Protocol of the Session on October 17, 2012

Sie werden fragen: Welche Versprechen? Viel sind die Worte von Ministerpräsident Tillich offenbar nicht wert, wenn sie jetzt hier keine Rolle spielen. Er hatte versprochen, die Schienenanbindung in den ländlichen Regionen zu stabilisieren, und er hatte versprochen, den Bahnfernverkehr nach Westsachsen und nach Ostsachsen zurückzuholen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie als CDU nach 2014 weiter die Regierung führen wollen, woran ich angesichts Ihrer kurzsichtigen Verbeugung vor der Ideologie der FDP manchmal zweifle, werden Sie ein schweres Erbe zu verantworten haben.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das ist wohl wahr!)

Wollen Sie sich dann weiter hinter Ihrem derzeitigen Koalitionspartner FDP verstecken, den Sie dann verloren haben werden?

Wir GRÜNE meinen, gerade zusammen mit den erneut geplanten ÖPNV-Kürzungen beim Doppelhaushalt 2013/ 2014 gefährdet der derzeitige Landesverkehrsplan die Grundlagen des ÖPNV in Sachsen. Haben die landesweiten Erhöhungen der Nahverkehrstarife zur Kompensation der bisherigen Kürzung Sie in der Koalition nicht nachdenklich gemacht? Sind Ihnen die hohen Folgekosten für die sächsischen Haushalte, gerade mit Kindern und alten Menschen, kein Nachdenken wert? 264 Euro mehr ÖPNV-Kosten für eine vierköpfige Familie in Leipzig! Offenbar hat der Verkehrsminister einen Verkehrsplan vorgelegt, der nur eine Aufgabe hat: die Kürzungen, die

Sie beim öffentlichen Verkehr weiterhin vornehmen wollen, und die weiterhin zu hohen Ausgaben beim Straßenneubau im Haushalt zu rechtfertigen. Mit Landesentwicklung oder Verkehrsplanung hat das nichts zu tun. Der Ministerpräsident sowie die beiden CDU-Minister für Umwelt und Inneres haben das offenbar kritiklos akzeptiert und schwänzen auch diese wichtige Debatte.

Das Problem fängt natürlich bei den Grundlagen der neuen Verkehrsplanung an. Gegen den Rat aller Experten wurde der Plan nach der Offenlegung nicht überarbeitet. Die Regierung plant weiter mit stagnierenden ÖPNVAnteilen und daher auch stagnierenden Einnahmen bei steigenden Beförderungskosten. Das widerspricht durchaus den praktischen Erfahrungen im Land, insbesondere in den Ballungsräumen, wo die Mehrzahl der Sächsinnen und Sachsen wohnt und wo die ÖPNV-Nutzung und dadurch die Einnahmen durchaus zunehmen.

Aber auch in den ländlichen Räumen mit sinkender Bevölkerung müssen mehr Menschen häufiger in die Mittel- und Oberzentren pendeln und wollen dazu den öffentlichen Verkehr nutzen. Das geht nicht allein mit dem Bus, wie Sie immer im Landesverkehrsplan propagieren.

So kommt der Landesverkehrsplan natürlich auch zu falschen Schlussfolgerungen. Die schwerwiegendste davon ist der sogenannte Rot-Gelb-Plan bei den Bahnstrecken. Die Regierung meint, dass Bahnangebote abseits der Oberzentren wegen momentan niedriger Fahrgastzahlen generell unrentabel seien. Sie sollen – ich zitiere – „zugunsten wirtschaftlicher Busverkehre oder alternativer Bedienformen … ersetzt“, also stillgelegt, werden.

Natürlich sagen Sie dann immer, dass das Aufgabe der kommunalen Entscheidungsgremien ist und Sie damit nichts zu tun haben. Aber wir wissen ganz gut, dass die Zweckverbände, wenn Sie weiter so kürzen, keine andere Chance haben, als diese Strecken tatsächlich stillzulegen. Davon betroffen – der Vorredner war schon darauf eingegangen – sind zahlreiche Strecken im Vogtland, im Erzgebirge, in Mittel-, Nord- und Ostsachsen. Die wichtigsten hängen der Begründung unseres Antrages an.

Der Landesverkehrsplan stellt offenbar die Anforderung, dass der öffentliche Verkehr bei seinen Betriebskosten im ländlichen Raum ähnliche Deckungsgrade wie in den Ballungsräumen erwirtschaften müsse. So einfach ist die Rechnung aber nicht.

Wir brauchen und haben zurzeit landesweit noch einen guten Deckungsgrad um 70 %. Den werden wir nur halten können, wenn die Ballungsräume auch weiter höhere Deckungsgrade erwirtschaften. Die müssen Beiträge für die ländlichen Räume mit erwirtschaften. Lernen Sie doch endlich, Herr Verkehrsminister, das System zu betrachten und nicht die einzelne Strecke! Unternehmen würden es auch so machen.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Genau! – Zuruf des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Die Menschen in den sächsischen Dörfern, Herr Herbst, brauchen nicht nur den Schülerverkehr von Ort zu Ort zweimal am Tag. Sie brauchen funktionierende Mobilitätsketten in die Mittel- und Oberzentren. Das geht nur mit Bus und Bahn zusammen. Nur so macht der Busverkehr als Zubringer zur Bahn Sinn. Was bieten Sie denn diesen Menschen an, wenn Sie keine Bahnstrecken mehr haben? Neue Straßen, wo schon die vorhandenen Straßen nicht ausgelastet sind? Das wird nicht helfen.

Eine dieser derzeit wenig benutzten Strecken ist die von Niesky nach Hoyerswerda. Sie ist von allen kürzungsbedrohten Strecken die längste. Gerade diese Strecke wird wegen ihrer hohen Güterverkehrsbedeutung jetzt von der Deutschen Bahn schrittweise elektrifiziert. Hier wird in Zukunft Personennahverkehr schneller und effizienter fahren können. Also braucht man jetzt Konzepte, wie man diese Strecke aufwerten, entwickeln und mit Buszubringerverkehr in der Lausitz touristisch und bevölkerungsfreundlich erschließen kann.

Die Stilllegungsdiskussion ist falsch. Konzepte müssen her. Ich könnte noch viele Beispiele von anderen vergleichbaren Strecken erzählen, zum Beispiel von der Strecke Nossen–Döbeln, die eine Beschleunigung

braucht, und von den Strecken im Erzgebirge, die touristische Erschließung brauchen – für den Fahrradtourismus wird die Bahn sehr wenig genutzt –, etc.

Übrigens gibt es jetzt bereits oft parallele Busverkehre, weil diese nicht zusammen mit den Bahnverkehren separat in den Kreisen geplant werden. Damit sollte sich die Regierung einmal auseinandersetzen. Wir brauchen eine ganzheitliche landesweite Planung von Bus und Bahn zur Stärkung der bedrohten Strecken und nicht Ihre Abbauplanung.

Die Bahn ist das Rückgrat des sächsischen ÖPNVSystems. Mit ihr stehen und fallen die Potenziale der ÖPNV-Erschließung in der Fläche des ganzen Landes. Deshalb ist Ihr Kürzungsdruck auf die Zweckverbände falsch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach Auffassung der GRÜNEN brauchen wir zur Sicherung des öffentlichen Verkehrs eine Solidarität zwischen den Ballungsräumen und den ländlichen Räumen. Sie aber setzen auf eine Entsolidarisierung der ländlichen Räume und der Ballungsräume, auf ein Gegeneinander. Das bringt das Land weiß Gott nicht voran. Im Bild des Bahnverkehrs gesagt: Ein Zug kommt nur von Ort zu Ort, wenn das Gleis keine Lücken hat, sonst bleibt die schönste Bahn nur ein Museumszug.

Der Landesverkehrsplan preist den Busverkehr und alternative Bedienformen als Alternative zum Bahnverkehr an. Sie sind eine Ergänzung, aber nicht die Alternative! Wenn man sieht, dass Sie nur mit den Mitteln aus dem Bund – Landesmittel wollen Sie gar nicht mehr einsetzen – nicht einmal mehr eine ordentliche Busförderung betreiben, sondern nur noch Schülerverkehr erstatten, dann sieht man auch, dass es mittelfristig gar keine

Förderung von alternativen Busverkehren geben wird, von denen Sie immer reden.

Wir sind der Meinung, dass sich das Dilemma dieser Verkehrsplanung mit der Frage des Bahnfernverkehrs fortsetzt. Wo bleiben denn die Versprechungen des Ministerpräsidenten zum Bahngipfel? Wo ist denn der historische Masterplan Bahn, der vorgelegt werden sollte, um die Strecke Chemnitz–Leipzig in den Bundesverkehrswegeplan zu bringen? Im Landesverkehrsplan nicht. Wie will der Ministerpräsident Westsachsen und Ostsachen wieder an den Bahnfernverkehr anbinden, nachdem Sie auf der Strecke Dresden–Görlitz–Wroclaw so kläglich gescheitert sind? Still ruht der See. Ich fürchte, sie sind einmal mehr den Beruhigungspillen des Bahnkonzerns zum Opfer gefallen.

Gehen Sie es endlich an und machen Sie eine tragfähige Verkehrsplanung zur Grundlage des zukünftigen Landesentwicklungsplans!

Wir meinen deshalb, die Regierung sollte sich endlich einmal gründlich mit der Situation im Land auseinandersetzen, Punkt 1 unseres Antrages, und den Landesverkehrsplan nach Maßstäben der Vorschläge unter Punkt 2 überarbeiten. Wir brauchen Perspektiven für den öffentlichen Verkehr in Sachsen mit einem integralen Taktfahrplan und schnellen regionalen Bahnverbindungen landesweit sowie ein Bus- und Bahn-Ergänzungsnetz einschließlich alternativer Bedienformen regional. So gewinnen wir Fahrgäste und zusätzliche Einnahmen. So bieten wir Perspektiven.

Nur mit der Rücknahme der Kürzungen im Haushalt können wir wirkungsvoll im Bund verhandeln. Deshalb bitte ich Sie um überfraktionelle Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Für die CDU-Fraktion spricht Frau Springer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Öffentlicher Personennahverkehr – ein wichtiges Thema.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb verdient er es nicht, dass eine vorgezogene Haushaltsdebatte daraus gemacht wird.

(Beifall bei der CDU – Oh-Rufe von der SPD und den GRÜNEN)

Die beiden vorliegenden Anträge – der SPD-Antrag wurde bereits von der Staatsregierung beantwortet – können wir nicht unterstützen,

(Stefan Brangs, SPD: Das gibt es doch gar nicht!)

obwohl – das räume ich an dieser Stelle gern ein – mir beim Lesen des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Punkt 3d, Integraler Taktfahrplan, im ersten Moment als positiv erschienen ist.

(Eva Jähnigen, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Frau Springer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, Frau Jähnigen hat genügend Redezeit und kann dann alles anbringen, was sie möchte. – Danke.

Der Punkt geht in die richtige Richtung, verschweigt aber die vielen Angebote, bei denen bereits jetzt ein integraler Taktfahrplan existiert. Also, auch hier gilt: Wir können nicht zustimmen.

Meine Damen und Herren! Auch wenn wir heute keine Haushaltsdiskussionen führen, erfordern beide Anträge, dass wir rückblickend über Geld und damit auch über den Doppelhaushalt 2011/2012 noch einmal kurz sprechen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Ja, reden wir über Geld!)

Unumwunden: Auch uns ist es im Jahr 2010 nicht leichtgefallen, die Kürzung zu beschließen. Unter den Auswirkungen der Finanzkrise und dem Anspruch, keine Neuverschuldung zuzulassen, bestand bei der Beschlussfassung des Doppelhaushaltes 2011/2012 die Aufgabe, dass alle Sachsen einen Beitrag zur Einsparung leisten müssen. Diese schwere Aufgabe wurde damals umgesetzt. Es ist aber unverantwortlich, dass Sie mit Ihren vorliegenden Anträgen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verkehrsbetriebe eine Verunsicherung einreden und Existenzangst suggerieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, es ist unanständig, wie Sie mit diesem Thema umgehen.

(Beifall bei der CDU – Stefan Brangs, SPD: Nein! – Mario Pecher, SPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Frau Springer, es gibt von Herrn Pecher den Wunsch nach einer Nachfrage. Möchten Sie diese zulassen?

Nein, danke.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Ach nö!)

Uns ist bewusst, dass die ÖPNV/SPNV-Kürzung für den kommunalen Aufgabenträger eine Herausforderung

darstellte. Besonders schwierig war die Sachlage, da alle Verkehrsverbünde mit langfristigen Verträgen arbeiten, die Kürzung der Mittelzuweisung allerdings kurzfristig wirksam wurde. An dieser Stelle bedanke ich mich bei all denen, die durch viel persönlichen Einsatz und kreative Ideen die Wirkung der Einsparungen auf Effizienz und Kundenfreundlichkeit im ÖPNV-System minimieren konnten.

(Enrico Stange, DIE LINKE: Kneifen Sie sich mal und wachen Sie endlich auf!)

Ein Blick in den Doppelhaushalt 2013/2014 weist im Bereich ÖPNV einen Aufwuchs der Mittel im Entwurf der Staatsregierung aus. Seit der Überweisung des Haushaltsentwurfes in das Parlament sind wir für eine fach- und sachbezogene Haushaltsdiskussion verantwortlich. Unsere Fraktion kommt dieser Aufgabe gern nach, allerdings nicht heute und nicht hier und auch nicht losgelöst von den Haushaltsberatungen der Facharbeitskreise.