Protocol of the Session on March 13, 2013

Wir könnten aus sächsischer Sicht versucht sein zu sagen: Bloß nicht verhandeln, schnell zustimmen, und alles wird gut! Am Ende bekommen wir vielleicht weniger, als im Entwurf vorgesehen.

Diese Betrachtungsweise ist aber kurzsichtig, engstirnig und obendrein egoistisch. Denn was sind die für Sachsen vorgesehenen Fördermittel wert, wenn ein 52 Milliarden Euro großes Defizit im Haushalt besteht und die Staats- und Regierungschefs nur vage sagen, wie diese Lücke geschlossen werden soll? Dann nämlich sind die in Aussicht gestellten Finanzmittel für Sachsen eben nicht das Papier wert, auf dem sie gerade stehen, da sie schlichtweg nicht gedeckt sind.

Eine seriöse Haushaltspolitik sieht wahrlich anders aus. Das geht so wenig auf die viel strapazierte Kuhhaut, sodass man meinen möchte, sie käme vom Pferd.

Ich erinnere daran, dass es gerade die Staats- und Regierungschefs waren, die sich im November letzten Jahres nicht einigen konnten und damit das Verfahren verzögert haben. Das muss man ausdrücklich feststellen. Dies darf aber nunmehr nicht dazu führen, dass das EU-Parlament seine mit dem Vertrag von Lissabon neu gewonnenen Rechte aufgibt und mal eben schnell zustimmt.

Sollte kein Mittelfristiger Finanzrahmen zustande kommen, dann wird nach Artikel 312 Abs. 4 die Obergrenze von 2013 festgeschrieben. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das für die nächsten sieben Jahre eine Gesamtsumme von 1 026 Milliarden Euro.

Das Europäische Parlament könnte innerhalb einer derartigen Fortschreibung der Obergrenze mit Jahreshaushalten, für die keine Einstimmigkeit, sondern eine qualifizierte Mehrheit benötigt wird, sehr gut arbeiten. Besteht der politische Wille, kann auch unter diesen Rahmenbedingungen eine mehrjährige Programmplanung erfolgen. Rechtliche Gründe, die dagegen sprechen, gibt es jedenfalls nicht. Damit wäre eine Planungssicherheit auch für uns im Freistaat Sachsen gewährleistet.

Wie man aus Brüssel hört, gäbe es auch eine Mehrheit, die Rechtsgrundlagen für sieben Jahre zu beschließen, wenn es nötig ist. Die notwendigen Finanzmittel müssten dann in der jährlichen Planung festgeschrieben werden. Auch dies wäre für den Freistaat Sachsen also alles andere als ein Schreckensszenario.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für viele im EU-Parlament ist der Geist der Europäischen Union zum Glück mehr als die Addition von 27 nationalen Interessen. Ich hoffe, dass für viele hier im Sächsischen Landtag Brüssel mehr ist als eine Zahlstelle. Ja, ich bin optimistisch, dass die überzeugten Europäer im EU-Parlament einen Haushalt beschließen werden, der uns beim weiteren Aufbau unseres Landes voranbringt.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Für die SPD-Fraktion sprach Herr Kollege Jurk. Für die FDP-Fraktion ergreift Kollege Herbst das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Tauziehen zwischen den europäischen Staats- und Regierungschefs ist seit dem 8. Februar zu Ende. Ich kann aus Sicht meiner Fraktion sagen: Das Ergebnis für Sachsen kann sich sehen lassen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Im Gegensatz zu Herrn Jurk habe ich übrigens keine Zweifel, dass das EU-Parlament den Finanzrahmen nicht scheitern lassen will; denn europäische Verantwortung wird nicht nur auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs wahrgenommen. Ich glaube, die Parlamentarier werden es am Ende auch so sehen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Das Ergebnis für Sachsen ist vielleicht etwas weniger, als es sich die kühnsten Optimisten erhofft haben. Aber, meine Damen und Herren, es ist deutlich mehr, als die Pessimisten befürchtet hatten.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Das Ergebnis ist umso bemerkenswerter, wenn man sich die Rahmenbedingungen anschaut. Denn zum wirklich ersten Mal sind die Staats- und Regierungschefs beim EU-Finanzrahmen auf die Ausgabenbremse getreten. Ich finde, das ist richtig; denn wer von Nationalstaaten verlangt, keine Schulden zu machen, muss auch selbst Maß halten können. Das gilt eben auch für die EU.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Steuergeld, das in den Regionen wieder umverteilt wird, wird ja nicht dadurch besser oder mehr, wenn es vorher automatisch über Brüssel läuft, meine Damen und Herren. Deshalb ist Maßhalten sinnvoll.

Sachsen bekommt in der neuen Förderperiode, wenn man den Inflationsausgleich hineinrechnet, knapp 2,7 Milliarden Euro. Das ist weniger als in der alten Förderperiode. Das wussten wir. Aber wenn wir uns die schlimmsten Befürchtungen anschauen, dann hätten wir auch bei einem Drittel der jetzigen Summe stehen können. Insofern ist das jetzt ein großer Erfolg für Sachsen.

Meine Damen und Herren! Unser Land gehört eben nicht mehr zu den ärmsten in der Europäischen Union. Wir haben uns positiv entwickelt. Allein das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist in den Jahren 2000 bis 2010 um 19 % gewachsen. Das ist eine Erfolgsgeschichte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Da ist es nur logisch, dass mehr Wohlstand weniger Förderung bedeutet. Das ist für uns auch kein Grund zum Jammern, denn unser Ziel ist es, zu wachsen. Unser Ziel ist es, unabhängig von Transfergeldern zu werden und mit den Unterstützungszahlungen, die wir jetzt bekommen, eines Tages wirtschaftlich auf eigenen Beinen zu stehen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Viele Details, die jetzt ausgehandelt wurden, sind positiv für Sachsen. Wir haben bei der EU-Förderung eine Zuschussquote von bis zu 80 %. Das ist mehr als derzeit. Wir haben eine insbesondere für unsere Kommunen sehr günstige Mehrwertsteuerregelung. Leipzig konnte vor dem finanziellen Absturz bewahrt werden und bekommt neben der regulären Förderung sogar eine Sonderförderung.

Meine Damen und Herren! Vorhin wurde von der Linksfraktion gesagt, Brandenburg habe das alles viel besser verhandelt. Vergleichen Sie doch bitte mal Leipzig mit der Region Brandenburg-Südwest. Sie werden sehen, es macht einen Unterschied: Sachsen hat ein erfolgreiches Verhandlungsergebnis und Brandenburg-Südwest leider nicht. Es ist eben ein Unterschied, ob Rote oder Schwarze und Gelbe verhandeln.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren! Das alles ist ein positives Ergebnis für Sachsen. Ich möchte unserer Staatsregierung sehr herzlich danken, insbesondere unserem Europaminister, der auf vielen Ebenen konsequent für sächsische Interessen eingetreten ist. Lieber Jürgen Martens, vielen Dank!

(Beifall bei der FDP, des Abg. Marko Schiemann, CDU, und bei der Staatsregierung)

Ich möchte unseren sächsischen Europaabgeordneten fraktionsübergreifend danken, denn ohne ihren Einfluss hätten wir dieses Ergebnis nicht erreicht.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der CDU und des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

Ich möchte auch unserem Verbindungsbüro in Brüssel danken, dessen Arbeit man oft nicht sieht, weil es hinter den Kulissen und nicht so sehr auf offener Bühne stattfindet. Auch sie haben beharrlich dafür gearbeitet, dass nicht nur die Informationen nach Sachsen gekommen sind, sondern sie haben die sächsischen Positionen auf den verschiedenen Ebenen in Brüssel erfolgreich vertreten. Das Zusammenwirken, das Teamspiel hat diese positive Lösung für Sachsen ermöglicht.

Meine Damen und Herren! Für uns – das unterscheidet uns vielleicht auch von mancher linker Oppositionsfraktion – sind Fördermittel eben nicht Selbstzweck, sondern Förderung ist Hilfe zur Selbsthilfe. Ziel ist es, mehr wirtschaftliches Wachstum zu erreichen, den Wohlstand auszubauen und mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen. Die EU-Mittel tragen dazu bei, dass sich Sachsen

zu einem Land der Möglichkeiten entwickelt, zu einem Land der Möglichkeiten für möglichst viele – für Arbeitnehmer, für Unternehmer, für Forscher und für Studenten.

Wenn man sich die Realität anschaut, so stellt man fest: Das gelingt zunehmend besser. Sachsen hat sich unter dieser Regierung – unter der Regierung von CDU und FDP – von einem Abwanderungsland zu einem Zuwanderungsland entwickelt. Das ist eine äußerst positive Entwicklung.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Ja, Herr Jurk, zu Ihren Regierungszeiten ist das nicht gelungen. Das ist richtig.

(Oh-Rufe der Abg. Thomas Jurk und Stefan Brangs, SPD)

Ich will auch nicht verhehlen, dass vor uns noch eine gewaltige Wegstrecke liegt und dass wir die europäische Förderung dafür benötigen. Denn unsere Unternehmen müssen größer werden, sie müssen innovativer und internationaler werden. Es gibt Infrastrukturlücken, die geschlossen werden müssen, und der demografische Wandel ist eine große Herausforderung.

Vor diesem Hintergrund müssen wir das EU-Geld klug investieren. Ich bin mir sicher, wir werden es klug investieren.

(Heiterkeit der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Bei allen Diskussionen – Frau Hermenau, Sie lachen –,

(Antje Hermenau, GRÜNE: Ja, in der Tat!)

glaube ich, dass wir es gut machen – das zeigt die Bilanz dieser Regierung –, und Gott sei Dank reden Sie nicht mit, Frau Hermenau.

(Beifall bei der FDP und der Staatsregierung)

Ansonsten würden wir vielleicht Krötentunnel mit den EU-Geldern bauen. Mir ist es lieber, dass wir mit Straßen Regionen erschließen, damit Leute ihre Arbeitsplätze erreichen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Bei allen Diskussionen um Strukturfonds, Förderquoten oder operationelle Programme sollten wir eines nicht vergessen: Europa ist nicht nur ein großer Subventionstopf, sondern Europa ist vor allem eine Wertegemeinschaft und Europa ist eine Wirtschaftsmacht.

Dieses Europa, meine Damen und Herren, lebt ganz wesentlich davon, dass wir auch eine Vielfalt der Regionen haben. Deshalb sagen wir als Sachsen: Es muss nicht alles auf europäischer Ebene geregelt werden, wenn es auf nationaler oder regionaler Ebene besser geregelt werden kann. Auch das ist eine ganz klare sächsische Haltung.

Meine Damen und Herren! Die EU-Förderung hat geholfen, Sachsen stärker zu machen. Im europäischen Vergleich sind wir eine echte Aufsteigerregion, und das nicht nur relativ, wenn man die neuen Beitritte sieht, sondern in absoluten Zahlen. Sachsen hat das von der EU erhaltene Geld in der Vergangenheit nicht verspielt, sondern klug investiert. Ich bin in einem Punkt sicher: Wir werden auch in Zukunft klug investieren für mehr Wohlstand in diesem Land, für mehr Beschäftigung und für eine attraktive Heimat Sachsen.

Vielen Dank.