Protocol of the Session on September 7, 2012

(Beifall bei der SPD)

Das, was wir heute bei der Innovationskraft einsparen, bezahlen wir später doppelt und dreifach.

Die Frage „Haben Sie ein Ziel, haben Sie einen Plan?“ stellt sich in der Debatte schon. Ich möchte durchaus differenzieren. Ich glaube nämlich, dass es gerade in der CDU-Fraktion mehr Leute gibt, die an einer solchen Vision arbeiten wollen und die selbst darunter leiden, dass ihre Fraktionsspitze, ihre Staatsregierung anscheinend keine Idee von der Zukunft Sachsens hat. Viele Kolleginnen und Kollegen in der CDU sind selbst frustriert – und das nicht zuletzt wegen des panischen Koalitionspartners, der nur noch Klientelpolitik betreibt, statt sich um die Probleme des Landes zu kümmern.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Genau so ist es!)

Ich verstehe diesen Frust. Ich verstehe auch, dass man Lust hat, einfach die Brocken hinzuschmeißen, wie es Kollege Colditz getan hat, und dass man sich aus hoch anzuerkennender Loyalität in die letzte Reihe setzt und sich für seinen Ministerpräsidenten opfert, obwohl dieser jemanden stillos aus dem Amt geworfen und die Nachfolgerin ermutigt hat, öffentlich nachzutreten.

Ich kann den Frust verstehen, ich kann auch die Frustbewältigung verstehen, es bleibt aber dabei: Das beste Mittel der Frustbewältigung ist, das zu ändern, was den Frust auslöst.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Das ist nun einmal in der Bildungspolitik am einfachsten zu erkennen. Das ist die größte Baustelle. Es ist auch Ihre große Baustelle. Sie wissen alle, dass das Personalkonzept der Staatsregierung wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen ist. Was die Staatsregierung jetzt vorlegt, ist eine Verschlimmbesserung der Situation. Mit vernebelten

Euphemismen gibt das mittlerweile sogar die Kultusministerin zu.

Zwar hat der Haushalts- und Finanzausschuss zugestimmt, dass zum 1. August die 283 Stellen neu ausgebracht worden sind; mehr Lehrer stehen damit zum Schuljahresbeginn jedoch nicht zur Verfügung, denn damit wurde nur nachträglich eine illegale verdeckte Einstellungspraxis legalisiert. Wie viele Lehrerinnen und Lehrer am Montag tatsächlich vor der Klasse standen, dazu konnte das Ministerium keine Aussage treffen.

Allein im Schuljahr 2011/2012 gingen 919 Vollzeitstellen durch Verrentung oder anderen Abgang aus dem Schuldienst verloren. Dazu kommen bis zum Ende des Jahres noch einmal 268 Vollzeitstellen. Diesem Verlust an Arbeitsvermögen von 1 187 Stellen stehen lediglich 565 unterrichtswirksame Einstellungen gegenüber.

Im Schuljahr 2012/2013 sind im Doppelhaushalt 27 231 Lehrerstellen ausgewiesen. Das sind 364 Lehrerstellen weniger als im Vorjahr,

(Thomas Jurk, SPD: Hört, hört!)

und das bei einem Schülerzuwachs von 1 600 Schülerinnen und Schülern!

Wenn es nach der Staatsregierung geht, wird das in den Folgejahren nicht besser, sondern schlechter. Vor dem Hintergrund, dass die Schülerzahlen bis zum Jahr 2021/2022 laut Statistischem Landesamt weiter ansteigen werden, reicht die kurzzeitige Unterbrechung des geplanten Stellenabbaus nicht aus. In der Summe werden noch weniger Lehrer vor immer volleren Klassen stehen.

Damit werden nun einmal die Bildungs- und Teilhabechancen unserer Kinder aufs Spiel gesetzt. Sie werden dafür geopfert, dass das Finanzministerium und die Staatskanzlei den Kurs des Primats der Rücklagenbildung und Politikverweigerung weiter fahren können. Sie werden dafür geopfert, dass der Koalitionspartner die Schilder „Mittelschule“ durch Schilder mit dem Wort „Oberschule“ austauschen kann. Auf solche Werbegags reduziert sich nämlich die Politik der FDP: Schilder mit Smiling statt vernünftiger Verkehrspolitik und neue Schilder für Mittelschulen statt Politik für besseres Lernen!

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich mache Ihnen auch ein Angebot: Gerade bei dem Thema Bildung, gerade bei dem Thema Zukunftsfähigkeit des Landes erwarte ich, dass man gemeinsam nach Lösungen sucht, dass man sich ernsthaft der Problematik annimmt. Es gab ja schon einmal so ein zartes Pflänzchen, wenn ich an das Thema Inklusion denke. Wenn Sie es ernst meinen mit diesem Thema, so machen Sie das hier nicht koalitionsintern! Ich sage Ihnen, das wird mit diesem Koalitionspartner nicht funktionieren. Das wird mit dem nicht funktionieren!

Uns ist dieses Thema zu wichtig. Wir bieten an, gemeinsam an einem finanzierbaren Konzept zu arbeiten und es auch gemeinsam zu tragen. Die finanziellen Rahmenbedingungen sind ja vorhanden. Sie kennen die Einnahmensituation des Freistaates. Sie haben 1,5 Milliarden Euro Zuwachs bei den Einnahmen und es sind durchaus noch Spielräume drin, weil die Zuwächse zumeist an den höheren Bundeszuschüssen für Kosten der Unterkunft und die Alterssicherung liegen. Mögliche Steuerveränderungen haben Sie zum Beispiel nicht eingerechnet.

Sie haben aktuell 5,8 Milliarden Euro Schulden. Das ist mit Abstand der geringste Schuldenstand bundesweit. Es gibt die Möglichkeit, ein Finanzierungskonzept aufgrund Ihrer Haushaltszahlen vorzulegen. Sie müssen es nur wollen. Sie müssen auch einmal über Ihren Schatten springen; denn es geht hier eben nicht darum, den Koalitionsfrieden zu wahren, sondern darum, die Zukunftsfähigkeit unseres Landes sicherzustellen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion sprach Herr Kollege Dulig. – Für die FDP-Fraktion wird jetzt Herr Kollege Zastrow sprechen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Einbringung des Doppelhaushaltes findet in einem bemerkenswert beunruhigenden Umfeld statt. Damit meine ich überhaupt nicht den heute vor dem Landtag stattfindenden Lehrerstreik. Nein, das beunruhigende Umfeld ist aus unserer Sicht und auch aus Sicht des Freistaates Sachsen natürlich vor allem die Entscheidung, die gestern die Europäische Zentralbank getroffen hat, künftig nämlich selbst Staatsanleihen in unbegrenzter Höhe von in die Krise geratenen Staaten aufzukaufen. Damit wird die Finanzpolitik der Europäischen Union, meine Damen und Herren, den Parlamenten entzogen, den Regierungen entzogen und in die Hände der EZB gelegt, eines Gremiums, das sich wiederum der Kontrolle von Parlamenten und Regierungen nahezu vollständig entzieht.

Die EZB ist ähnlich unabhängig – so war ja auch damals das Konstrukt gedacht – wie die Bundesbank, nur leider tut sie nicht das, was die Bundesbank macht. Sie hat sich eben nicht, was eigentlich der Auftrag gewesen ist, auf die Wahrung der Geldwertstabilität in Europa beschränkt, sondern sie macht inzwischen Finanzpolitik. Das muss uns, meine Damen und Herren, auch hier in Dresden große Sorgen machen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Mindestens für Deutschland war die gestrige Entscheidung, der gestrige Tag ein schwarzer Tag. Die Haftungsrisiken, die die Bundesrepublik ohnehin schon eingegangen ist, sind schon in einer kritischen Höhe angekommen. Jetzt kommen neue hinzu, ohne dass wir einen Einfluss

darauf haben, sie zu beschränken oder mit strengen Auflagen zu sanktionieren.

(Holger Apfel, NPD: Das wollten Sie doch so!)

Mir ist inzwischen klarer denn je, warum sich die Herren Weber und Stark aus der EZB zurückgezogen haben, und mir ist auch klar, welchen wichtigen Kampf der Bundesbankpräsident Weidmann, der ja bei uns im Kabinett schon zu Gast gewesen ist, kämpft. In der EZB, meine Damen und Herren, hat Deutschland genauso viel Einfluss wie Malta oder Zypern, aber wir übernehmen als Bundesrepublik Deutschland 27 % aller Haftungsrisiken, die dort eingegangen sind.

(Jürgen Gansel, NPD: Sie nicken das im Bundestag doch alles ab, das ist doch verlogen!)

Ich weiß, dass das GRÜNE, SPD und LINKE oft ein bisschen anders sehen und nicht weiter beunruhigt sind. Ich habe ja gestern Abend auch die Nachrichten gesehen und dort die entsprechenden Statements der Bundestagsfraktionen gehört. Sie machen ja – so ehrlich sind Sie wenigstens – kein Hehl daraus, dass für Sie die Vergemeinschaftung der europäischen Schulden durchaus ein gangbarer und sympathischer Weg ist.

(Zuruf der Abg. Dr. Monika Runge, DIE LINKE)

Für uns als FDP und wohl auch für die CDU ist das eben kein Weg. Das kann keine gute Sache sein, was in Bezug auf die EZB entschieden wurde. Das kann auch nicht in unserem Interesse liegen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung – Lachen bei der NPD)

Das Interessante ist, dass das eben nicht nur den Bund betrifft, sondern es betrifft – gerade wenn wir über die auf uns zukommenden Risiken sprechen – die Bundesländer und natürlich auch die Kommunen.

(Jürgen Gansel, NPD: Verlogene Euro-Heuchler!)

Für jeden, für den Werte wie Stabilität, Solidität und Verantwortung der Kompass in der Finanzpolitik sind – und zumindest für die Landesregierung in Sachsen ist das der Fall –, ist die Entscheidung der EZB ein Schlag ins Kontor. Sie stellt unsere finanzpolitischen Werte auf den Kopf und bettet diejenigen weich, die über Jahre ihre finanzpolitischen Hausaufgaben nicht erledigt, die über ihre Verhältnisse gelebt und durch eigenes Verschulden die europäische Staatsschuldenkrise herbeigeführt haben. Sie werden auf frisch gedruckten Euro-Scheinen gebettet. Ihnen wird suggeriert, dass man auf nachhaltige Reformen zu Hause verzichten kann, indem man frisches europäisches Geld über die Ladentheke schiebt. Mir ist neu, meine Damen und Herren, dass man seine Staatsfinanzen auf Dauer über das Drucken von Geld in den Griff bekommt.

Sie wissen alle, dass CDU und FDP hier in Sachsen andere finanzpolitische Überzeugungen und Werte teilen.

(Andreas Storr, NPD: Aber trotzdem immer wieder einknicken!)

Für uns sind Stabilität, Solidität und Verantwortung der Maßstab. Mit solch einer Politik haben wir den Freistaat Sachsen gut durch die Krise gebracht. Genau das ist das richtige Rezept für die Zukunft. Nur so kann Sachsen eine gute Zukunft haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielleicht sollten wir uns kurz an die Haushaltsverhandlungen vor zwei Jahren erinnern.

(Zuruf von der SPD: Besser nicht!)

Bei der Verabschiedung des letzten Doppelhaushaltes war Sachsen unter dem Eindruck der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise, unter dem Eindruck einbrechender Steuereinnahmen und erstmals zurückgehender Mittel aus dem Solidarpakt gezwungen, harte Einschnitte im Landeshaushalt vorzunehmen und Strukturreformen in Angriff zu nehmen. 1 Milliarde Euro haben wir damals im Landeshaushalt sparen müssen. Das ist, glaube ich, ein einmaliger Kraftakt gewesen. Das hat kein anderes Bundesland bisher zu stemmen geschafft.

Die Reihe der zutiefst unpopulären Maßnahmen war sehr lang. Diese werden uns bis heute von der Opposition vorgehalten, ob es die Abschaffung der Beitragsfreiheit für das letzte Kita-Jahr war, die Abschaffung des Weihnachtsgeldes für unsere Beamten oder auch die Kürzungen bei den Investitionen.

Die Demonstrationen, von denen wir heute eine vor dem Landtag haben, sind für uns nicht neu. Wir sind damit erfahren. Demonstrationen gab es auch damals in Größenordnungen. Diese Proteste haben wir alle vor Augen. Es ist auch niemandem in der Koalition leichtgefallen, diese Maßnahmen zu treffen. Aber CDU und FDP hatten die Stärke, diese Proteste auszuhalten und das Notwendige zu tun, auch wenn es unpopulär war. Diese Stärke und die Bereitschaft, für Spar- und Kürzungsmaßnahmen Verantwortung zu übernehmen, bildeten die Grundlage dafür, dass der Freistaat Sachsen viel besser als andere durch die Krise gekommen ist und jetzt in der Aufschwungphase freie Sicht nach vorn hat. Dafür möchte ich mich noch einmal bei den Abgeordneten von CDU und FDP und auch beim Kabinett bedanken.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Entwicklung des Freistaates wird davon getragen, dass wir zu unseren Grundsätzen stehen. CDU und FDP stehen zu einem Haushalt ohne neue Schulden, weil wir uns nun mal dafür entschieden haben, den jungen Leuten in diesem Land nicht noch mehr Lasten auf ihren Rücken zu binden, und zwar zusätzlich zu denen, die sie ohnehin schon tragen müssen, angesichts einer völlig veränderten Arbeitswelt und auch angesichts des demografischen Wandels.

Wir sind nicht bereit, eine Politik mitzutragen, die junge Menschen dafür zahlen lässt, dass wir uns heute besser einrichten, als es uns eigentlich zusteht.