Deshalb wird es uns auch nicht abhalten, dem Antrag zuzustimmen. Wir müssen aufhören, wie das Herr Krauß eben wieder gemacht hat, uns das Bildungs- und Teilhabepaket schönzureden. Es nützt im Endeffekt nichts, wenn nicht die Kinder und Jugendlichen wirklich davon profitieren. Die Daten hatte ich genannt. Es ist keine Integration erkennbar.
Zum Schluss möchte ich noch auf die Stellungnahme der Staatsregierung eingehen. Auch da finden sich diese gesammelten Halbwahrheiten und die Ablenkungsargumente. Es geht nicht wirklich um das grundsätzliche Umorientieren in dem gesamten System.
Fest steht, dass die Regelsätze nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nicht transparent, nicht
nachvollziehbar und schon gar nicht sachgerecht erfolgt sind. 89 Cent für Spielzeug und 1,70 Euro für Schulmaterial sind offensichtlich nicht sachgerecht.
Das wurde versucht, mit dem Bildungs- und Teilhabepaket quasi etwas auszulagern. Aber bei diesem Paket ist es eben auch nicht so, wie die Staatsregierung schreibt, dass die Leistungen sofort direkt den Kindern zugutekommen. Nein, es ist ein Antragsverfahren. Bei Antragsverfahren heißt es immer, dass Anspruchsberechtigte nicht in den Genuss dieser Leistungen kommen. Man geht derzeit davon aus, dass noch immer 20 % aller anspruchsberechtigten Kindern keine Leistungen aus diesem Bildungs- und Teilhabepaket erhalten.
Zum Konzept der Kindergrundsicherung wird angemerkt, dass es ein Systemwechsel ist. Ja, das ist einer, und ich finde, das ist nicht nur gut so, sondern auch notwendig; denn so sehr, wie der Leistungsgedanke, Herr Krauß, im deutschen Sozialstaat traditionell verankert ist und sozialrechtlich organisiert wird, so wenig darf dieser Gedanke bei Kindern zur Geltung kommen,
weil es bei Kindern darum geht, erst einmal gleiche Startchancen herzustellen und eben gerade nicht darum, die Benachteiligung, die durch die Eltern gegeben ist, für die Kinder fortzusetzen. Das ist ein ganz anderer Blickpunkt darauf. Deshalb dürfen wir hier diesen Leistungsgedanken, der ansonsten richtig ist, den ich auch unterstütze, nicht zur Geltung kommen lassen müssen.
Wenn wir denn wissen, dass zur besseren Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes zum Beispiel Schulkonten notwendig sind, müssen wir sie einrichten. Das ist überhaupt kein Argument in der Stellungnahme zum Antrag, das ich gelten lassen würde.
Zum Konzept hat Heike Werner schon etwas gesagt. Es gibt Konzepte, die umsetzbar wären. Wenn in der Stellungnahme steht, dass es ungeklärt ist, in welcher Höhe diese Kindergrundsicherung zu erfolgen hätte, stimmt das
auch nicht. Es gibt im Steuerrecht sowohl das sächliche Existenzminimum als auch den Aufwand für Betreuung und Ausbildung. Dann sind wir bei 370 plus 180 Euro. Das wäre sachgerecht, und das wäre anzustreben. Darüber muss man nicht lang und breit diskutieren.
Nach wie vor – das will ich an dieser Stelle der Vollständigkeit halber auch sagen – ist ein Instrument zur Verringerung von Kinderarmut die Verringerung der Elternarmut. Das ist und bleibt so. Deshalb muss beim Thema Kinderarbeit auch die Forderung Mindestlohn mit in die Debatte. Es ist das Beste, wenn die Eltern in der Lage sind, den Lebensunterhalt selbst zu bewältigen, weil das für die Kinder auch von der Vorbildwirkung her das Beste ist.
Aber auch bei diesem Thema verweigert sich SchwarzGelb und das, obwohl Sachsen einer der Vorreiter im Niedriglohnbereich ist. Damit muss man feststellen, dass Sie selbst das Problem Kinderarmut zumindest an der Stelle in Kauf nehmen, wo Sie den Mindestlohn ablehnen.
Ich komme zum Schluss. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP! Auch wenn Sie dem Antrag wahrscheinlich nicht zustimmen werden, überdenken Sie die vorgetragenen Argumente, Ihren Handlungsspielraum und vor allem Ihre Verantwortung. 20 % der sächsischen Kinder und Jugendlichen in Armutslagen sollten Argument genug sein, hier etwas zu tun; denn letzten Endes sind genau diese Kinder und Jugendlichen auch ein Armutszeugnis für Sachsen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir besprechen heute mit dem Thema Kinderarmut auch ein Bundesthema, und dass auch der Bundesregierung die Besserstellung von Kindern sehr am Herzen liegt, zeigt, dass die Kinder und Jugendlichen als eigenständige Persönlichkeiten im Steuerrecht anerkannt wurden. Denn Schwarz-Gelb hat zu Beginn der Legislaturperiode auf Bundesebene den Steuerfreibetrag für Kinder in gleicher Höhe wie für Erwachsene eingeführt. Ich denke, das war ein sehr wichtiges Zeichen.
Mittlerweile ist es so, dass die Forderung nach einer Kindergrundsicherung eine bekannte Variante des langsamen Hineinwachsens in ein bedingungsloses Grundeinkommen in die Gesellschaft allgemein ist. Alle Modelle des bedingungslosen Grundeinkommens bedeuten aber eine Abkehr vom Status quo, nämlich von der sozialen Grundabsicherung durch die steuerzahlende Bürgergemeinschaft, die sich an der aktuellen Bedürftigkeit des Einzelnen orientiert.
Sehr geehrte Damen und Herren, mittlerweile darf ich auch sagen von links und der SPD: So stellen wir uns einen verantwortungsvollen Sozialstaat nicht vor. Wir wollen keinen bedingungslosen Anspruch auf eine ständi
ge staatliche Versorgung, sondern wir stehen für eine staatliche Hilfe dort, wo Menschen sie wirklich nötig haben und brauchen.
Ich kann an der Stelle nur darauf hinweisen, dass die Kinder natürlich unter dem besonderen Schutz der Gemeinschaft stehen. Genau das beinhaltet das Sozialstaatsprinzip. Es sind Kinder, die der sozialen Sicherung bedürfen, wobei Familie dort ist, wo Verantwortung übernommen wird. Sie zu entlasten und denen, die sich der Kindererziehung widmen, zusätzliche Kosten und Zeit anzuerkennen, dafür gibt es die verschiedensten Leistungen.
Frau Neukirch, hier gebe ich Ihnen recht, die große Vielfalt an Maßnahmen ist für den Einzelnen heute kaum noch durchschaubar. Es würde aus meiner Sicht sicherlich Sinn machen, das gesamte Angebot an Steuererleichterungen, Zuschüssen und sonstigen Vergünstigungen zu überprüfen, zu verschlanken und der Lebenswirklichkeit anzupassen. Auch dazu gibt es Vorschläge, auch vonseiten der FDP im Rahmen des Bürgergeldes.
Allerdings die linke Idee der Grundsicherung geht in eine ganz andere Richtung als der Honorierung der Leistungen von Familien und deren Lasten auszugleichen. Die linke Kindergrundsicherung soll ein bisher nicht betiteltes finanzielles Minimum sicherstellen, unabhängig von der Lebenssituation, den Lebensformen und auch den Erwerbskonstellationen in den Familien. Hier haben sich mittlerweile auch LINKE und SPD sehr angenähert. Ich bin jetzt wirklich nur noch gespannt, in welchen Beträgen wir die nächste eBay-Versteigerung dabei erleben.
Ein Zurückdrängen der Verantwortung der Familien allerdings zugunsten des direkten Durchgreifens des Staates, also der Durchwirkung auf das Kind direkt, ist nicht das, was wir uns als FDP unter verantwortungsvoller sozialstaatlicher Familienpolitik vorstellen. Wir verstehen darunter tatsächlich die Förderung der gelebten Verantwortung. Familien üben eine soziale Schutzfunktion aus, die kein Staat je ersetzen wird. Die Familie ist die kleinste soziale Einheit in unserer Gesellschaft, die letztlich auch zusammenhält und aus unserer Sicht daher besonders schützenswert ist.
Ihr Konzept der Kindergrundsicherung, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion und der SPD, erklärt weder, wie die Finanzierung erfolgen, noch wie die Höhe des Grundsicherungseinkommens ermittelt werden, noch wie die Grundsicherung im Verhältnis zu anderen Transfer- und Sozialleistungen stehen soll. Ihr Konzept ist daher für uns nicht nur inhaltlich nicht tragbar, sondern auch aus formellen Gründen können wir dem nicht zustimmen.
Zum Punkt 2, meine sehr geehrten Damen und Herren, dem Bildungs- und Teilhabepaket: Heute ist schon viel dazu gesagt worden. Es ist letzten Endes die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu den Arbeitslosengeld-II-Regelsätzen. Darunter fallen auch Leistun
gen, die nicht als Geldleistungen ausgezahlt werden, sondern die die Kinder auch als Sachleistungen erhalten, wie zum Beispiel die Kosten der Schülerbeförderung.
Ich denke, das Sach- und Dienstleistungsprinzip zum Erstattungsprinzip in Barleistungen ist abwägenswert und auch an der einen oder anderen Stelle nachbesserbar. Aber das eine ist sicherlich nicht schlechter als das andere.
Wichtig ist doch – darüber sind wir uns sicherlich unisono einig –, dass die Leistungen bei den Kindern tatsächlich ankommen.
Wie das Bildungs- und Teilhabepaket wirkt, wird derzeit auf Bundesebene ausgewertet. Die verschiedenen Wege sind bereits aufgeführt worden. Dass es gerade, was den Bürokratieaufwand anbelangt, noch Nachbesserungsbedarf gibt, steht an dieser Stelle außer Frage. Gegen Ihre Forderung in Punkt 2 b – Stellen des Grundantrags und die damit verbundene Abdeckung aller Leistungen mehr oder weniger im Kalender- bzw. im Schuljahr – sprechen auch die Bedenken des Bundesbeauftragten für Datenschutz. Wenn Sie sich dem widersetzen wollen, ist das Ihre Sache. Wir nehmen die Bedenken des Datenschutzbeauftragten sehr ernst. Nach meinem Kenntnisstand werden die tatsächlichen Kosten für Schulausflüge, mehrtägige Klassenfahrten und Lernförderung so bezahlt, wie sie anfallen.
In diesem Kontext steht auch die dritte Forderung, die unter Punkt 2 c zu finden ist: Die Kosten für das Mittagessen sollen direkt mit den Schulen ausgeglichen werden. Ob die Schulen darüber viel glücklicher sind, wird die Frage sein. Hier gilt es, mit den Anbietern des Mittagessens in direkten Kontakt zu treten und auf Vertrauensbasis einen besseren Abrechnungsmodus zu finden.
Vielen Bedenken und Kritiken, die in Ihrem Antrag enthalten sind, können wir vonseiten der FDP nicht zustimmen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim großen Thema Kinderarmut hat die schwarz-gelbe Koalition weder in Sachsen noch auf Bundesebene bislang eine geeignete Antwort gefunden. Deshalb diskutieren wir heute über den Antrag der LINKEN.
Die Antwort wurde nicht gefunden, obwohl alle die Priorität dieses Themas beteuern. Erinnern Sie sich einmal bitte an Folgendes: Auch im Landtag gab es in der letzten Legislaturperiode einen Antrag unserer Fraktion zum Thema Kinderregelsatz. Dieser erhielt eine Mehrheit
auch von der Koalition. Einigkeit bestand damals in der Erkenntnis. Leider sind weder auf Landes- noch auf Bundesebene Strategien des Handelns erkennbar und viele der Ansätze, über die wir heute diskutiert haben, bleiben Stückwerk.
Aus sozialwissenschaftlicher Sicht ist hinreichend belegt, dass politische Strategien gegen Armut – auch gegen Kinderarmut – mehrdimensional sein müssen. Wir brauchen die Absicherung des soziokulturellen Existenzminimums. Hierzu besteht dem Grunde nach Einigkeit mit der LINKEN, also Punkt 1 Ihres Antrags. Ebenso wollen die GRÜNEN eine Kindergrundsicherung einführen. In der Partei wird derzeit die Höhe und Ausgestaltung diskutiert. Die Aussagen dazu werden sicherlich im Bundestagswahlprogramm zu finden sein. Genauso sicher ist, dass es bei der konkreten Ausgestaltung Differenzen zu den Vorstellungen der LINKEN geben wird. Der Beschlusstext des heutigen Antrags ist allerdings so allgemein, dass wir diesem zustimmen können.
Was mir bei dem Redebeitrag des Kollegen Krauß aufgefallen ist, ist Folgendes: Er hat offenbar das Prinzip der Kindergrundsicherung nicht verstanden.
Ich bin deshalb sehr froh, dass meine Kollegin Dagmar Neukirch dies und auch welche derzeitigen finanziellen Förderungen für Kinder und Familien dort hineinfließen umfassend erläutert hat. Das derzeitige Prinzip führt dazu, dass nicht alle Kinder – vor allen Dingen Kinder, die besonders bedürftig sind – in den Genuss der Förderung kommen und diese ungleich verteilt sind. Man denke nur an das Kindergeld und den Freibetrag, den die Eltern über die Steuer geltend machen können.
Wie ich schon ausgeführt habe, muss dies mehrdimensional geschehen. Es geht nicht nur um die Einkommensarmut. Der im letzten Jahr erschienene Unicef-Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland macht als Fazit Folgendes deutlich: Das gelingende Aufwachsen von Kindern, ihr Wohlbefinden und ihre Chancen lassen sich nachhaltig nicht durch Einzelmaßnahmen verbessern. Es muss gelingen, die verschiedenen Ansätze sowohl der Ebenen Bund, Länder und Kommunen und die Beteiligung der verschiedenen Ressorts zu erreichen und eine gemeinsame Politik zu entwickeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist unsere Aufgabe.
Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass die Arbeitsmarktpolitik bzw. ein verbesserter Zugang zum Arbeitsmarkt Kinderarmut lösen kann. Schon der überproportional hohe Anteil von armen Kindern in den Haushalten von Alleinerziehenden macht dies völlig klar.
Somit muss die Infrastruktur eine entscheidende Rolle spielen. Wir müssen uns deshalb Folgendes fragen: Wie muss die Infrastruktur aussehen, um Kinder, Jugendliche und Familien in schwierigen Lebenslagen sozial zu integrieren? In diesem Zusammenhang sprechen wir über die Kitas, die Schulen, eine entsprechende Bildungs- und
Erziehungspartnerschaft mit den Eltern, die Jugendarbeit und sozialräumlich verortete Angebote für Familien und Eltern. Zu dieser Infrastruktur trägt das Bildungs- und Teilhabepaket eben nicht bei.
Herr Kollege Krauß, hören Sie bitte einmal zu. Es ist vor allem eines: ein bürokratisches Monstrum. Es ist vor allem eines nicht: eine geeignete Maßnahme gegen Kinderarmut.