Protocol of the Session on December 14, 2012

Ich erteile nun der Frau Abg. Kallenbach das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Weihnachtsgeschenke gibt es ja normalerweise erst am 24. Dezember. Mit dem Doppelhaushalt darf sich die Staatsregierung allerdings schon jetzt über eine vorgezogene Bescherung freuen. Sie hat ihr Paket gut selbst gefüllt und geschickt verpackt.

Dank der Stimmenmehrheit im Landtag liegt mit dem Ja zum Haushalt auch die Zustimmung zu dem Operationellen Programm, beginnend mit dem Jahr 2014, auf dem Gabentisch. Wer die vielen Variablen des EU-Haushalts kennt, kann der Staatsregierung keinesfalls Risikofreude absprechen. Sollten die geplanten 350 Millionen Euro für Sachsen im EU-Haushalt nicht bereitstehen, dann ist der Doppelhaushalt schon bald Makulatur und der Nachtragshaushalt vorprogrammiert. Wir haben davon vorgestern gehört.

Offen bleibt auch, in welche Förderkategorie Leipzig fallen wird. Minister Morlok weiß sicher mehr als alle

anderen. In seiner Antwort auf die Kleine Anfrage des Abg. Torsten Herbst schreibt er am 22. November, also vor wenigen Tagen, das regionale Bruttoinlandsprodukt der Region Leipzig werde den 90-%-Schwellenwert nicht übersteigen. Alle anderen Prognosen gingen bisher vom Gegenteil aus und haben eine rege Reisetätigkeit nach Brüssel provoziert.

Was also stimmt? Vielleicht fragt die Staatsregierung auch ihre Kristallkugel, wann der Landtag die OP-Entwürfe zu sehen bekommt. Ich habe mehrfach danach gefragt.

In den Antworten der Staatsregierung benannte sie dazu stets: Ende des Jahres 2012. Auch im Zeitplan des SMWA, der auf der Herbsttagung der Fondsverwalter für EFRE und ESF im Oktober vorgelegt wurde, steht: Ende 2012 Zuleitung des OP-Entwurfs an den Sächsischen Landtag. Wann, bitte, liefert Herr Morlok oder Herr Dr. Martens als zuständiger Europaminister? Gerade weil die Planung komplex und kompliziert ist, fordere ich Sie noch einmal auf, den Landtag nicht erst zu beteiligen, wenn das OP in Sack und Tüten ist. Wir wollen den Entwurf sehen. Nennen Sie endlich einen verlässlichen Termin und halten Sie sich auch bitte daran.

(Verwunderung des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

Wir kennen aus der erwähnten Veranstaltung lediglich summarische Eckwerte zu den Ausgaben in den ausgewählten Prioritätenachsen. Im zuständigen Ausschuss oder gar im Plenum wurden diese weder vor-, geschweige denn zur Diskussion gestellt.

Nun wissen wir aber, die Staatsregierung arbeitet mit Hochdruck an den OPs. Die Vertreterinnen der Wirtschafts- und Sozialpartner werden besser als früher informiert, teilweise sogar an der Redaktion beteiligt. Aber dass der Landtag außen vor bleibt, ist schlichtweg nicht hinnehmbar.

Im Urteil des Verfassungsgerichtshofes des Freistaates von 2008 heißt es, die Staatsregierung hätte den Landtag vollständig und rechtzeitig über die Inhalte der Operationellen Programme zu informieren gehabt, bevor sie diese bei der Europäischen Kommission einreicht.

Aber, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, mit dem Haushalt 2014 ist die Ausrichtung der OPs beschlossene Sache, und wir wurden entweder zum Abnicker oder zum Ablehner degradiert.

Mit dem Doppelhaushalt hat die Koalition über das erste Jahr der neuen Strukturfondsperiode abgestimmt. Man kann die Jahresscheiben ganz leicht mit sieben multiplizieren, und dann erfahren wir: Von den erwarteten 2,4 Milliarden Euro EU-Strukturfondsförderung für 2014 bis 2020 – wie gesagt, Genaues weiß man nicht – sollen laut Haushaltsplan pro Jahr zum Beispiel 50 Millionen Euro in die Forschungsförderung, 30 Millionen Euro in die Förderung gewerblicher Unternehmen, 20 Millionen Euro in den Straßenbau und 22 Millionen Euro in den technischen Hochwasserschutz investiert werden.

Wir schlagen andere Prioritäten vor und wollen endlich die Gelegenheit haben, das mit Ihnen zu diskutieren. Sie haben es schon oft gehört: Technischer Hochwasserschutz ist nicht nachhaltig, extrem unflexibel und oft die schlechteste Lösung.

Werte Kollegen der Koalition! Ihr Entschließungsantrag zum Doppelhaushalt

(Marko Schiemann, CDU: … ist sehr gut!)

macht mir Mut, dass Sie das jetzt auch so sehen. Sie ersuchen im Punkt 12 die Staatsregierung, den Hochwasserschutz durch präventive Maßnahmen zu ergänzen, den Hochwasserrückhalt in der Fläche zu stärken und Gewässerabschnitte zu renaturieren – eine gute Basis für eine fachliche Diskussion.

Diese wünsche ich mir auch hinsichtlich der Entscheidung, welchen Anteil an EU-Mitteln wir für integrierte Stadtentwicklung einsetzen wollen. Die Mittel für nachhaltige Stadtentwicklung nehmen sich im Vergleich zum Straßenbau oder Hochwasserschutz geradezu bescheiden aus. Integrierte Stadtentwicklung ist aber eine Erfolgsgeschichte.

Der Komplexität dieses Themas kann man nur mit der Verzahnung unterschiedlicher Handlungsfelder beikommen. Die Kombination von EFRE- und ESF-Mitteln ist

gerade in der Stadtentwicklung sinnvoll. Die Stabilisierung benachteiligter Stadtteile erfordert eben nicht nur investive Maßnahmen, sondern auch nicht investive Aktivitäten, die letztlich über Bürgerbeteiligung zu einer Mobilisierung von Bürgern und von privatem Kapital führt.

Da sind 5 % zu wenig. Hier wünsche ich mir ein stärkeres Signal aus dem Parlament, dem Minister Ulbig – leider ist er nicht da – bestimmt nicht abgeneigt ist. Wie ich annehme, wird es auch eine breite Mehrheit in diesem Hause geben, zukünftig die Förderverfahren zu vereinfachen und zu entbürokratisieren. Wir können uns auch vorstellen, „heilige Kühe“ zu schlachten und die Abwicklung der Förderprogramme

(Zurufe von der CDU: Nein!)

doch, doch – auszuschreiben und nicht selbstverständlich an eine einzige Institution zu übertragen, oder endlich stringente einheitliche Förderrichtlinien zu erlassen und nicht in jedem Ministerium gesonderte Verfahren anzuwenden. Verwaltungsvereinfachung ist nicht ein exklusives grünes Anliegen, auch hier ist der Entschließungsantrag der CDU/FDP-Koalition in Punkt 2 und 3 eine gute Diskussionsgrundlage. Ja, es stimmt, die meisten Regeln werden in Brüssel gemacht, aber in Sachsen haben die Fachministerien, das Finanzministerium und auch die SAB viele bürokratische Hürden zusätzlich aufgebaut. Musterschüler sein zu wollen ist gut und schön, aber ich möchte, dass alle Möglichkeiten der Verfahrensvereinfachung, die die neuen Verordnungen zulassen, genutzt werden. Kommunen und Vereine sind dabei wichtige Partner, und die werden jeder Vereinfachung mit Freude entgegensehen. Mit der Anerkennung von prozentualen Kostenpauschalen werden die Abrechnungen einfacher und die Projektträger entlastet.

Die EU-Kommission ermutigt im Übrigen die Mitgliedsstaaten seit Jahren, Kompetenzen und finanzielle Verantwortung in Form von Global- oder Regionalbudgets für die Projektumsetzung auf die kommunale Ebene zu übertragen. Die Staatsregierung verweigert diese Möglichkeit leider so kontinuierlich wie hartnäckig. EU-Mittel in der Größenordnung von etwa 2,4 Milliarden Euro – das ist einfach viel zu viel Geld, als dass wir als Landtag die Entscheidungen über die Aufteilung der Staatsregierung allein überlassen. Egal, wann die Mittel fließen und wie viele es genau sein werden: Der Landtag muss mitbestimmen, wofür sie eingesetzt werden.

Daher werbe ich um Ihre Unterstützung und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN)

Der nächste Redner in der ersten Runde ist Herr Schiemann für die CDU-Fraktion.

(Stefan Brangs, SPD: Gib alles!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin an und für sich stolz, dass es nicht nur eine Europäerin in diesem Sächsischen Landtag gibt, sondern eine Fülle von Experten, die sich sehr stark für dieses Thema engagieren. – Nur so viel zu meiner Vorrednerin.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte mich an dieser Stelle – und das ist angezeigt – ganz herzlich beim Ministerpräsidenten, beim Staatsminister der Justiz und für Europa und bei allen anderen Staatsministern, die sich in den zurückliegenden Monaten dafür engagiert haben, dass der Freistaat Sachsen weiterhin Unterstützung von der Europäischen Union erhält, bedanken.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Diesen Dank verknüpfe ich mit dem Dank an alle Abgeordneten, die sich in den zurückliegenden Monaten in ähnlicher Form in Brüssel für den Freistaat Sachsen eingesetzt haben. Ich weiß, dass die Mitarbeiter der Ministerien und der Verwaltung in diesen letzten Wochen auch nicht geschlafen haben, und die Antwort auf diesen Antrag zeigt, dass sie schon Zwischenergebnisse vorlegen können. Deshalb halte ich es nicht für angezeigt, Frau Kollegin Kallenbach – Sie wissen, dass ich Sie sonst immer sehr schätze, weil Sie große Erfahrungen mit der Europäischen Union haben, weil Sie einmal dort tätig waren –,

(Oh-Rufe bei der CDU)

dass Sie diese Leistungen nicht so angesehen haben, wie sie tatsächlich gewesen sind. Ihre Schimpftiraden hätten Sie sich sparen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für den Freistaat Sachsen ist das Thema Europa seit über 20 Jahren existenziell. Wir sind in der Mitte Europas zu Hause, umrankt von zwei angenehmen Nachbarn

(Zuruf des Abg. Karl-Friedrich Zais, DIE LINKE)

ich weiß, dass man das in Chemnitz schon eher gewusst hat; tut mir leid, ich bin in Bautzen zu Hause, da dauert das ein bisschen länger –, der Tschechischen Republik und der Republik Polen, wo wir uns intensiv um die europäischen Themen kümmern. Wie kann es anders sein? Der Freistaat Sachsen liegt in der Mitte Europas.

Das sind Chancen auf gute Nachbarschaft, Chancen auf gute Partnerschaft und Chancen auf Unterstützung der Europäischen Union, die wir in den zurückliegenden Jahren, viele Menschen im Freistaat Sachsen, viele Unternehmen, viele Verbände und Vereine zur Entwicklung gut genutzt haben.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Widerspruch des Abg. Andreas Storr, NPD)

Damit haben wir Chancen, Europa zum gegenseitigen Vorteil weiterhin zu nutzen, und ich hatte den Dank an die Staatsregierung damit verbunden, dass sich die Staatsre

gierung in den letzten zwei Jahren intensiv um die Weiterführung der Finanzierung durch die Europäische Union engagiert hat.

Ich glaube aber auch, dass wir im Hohen Hause in den letzten zwei Jahren sehr intensiv über den möglichen Weg und die Fragen, die uns zum Thema Europa berühren, diskutiert haben. Es gibt eine Vielzahl von Initiativen verschiedener Fraktionen, aber auch der Koalitionsfraktionen, die diesen Diskurs angeregt haben.

Ich habe dabei immer wieder gespürt, dass es für die große Mehrheit im Landtag ein gemeinsames Anliegen ist, Sachsen in Europa gut zu gestalten. Neben der Großen Anfrage zu Europa aus dem Jahr 2011 haben wir uns im September dieses Jahres sehr intensiv dem Thema der künftigen Förderpolitik der Europäischen Union und den sächsischen Interessen gewidmet. In diesem Antrag haben wir klare Akzente hinsichtlich der für uns für sinnvoll erachteten Fördermodalitäten gesetzt. So haben wir beispielsweise gefordert, dass Verwaltungsverfahren

vereinfacht werden, die Förderung flexibel und auf die lokalen Bedürfnisse zugeschnitten sein muss.

Wir haben auch deutlich gemacht, dass für uns die Bewältigung des demografischen Wandels und der negativen Bevölkerungsentwicklung einen Förderschwerpunkt als Gegenpol sein sollte. Daneben wollen wir weiterhin Investitionen in Wirtschaft, Forschung und Bildung als künftige Förderschwerpunkte setzen. Diese Grundsätze sind auch in dem von uns am Mittwoch beschlossenen Entschließungsantrag zum Staatshaushalt enthalten und damit nochmalig bekräftigt worden.

Wir haben somit gegenüber der Staatsregierung unsere grundsätzlichen Vorstellungen hinsichtlich der Ausrichtung und Ausgestaltung der Umsetzung der EUFördermaßnahmen bereits sehr deutlich gemacht. Die zukünftige EU-Strategie muss sich selbstverständlich am nötigen Nachholbedarf und den vorhandenen Mitteln orientieren.

Genau das hat die Staatsregierung in der Antwort auf den Antrag der einreichenden Fraktion, wie ich glaube, sehr umfassend dargelegt. Deshalb frage ich die Kollegin, die vor mir gesprochen hat, ob sie die Antwort überhaupt gelesen hat.

(Zuruf der Abg. Gisela Kallenbach, GRÜNE)

Wir wissen, dass bei allen Programmen, also EFRE, dem ESF, dem ELER und dem EMFF, das Thema Nachhaltigkeit und Mehrwert noch stärker mit dem Ziel Aufholprozess verbunden werden muss. Wir wissen auch, dass die Staatsregierung seit Wochen an der Neuausrichtung und Planung zu den Operationellen Programmen arbeitet, jedoch am Schluss von der Haushaltsentscheidung – und das ist, glaube ich, eine wichtige Grundlage – abhängig ist.