Protocol of the Session on September 26, 2012

Es gibt einen zweiten Grund, warum wir dieses Gesetz einbringen. Wir reden nicht nur von der beruflichen Weiterbildung, sondern es wird hier im Hohen Haus immer wieder das ehrenamtliche Engagement sehr hochgehalten. Dazu ist es notwendig, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, an allgemeiner oder politischer Weiterbildung teilzunehmen. Das muss durch dieses Gesetz abgedeckt werden. Wir wollen, dass sie wenigstens die Möglichkeit haben, dazu fünf Tage im Jahr bezahlten Bildungsurlaub zu erhalten und diese Weiterbildung tatsächlich nachzufragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist in der Tat nicht allzu weit mit diesem Teil der Bildung. Es ist heute schon betont worden, dass Bildung Priorität haben soll. Aber dieser Teil wird wirklich benachteiligt. Sachsen ist mittlerweile das Schlusslicht, was die regelmäßige Teilnahme sächsischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Weiterbildung anbelangt. Nur ein Fünftel nimmt daran teil. Wir haben kein Bildungsfreistellungsgesetz und wir finanzieren aus öffentlichen Mitteln lediglich mit einem Zuschuss von 1,5 Euro pro Einwohner unsere öffentliche Weiterbildung. Bei Schülern sind wir etwas großzügiger. Aber wir haben offenbar immer noch nicht verstanden, dass der eigentliche Lernprozess nicht nur in der Erstausbildung stattfindet, sondern zum überwiegenden Teil nach der Erstausbildung einen lebenslangen Weiterbildungs- und Lernprozess darstellt. In diesen Bereich wird kaum investiert.

Im Gegenteil, der vorgelegte Haushaltsentwurf, über den wir in den nächsten Monaten diskutieren werden – das werden sicher auch die Kollegen der Koalition gesehen haben –, sieht eine weitere Kürzung der Mittel für die Weiterbildung vor. Im Haushalt für die Jahre 2010/2011 hat es schon einmal eine Kürzung von 6,7 Millionen Euro auf 6 Millionen Euro gegeben. Jetzt ist sogar eine weitere Kürzung um 1 Million Euro auf 5 Millionen Euro für die öffentliche Förderung von Weiterbildungen vorgesehen.

Wie verträgt sich denn das mit der Antwort aus dem Wirtschaftsministerium auf unseren Antrag „Zukunft der Lausitz“, wenn es dort heißt, dass zur Begegnung des Fachkräftemangels in der Lausitz die Volkshochschulen doch ihren Beitrag leisten sollten? Woher sollen die Volkshochschulen diese Angebote finanzieren?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie sehr, unserem Antrag die Zustimmung zu geben. Wir werden auch dem Antrag der GRÜNEN unsere Zustimmung geben, auch wenn wir dem zusätzlichen Bürokratieaufwand für die kleinen Betriebe derzeit etwas skeptisch gegenüberstehen. Aber vom Grundsatz her stimmen wir diesem Antrag zu. Ich bitte Sie, beiden Anträgen die Zustimmung zu erteilen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Stange. – Für die CDU-Fraktion Herr Abg. Heidan. Bitte schön, Herr Heidan.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lebenslanges Lernen bildet heute die Grundlage für berufliche Perspektiven und natürlich auch für persönlichen Erfolg.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Weiterbildung ist dabei nicht nur wichtig für den eigenen Lebenslauf, sie ist für die berufliche Karriere unverzichtbar. Wer selbst etwas für seine berufliche Karriere tun möchte, bekommt auch in der Regel keine Steine in den Weg gelegt.

(Heiterkeit der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Als Unternehmer, Frau Dr. Stange, sage ich Ihnen ganz deutlich: Ich bekomme regelmäßig von meinen Kammern, ob Handwerks- oder Industrie- und Handelskammer, Bildungsangebote und Lehrgänge angeboten. Das ist gut und wichtig.

(Karl Nolle, SPD: Sind Sie in einer Kammer oder in zwei Kammern?)

Ich bin in einer Kammer drin, Herr Nolle. Sie wissen ja, wie das geht. Ich kann mich natürlich nicht erwehren, und ich werde es auch nicht, wenn ich Bildungsangebote von der IHK bekomme, weil die teilweise auch sehr sinnvoll sind. Sie sind natürlich immer auf das Unternehmen zugeschnitten. Sie wissen, dass wir in dieser Weise auch ganz spezielle Weiterbildungsangebote brauchen.

(Thomas Schmidt, CDU: Woher soll er das wissen?)

Das ist es ja eben.

Unsere Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren sprunghaft verändert. Eine Weiterbildung liegt in aller Regel nicht nur im Interesse des Arbeitnehmers, sondern auch und insbesondere im Interesse des Arbeitgebers, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Hier bestehen in vielen Unternehmen individuelle und tragfähige Regelungen. So werden meistens Bildungsangebote nach Feierabend oder an Wochenenden angeboten und auch genutzt. Auch eine Regelung in entsprechenden Tarifverträgen ist möglich und wird auch praktiziert. Das ist sinnvoll und in höchstem Maße wünschenswert. Wir brauchen gut gebildete und motivierte Facharbeiter, Führungskräfte und Mitarbeiter, die im Sinne des Unternehmens mitarbeiten wollen.

Wir leben in einem rohstoffarmen Land und sind auf die geistigen Potenziale der Mitarbeiter in den Unternehmen sehr angewiesen. Wenn die GRÜNEN schon unseren CDU-Kollegen im Deutschen Bundestag Wolfgang Bosbach zitieren müssen, der gesagt hat, „wer nichts im

Boden hat, der muss was in der Birne haben“ – so geschehen zur 40. Plenarsitzung hier an diesem Pult –, dann wissen wir ja, wie wichtig das ist. Weiterbildung, lebenslanges Lernen und Bildung überhaupt sind in unserer Zeit notwendig. Das Zitat des CDU-Bundestagsabgeordneten Bosbach bringt es auf den Punkt, meine Damen und Herren. Das haben Sie gesagt, die Damen und Herren von den GRÜNEN. Sicherlich gilt das nicht für Ihren Gesetzentwurf zur Bildungsfreistellung.

Der Freistaat – das lassen Sie mich bitte ausführen – unterstützt in hohem Maße die Qualifizierung von Mitarbeitern durch entsprechende Förderprogramme. Ein Weiterbildungscheck wurde erst im Jahr 2010 eingeführt. Der Weiterbildungscheck Sachsen ermöglicht die Förderung der Weiterbildungskosten bis zu 80 %. Das Antragsverfahren ist denkbar einfach. Wenn das monatliche Bruttoeinkommen des Antragstellers zwischen 2 500 Euro und 4 150 Euro liegt, muss mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt werden – ich erkläre es Ihnen gerne noch einmal, weil Sie so kritisch schauen.

Folgendes ermöglicht der Freistaat: Ist der Antragsteller älter als 50 Jahre oder der Antragsteller arbeitet in Teilzeit oder der Antragsteller steht in einem befristeten Arbeitsverhältnis oder der Antragsteller ist Leiharbeitnehmer oder der Antragsteller strebt mit der Weiterbildung den ersten akademischen Abschluss an mit einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoeinkommen von maximal 2 500 Euro, müssen die Kosten der Weiterbildung mindestens 650 Euro betragen. Ausgeschlossen von einer Förderung sind freizeitorientierte Themen. – Aber darauf komme ich zum Schluss meines Redebeitrages zurück.

Gleichzeitig – das sage ich hier besonders deutlich – unterstützt auch die Bundesregierung mit entsprechenden Förderungen die Weiterbildung: Weiterbildungsprämien von 154 Euro werden für die Einkommensgruppen mit bis zu 17 900 Euro bei Alleinstehenden bzw. 35 800 Euro bei Verheirateten bei zu versteuernden Jahreseinkommen zur hälftigen Kofinanzierung von Weiterbildung erhältlich sein, wenn mindestens die gleiche Summe als Eigenbeitrag zur Finanzierung der Teilnahmeentgelte geleistet wird.

Es wird viel getan, meine Damen und Herren. Sächsische Unternehmen werden in aller Regel ihrer Verantwortung selbst gerecht, ohne dass es einer staatlichen Reglementierung bedarf. Im Übrigen muss es auch ein persönliches Anliegen des Arbeitnehmers sein, seinen Qualifikationsstand im Interesse seiner persönlichen Entwicklung weiter zu verbessern. Der Freistaat schafft die Rahmenbedingungen durch Förderung und Unterstützung entsprechender Weiterbildungseinrichtungen. Was wir aber nicht wollen, ist, dass Unternehmen zusätzliche Kosten bei einer Allgemeinverbindlichkeit durch die Gesetzeslage entstehen. Da sind nun gerade die Gesetze von den GRÜNEN und auch der Gesetzentwurf der SPD durchaus nachzuvollziehen.

Wir wollen, dass die individuellen Lösungen, die in der Praxis bereits funktionieren, auch weiterhin umgesetzt werden.

Herr Heidan, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. Frau Dr. Stange hat noch genügend Redezeit, um dann in der zweiten Runde ans Mikrofon zu treten.

(Stefan Brangs, SPD: Sie haben nur Angst vor der Frage!)

Ich möchte Ihnen nur ein Beispiel nennen, welche Auswüchse es hat, wenn Gesetzesvorlagen wie die Ihren, also von GRÜNEN und SPD, dann auch in die Praxis umgesetzt werden. Ich habe auf der Internetseite des hessischen Sozialministeriums zum Beispiel folgende interessante Weiterbildungsmaßnahmen gefunden, die ganz aktuell sind. Sie können sie auch heute Abend nach der Plenarsitzung noch einmal ansehen.

Zum Beispiel in Kochel am See in der Zeit vom 15.10., das ist ein Montag, bis 19.10., das ist ein Freitag, wird der Weiterbildungslehrgang angeboten „Vom Umgang mit Andersdenkenden und anderen, Verfolgung von Hexen und Ketzern in Vergangenheit und Gegenwart!“. Es gibt weitere Angebote: „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken – ein kritisches Seminar zum Geschlechterverhältnis in unserer Gesellschaft!“ Der Termin ist bei dem Veranstalter abzufragen. Der Veranstaltungsort ist in Naumburg. Ich kann Ihnen noch einen weiteren Veranstaltungstipp geben: Vom 26.11., das ist ein Montag, bis 30.11., das ist ein Freitag, Veit Michelbach: „Umarme deinen Tiger – Aggression als Lebensenergie“ – ein Intensivseminar in Gestalt- und Konfliktlösungsstrategien, Analysen von gesellschaftlichem Aggressionsverhalten.

(Zurufe der Abg. Christian Piwarz, CDU und Stefan Brangs, SPD)

Das weiß ich noch nicht, Herr Piwarz. Aber es gibt zum Beispiel auch eine Veranstaltung vom 22.10. bis 26.10., das ist wieder von Montag bis Freitag, in Berlin: „Politik? – Nein, danke. Politik mal anders erleben.“

(Christian Piwarz, CDU: Wahrscheinlich von der LINKEN-Geschäftsstelle!)

Vielleicht sollten wir, die noch hier verblieben sind, uns alle mal anmelden.

Meine Damen und Herren, ich will das jetzt nicht ins Humorvolle hineintragen. Aber, das ist für mich ein deutliches Zeichen dafür, dass so etwas, was Sie in Ihren Gesetzentwürfen fordern, nicht funktionieren kann. Ich bin ja dankbar, dass Sie vorhin ausgerechnet auch gesagt hatten, dass die kommunale Selbstverwaltung, also der Sächsische Städte- und Gemeindetag, sich massiv dagegen ausgesprochen hat, Ihren Unsinn, den Sie hier in Gesetzesform gegossen haben, in dieser Weise umsetzen zu wollen.

Das, meine Damen und Herren, wollen wir nicht. Wir wollen uns weiter auf die individuelle Gestaltungskraft der Unternehmen und der Arbeitnehmer besinnen. Wir setzen auf den Geist der Freiheit und der eigenen Gestaltungsmöglichkeit und nicht auf gesetzliche Vorgaben, die die Unternehmen und auch die Kommunen finanziell belasten und den Arbeitnehmern nicht wirklich die Bildungsmöglichkeiten offenhalten, die sie für ihre berufliche Weiterbildung benötigen. Deshalb werden wir verständlicherweise Ihre beiden Gesetzentwürfe ablehnen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, das war Herr Heidan für die CDU-Fraktion. – Nun ist die Fraktion DIE LINKE an der Reihe, Herr Abg. Kind. – Bevor Herr Kind spricht, gibt es eine Wortmeldung am Mikrofon 2; Herr Jennerjahn.

Ich würde gern vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen.

Bitte schön.

Danke schön. – Noch ganz kurz einige Worte zu Herrn Heidan. Natürlich muss es darum gehen, Missbrauch in solchen gesetzlichen Regelungen zu verhindern. Das steht außer Frage. Allerdings halte ich es auch nicht für zielführend, mit den Ausnahmefällen so zu tun, als würden alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so handeln.

Ich möchte darauf hinweisen, dass in unserem Gesetzentwurf – und ich meine, auch im Gesetzentwurf der SPD – Regelungen für ein Anerkennungsverfahren geregelt sind, was dort tatsächlich für Bildungsfreistellung genutzt werden kann. Ich möchte noch einmal auf eine Zahl aus der Anhörung verweisen, die uns das Land RheinlandPfalz präsentiert hat. Dort wurde deutlich darauf hingewiesen, dass über 80 % – ich meine, es waren 83 oder 84 % – der durch Weiterbildungsfreistellungsgesetze genutzten Maßnahmen ganz klar einen Arbeitsbezug haben und lediglich 16 % der politischen Gemeinbildung dienen.

Vielen Dank, Herr Jennerjahn. – Herr Heidan, Sie möchten erwidern.

Herr Jennerjahn, wenn ich die Internetseite des hessischen Sozialministeriums richtig gelesen und verstanden habe, sind es alles zugelassene Bildungsangebote. Ich habe sie natürlich bewusst herausgepickt. Das ist auch klar. Es gab auch vernünftige Weiterbildungsangebote, die sicherlich genutzt werden. Aber genau das ist es ja. Wenn Sie es in Gesetzesform gießen, dann hat jeder den Anspruch darauf und dann werden auch solche Dinge – –

(Zuruf der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Sie sollten nicht immer reinreden. Sie sind Lehrerin und haben sicherlich als Lehrerin Ihren Schülern früher gesagt: Wenn einer spricht, hat der andere Sendepause. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie das auch so handhaben!

(Beifall bei der CDU und der FDP)