Protocol of the Session on March 13, 2013

(Marion Junge, DIE LINKE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, selbstverständlich.

Bitte, Frau Junge.

Danke schön. Herr Staatsminister, warum dauert es so lange, bis die Ergebnisse der Auswertung des Zensus vorliegen? Ich verstehe das nicht. Letztes Jahr war die Befragung und wir werden von Monat zu Monat vertröstet. Jetzt heißt es: im Sommer. Darauf hätte ich gern eine Antwort.

Sie wissen ja, dass der Zensus bundesweit – das ist eine europarechtliche Grundvorschrift gewesen – abgeglichen wird. Hier heißt es einfach: Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Die abschließenden Ergebnisse liegen noch nicht vor. Deshalb müssen wir uns, selbst wenn man sich an der Stelle einen schnelleren Fortgang gewünscht hätte, mit der Realität abfinden. Deshalb ist die Übergangsvorschrift aus meiner Sicht völlig rechtens.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich denjenigen für die zügige Beratung herzlich danken, die daran mitgewirkt haben, weil das die Arbeit aller Beteiligten erleichtert und die Kommunalwahlen jetzt auf vernünftige Füße stellt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung. Aufgerufen ist das Gesetz zur Änderung kommunalwahlrechtlicher Vorschriften im Freistaat Sachsen. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Innenausschusses in der Drucksache 5/11355. Es liegen keine Änderungsanträge vor.

Ich beginne daher mit der Abstimmung und frage, da es keine Änderungsanträge gibt, ob ich die Artikel nacheinander aufrufen kann, oder wünschen Sie Einzelabstimmung über die Artikel?

(Christian Piwarz, CDU: En bloc!)

Gut. Ich beginne mit der Überschrift, dann Artikel 1 Änderung der Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen, Artikel 2 Änderung der Landkreisordnung für den Freistaat Sachsen, Artikel 3 Änderung des Kommunalwahlgesetzes, Artikel 4 Änderung der Kommunalwahlordnung, Artikel 5 Neubekanntmachung des Kommunalwahlgesetzes und der Kommunalwahlordnung, Artikel 6 Inkrafttreten, Anhang 1 bis 22. Wer diesen Artikeln und dem Anhang seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer ganzen Reihe von Gegenstimmen ist den Artikeln dennoch mehrheitlich zugestimmt worden.

Ich komme jetzt zur Gesamtabstimmung über das Gesetz zur Änderung kommunalwahlrechtlicher Vorschriften im Freistaat Sachsen. Wer gibt die Zustimmung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Auch hier wieder gleiches Stimmverhalten. Bei einer Reihe von Stimmen dagegen ist dem Gesetzentwurf zugestimmt worden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Der Tagesordnungspunkt ist damit geschlossen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 4

2. Lesung des Entwurfs

Gesetz zur Ausführung des Gesetzes zur Therapierung und Unterbringung

psychisch gestörter Gewalttäter im Freistaat Sachsen (Sächsisches

Therapieunterbringungsausführungsgesetz – SächsThUGAG)

Drucksache 5/10461, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 5/11357, Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses

Auch hier ist wieder eine allgemeine Aussprache vorgesehen. Es beginnt die CDU-Fraktion. Herr Abg. Modschiedler, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In aller Kürze – so wie auch das Gesetz mit sechs Paragrafen – wollen wir das durchführen.

Wie Sie wissen, besteht seit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von 2009 und auch von 2011 zur Sicherungsverwahrung Handlungsbedarf. Zur Erinnerung: Der Europäische Gerichtshof sah in der Sicherungsverwahrung eine dem strikten Rückwirkungsverbot des Artikels 7 der Europäischen Menschenrechtskonvention unterliegende Strafe. Keine Strafe ohne Gesetz! Er hielt deshalb die nachträgliche Aufhebung der früheren Vollstreckungshöchstfrist wegen Verstoßes gegen Artikel 5 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention für rechtswidrig. Dazu folgende Anmerkung: Rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht – das waren immer die Prämissen, die uns vorgehalten wurden.

Infolge dieser Rechtsprechung ist es zu Entlassungen von Sicherungsverwahrten gekommen. Das ist uns noch in unguter Erinnerung. Um dies zu verhindern, ist dann am 10. Januar 2011 das Therapieunterbringungsgesetz als Bundesgesetz in Kraft getreten, um der besonderen Situation, die durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entstanden ist, Rechnung zu tragen.

Zur Klarstellung: Es geht hier nur um den Kreis der Personen, bei denen erstmalig bei Eintritt der Rechtskraft zehn Jahre Sicherungsverwahrung angeordnet wurden, diese aber dann aufgrund der Gesetzesänderung von 1998 nachträglich verlängert wurde. Nach dem Therapieunterbringungsgesetz soll es daher nun unter engen Vorgaben des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention möglich sein, psychisch gestörte Gewalt- und Sexualstraftäter zum Zwecke der Therapie in geeigneten Einrichtungen unterzubringen, soweit dies zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist.

Zentrale Voraussetzung für die Anordnung der Therapieunterbringung ist das Vorliegen einer psychischen Störung und einer daraus resultierenden Gefährlichkeit. Für die Betroffenen bedeutet dies Freiheitsentzug zum Schutz der Allgemeinheit bei bereits verbüßter Haftstrafe und Sicherungsverwahrung.

Der Freistaat Sachsen hat dieses Gesetz als Angelegenheit auszuführen. Deswegen das Ausführungsgesetz. Da das Therapieunterbringungsgesetz nur Freiheitsentzug als solchen regelt, bedarf es ergänzender Normen eben durch das Landesrecht. Dies ist zwingend, da Grundrechtseingriffe, die über den gesetzlich angeordneten Freiheitsentzug als solchen hinausgehen, einer eigenen gesetzlichen Grundlage bedürfen. Also müssen wir handeln.

Die Eingriffsvoraussetzungen müssen in hinreichend bestimmter Weise festgelegt werden. Dies geschieht im Wesentlichen durch den Verweis auf Normen des Sächsischen Gesetzes über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten. Wir sagen im Juristischen: „Sächsisches PsychKG“. Hierbei ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Voraussetzungen der medizinischen Zwangsbehandlung schon berücksichtigt.

Weiteres wird in dem Gesetz zur Zuständigkeit – § 2 Sächsisches Ministerium für Soziales und Verbraucherschutz – und zur Unterbringung – § 3 Sächsisches Krankenhaus in Großschweidnitz – geregelt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen – wir sind wieder unter uns, wenn es um solche Gesetze geht –, wir verkennen nicht, dass wir uns hier in einem schwierigen rechtlichen Bereich bewegen. Im Rahmen der Anhörung wurden insbesondere Bedenken dahin gehend geäußert, dass im Muttergesetz, das heißt dem Therapieunterbringungsgesetz, faktisch eine Gleichsetzung von Gefährlichkeit und psychischer Krankheit vorgenommen werde. Diese Auffassung teilen wir nicht. Die Gefährlichkeit der betroffenen Person muss im Sinne einer Kausalität auf der psychischen Störung beruhen. Dies ist aber keine Gleichsetzung.

Ziel der Therapieunterbringung ist der Schutz der Bevölkerung vor psychisch gestörten Gewalt- und Sexualstraf

tätern. Dies hat für uns als CDU die höchste Priorität. Hier können und werden wir auch keine Kompromisse eingehen. Die CDU und die Koalition handeln. Wir haben die Sicherheit der Menschen fest im Blick. Wir verstehen auch die Sorgen und Ängste der Bürger. Wir halten den von der Staatsregierung vorgelegten Gesetzentwurf deshalb für sehr gut und geeignet, dieses Ziel zu erreichen.

Daneben wird aber auch darauf hingewirkt, die untergebrachten Personen durch geeignete Maßnahmen zielgerichtet und intensiv zu behandeln, um zu erreichen, dass keine neuen Straftaten mehr von ihnen begangen werden. Für uns als christliche Partei ist diese Vorgehensweise unabdingbar. Menschen in solch schwierigen Situationen muss geholfen werden, damit sie eine zweite Chance bekommen und damit die Bevölkerung geschützt wird.

Daher halten wir dieses Gesetz trotz der schwierigen Ausgangslage für ausgewogen und die Kritik hieran in weiten Teilen für unberechtigt. Ich bitte Sie deshalb auch um Zustimmung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die Linksfraktion Herr Abg. Bartl.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Herr Modschiedler, bei allem Respekt, ganz so einfach ist es eben mit diesem Ausführungsgesetz nicht, und deshalb lässt es sich auch nicht so ganz kurz abtun.

Das Problem ist letztlich – da sind wir beim gleichen Ausgangspunkt –: Mit diesem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist klipp und klar festgestellt worden, dass die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung als eine verkappte Strafzeitverlängerung und als ein eindeutiger Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention bewertet wird.

Hiermit war von heute auf morgen die Frage aufgeworfen, wie mit den Straftätern umgegangen werden soll, gegen die nicht bereits durch das Tatgericht durch Urteil die Sicherungsverwahrung verhängt worden ist, sondern eben erst später, meinetwegen im Zuge der Strafvollstreckung, angeordnet wurde. Das betraf einschließlich der sogenannten Altfälle, die schon zehn Jahre Sicherungsverwahrung verbüßt hatten, etwa 100 Personen, die unter diese Kategorie fielen. Die Debatten darüber, wie man mit ihnen umgeht, waren auch bei den Gerichten, die damit befasst waren, höchst streitbar. Das war unterschiedlich in den entsprechenden Entscheidungen von Oberlandesgerichten, das war auch bei Senaten des Bundesgerichtshofs unterschiedlich.

Insgesamt war bei etwa 20 Sicherungsverwahrten die Entscheidung getroffen worden, dass sie sofort freizulassen sind. Das hat ein erhebliches Medienecho und auch erhebliche Debatten in der Bevölkerung ausgelöst. Ich will nur das Stichwort Insel in Sachsen-Anhalt nennen,

also die beiden Fälle der Unterbringung von ehemals Sicherungsverwahrten in dieser Ortschaft.

Nachdem das Bundesgesetz über die Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter am

1. Januar 2011 in Kraft getreten war, hat das Bundesverfassungsgericht zeitlich danach – nämlich mit Urteil vom 4. Mai 2011 – einen Schlussstrich unter diese divergierende Rechtsprechung und auch unter die Handlungszuordnung gezogen und klipp und klar gesagt, dass alle Vorschriften des Strafgesetzbuches und des Jugendgerichtsgesetzes über die Anordnung und die Dauer der Sicherungsverwahrung mit dem Freiheitsgrundrecht der Untergebrachten aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar sind und dass dieses verfassungsrechtliche Abstandsgebot gewahrt bleiben muss.

Jetzt ist das Problem, das wir auch in der Anhörung offeriert bekommen haben, folgendes: Mit diesem Unterbringungsgesetz hat der Bundesgesetzgeber in einem Kompromiss, der auch zwischen Bundesjustizministerium und Bundesinnenministerium zunächst beim Gesetzentwurf ausgehandelt war und der dann auch innerhalb der Lesung im Bundestag zwischen den Fraktionen streitig war – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE haben dagegen gestimmt –, eine Variante gewissermaßen ausgehandelt, die ein Grundprinzip der bisherigen Strafverfolgung aufgegeben hat, nämlich die sogenannte Zweispurigkeit, die besagt, dass diejenigen Straftäter, bei denen im Verfahren festgestellt wird, dass sie aufgrund einer krankheitswertigen Störung entweder nicht voll schuldfähig oder in Gänze schuldunfähig waren und deshalb eben in einer Maßregelvollzugseinrichtung, sprich in einer psychiatrischen Einrichtung, oder wenn es auf einer Alkoholbelastung oder Ähnlichem beruhte, in einer Entwöhnungseinrichtung unterzubringen waren.

Die andere Spur war immer die, dass bei Tätern, bei denen zwar keine psychische krankheitswertige Störung festgestellt wurde, aber ein besonderer Hang, eine besondere Gefahr zur Begehung erneuter schwerster Straftaten, nach § 66 neben der tatbezogenen Freiheitsstrafe Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist. Da ist die Frage der Schuldfähigkeit als solche überhaupt nicht Ermessenskriterium gewesen, also § 20 oder § 21 Strafgesetzbuch.

Jetzt hat der Bundesgesetzgeber mit dem Therapieunterbringungsgesetz aber eine Lösung gewählt, bei der er quasi auch diejenigen, bei denen im Verfahren nie eine Einschränkung der Schuldfähigkeit zur Debatte stand, letztlich so behandelt, als ob sie gewissermaßen in einer psychiatrischen Einrichtung therapiefähig wären.