Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN fragt danach, welche Konsequenzen die Staatsregierung und der Innenminister aus dem vorgelegten Bericht ziehen. Ich bin sehr gespannt – angesichts unserer nur noch kurzen Redezeit kann ich eigentlich nur dieser Spannung Ausdruck verleihen –, was uns der Innenminister gleich erzählen wird. Ich bin sicher, er sieht
Wir haben schon vor einigen Wochen unsere Konsequenzen veröffentlicht. Wir haben deutlich gemacht, was sich nach unserer Meinung ändern muss. Das fängt an bei der inneren Organisation des Amtes, bei der Stärkung der Analysefähigkeit, der Stärkung der parlamentarischen Kontrolle, nicht zuletzt beim Verzicht auf V-Leute. Nur manches ist hier parlamentarisch zu regeln. Anderes, gerade was die innere Organisation angeht, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Analysefähigkeit, die Qualifikation angeht, fällt in den exekutiven Bereich der Staatsregierung, und dafür trägt die Behörde, das Innenministerium, ganz klare Verantwortung.
Herr Prof. Schneider, ich verstehe nicht ganz. Sie haben in Ihrem Redebeitrag Formulierungen verwendet wie „Es ist verfrüht, jetzt danach zu fragen“ oder man müsse dem SMI die Zeit zubilligen, die es benötige. „Alles zu seiner Zeit“, schlossen Sie dann.
Mal kurz zur Zeit: Wir erinnern uns daran, dass das Auffliegen des NSU nicht im November 2012, sondern im November 2011 erfolgte. Wir haben mittlerweile März 2013. Ein Jahr und vier Monate, 16 Monate sind vergangen, und das Einzige, was sich wahrnehmbar in Sachsen verändert hat, ist der Name des Leiters des Landesamtes für Verfassungsschutz.
Immer wieder fragen mich viele Leute: Was hat sich denn jetzt beim Verfassungsschutz in Sachsen geändert? Ich kann nichts anderes sagen als: „Nischt!“. Das kann doch nicht wirklich die Antwort des Freistaates Sachsen auf das Desaster sein, das auch wir hier erlebt und das wir mit verursacht haben. Insofern bitte ich Sie, nicht noch mehr Zeit ins Land gehen zu lassen. 16 Monate sind genug, um Konsequenzen zu ziehen. Ich bin gespannt, welche Konsequenzen der Staatsminister als politisch verantwortliche Person für diesen Bereich ziehen wird.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Staatsminister des Innern hat uns einen Bericht der Expertenkommission zur Untersuchung der Arbeitsabläufe im Landesamt für Verfassungsschutz vorgelegt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
kritisieren als Erstes daran, dass dieser Bericht keine Aufarbeitung der Vorkommnisse um den sogenannten NSU vornimmt. Man hätte analysieren müssen, welche Erkenntnisse man gehabt hat, um die drei mutmaßlichen Terroristen, wie wir immer noch sagen, zu finden.
Meine Damen und Herren, das war auch nicht Aufgabe dieser Expertenkommission. Aufgabe der Expertenkommission war es, die Arbeitsabläufe im Landesamt zu evaluieren und dann Vorschläge für die Verbesserung der Abläufe dort zu machen. Jemand, der schon in einem
Unternehmen gearbeitet hat, weiß: Es sollte eine Organisationsuntersuchung gemacht werden, wie das Amt besser organisiert und strukturiert werden kann.
Die Kommission kann nicht die Arbeit eines Untersuchungsausschusses übernehmen. Ich möchte nur daran erinnern, dass gerade beim Untersuchungsausschuss 3 im Sächsischen Landtag von den Oppositionsfraktionen mehr als 100 Zeugen benannt worden sind, um den Gesamtkomplex aufzuarbeiten. Da kann man nicht ernsthaft erwarten, dass eine Expertenkommission diese Aufarbeitung innerhalb der gegebenen Zeit selbstständig macht – es wurde ja sogar kritisiert, dass die Zeit zu kurz ist – und ein vollständiges Ergebnis liefert, welche Versäumnisse es gegeben hat und an welcher Stellschraube man etwas anders hätte drehen müssen. All das sei nicht passiert. Das ist zu viel erwartet, und das war auch nicht der Auftrag der Kommission.
Nimmt man den Auftrag der Kommission hinsichtlich einer Organisationsuntersuchung für voll, dann muss man ihr für die Arbeit danken, die sie geleistet hat. Das möchte ich im Auftrag meiner Fraktion auch gerne aussprechen.
Es ist wichtig und richtig, die Qualifikation des Personals zu verbessern. Dabei steht für mich insbesondere – und da teile ich die Einschätzung des Berichts – die Gewinnung von Mitarbeitern, die ein geisteswissenschaftliches Studium absolviert haben, im Vordergrund. Historiker, Politikwissenschaftler können in dem Bereich, in dem sie tätig sind, manchmal besser analysieren als Verwaltungsbeamte des gehobenen Dienstes. Sie sind dafür einfach besser ausgebildet, und das muss man anerkennen.
Gleiches gilt für die Verstärkung der Fortbildung. Nur durch eine kontinuierliche Fortbildung können die Mitarbeiter auf neue Herausforderungen vorbereitet werden und so neue Strukturen erkennen.
Die Kommission unterbreitet detaillierte Vorschläge, wie die Aktenführung im Amt neu entwickelt werden kann. Es geht um die Aktenführung, die Aktenordnung, die Vernichtung von Akten und die Vernichtung von Aktenteilen. Die Vorschläge, die dort gemacht werden, begrüße ich uneingeschränkt. Ich frage mich nur manchmal: Wie hat man das denn vorher gemacht? Was da vorgeschlagen wird, ist heute schon Standard in Banken, Rechtsanwaltskanzleien und anderen Verwaltungsgegenden, und hier muss man erst eine Expertenkommission einsetzen, um diese Standards auch in einem Landesamt für Verfassungsschutz einzuziehen. Also, es kommt spät, es ist gut, dass es kommt, aber man hätte es schon eher machen können.
Ich stimme einigen Vorrednern zu, wenn es um die Frage des sogenannten Verfassungsschutzbeauftragten geht. Ich lehne den Vorschlag der Kommission, einen solchen Verfassungsschutzbeauftragten zu ernennen, ab. Wir müssen vielmehr die bereits vorhandenen Gremien, die G
10-Kommission und die PKK, stärken, um die Kontrolle zu gewährleisten. Daneben brauchen wir keinen Beauftragten. Es darf keine zwei Stufen in der Kontrolle der Geheimdienste geben: einen zwar vom Parlament gewählten Beauftragten, der sehr nahe am Verfassungsschutz dran ist, dort im Wesentlichen in die Strukturen eingebunden ist und kontinuierlich kontrolliert, und daneben eine PKK, der man dann immer vorhalten kann, das sei alles schon mit dem Verfassungsschutzbeauftragten abgeklärt. Das brauchen wir nicht. Wir brauchen eine Stärkung der vorhandenen Gremien.
Für mich ist dieser Bericht aber nur ein erster Schritt. Mit Ausnahme des Verfassungsschutzbeauftragten können die Ergebnisse und Empfehlungen dieses Berichtes vorm Sächsischen Staatsministerium des Innern und vom Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz in eigener Kompetenz umgesetzt werden. Es sind fundierte Empfehlungen gegeben worden, die man eins zu eins in die tägliche Arbeit einbringen kann.
Nach dieser Umsetzung und nach Aufklärung der Versäumnisse der Sicherheitsbehörden in allen Ländern und auf allen Ebenen muss man jedoch einen weiteren Schritt gehen. Wir müssen die Strukturen im Verfassungsschutz radikal verändern. Die FDP ist eine Partei des Föderalismus und des Wettbewerbs, aber der Wettbewerb der Verfassungsschützer der Länder bestand in den letzten Jahren offenbar darin, wer mehr V-Leute auf seiner Gehaltsliste hatte. Was man wusste, teilte man am besten dem Amt im Nachbarland nicht mit, damit man den Erfolg aus der Arbeit seiner eigenen Verfassungsschützer für sich verbuchen konnte. Das ist eine Pervertierung des Föderalismus.
Ich nenne hier nur zwei Beispiele. Der Verfassungsschutz im Saarland hat 80 Mitarbeiter für dieses kleine Land, fertigt aber noch nicht einmal einen Verfassungsschutzbericht über seine Arbeit und über die Erkenntnisse an, die er gewonnen hat.
Ein anderes Beispiel: Hat ein Verfassungsschutz einmal einen Extremisten auf dem Radar und geht dieser Extremist zur Bundeswehr, ist nicht mehr das Landesamt für Verfassungsschutz zuständig, sondern der Militärische Abschirmdienst des Bundes.
Mit diesem Flickenteppich, meine Damen und Herren, muss Schluss sein. Die Zahl der Verfassungsschutzämter muss radikal reduziert werden. Das ist der nächste Schritt nach dem Abschluss der Untersuchungsarbeit.
Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN leistet keinen Beitrag zur Fortentwicklung des Verfassungsschutzes. Aus diesem Grunde werden wir ihn ablehnen.
Wir schließen die erste Runde der allgemeinen Aussprache. Herr Schimmer von der NPD-Fraktion ist der nächste Redner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach einer Debatte auf Antrag der LINKEN im Januar befassen wir uns eine Plenarwoche später erneut mit der Expertenkommission, diesmal auf Antrag der GRÜNEN. Der vorliegende Antrag sieht nach einem Schnellschuss aus. Keine Woche nach der Veröffentlichung des Berichts haben die GRÜNEN hier eine vermeintliche Analyse vorgelegt, die leider erstaunlich wenig Substanz hat.
Wozu Schnellschüsse führen, hat im direkten Zusammenhang mit diesem Thema die Abg. Kerstin Köditz demonstriert, als sie in der Fraktionspublikation der LINKEN, dem „Parlamentsreport“, ebenfalls noch im Februar behauptete, die Harms-Kommission habe einen Verfassungsschutzbeauftragten vorgeschlagen, der direkt vom Minister ernannt würde.
Der Vorschlag der Kommission ist auch nach Auffassung der NPD in der Tat zu kritisieren, aber von einer Einsetzung nur durch den Innenminister kann schlicht keine Rede sein, denn dieser Beauftragte soll – so schlägt es die Harms-Kommission vor – durch den Landtag für sechs Jahre gewählt werden und in seiner Rechtsstellung dem Datenschutzbeauftragten ähnlich sein.
Das hat Ihre Kollegin Frau Köditz in Ihrer Publikation „Parlamentsreport“ geschrieben. Das können Sie nachlesen, Herr Dr. Hahn.
Diese Fehleinschätzung Ihrer Kollegin Frau Köditz zeigt, dass der Bericht zunächst einmal gelesen werden sollte. Außerdem wäre eine Beratung im Innenausschuss und sicherlich auch in der PKK sinnvoll, bevor sich der Landtag insgesamt damit befasst. Es kann deshalb nur um eine erste Einschätzung der Arbeit der Kommission gehen, die ihrerseits klare Vorgaben durch die Staatsregierung hatte.
Damit bin ich auch schon beim Hauptkritikpunkt, der allerdings nicht in erster Linie der Kommission anzulasten ist, sondern dem Auftraggeber, also der Staatsregierung. Eine grundsätzliche Kritik oder gar ein Infragestellen des Verfassungsschutzes war von vornherein leider nicht der Auftrag dieser Kommission. Entsprechend fallen dann auch die Ergebnisse aus. Wir als NPD wundern uns darüber nicht.
In Ihrem Vorwort schreibt die Kommission: „Angesichts der bisherigen Ergebnisse der bundesweit geführten breiten Diskussion waren weder der Grundsatz nachrichtendienstlicher Erkenntnisgewinnung durch menschliche Quellen (V-Leute) noch die Notwendigkeit, nachrichtendienstliche Erkenntnisse auch geheim halten zu können, infrage zu stellen.“ Auch dieses Zitat belegt einmal mehr, dass es bei der gegenwärtigen Diskussion um den Verfassungsschutz eine auffällige Diskrepanz zwischen einerseits den Empfehlungen der diversen eingesetzten Kommissionen, beispielsweise der Schäfer-Kommission, der Bund-Länder-Kommission, der internen Arbeitsgruppe des BfV, der Harms-Kommission, und der gesellschaftli
Es wird immer deutlicher, dass die Sicherheitsbehörden den NSU-Komplex dazu nutzen, den Überwachungsstaat noch weiter auszubauen, statt ihn einzudämmen und statt die Landesorganisation mit der irreführenden Bezeichnung Verfassungsschutz aufzulösen. Immer neue Dateien der Sicherheitsbehörden werden angelegt, immer neue Zentren gegründet, in denen Polizei und Verfassungsschutz zusammenarbeiten.
Kaum war Ende 2011 das gemeinsame Abwehrzentrum Rechtsextremismus GAR gegründet worden, entstand ein Jahr später schon das gemeinsame Extremismus- und Terrorismuszentrum GETZ. Nur eines kommt den Verantwortungsträgern nicht in den Sinn, nämlich das System Verfassungsschutz komplett infrage zu stellen. Dabei wird auch immer klarer, dass genau dieses System Verfassungsschutz entweder gefährlich oder aber zumindest überflüssig ist, weil es die Morde nicht verhindern konnte oder auch nur wollte.
Dass von der Harms-Kommission keine durchgreifenden Änderungsvorschläge zu erwarten waren, liegt zudem auch an ihrer personellen Zusammensetzung. Frau Harms war über viele Jahre durch ihr Amt als Generalbundesanwältin in die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik eingebunden. Herr Rannacher war sogar über Jahrzehnte in einem Landesamt für Verfassungsschutz beschäftigt.
Von solchen Leuten kann man vielleicht gerade noch Reformvorschläge zur besseren Aktenführung und Mitarbeiterfortbildung sowie einige organisatorische Tipps erwarten, aber ganz sicher keine grundlegenden Vorschläge zum Umbau der Sicherheitsarchitektur in diesem Land. Damit wären sie auch überfordert gewesen, und es war – das muss man auch fairerweise zugestehen, und ich erwähnte es auch bereits – nicht ihre Aufgabe.
Aber wes Geistes Kind die Mitglieder der Kommission sind, haben sie auf Seite 104 ihres Berichtes offenbart. Dort fordert man eine verstärkte fachliche Beratung der Kommunen, insbesondere „bei Veranstaltungen zu bestimmten Gedenktagen, die von rechtsextremistischen Gruppierungen zum Anlass genommen werden, unter Berufung auf die Versammlungs- und Meinungsfreiheit NS-Propaganda zu verbreiten und die Bürger mit Gewaltdemonstrationen in Angst und Schrecken zu versetzen“.
Ach so, meine Damen und Herren, noch deutlicher könnte der totalitäre Geist der Verfasser dieses Berichtes kaum zum Ausdruck kommen. Da erdreisten sich doch tatsächlich Bürger dieses Staates, an Gedenktagen vom Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit Gebrauch zu machen und an die Opfer des eigenen Volkes zu erinnern!
Unerhört! Hier muss natürlich die Gesinnungspolizei namens Verfassungsschutz eingreifen und die Ausübung der Grundrechte so weit wie möglich einschränken. Wo