Protocol of the Session on March 13, 2013

Es wird eine allgemeine Aussprache geben. Es beginnt die CDU-Fraktion. Danach folgen DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der CDU-Fraktion das Wort. Herr Abg. Hartmann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten jetzt über das Gesetz zur Änderung kommunalwahlrechtlicher Vorschriften.

Mit dem Gesetzentwurf wurden die in der Auswertung der Kommunalwahlen 2008 und 2009 festgestellten Handlungsbedarfe zur Klarstellung, Vereinfachung und Harmonisierung mit dem Landes- und Bundeswahlrecht aufgenommen und Hinweise aus der Praxis der Wahlbehörden berücksichtigt. Grundsätzlich bleibt festzustellen, dass sich das Kommunalwahlrecht in Sachsen bewährt hat.

Was sind nun die wesentlichen Änderungen, die wir mit den kommunalwahlrechtlichen Vorschriften vornehmen? Zum einen wäre zu nennen die Vereinfachung der Briefwahlen, indem wir eine Anpassung an die Regelungen des Bundes, des Landes und der europarechtlichen Vorschriften vornehmen. Es geht um die Dezentralisierung der Abgabe von Unterstützungsunterschriften bei Kreiswahlen. Das muss zukünftig nicht mehr am Sitz des Landratsamtes gemacht werden, sondern kann in den entsprechenden Rathäusern der Gemeinden abgegeben werden.

Es geht um die Klarstellung bei der Rücknahme von Wahlvorschlägen, nämlich dass es zweier Unterstützungsunterschriften bedarf. Es geht um die Frage der Anpassung für die Einreichung von Wahlvorschlägen. Die Fristen werden vereinheitlicht mit dem Landes-, Bundes- und Europawahlrecht, um auch hier eine Klarstellung und entsprechende Transparenz zu haben.

Es geht um die Frage des Verzichts auf die Einschaltung der Gemeindewahlausschüsse bei Kreiswahlen. Es geht um die Klarstellung, dass ein geschäftsführender Ortsvorsteher nicht an der Wahl für den neuen Ortsvorsteher teilnimmt, und letztendlich um die Aufnahme einer Regelung zur Abwahl des Ortsvorstehers. Das ist bisher in der Sächsischen Gemeindeordnung nicht geregelt. Letztendlich ist der Punkt „Gemeinsame Wahlvorschläge mehrerer Wahlvorschlagsträger“ im Entwurf entsprechend aufgenommen.

Dazu gab es eine Anhörung, an der acht Sachverständige teilgenommen haben. Die acht Sachverständigen waren alle der Meinung, dass der Entwurf gut gelungen ist. Sie kamen zu der Feststellung, dass es ein vorbildliches Verfahren und ein Entwurf ist, der die kommunale Handschrift mit trägt.

Einige Punkte sind aufgenommen und ergänzt worden, auf die ich im Einzelnen eingehen möchte. Zu nennen wäre die Frage der Dezentralisierung der Unterstützungsunterschriften. Hier kam die Empfehlung des Landkreistages als auch des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, dass man möglicherweise auf eine Straßensammlung umstellen sollte.

Wir haben diesen Vorschlag bewertet und abgewogen und uns mit Blick auf die Tatsache, dass eine Straßensammlung das Verfahren umfänglicher und komplizierter gestaltet, als auch auf die Tatsache, dass damit sicherlich eine Anhebung des Quorums zu verbinden gewesen wäre, diesem Vorschlag nicht angeschlossen.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE – Eva Jähnigen, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Ein zweiter Punkt – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Jähnigen, bitte.

Danke schön, Frau Präsidentin. Herr Kollege, warum soll es so kompliziert sein, Unterstützungsunterschriften auf der Straße zu sammeln, wenn dafür die Verwaltungsstellen nicht offengehalten werden müssen und es bei Bürgerentscheiden ohnehin vorgesehen ist? Ich frage das, weil ich das den Ausführungen der Sachverständigen nicht entnommen habe.

Aus unserer Sicht war zum einen deutlich, dass bei einer Straßensammlung das entsprechende Verfahren der Prüfung und Kontrolle mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden ist. Zum anderen – das ist für uns der entscheidende Punkt – ist die Frage der Anhebung des Quorums übrigens auch von allen Sachverständigen in diesem Zusammenhang benannt worden. Deshalb haben wir gesagt, dass wir diesem Vorschlag nicht folgen.

Der zweite Punkt war die Vorschlagsstreichung der Sonderwahlbezirke mit dem Verweis auf die Praxis. Auch diesem Vorschlag haben wir uns nicht angeschlossen. Grundsätzlich sind zwar die Ausführungen der Sachverständigen richtig, dass von Sonderwahlbezirken in den wenigsten Fällen Gebrauch gemacht wird, aber ein Beispiel möchte ich hier deutlich benennen: die Sonderwahlbezirke in den Justizvollzugsanstalten. Um diese kommen wir in der praktischen Umsetzung zur Wahrnehmung und Gewährleistung des Wahlrechtes nicht herum. So sind wir der Auffassung, dass auch Sonderwahlbezirke weiterhin erhalten werden sollen.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE)

Den Punkt der Beachtung der Bekanntgabe des Zensusergebnisses – ein Hinweis des Landkreistages – haben wir aufgenommen. Wir erwarten ja Mitte des Jahres die Zensusergebnisse. Das kann in Vorbereitung der anstehenden Wahlen für 2013 zu Problemen führen. Insoweit haben wir jetzt der Empfehlung der kommunalen Ebene folgend eine Regelung aufgenommen, die eine entsprechende Übergangsfrist für das Jahr 2013 formuliert.

Ein weiterer Punkt, der angesprochen wurde, war der Verzicht auf Unterstützungsunterschriften bei ehemaligen Bürgermeistern im Falle einer Gemeindevereinigung. Auch dieser Argumentation haben wir uns angeschlossen. Genauso hat in den Entwurf Aufnahme gefunden die Frage der Verlängerung der Frist bei Neuwahlen von Bürgermeistern bei Rücktritt oder Tod von vier Monaten in die Landkreisordnung.

Durch Prof. Musall wurde angesprochen die Frage der Wahlen für Bürgermeister und Landratswahlen und hier die Tatsache, dass wir derzeit geregelt haben, dass bei einem nicht erfolgreichen Ergebnis des ersten Wahlganges – sprich: keiner absoluten Mehrheit – eine Neuwahl durchgeführt wird.

Hierbei eine Anregung, zukünftig auf eine Neuwahl zu verzichten, stattdessen eine Stichwahl durchzuführen. Wir halten die Frage der Stichwahl nicht für die richtige Lösung. Gleichwohl werden wir uns des Themas annehmen. Die Koalition arbeitet derzeit an einer Novellierung

der Sächsischen Gemeindeordnung. In diesem Zusammenhang werden wir auch diesen Punkt entsprechend der Hinweise und Anregungen mit bewerten.

Ein weiterer Punkt war der Ausschluss von Bürgermeistern von Gemeinderatswahlen, wenn sie nicht erklären, dass sie das Mandat annehmen. Das ist ein Punkt, den wir aus verfassungsrechtlichen Erwägungen abgelehnt haben. Letztlich ist es so, dass weder das passive noch das aktive Wahlrecht eines Bewerbers eingeschränkt werden kann. Auch die im Antrag der LINKEN formulierte, rechtlich nicht bindende Erklärung ist ein zahnloser Tiger und geht am Thema vorbei, weil letztendlich nach wie vor ein Bürgermeister kandidieren kann und im Zweifelsfall für sich entscheidet, das Mandat nicht anzunehmen. Hier setzen wir auf Öffentlichkeit und Transparenz. Insoweit ist auch der Antrag der LINKEN entbehrlich, weil dieser Fall als solcher auch öffentlich diskutierfähig ist.

Zum Schluss möchte ich festhalten, dass es ein guter Entwurf ist. Es war ein sehr ordentliches und transparentes Verfahren. Es gab wichtige Impulse in der Anhörung, die wir im Rahmen einer umfassenden Beratung im Arbeitskreis und mit dem Koalitionspartner und letztlich im Ausschuss dann mit einer Beschlussfassung im Innenausschuss beendet haben.

Ich bitte Sie heute um Zustimmung zu der Änderung kommunalwahlrechtlicher Vorschriften in der Fassung des Innenausschusses.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE Frau Junge, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist das Ergebnis der Auswertung der Kommunalwahlen in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden.

Aus der Sicht des Städte- und Gemeindetages und des Landkreistages wurde das Kommunalwahlrecht in Sachsen maßvoll fortentwickelt, mit dem Parlamentswahlrecht harmonisiert und an die Anforderungen der Praxis weitgehend angepasst. Die Vereinfachung der Briefwahl, die Dezentralisierung der Abgabe der Unterstützungsunterschriften bei Kreistagswahlen, die Anpassungen der Fristen für die Einreichung der Wahlvorschläge und anderes mehr – Kollege Hartmann ist darauf eingegangen – sind sinnvolle und sicherlich notwendige Änderungen.

Die Sachverständigenanhörung im Innenausschuss im Januar verdeutlichte aber auch entscheidende Mängel und Kritikpunkte des vorliegenden Gesetzentwurfs. Herr Hartmann ist in seiner Rede diesbezüglich kurz darauf eingegangen.

Meine Fraktion DIE LINKE hat die drei Hauptkritikpunkte aufgegriffen und sie schließlich im Innenausschuss als

Änderungsantrag eingebracht. Sie möchte diese heute noch einmal in der Öffentlichkeit vorstellen und sich für deren Änderung einsetzen.

Die kommunalen Spitzenverbände sprechen sich für die Freigabe der Sammlung von Unterstützungsunterschriften aus. Sie plädieren für die sogenannte Straßensammlung, wie sie auch bei Kommunalwahlen, bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen üblich ist. Die Einschränkung der Unterschriftensammlung auf die ausschließliche Sammlung in der Verwaltung, wie es jetzt in Sachsen noch geregelt ist, stellt die Kommunen immer mehr vor Schwierigkeiten bei der praktischen Realisierung. So entstehen immer wieder Konflikte durch die zeitliche Begrenzung für die Unterschriftenabgabe durch eingeschränkte Öffnungszeiten der Verwaltung.

Durch Gemeindezusammenschlüsse werden Verwaltungen in den unselbstständigen Gemeinden häufig abgebaut, sodass der Aufwand für den Bürger zur Stimmabgabe immer größer wird und der Erfolg für den Bewerber immer geringer. Die Straßensammlung von Unterstützungsunterschriften bei Kommunalwahlen ist eine echte Erleichterung für die Bewerber und die Unterstützer der Wahlvorschläge und sollte deshalb im vorliegenden Gesetz aufgenommen werden.

Die zweite Forderung aus der Anhörung nach einer klaren Positionierung zur Stichwahl bei der Wahl von Bürgermeistern und Landräten ist im vorliegenden Gesetzentwurf nicht berücksichtigt worden. Herr Hartmann ist diesbezüglich in seiner Rede nur kurz darauf eingegangen, dass die CDU dies nicht als den richtigen Weg sieht und sie dort noch in Bearbeitung ist. Meine Fraktion DIE LINKE unterstützt aber das Anliegen zur Einführung des Stichwahlentscheides zwischen den beiden bestplatzierten Bewerbern des ersten Wahlgangs. Für die Wählerinnen und Wähler ist eine Stichwahl im zweiten Wahlgang interessanter und übersichtlicher als die gegenwärtige Neuwahl.

Die vorgeschlagene Änderung stellt auch in anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz eine erfolgreich praktizierte Vereinfachung des Wahlverfahrens für Bürgermeister und Landräte dar. Deshalb kann ich es nicht verstehen, Herr Hartmann, dass die CDU/FDP-Koalition dies eventuell später regeln will. Sie haben schon seit längerer Zeit die Novelle des Kommunalverfassungsgerichtes angekündigt. Seit 2009 wird an den Änderungen kommunalwahlrechtlicher Vorschriften im Freistaat Sachsen gearbeitet, so die Aussagen vom Sächsischen Städte- und Gemeindetag. Heute, vier Jahre später, werden solche wichtigen Entscheidungen wieder auf den Sankt Nimmerleinstag verabschiedet.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Auch das Problem der Scheinkandidaturen bei der Wahl zum Gemeinderat muss endlich rechtlich gelöst werden. Es gibt Fälle in Sachsen, wo Bürgermeister für den Gemeinderat kandidiert haben, die meisten Stimmen von

allen Bewerbern bekamen und dadurch mehrere Kandidaten auf der Wahlliste in den Gemeinderat einzogen. Der Bürgermeister konnte aufgrund seines Amtes das errungene Gemeinderatsmandat nicht annehmen, aber die Mehrheitsverhältnisse haben sich im jeweiligen Gemeinderat gravierend verschoben.

Zur Erschwerung dieses als Scheinkandidatur bezeichneten Wahlbetrugs schlagen wir LINKE folgende Änderung vor: Ein Bewerber, dessen Wahl eine Unvereinbarkeit von Amt und Mandat nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 Sächsische Gemeindeordnung begründen würde, hat im Wahlvorschlag eine rechtlich nicht bindende Erklärung darüber beizufügen, ob er im Falle seiner Wahl beabsichtigt, das Mandat als Gemeinderat anzunehmen oder sein Amt weiterzuführen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. – Durch die vorgesehene Abgabe und Veröffentlichung dieser Absichtserklärung soll das Auftreten von Scheinkandidaturen zurückgedrängt werden. Die Bürger erhalten rechtzeitig die Informationen über bestehende Hinderungsgründe einer Mandatsübernahme des Bewerbers und können ihr Wahlverhalten entsprechend ausrichten. Ich wollte nur sagen, dass diese Regelung seit 2010 im Landes- und Kommunalwahlgesetz Mecklenburg-Vorpommerns existiert und zielgerichtet gewirkt hat. Also kann man das auch in Sachsen umsetzten, zumindest ist es ein Lösungsvorschlag.

Natürlich gab es weitere Vorschläge in der Sachverständigenanhörung und auch im Referentenentwurf zur Verhinderung von Scheinkandidaturen. Die Experten baten um Prüfung der Vorschläge im Gesetzgebungsverfahren. Deshalb haben wir von der Koalition nach der Anhörung erwartet, dass sie die wichtigen Themen im Kommunalwahlgesetz anpackt und die Hauptprobleme wenigstens ansatzweise zu lösen versucht. Das ist aber leider nicht der Fall. Stattdessen verschlimmbessert die Koalition mit ihren Änderungen den Gesetzentwurf. In den Übergangsbestimmungen aus Anlass des Zensus 2011 sollen die fortgeschriebenen Einwohnerzahlen von 1990 für die Kommunalwahlen 2014 angewandt werden. Beachtlich!

Gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage?

Nein. – Die aktuellen Ergebnisse des Zensus werden laut Änderungsvorschlag der CDU/FDP nicht berücksichtigt. Das halten wir nicht für angemessen und plädieren stattdessen für die Nutzung der dem tatsächlichen Zensus angepassten Einwohnerzahlen, so wie es auch im Gesetzentwurf der Staatsregierung enthalten war. Die Fraktion DIE LINKE lehnt aufgrund der geäußerten Kritikpunkte und des fehlenden Gestaltungswillens der Koalition den Gesetzentwurf mit seinen Änderungen ab.

Wir sind der Auffassung, dass die CDU/FDP-Koalition drei Jahre Zeit hatte, das Kommunalwahlrecht umfassend zu ändern und das Anliegen der Kommunen zur Veränderung des Verfahrens der Sammlung von Unterstützungsunterschriften, der Einführung des Stichwahlentscheids sowie das Problem der Scheinkandidaturen endlich zu lösen.

Danke.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)