Protocol of the Session on September 26, 2012

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was soll ich sagen? – Zum wiederholten Mal in dieser Legislaturperiode reden wir über das wichtige Thema der europäischen Förderpolitik. Das an sich ist gut und richtig so, da – Herr Schiemann hat das lange ausgeführt – europäische Fördermittel für den Freistaat und alle seine Kommunen wichtig sind.

Meine Damen und Herren! Das ist dann auch schon alles, was man an Ihrem Antrag lobend hervorheben kann. Ich möchte ganz deutlich sagen: Die Rede von Herrn Schiemann war viel besser als Ihr Antrag und auch als die Antwort der Staatsregierung.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben es also heute hier mit einem Antrag der Koalition zu tun, der die Staatsregierung ersucht, sich unter anderem weiterhin dafür einzusetzen, dass alle Regionen und hier eben auch die Region Leipzig in das Sicherheitsnetz einbezogen werden sollen, dass die starren Anteile der Mittelverwendung flexibler gehandhabt und zum Beispiel die regionalen Erfordernisse ausreichend berücksichtigt werden, um nur einige der 19 Punkte aus Ihrem Antrag aufzugreifen.

Meine Damen und Herren! Dass sich unsere Staatsregierung auf allen Ebenen, auf denen sie mitreden darf, dafür einsetzt, dass die sächsischen Regionen weiterhin und ausreichend von europäischem Geld profitieren, halte ich für eine Selbstverständlichkeit.

(Beifall bei den LINKEN – Dr. Monika Runge, DIE LINKE: Ich auch!)

Bei aller Kritik an Europaminister Martens: Ich erwarte, dass er und seine Kollegen der Regierung genau das tun, wofür sie einmal den Amtseid abgelegt haben, nämlich Schaden vom Freistaat Sachsen abzuwenden.

(Beifall bei den LINKEN)

In der Antwort der Staatsregierung lesen wir, dass sie sich nun tatsächlich – wie nicht anders zu erwarten – für das Sicherheitsnetz und die Einbeziehung Leipzigs einsetzt, dass sie die starren Festlegungen von Quoten für die Fonds und die Einführung einer leistungsgebundenen Reserve ablehnt.

Zudem verweist sie auf das Positionspapier der deutschen Länder zum Stand der Verhandlungen über den Finanzrahmen und die Kohäsionspolitik der EU nach 2013 sowie die Bundesratsbeschlüsse vom Dezember letzten und Juni dieses Jahres. Im Positionspapier heißt es, dass die Kohäsionspolitik ein wesentlicher Beitrag zur Reduzierung wirtschaftlicher, sozialer, territorialer und ökologischer Ungleichgewichte in der Europäischen Union leistet, und – wie auch sonst – weiter leisten muss, dass es bei einer angemessenen Mittelausstattung der Kohäsionspolitik bleiben muss und bei nötigen Kürzungen die Strukturfonds eben nicht überproportional betroffen sein dürfen. Das Papier mahnt an, dass sich die Bundesregierung für ihre Länder bei der EU einsetzt und nicht von den bisher ausgehandelten Positionen abrückt.

Ja, meine Damen und Herren, auch davon ging ich einmal aus. Aber die Bundesregierung scheint sich nicht wirklich für die Interessen ihrer Länder einzusetzen. Statt für eine ausreichende Mittelausstattung zu streiten, forderte sie vorgestern die Absenkung der Finanzvorschläge der Kommission und lehnt die Einführung einer Finanztrans

aktionssteuer zur Stärkung der Einnahmenseite der EU ab. So macht sie sich also de facto für eine Kürzung der Strukturfondsmittel stark. – So viel zur Unterstützung.

(Beifall bei den LINKEN)

Stellen wir also fest, meine Damen und Herren: In der Diskussion mit der Bundesebene – und nur diese ist wirklich Verhandlungspartner mit Brüssel und den anderen 26 Staaten – scheint noch eine Menge Handlungsbedarf zu bestehen. Aber wie sieht es darüber hinaus in unserem Freistaat aus?

Ein Blick auf die zum Teil kritische Situation in den EuroRegionen zeigt, an welchen Stellen es tatsächlich klemmt, und nicht dass Sie sich jetzt wundern, dass ich das Brüsseler Parkett verlasse: Sie erinnern sich doch alle ganz bestimmt daran, dass der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der kommenden Förderperiode eine besondere Bedeutung zukommen soll. Neben einer notwendigen Verstärkung der parlamentarischen Unterstützung und politischen Aufmerksamkeit für die Euro-Regionen ist unter anderem auch das komplizierte und langwierige sächsische Antragsverfahren und die zunehmend ausufernde Bürokratie kritisch zu hinterfragen.

Ebenso scheint es notwendig zu sein, die Steuerung durch die Staatsregierung, wie sie schon einmal bestanden hat, wieder zu verstärken und die Euro-Regionen in die Vorentscheidung effektiv einzubeziehen. Zudem sollte einmal genauer dargestellt werden, worin die Wirksamkeit der Büros in Polen und Tschechien eigentlich besteht und anhand welcher Kriterien deren Effektivität zu bemessen ist.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Versorgen von Parteifreunden!)

Noch gravierender machen sich in meinen Augen aber das Fehlen eines Staatsvertrages mit Tschechien sowie das mangelnde Interesse der Staatsregierung an der Umsetzung eines europäischen Verbundes mit Blick auf die territoriale Zusammenarbeit bemerkbar. Hierzu wird der seit einigen Tagen vorliegende Antrag von SPD und GRÜNE –

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Herr Lichdi, der Antrag von SPD und GRÜNE – deutlicher.

(Beifall der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Meine Damen und Herren von der Staatsregierung! Ich frage Sie: Welche Hindernisse sehen Sie bei der Errichtung eines solchen Verbundes, der unter anderem der besseren Koordinierung der Programmabwicklung dienen soll? Herr Kupfer – vorhin hat er den Innenminister gespielt, nun ist er weg –; Herr Kupfer, sicherlich ist es eine große Ehre, dass unsere tschechischen Nachbarn auch künftig die Verantwortung für die Planung und Koordinierung in der kommenden Förderperiode in sächsischer Hand sehen. Was also spricht gegen eine vertragliche Ausgestaltung?

Meine Damen und Herren! Eigentlich müssten Sie sich einigen drängenden Fragen stellen wie zum Beispiel: Welchen Umsetzungsstand haben grenzüberschreitende Entwicklungskonzepte? Besitzen die derzeit zur Verfügung stehenden Planungsinstrumente grenzüberschreitende Kompatibilität? Welche Schlussfolgerungen haben Sie aus der sächsisch-tschechischen Grenzraumstudie gezogen? Leisten die Verbindungsbüros – ich sprach davon – tatsächlich das, wofür sie eingerichtet wurden?

Nicht nur die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit unseren polnischen und tschechischen Nachbarn sollte kritisch beleuchtet werden. Wie steht es mit der bundesländerübergreifenden Zusammenarbeit? Können in Ihren Augen die Staatsverträge aus den Neunzigerjahren mit Sachsen-Anhalt und Thüringen tatsächlich noch ihre Aufgaben erfüllen? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Brandenburg – vor allem entlang der polnischen Grenze? Reichen dazu gemeinsame Kabinettssitzungen oder bedarf es nicht eines intensiveren Austauschs oder einer noch stärkeren Koordinierung?

Vor Monaten hatte ich schon einmal auf die nicht kompatiblen Förderrichtlinien zwischen den einzelnen Bundesländern hingewiesen. Auch hierbei reden wir von europäischem Geld. Eine Harmonisierung bei ILE und LEADER ist leider auch nicht in Sicht.

Meine Damen und Herren! Sie sehen, dass es noch eine Menge zu tun gibt – vor allen Dingen im eigenen Land. Wenn – Herr Martens, wie Sie es sagen – der Freistaat nicht dauerhaft auf Strukturfonds angewiesen sein will – Ihr Kollege Herbst hat das mit der Daueralimentierung noch einmal unterstrichen – und das Maximale an Förderung für die Sächsinnen und Sachsen erreicht werden soll, muss seitens der Staatsregierung mehr getan werden, als sich dafür einzusetzen, dass alles noch einmal gut geht.

Um es deutlich zu sagen: Letztlich wird der EU-Gipfel im November eine Entscheidung bringen. Der Streit um das Geld zwischen den EU-Staaten ist in vollem Gange.

Meine Damen und Herren! Sie müssen heute und hier dafür sorgen, dass der Freistaat und seine Kommunen optimal auf die kommende Förderperiode vorbereitet sind. Ob Sie diesem Anspruch der effektiven regionalen Umsetzung von Förderpolitik wirklich schon gerecht werden, lässt sich dem Antrag und der Stellungnahme der Staatsregierung leider nicht entnehmen und kann bezweifelt werden.

Aus diesem Grund müssten wir Ihren Antrag eigentlich ablehnen. Weil uns aber auch die sächsischen Interessen am Herzen liegen, enthalten wir uns der Stimme.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN – Johannes Lichdi, GRÜNE: Nein! Nein! Das kann man doch ablehnen!)

(Marko Schiemann, CDU: Sächsische Interessen, Herr Kollege! – Torsten Herbst, FDP: Die sind ihm fremd!)

Meine Damen und Herren! Wir fahren in der allgemeinen Aussprache fort. Für die SPD-Fraktion hat als nächster Redner Herr Jurk das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag von CDU und FDP befasst sich mit den Verordnungsentwürfen der EU-Kommission vom 6. Oktober 2011. Seitdem wurde dieser Entwurf im EU-Parlament beraten. Parallel dazu hat sich auch der Bundesrat – die Länderkammer – damit befasst.

Ich erinnere insbesondere an die in der Antwort der Staatsregierung dargestellten Befassungen des Bundesrates vom 16. Dezember 2011 und 15. Juni 2012. Die Koalitionsfraktionen haben diesen Antrag im Juni gestellt, als eigentlich die Messen bereits gelesen waren. Ich will das nicht kritisch sehen, ich möchte aber darauf hinweisen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was man uns völlig unterschlägt, ist Folgendes: Wenn am 12. Juli dieses Jahres die Antwort an den Landtag auf die Punkte der Koalitionsfraktionen versendet wird und die wichtige Entscheidung des Europäischen Ausschusses für regionale Entwicklung vom Tag davor – 11. Juli – keinen Niederschlag in der Antwort der Staatsregierung findet, verwundert mich dies.

Was ist geschehen? In langwierigen und schwierigen Sitzungen des Regionalausschusses des Europaparlaments konnte erreicht werden, dass Leipzig in das Sicherheitsnetz aufgenommen wurde und damit in der Förderung mit den Regionen Dresden und Chemnitz gleichgestellt werden soll. Die Region soll damit zwei Drittel der bisherigen Förderhöhe erhalten. Meine Damen und Herren, das ist ein großer Erfolg für alle Abgeordneten, die gekämpft haben. Ich gestatte mir den folgenden Hinweis: Es ist auch eine Anerkennung der Berichterstatterin Constanze Krehl, Sozialdemokratin aus Leipzig, aber auch des Christdemokraten Lambert van Nistelrooy aus den Niederlanden. Das hat sich in der Antwort leider nicht niedergeschlagen.

(Zuruf des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Herr Bandmann, es ist nicht Ruud van Nistelrooy, damit Sie das nicht verwechseln. Das ist ein Fußballer.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es ist mir wichtig darauf hinzuweisen, dass wir noch lange nicht am Ziel sind. Das Ziel kann nur wie folgt heißen: In der schwierigen Phase müssen sich das Parlament und der Europäische Rat erstmalig in der Geschichte am Ende gemeinsam bekennen, dass Leipzig tatsächlich zu den Regionen gehört, die genauso wie Dresden und

Chemnitz von der entsprechenden Kategorie partizipieren. Das heißt aber auch, dass wir betrachten müssen, dass 15 weitere europäische Regionen in den Genuss dieses Sicherheitsnetzes genauso wie Leipzig kommen. Das war bislang unklar.

Das bedeutet, dass Leute wie der Christdemokrat Pieper von der CDU aus Nordrhein-Westfalen nicht dagegen sein dürfen. In allen Parteien muss man schauen, dass die Leute dahinterstehen. Herr Pieper sagt Folgendes ganz klar: Je mehr Regionen in das Sicherheitsnetz aufgenommen werden, desto teurer wird es. Dann lehne ich das Ganze ab.

Damit bin ich bei dem entscheidenden Punkt angelangt. Die Kollegin Vorrednerin hat bereits darauf hingewiesen: Es wird am Ende auch darauf ankommen, wie viel Geld tatsächlich zur Verfügung steht. Das wissen wir momentan nicht. Wir stehen momentan vor der Entscheidung, dass es im November dieses Jahres einen Sondergipfel der EU-Regierungschefs geben wird. In diesem werden sicherlich wichtige Pflöcke eingeschlagen. Jedoch werden wir es nicht vor dem Frühjahr des nächsten Jahres wissen.

Nun möchte ich auf den Antrag als solchen eingehen. Lieber Markus Schiemann, ich war nach dem Redebeitrag fast geneigt zu sagen, wir stimmen dem Antrag zu. Jedoch war das nur nach deinem Redebeitrag der Fall. Der Antrag als solcher weicht erheblich von dem ab, was du uns gesagt hast.

Ich möchte darauf hinweisen, dass der Antrag sehr technokratisch abgefasst ist. Ich möchte ein Beispiel dafür anbringen: In Punkt 14 von 19 steht, dass sich die Staatsregierung weiterhin dafür einsetzen solle, dass – so wörtlich – „auch Investitionen in die Sicherung der Nachhaltigkeit von innovativen Bildungsstrukturen vor dem Hintergrund demografischer Veränderungen gefördert werden können“.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Unbedingt! – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Dazu die Antwort der Staatsregierung: „Investitionen in die Sicherung der Nachhaltigkeit von innovativen Bildungsstrukturen bleiben gerade vor dem Hintergrund demografischer Veränderungen ein wichtiges Anliegen.“ Ich habe mir nahestehende Personen der Fraktion Folgendes gefragt: Was mag damit gemeint sein? Die erste Antwort lautete: bestimmt die Gemeinschaftsschule.

(Torsten Herbst, FDP: Hä?!)