Protocol of the Session on March 13, 2013

Ein zweiter Punkt: Prävention findet nicht nur in der Schule und nicht nur durch die Polizei statt. Prävention muss genauso gut dort stattfinden, wo die Menschen nun einmal sind: auf den Events, auf den Festivals, in den Partylocations. Da gibt es einen sehr wesentlichen Partner, der so etwas machen kann: Das ist die Jugendhilfe mit Streetworkern. Wenn Sie bitte einmal darüber nachdenken, dass Sie die Jugendhilfepauschale abgesenkt haben und dass wir jetzt in vielen Bereichen Sachsens überhaupt keine Streetworker – keine Straßensozialarbeiter – mehr haben, die aufsuchend tätig sind und Prävention betreiben können, dann müssen wir uns auch fragen: War das wirklich der richtige Weg, den Sie mit der Kürzung der Jugendhilfepauschale im Jahr 2010 eingeschlagen haben? War das wirklich sinnvoll – auch für den Bereich Prävention?

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Sie werden sich denken, dass wir das nicht für sinnvoll halten. Deswegen bin ich gespannt – vielleicht gibt es ja noch eine zweite Runde –, ob uns die Kollegen der Koalition konkret sagen, was sie tun wollen.

Unsere Empfehlungen sind: erstens, den Fahndungsdruck weiter erhöhen – das geht nicht ohne Personal, zweitens, die Therapie weiter erleichtern – das geht nicht ohne Personal, drittens, die Prävention verbessern – das geht nicht ohne Personal.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Als nächste Rednerin Frau Herrmann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hartmann, Sie haben als erster Redner darauf hingewiesen, dass die Repression ein Teil des Programms sein muss, wenn wir uns die Aufgabe stellen, gegen den ansteigenden Crystal-Konsum in Sachsen und auch in Deutschland vorzugehen.

Sie haben darauf hingewiesen, dass sich die Innenminister von Bayern, von Sachsen sowie der Bundesinnenminister

und der Innenminister von Tschechien Mitte Februar getroffen haben, um über die weitere Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Suchtkriminalität, vor allen Dingen, was Crystal angeht, zu sprechen.

Dankenswerterweise sind Sie auch auf die Aufklärung zu Crystal eingegangen, denn das Thema der Aktuellen Debatte beinhaltet ja, dass außer der Repression auch die Aufklärung dazugehört. Ich würde hinzufügen: Aufklärung ist auch nur eine Facette von Prävention. Dazu gehört mehr als nur Aufklärung, aber die Aufklärung haben Sie nun einmal genannt. Es stellt sich nun die Frage: Wie gelingt das im Moment, und was müssen wir tun, um darin besser zu werden?

Es gibt auf der Seite des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz eine Broschüre, die über Crystal aufklärt, und die aufzeigt, wie schnell Abhängigkeit eintreten kann usw. Diese Broschüre ist von der Chemnitzer Suchtberatungsstelle im Rahmen ihrer Tätigkeit erarbeitet worden. Die Staatsregierung bzw. der Landespräventionsrat hat die Druckkosten anteilig übernommen. Das heißt – das kommt leider in der Überschrift überhaupt nicht vor –: Ein sehr großer Teil der Aufklärung und der Präventionsarbeit läuft über die Suchtberatung und über die Suchtkrankenhilfe. Deshalb muss – wenn wir über das Thema Crystal sprechen – die Stärkung der Suchtberatung ein entscheidender Punkt in dieser Diskussion sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Dazu haben wir heute Nachmittag zwei Anträge zu beraten. Wir sind Ihnen dankbar, dass Sie uns eingeladen haben, gemeinsam an diesem Thema zu arbeiten, aber wir haben dazu nicht mehrere Monate Zeit. Es liegen zwei Anträge vor. Was unseren Antrag angeht, kann ich sagen, dass er zusammen mit Fachleuten aus der Suchtkrankenhilfe und den Suchtberatungsstellen erarbeitet worden ist. Er ist fachlich fundiert und kann sozusagen eine Blaupause dafür sein, wie man vorgehen kann, um der Problematik Crystal die Spitze abzubrechen.

Prävention ist ein ganz wesentlicher Punkt. Die Beratungsstellen müssen in die Lage versetzt werden, sich mit den übrigen Einrichtungen, zum Beispiel den Beratungsstellen, zu vernetzen. Wir haben zum Beispiel das Problem, dass ein Drittel der Konsumenten von Crystal weiblich sind. Sie sind zum Teil sehr jung. Wir wissen, dass Frau auch bei Gebrauch von Crystal schwanger werden kann, was bei anderem Suchtmittelgebrauch nicht unbedingt der Fall ist. Deshalb gibt es auch bei den Schwangerschaftskonfliktberatungstellen bzw. den Geburtskliniken großen Aufklärungsbedarf zum Phänomen Crystal. Diesen Bedarf müssen die Suchtberatungsstellen decken können.

Das heißt, wir brauchen Weiterbildungsangebote, was die Ausprägung der Sucht angeht, und zwar nicht nur für die Beratungsstellen selbst zum Umgang mit Crystal, sondern wir brauchen auch Weiterbildungen für alle anderen, die mit der Problematik Crystal zu tun haben. Wir haben

dafür nicht viel Zeit. Wir sehen die Steigerungsraten der letzten Jahre. Das sind immer so um die 25 %, die in den Suchtberatungsstellen ankommen. Die Dunkelziffer

dürfte weitaus höher sein.

Wir wissen, dass schon nach relativ kurzem Gebrauch einschneidende Folgen für die Betroffenen zu verzeichnen sind. Das heißt im Klartext, dass das die Facharbeiterinnen und Facharbeiter von morgen sind, die nicht in der Lage sein werden, ihre Berufsausbildung abzuschließen, wenn es uns nicht gelingt, sie vom Konsum zu lösen bzw. wenn es uns nicht gelingt, junge Leute davon abzubringen, überhaupt Crystal zu konsumieren.

Dann ist die Frage von Herrn Karabinski nach den Ursachen und seine Antwort, dass es eben schnell verfügbar und billig sei, einfach zu kurz gesprungen, weil Crystal natürlich in einer Art und Weise fit macht, die in dieser Gesellschaft erst einmal ein Vorteil zu sein scheint. Deshalb ist Aufklärung hier viel wichtiger als vielleicht bei anderen Drogen –

Frau Herrmann, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

– Ich komme zum Schluss. – und es ist in der jetzigen Situation wichtig, diese auch in Sachsen erheblich zu intensivieren. Das kann heute Nachmittag in der Diskussion über die beiden Anträge noch einmal vertieft werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den LINKEN)

Herr Storr für die NPD-Fraktion als abschließender Redner in der ersten Runde.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der bisherige Verlauf der Debatte hat zwar bislang keinen Lösungsweg direkt benennen können, aber ich will zumindest zwei Feststellungen machen, die die Debatte schon zutage gebracht hat.

Der erste Punkt ist, dass offenbar die Staatsregierung bisher keine vernünftigen Lösungsansätze finden konnte; denn Crystal ist nicht erst ein Problem seit dem Jahre 2011, sondern letztendlich schon seit dem Jahr 2006. Der Umstand, dass die Droge billig zu produzieren und auch leicht verfügbar zu machen ist, hätte der Staatsregierung viel frühzeitiger ein Warnzeichen sein müssen. Wir reden heute dank des Antrages der Regierungsfraktion auch über ein Versäumnis der Staatsregierung.

Eine zweite Bemerkung. Es ist kein Ammenmärchen der NPD, dass die Herstellung der Drogen vor allem im Ausland bzw. durch ausländische Banden – auch im Rahmen der organisierten Kriminalität – stattfindet. Immerhin hat das die Debatte als Zwischenergebnis gebracht.

Ich glaube, die Debatte springt in einem Punkt zu kurz, nämlich bei der Suchtprävention und der Suchtberatung. Die NPD-Fraktion ist nicht grundsätzlich gegen Suchtprävention und Suchtberatung, aber wir müssen hier auch die Grenzen bei der Suchtprävention erkennen. Mehr als vielleicht in die Schulen zu gehen, dort über diese Droge bzw. das Rauschgiftmittel und dessen Folgen aufzuklären, kann man nicht machen. Auch die Suchtberatung ist sicherlich für die Betroffenen notwendig, nur müssen wir auch sehen, dass Suchtprävention und Suchtberatung eigentlich immer nur Schlagworte sind, die ein Stück weit einen Placeboeffekt haben, weil man über Ursachen und die notwendigen Folgen dieser Ursachen nicht reden will.

Ich will deshalb für die NPD-Fraktion einmal unsere Sichtweise nennen und sagen, warum wir es mit wachsenden Rauschgiftproblemen in unserer Gesellschaft zu tun haben. Ich glaube, das ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Fehlentwicklung, die begleitet ist von der Auflösung der Familie, von der Entwurzelung – sozial wie geistig –, von einem abnehmenden Zusammenhalt, wobei – vielleicht auch als Kompensation für diese Fehlentwicklung – auch ein Erlebnishunger entsteht und Rauschgift letztendlich einen Betäubungseffekt hat und von daher sehr begehrt wird.

Aber es ist auch die leichte Verfügbarkeit von Rauschgift. Hierzu hat interessanterweise keine der anderen Fraktionen einen Zusammenhang genannt, nämlich die Grenzöffnung. Es ist so, dass, seitdem die Grenzen geöffnet sind, keine Kontrollen mehr direkt an der Grenze stattfinden, wir uns damit einer Kontrollmöglichkeit beraubt haben; denn das, was immer als Alternativmittel benannt wird, also ein Fahndungsschleier oder gemeinsame Polizeipatrouillen, wird nicht die Wirkung haben, wie es Grenzkontrollen in der Vergangenheit hatten. Insofern besteht auch da ein Zusammenhang.

Das Ausland – gerade bei geöffneten Grenzen – ist natürlich auch ein Hinterland für Kriminelle, wo der Verfolgungsdruck und Verfolgungsmaßnahmen nicht so wie im Inland greifen. Auch deshalb haben wir es dort mit einem wachsenden Problem zu tun.

Man muss sehen – besonders wenn man das Thema Grenzkontrollen und Öffnung der Grenzen betrachtet –, dass es den Politikern hier nicht so sehr um die Interessen der Bürger geht. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass letztendlich die Öffnung der Grenzen – dieses vermeintliche Europa der offenen Grenzen und der Freizügigkeit – eine Bemäntelung von Interessen ist, nämlich von Interessen des internationalen Transferkapitalismus, bei dem Geld, Menschen und Waren über Grenzen hin- und hergeschoben werden und bei dem man nicht immer nur sagen kann, dass dadurch der Wohlstand wächst und damit der Frieden gesichert ist, sondern wir haben es auch mit negativen Folgen zu tun, über die dann doch nicht gesprochen wird.

Rauschgift und auch Crystal sind eine dieser negativen Folgen von diesem Europa, was Sie immer sehr einseitig positiv darstellen und die negativen Folgen dann be

schweigen. Worin liegt jetzt die Lösung aus Sicht der NPD?

Die NPD setzt sich ein für schärfere Kontrollen direkt an der Grenze. Grenzkontrollen sind nach unserer Auffassung noch immer die effektivste und wirkungsvollste Methode, um Ordnung und Sicherheit in unserem Land zu schaffen –

Herr Storr, ich bitte Sie zum Schluss zu kommen.

– und Kriminelle zu bekämpfen. Dann sind wir der Meinung, Strafe muss eine abschreckende Wirkung haben. Hier hätten höhere Strafen und eine härterer Strafvollzug auch eine Wirkung.

Herr Storr, Ihre Redezeit ist bereits überschritten!

Das fordern wir ein.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit; danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde.

(Miro Jennerjahn, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Ich rufe eine zweite Runde auf, sehe aber jetzt den Wunsch nach einer Kurzintervention, wenn ich das richtig sehe. Herr Jennerjahn, bitte.

Herr Präsident, vielen Dank. Ich muss gestehen, ich war sehr gespannt auf den Redebeitrag des Abgeordneten der NPD-Fraktion und wollte wissen, was er so von sich geben würde.

Es gab am 7. März 2013 eine MDR-Schlagzeile, die lautete: „Neonazis aus Nordsachsen gestehen Drogenhandel“. Unter den Drogenhändlern, die dort hochgenommen wurden, war auch ein Stadtratskandidat der NPD. Deshalb ist es eine gewisse Heuchelei, die hier gerade stattgefunden hat. Wir wissen, dass durchaus relevante Kader des „Freien Netzes“ in diesen Drogenhändlerring involviert waren. Ebenso bekannt sind auch die personellen Verflechtungen der NPD zu diesem „Freien Netz“.

Insofern ist es zwar billig und vielleicht auch recht, wenn Sie – wie üblich und gehabt – von kriminellen Ausländern schwafeln, aber es wäre durchaus angezeigt, wenn Sie einmal offenlegen würden, was in Ihren eigenen Reihen so an Organisierter Kriminalität los ist, und uns hier nicht irgendwas vom Pferd erzählen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den LINKEN)

Herr Storr möchte auf die Kurzintervention antworten. Dazu haben Sie jetzt Gelegenheit; bitte.