesen Themen immer wieder unterrichtet habe, gleichermaßen auch im Innenausschuss.

Das Gemeinsame Terrorzentrum gegen rechts, welches eingerichtet worden ist, die gemeinsamen Dateien, die eingerichtet worden sind, die Entscheidung der Innenministerkonferenz zur Stärkung der Zentralstellenfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz und das, was Herr Biesok angesprochen hat, zukünftig innerhalb des Landes entsprechend zu vermeiden, die gemeinsame Informations- und Analysestelle und auch die Veränderung im Bereich des polizeilichen Staatsschutzes, die Schaffung des OAZ – all das ist nicht Gegenstand der heutigen Parlamentsdebatte, und deshalb werde ich auch nicht vertieft darauf eingehen. Es sollte nur deutlich werden, dass über diesen Themenkomplex sehr wohl hier berichtet worden ist und dass es Veränderungen im Laufe der letzten ein, anderthalb Jahre gegeben hat.

Konkreter Ausgangspunkt war das Auffinden der Akte am 10. Juli des vergangenen Jahres. Am 11. Juli, meine sehr verehrten Damen und Herren, bin ich hier vor Ihnen vor den Landtag getreten und habe a) informiert und b) die Einsetzung der Kommission in Aussicht gestellt. Deshalb war klar, der Vorgang musste aufgeklärt und gleichzeitig ein Auftrag erteilt werden, der in diese Diskussionszeit hineingepasst hat, wo über Philosophiewechsel und Veränderung gesprochen wurde, dass nach einer gründlichen Analyse ein Vorschlag unterbreitet wird: Wie muss das Landesamt für Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen zukünftig ausgerichtet werden? Was kann verbessert werden?

Dass der Auftrag dazu erfolgt ist, nämlich dass wir zukünftig ein Amt für Verfassungsschutz brauchen, welches auch auf das Instrument der operativen Maßnahmen nicht verzichten kann, war aus meiner Sicht ganz selbstverständlich. Ich kann heute sagen: Die Expertenkommission hat gut gearbeitet. Ja, sie war unabhängig, ergebnisoffen und weisungsfrei. Deshalb möchte ich noch einmal dem Team um Frau Prof. Harms ganz herzlich danken.

Natürlich ist es selbstverständlich, dass ein solcher Bericht unterschiedlich ausgelegt und bewertet werden kann. Trotzdem bleibt es dabei: Sachsen ist jetzt das erste Land, in dem von einer unabhängigen Kommission konkrete Vorschläge für das weitere Vorgehen in diesem Prozess auf den Tisch gelegt worden sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Expertenkommission hat einen breiten Maßnahmenkatalog vorgeschlagen: insgesamt 82 Vorschläge. Und – auch das ist richtig, Frau Friedel – der größte Teil dieser Vorschläge ist

an mich adressiert. Deshalb habe ich entschieden, keine Arbeitsgruppe einzurichten, die sich mal damit befasst und ein bisschen diskutiert, sondern ich habe eine Projektgruppe unter Federführung des Staatssekretärs eingesetzt, die den Auftrag hat, die einzelnen Vorschläge umzusetzen, um die Anpassungen entsprechend vorzunehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt einen zweiten Teil – einen deutlich kleineren –, der an den Landtag, an den Gesetzgeber adressiert ist. Dazu will ich ganz klar sagen, weil hier die Kritik des Verfassungsschutzbeauftragten so deutlich geworden ist: Das ist eine Angelegenheit, die ich nicht verfolge, die ich als Minister überhaupt nicht verfolgen kann. Ich habe mich auf den Teil der administrativen Veränderungen zu konzentrieren, und das werde ich tun.

Es ist gesagt worden, es sind unterschiedliche Dimensionen in diesen Vorschlägen enthalten. Natürlich sind es auch Kleinigkeiten, gar keine Frage; aber die Summe der einzelnen Vorschläge von Personalstruktur, Organisation und technischen Hilfsmitteln wird in der Umsetzung dazu führen, dass die Probleme und Fehler, die aufgedeckt worden sind, zukünftig abgestellt werden, um damit ein Amt zu schaffen, welches deutlich besser in der Lage ist, die Aufgaben, die ihm gesetzlich übertragen worden sind, entsprechend zu erfüllen.

Deshalb möchte ich sagen, dass die Expertenkommission eben nicht den Auftrag hatte, eine Art Abschlussbericht zum Gesamtkomplex NSU vorzulegen. Ja, wir haben mittlerweile sehr viele unterschiedliche Gremien im Lande und auch im Bund und ich halte es für vernünftig, dass es in diesem großen Themenkomplex im Bund und in den einzelnen Ländern unterschiedliche Gremien gibt, die natürlich auch aus den parlamentarischen Bereichen die Aufarbeitung vorantreiben und über entsprechende Konsequenzen zu entscheiden haben.

Mir ist es wichtig, deutlich zu machen, dass ich in dieser Situation die Verantwortung hatte zu handeln. Das habe ich getan – konstruktiv und absolut transparent. Über das weitere Vorgehen habe ich Sie jetzt unterrichtet. Deshalb möchte ich dem Hohen Hause empfehlen, diesen Antrag entsprechend abzulehnen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)