Protocol of the Session on September 7, 2012

(Beifall bei den LINKEN – Zurufe von der CDU)

Souveränes Regieren, Herr Piwarz, sieht anders aus und Sie werden sehen, es bringt Ihnen nichts – und damit bin ich beim Thema.

(Alexander Krauß, CDU: Lasst doch den Hahn die Reden halten, der konnte Stegreif-Reden halten! – Heiterkeit)

Meine Damen und Herren!

(Weitere Zurufe von der CDU)

Der Staatsminister für Finanzen hat soeben

(Weitere Zurufe von der CDU)

das Angebot der Staatsregierung für den Landeshaushalt 2013/2014 vorgestellt. Adressat ist formal der Landtag, de

facto aber sind es die Menschen in Sachsen, denn ihr Leben wird durch die Auswirkungen dieses Etats beeinflusst. Mit diesen konkreten Folgen haben wir uns als gewählte Vertreterinnen und Vertreter der Bevölkerung im Parlament zu befassen und nicht mit irgendwelchen ideologischen Vorlieben oder Abneigungen. Zu den Folgen des letzten Etats 2011/2012 gehörte es unter anderem, dass den sächsischen Polizistinnen und Polizisten und allen anderen Beamten das Jahreseinkommen um einige Prozente gekürzt wurde durch Streichung des Weihnachtsgeldes – ein Mosaikstein des Dauermobbings dieser Staatsregierung gegen die Bediensteten des öffentlichen Dienstes.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN – Widerspruch bei der CDU)

Da kommt Stimmung auf – aber keine gute! Das CDUMitglied Thomas Giesen, früherer langjähriger Datenschutzbeauftragter dieses Landes, fasste es unlängst bei einer Sachverständigenanhörung des Landtages so zusammen – Zitat –: „Ich kenne keinen Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, der sagt, hier bei uns ist es toll, da ist gute Stimmung, wir ziehen los. Das war vor zehn oder 20 Jahren völlig anders.“

(Alexander Krauß, CDU: So?!)

Abschließend sagte Giesen: „Das ist kein schöner Befund.“ Der Befund ist auch außerhalb des öffentlichen Dienstes in Sachsen nicht erbaulicher. Zwei Drittel aller sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten in Sachsen verdienen maximal 2 500 Euro brutto im Monat und gehören damit zu der Gruppe der Bevölkerung, die nach den Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums in Zukunft von Altersarmut bedroht sein wird.

So viel schlaglichtartig zu Ihren Visionen, Herr Tillich und Herr Morlok, aus Sachsen ein Geberland zu machen. Engagieren Sie sich lieber mit uns gemeinsam für einen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn und ein Vergabegesetz des Landes, das dafür sorgt, dass künftig nicht mehr mit Aufträgen des Freistaates, also Steuergeldern, Lohndumping unterstützt wird.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Dann, Herr Ministerpräsident, werden in Sachsen nicht nur die schnellsten Autos und die teuersten Uhren produziert, sondern auch gekauft. Bei „Reichtum für alle“ haben Sie meine volle Unterstützung.

(Beifall bei den LINKEN)

In Sachsen wird den Menschen für gute Arbeit oft nicht das gegeben, was ihnen zusteht. Zugleich haben Sie, die Koalition von CDU und FDP, auch noch die Axt an die Wurzeln des sozialen Zusammenhalts gelegt.

(Christian Piwarz, CDU: Das jetzt wieder!)

Denn im ersten Etatentwurf dieser Koalitionsregierung für die Jahre 2011 und 2012 wurde der Sozialhaushalt um 13 % zusammengestrichen. Diese Untat, wie auch die anderen Untaten, haben Sie mit dem nun vorliegenden

Doppelhaushaltsentwurf 2013/2014 keineswegs zurückgenommen, wie es sich gehört hätte. Ich neige zwar von Haus aus dazu, auch bei meinen politischen Gegnern immer etwas Positives zu sehen, weil niemand allein die Wahrheit gepachtet hat –

(Einzelbeifall bei der CDU)

das aber, werter Herr Prof. Unland, was Sie uns hier zur 1. Lesung vorgelegt haben, lässt sich beim besten Willen nicht belobigen.

(Uta Windisch, CDU: Wo hat denn das in der Rede gestanden?!)

Denn Sie waren es, die mit der Begründung, es seien zur Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie des drohenden Rückgangs der Einnahmen schmerzhafte Einschnitte unumgänglich, der damaligen Welle des Protestes mit maximaler Gnadenlosigkeit begegneten. Diese Rechtfertigungsstrategie der Staatsregierung gehört in der Haushaltsgeschichte des Freistaates in das Kapitel Legendenbildung. Mit einigen wenigen Zahlen kann man diese Legende zerstören.

Das Haushaltsjahr 2011 sah Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 15,5 Milliarden Euro vor. Inzwischen gibt es eine Ist-Betrachtung dieses Haushaltsjahres 2011. Diese besagt Folgendes: 16,9 Milliarden Euro eingenommen und 16,5 Milliarden Euro ausgegeben. Im Ergebnis war das von Ihnen heraufbeschworene haushaltspolitische Katastrophenjahr 2011 das drittbeste Einnahmenjahr seit 1990 und wies das fünfthöchste Ausgabenvolumen eines Haushaltes seit 1990 aus.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Seriosität und Solidität sehen anders aus. Aber vor allem wird deutlich,

(Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU)

dass, aufbauend auf Ihren Annahmen, planvolles Handeln nicht möglich war. Ausgehend von dieser Erkenntnis werden Sie verstehen, Herr Minister, dass wir mit gesundem Misstrauen und der gebotenen Vorsicht Ihre heutigen Aussagen zur Entwicklung des Haushaltes für 2013/2014 bewerten. Dennoch ist es notwendig, noch einen weiteren Aspekt der vergangenen Haushaltsperiode zu beleuchten. Falls doch angesichts der enormen Differenz von 1,5 Milliarden Euro ein Plan Ihrerseits bestand, dann konnte das nur folgender sein: Der Haushalt 2011/2012 war ein Wahlkampfhaushaltsplan. Ausgehend von den absurd niedrigen und falschen Planzahlen soll jetzt ein Aufwuchs simuliert werden, der praktisch nicht existiert.

(Beifall bei den LINKEN)

Dafür haben Sie, wie auch der DGB feststellte, einen Flurschaden in der Gesellschaft angerichtet, den Sie mit diesem Doppelhaushalt bei Weitem nicht beseitigen. Im Vergleich zu den realen Zahlen des Jahres 2011 sinkt das Volumen im Jahr 2013 um 200 Millionen Euro. Das ist die Wirklichkeit.

Ihre Kommunikation ist zugegebenermaßen nicht ungeschickt. Dennoch ist für jeden, der es sehen möchte, erkennbar: Der Freistaat verhält sich wie jene Vermögenden, die sich arm rechnen, um keinen Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft nachkommen zu müssen, und das ist schädlich.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Zu Ihren Pflichten würde es jetzt gehören, Ihre bildungspolitische Irrfahrt zu beenden, deren Ziel lautet: Sie, CDU und FDP, wollen in Sachsen die besten Schulen mit den deutschlandweit am schlechtesten bezahlten Lehrerinnen und Lehrern schaffen, ganz zu schweigen von den defizitären Arbeitsbedingungen – das kann nicht funktionieren.

(Beifall bei den LINKEN – Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Das kann nicht funktionieren.

(Zuruf von den LINKEN: So ist es! – Beifall bei den LINKEN)

Der geschätzte Kollege Colditz aus meiner Heimatstadt Aue hat es erkannt. Er hat – da der notwendige Erkenntnisfortschritt im Kabinett Tillich ausgeblieben ist – die Konsequenzen gezogen und die Verantwortung für die Schulpolitik der CDU-Fraktion abgegeben. Dafür gebührt Herrn Colditz höchster Respekt, denn diese Bildungspolitik ist tatsächlich mehr als unverantwortlich.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Für die Schule brauchen wir eine deutlich größere Anzahl an Referendarstellen und deutlich mehr Einstellungen von Lehrkräften. Die jetzt im Haushalt eingestellten Mittel für Unterrichtsgarantien in Höhe von 2,8 bzw. 4,1 Millionen Euro, um Vertretungskräfte mit und ohne Lehrbefähigung durch die Schulleiterinnen und Schulleiter einstellen zu lassen, sind die Folgen Ihrer verfehlten Schulpolitik der letzten Jahre.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Herr Michel, Sie erklärten für die CDU-Fraktion: keine Verbeamtung der Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen.

(Jens Michel, CDU: Das werde ich heute wiederholen!)

Darin haben Sie große Unterstützung in meiner Fraktion. Ich frage Sie: Mit welchem Standortvorteil wollen Sie denn im Wettbewerb um die immer mehr umworbenen ausgebildeten Referendare kämpfen? Gehalt? – Fehlanzeige. Kleine Klassen? – Fehlanzeige. Durchlässige Bildungsangebote in Sachsen? – Fehlanzeige. Hochtechnologien im Unterricht? – Fehlanzeige. Die Ministerin philosophiert dann auch noch im Fernsehen: Man müsste mal was tun. Hallo! Sind Sie nicht die Staatsregierung, die laufen muss?

(Lebhafter Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Bei der frühkindlichen Bildung sieht es nicht besser aus. Die Kita-Landespauschale ist seit 2005 bei 1 875 Euro eingefroren. Sie muss aus meiner Sicht auf 2 400 Euro angehoben werden. Damit könnten dann auch die überfälligen Verbesserungen des Personalschlüssels finanziert werden: von 1 : 6 auf 1 : 4 in der Krippe und von 1 : 13 auf 1 : 10 in den Kitas. Dafür sowie für die Anrechnung der Vor- und Nachbereitungszeiten bei der Umsetzung des Sächsischen Bildungsplanes werden wir uns in den Haushaltsberatungen starkmachen.

Besonders erbärmlich sieht es beim Bildungsthema Inklusion, der Einbeziehung von Kindern mit besonderem Förderbedarf in das Regelschulwesen, aus. Für mehr als 1 700 Schulen und über 2 700 Kitas in Sachsen stellt das Kultusministerium in den Jahren 2013 und 2014 jeweils 150 000 Euro zur Verfügung. Zum Vergleich: Das entspricht ungefähr einem Jahresgehalt eines Ministers in Sachsen. Das ist nicht nur eine Missachtung der UNBehindertenrechtskonvention, sondern auch des Landtages, dessen demokratische Fraktionen in einem gemeinsamen Antrag erste Schritte zur Gestaltung der Inklusion beschlossen haben. Was Sie uns präsentieren, sind nicht einmal Trippelschrittchen. Hier besteht dringender Korrekturbedarf!

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sachsen hat kein Verschuldungsproblem, denn wir haben die Milbradt‘sche Dividende, die dem Freistaat eine beispiellos niedrige Schuldenlast und eine hohe Investitionsquote beschert hat – ungeachtet des grandiosen Versagens bei der Landesbankgeschäftspolitik, die zum Crash mit Milliardenverlusten geführt hat. Wir zahlen jetzt im vorliegenden Haushaltsentwurf auch für Rechnungen, die uns der Notverkauf der Sächsischen Landesbank hinterlassen hat – ein originäres CDU-Erbe. Pro Haushaltsjahr sind 100 Millionen Euro zur planmäßigen Zuführung an den Garantiefonds eingestellt, um die Gesamtlasten von 2,75 Milliarden Euro an Gewährleistungen zu finanzieren.