Protocol of the Session on June 11, 2012

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der LINKEN bezieht sich auf zwei Formenkreise – der eine Formenkreis ist bisher kaum erwähnt worden –, zum Ersten die Schülerbeförderung, zum Zweiten die Lernmittelfreiheit.

Was die Schülerbeförderung betrifft, so sind wir der Auffassung, dass es nicht ganz eindeutig ist, inwiefern aus dem Grundsatz der Unentgeltlichkeit des Unterrichts verfassungsrechtlich auch der Anspruch auf Befreiung von den Schülerbeförderungskosten ableitbar ist. Ferner meinen wir, dass der Übergang der Trägerschaft für die Schülerbeförderung auf den Freistaat mit Schwierigkeiten verbunden sein würde. Das widerspräche dem Subsidiaritätsprinzip. Es würde eine Aufgabe zentralisiert, die, so glauben wir jedenfalls, von der kommunalen Ebene besser erfüllt werden kann. Zudem käme es zu einem nicht zweckmäßigen Auseinanderfallen der Zuständigkeit für den ÖPNV. Damit gingen wertvolle Synergien verloren.

Die Intention der LINKEN-Fraktion können wir durchaus nachvollziehen. Die durch die Mitwirkungsentzüge der Staatsregierung verursachten Schulschließungen ziehen natürlich erhöhte Beförderungskosten nach sich, die letztlich Kommunen und Eltern zu tragen haben. Wir glauben aber, dass es der bessere Weg wäre, es von

vornherein nicht zu weiteren Schulschließungen kommen zu lassen. Deshalb plädieren wir – auch angesichts der absehbaren Schülerrückgänge im ländlichen Raum – für die Weiterentwicklung der Mittelschule zu einer Gemeinschaftsschule, die auch Kindern mit gymnasialer Bildungsempfehlung offensteht. Die Übernahme der Schülerbeförderungskosten durch den Freistaat bekämpft in diesem Punkt das Symptom und nicht die Ursache.

Zum zweiten Punkt – Lernmittelfreiheit – ist schon außerordentlich viel gesagt worden. Die vorgeschlagenen Regelungen zur Schulgeld- und Lernmittelfreiheit unterstützen wir dem Grundsatz nach. Allerdings denken wir, dass auch der neue § 38 nicht die hundertprozentige rechtliche Klarheit bringt, die damit intendiert ist. So gehören nach unserer Auffassung die unter den Ziffern 6 und 7 aufgeführten Grundmaterialen nicht zu den Lern-, sondern zu den Lehrmitteln. Die unter Ziffer 2 und 3 aufgeführten Schriftwerke fallen nach unserer Auffassung unter die bereits unter Ziffer 1 erwähnten, die Schulbücher ergänzenden Druckwerke. Das findet man auch in der Begründung zum schon zitierten OVG-Urteil; ich muss das nicht noch einmal ausführen.

Punkt 5 erscheint uns als zu unbestimmt. Er bringt nicht die rechtliche Klarheit, die eigentlich intendiert ist. Hier ist von „Gegenständen“ und „sonstigen Sachmaterialien“ die Rede. Diese Begriffe sind einfach zu unbestimmt. Denn auch die Eltern sind verpflichtet – Herr Colditz hat es schon angesprochen –, ihren Kindern eine bestimmte Grundausstattung mitzugeben. Das hat auch das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil extra ausgeführt.

Um hier keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen: Wir begrüßen grundsätzlich den Vorstoß, den Bereich der Lernmittelfreiheit endlich rechtlich zu regeln. Am Verlauf des verfassungsgebenden Verfahrens kann man gut nachvollziehen, dass der Verfassungsgeber damals – obwohl er wusste, dass im Schulgesetz eine Einschränkung steht – explizit darauf bestand, die Lernmittelfreiheit in die Verfassung aufzunehmen.

Ich finde, es ist ein Unding, dass es die Staatsregierung in über 20 Jahren nicht auf die Reihe gebracht hat, die Vorgaben des Schulgesetzes mit denen der Verfassung in Einklang zu bringen bzw. mindestens eine Rechtsverordnung zu erlassen. Ich hoffe, dass das schleunigst passiert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun für die Fraktion der NPD Herr Abg. Storr. Herr Storr, Sie haben das Wort.

Danke schön, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es bedurfte erst eines Urteils des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, um in Sachen Lernmittelfreiheit in Sachsen etwas in Bewegung zu bringen. Seit diesem Montag liegt ein Rundschreiben der Kultusministerin an die Schuldirektoren vor, das – allerdings sehr zögerlich – einige Veränderungen ankündigt. So ist mir unverständlich, dass lediglich die Arbeitshefte,

die Schulbücher begleiten, ergänzen oder ersetzen, von den Schulen auf Kosten der Schulträger angeschafft werden sollen. Hier ist doch der nächste Streit, notfalls wieder vor Gericht, programmiert, wenn andere Arten von Arbeitsheften bzw. Druckerzeugnissen ins Spiel kommen. Was soll dieser Geiz, wenn es um unsere Kinder, um unsere Jugend, letztlich um unsere Zukunft geht? Gibt es keine Haushaltsposten, die zugunsten der Lernmittel gekürzt oder gestrichen werden können?

Ich denke hierbei an die herausgeschmissenen Gelder für die obskuren Projekte im „Kampf gegen rechts“. Allein die Fördermittel für das sogenannten Kulturbüro Sachsen e. V. bewegen sich seit Jahren im Bereich zwischen 100 000 und 150 000 Euro. Im Rahmen des staatlich finanzierten „Kampfes gegen rechts“ erhielt der oben genannte Verein von 2005 bis 2008 insgesamt

537 556 Euro aus dem Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen“. Das ist nur ein Beispiel von vielen.

Aber auch die überplanmäßigen Ausgaben für gestiegene Beförderungskosten für Asylbewerber, wie sie in der Kleinen Anfrage meines NPD-Abgeordnetenkollegen Arne Schimmer, Drucksache 5/6924, genannt sind, die allein im Jahr 2011 den geplanten Betrag von 399 000 Euro um 362 000 Euro übertrafen, wären zu nennen.

Die sogenannten Rückführungshilfekosten – auch diese Zahlen sind einer Kleinen Anfrage des Abg. Arne Schimmer zu entnehmen, Drucksache 5/6925 – von

110 000 Euro wurden um 170 000 Euro überschritten. Und so weiter, und so fort.

Was ist mit der SachsenLB? Wegen der Beinahe-Pleite der früheren SachsenLB hat der Freistaat kürzlich weitere 54 Millionen Euro zahlen müssen. Damit wurden insgesamt bereits 365 Millionen Euro vom Freistaat überwiesen.

Der vorliegende Gesetzentwurf der Fraktion der LINKEN orientiert sich weitgehend an den Empfehlungen des Landeselternrates und an anderen damit übereinstimmenden Meinungsäußerungen, wie sie anlässlich der Anhörungen in den Jahren 2007 und 2011 zu Protokoll gegeben wurden.

Der vorliegende Antrag ist sachgerecht. Im Namen der NPD-Fraktion werde ich dem Antrag zustimmen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es Bedarf für eine zweite Runde? – Das kann ich sehen. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abg. Falken. Frau Falken, bitte.

Danke schön. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Frau Staatsministerin! Wenn Sie eine Rechtssicherheit herstellen wollen, Herr Colditz, dann müssen wir das Schulgesetz ändern. Im § 38Schulgesetz steht, dass eine Regelung der Lernmittelfreiheit, bezogen auf die Schul

bücher, existiert, und danach kann es eine Verordnung geben.

Wenn man nun eine Rechtsverordnung erlässt – bei der wir übrigens zwar mitreden können, Herr Colditz, aber nicht wirklich etwas entscheiden; das macht das Staatsministerium doch allein –, die darüber hinausgeht – und ich hoffe, dass sie darüber hinausgeht –, dann ist das nicht mehr mit dem Schulgesetz kompatibel. Das heißt, jeder Jurist in diesem Haus – es sitzen ja einige hier – wird Ihnen sagen, dass es so nicht funktioniert. Wenn Sie sich im § 38 Schulgesetz nur auf die Schulbücher beschränken und nun in einer Verordnung etwas anderes machen wollen, dann müssen Sie das schon irgendwo verankern, auch in einem Gesetz, auf einer gesetzlichen Grundlage, und dieses Gesetz ist dann eine Rechtssicherheit für die Betroffenen. Darauf möchte ich Sie noch einmal hinweisen. Das heißt, wir haben jetzt hier die Möglichkeit.

Ich möchte Sie auch daran erinnern, dass ich Sie im Ausschuss für Schule und Sport, als wir darüber debattiert haben, ausdrücklich gebeten und aufgefordert habe: Stellen Sie Änderungsanträge oder sagen Sie, was wir in unserem Gesetz streichen sollen; wir streichen das. Uns geht es darum, dass wir für die Lernmittelfreiheit eine Rechtssicherheit für die Betroffenen haben.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Zum anderen müssen Sie auch einen Finanzausgleich bezüglich der Kommunen regeln. Die Kosten, die auf die Kommunen zukommen – der Städte- und Gemeindetag, die Spitzenverbände haben ausgerechnet, diese würden etwa 43 Millionen Euro für ganz Sachsen betragen –, müssen getragen werden, und ich kann mir nicht vorstellen – und wir wollen dies ausdrücklich nicht –, dass die Kommunen, die Schulträger diese Kosten selbst tragen müssen. Ich denke, darin besteht Einigkeit. Das bedeutet, wir brauchen eine gesetzliche Grundlage, in der das sauber und vernünftig geregelt wird. Deshalb bitte ich Sie hier nochmals: Stimmen Sie dem Gesetzentwurf zu.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren, gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Fraktionen? – Dies kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Selbstverständlich; Frau Staatsministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Lernmittelfreiheit hat die Schulen, die Schulträger und die Öffentlichkeit in den letzten Tagen sehr stark beschäftigt. Am 17. April 2012 – das wissen wir bereits – hat das Sächsische OVG eine Entscheidung dazu bestätigt, die das VG Dresden getroffen hatte. Die schriftliche Urteilsbegründung des „Kopierkostenurteils“ liegt seit Ende Juni vor. Das Sächsische OVG hat darin drei zentrale Aussagen getroffen:

Erstens. Die Lernmittelfreiheit ist in der Sächsischen Verfassung festgeschrieben. Sie lässt sich in ihrem wesentlichen Bestand nicht durch ein Gesetz einschränken. Der § 38 Schulgesetz kann verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden. Daher bedarf es grundsätzlich keiner gesetzlichen Anpassung.

Zweitens. Zu der Frage, wie „notwendige Lernmittel“ zu definieren ist, stellt das OVG fest – auch das hörten wir schon –: Neben den Schulbüchern gehören auch Kopien und Arbeitshefte dazu. Der Schulträger ist verpflichtet, diese Materialien im Rahmen seiner Ausstattungspflicht nach § 21 Schulgesetz zu beschaffen und den Schülern kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Die Auswahl der erforderlichen Lernmittel orientiert sich an methodischdidaktischen Notwendigkeiten und liegt in der Hand des Schulleiters, der Fachlehrer und der Fachkonferenzen und wird nicht vom Ministerium bzw. der Bildungsagentur vorgegeben.

Drittens. Auch die Eltern haben im Rahmen ihrer elterlichen Sorge eine Mitwirkungspflicht und müssen ihre Kinder für den Unterricht ausstatten. Zur Ausstattung gehören dabei grundsätzlich alle Gegenstände, die für die Teilnahme am Unterricht und den sonstigen Schulveranstaltungen erforderlich sind und von zu Hause mitgebracht werden. Darunter fallen zum Beispiel Ranzen, Federmappen, Geodreieck, Sportkleidung usw. Natürlich können die Eltern entscheiden, welchen Ranzen oder welche Turnschuhe sie beispielsweise kaufen. Das ist laut Gericht bei den Lernmitteln, die verpflichtend von der Schule vorgegeben werden, nicht mehr der Fall.

Dieses Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig, wird es aber voraussichtlich bis zum Schuljahresbeginn sein. Mir ist vor allem daran gelegen, eine reibungslose Schuljahresvorbereitung zu ermöglichen, und deshalb – das erwähnten Sie mehrfach – hat sich mein Haus mit dem Landkreistag und dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag darüber abgestimmt, wie wir angesichts des OVGUrteils weiter vorgehen, und diese Abstimmung wird auch weiterhin erfolgen.

In einem Rundschreiben hat der SSG seine Mitgliedsgemeinden Ende Juni 2012 über die aktuelle Rechtslage informiert. Die Schulen wurden durch mich, wie Sie sagten, in einem Schulleiterbrief Anfang Juli über die neue Rechtsprechung bezüglich Kopierkosten und Kosten für Arbeitshefte sowie das Vorgehen im Schuljahr 2012/2013 informiert.

Noch kurz zum Thema Schülerbeförderung. Schülerbeförderung und ÖPNV gehören organisatorisch in eine Hand. Nur so können die Belange der Schülerbeförderung hinreichend berücksichtigt werden.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Bei uns in Sachsen ist gewährleistet, dass die zentralen Orte aus nahezu allen Wohnorten in weniger als 60 Minuten Fahrzeit erreicht werden können. Damit ist die Schülerbeförderung im Freistaat Sachsen gesichert.

Die geforderte Übernahme dieser Aufgabe durch den Freistaat macht schon aus organisatorischen Gründen keinen Sinn, und in der gesamten Bundesrepublik gibt es übrigens kein Beispiel für das im Gesetzentwurf vorgeschlagene Modell.

Die beabsichtigte Einschränkung des kommunalen Rechts dürfte auch verfassungsrechtlich bedenklich sein. Hinzu kommt: Vonseiten der kommunalen Spitzenverbände gibt es weder Signale, dass sie die Schülerbeförderung überfordert, noch, dass sie sie an den Freistaat abgeben möchten, und ich gebe Frau Giegengack in diesem Punkt recht, den sie zur Schülerbeförderung ausgeführt hat.

Meine Damen und Herren! Das Gericht hat zu keiner Zeit die Rechtmäßigkeit des Schulgesetzes infrage gestellt, sondern das geltende Recht verfassungskonform ausgelegt. Ich sehe unsere Aufgabe jetzt darin, die verfügbaren Instrumente einzusetzen, und werde dafür sorgen, dass die Lernmittelfreiheit auf dem Verordnungsweg verfassungskonform geregelt wird. Ja, Frau Giegengack, wir werden sehr schnell eine Rechtsverordnung dazu erlassen. Der vorgelegte Gesetzentwurf hat nichts mit dem Urteil des Sächsischen OVG zu tun, sondern geht in seinen Forderungen weit über das hinaus, was bisher vom Gericht als Lernmittelfreiheit definiert wurde.

(Annekatrin Klepsch, DIE LINKE: Das soll er auch!)

Ich möchte noch einmal ausdrücklich betonen, dass sowohl die vorgetragenen Inhalte genauestens mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt sind und wir uns, wie ich bereits sagte, auch weiterhin über das Vorgehen genauestens abstimmen werden.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Torsten Herbst und Prof. Dr. Schmalfuß, FDP)

Danke, Frau Staatsministerin. – Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Bevor ich damit beginne, frage ich zunächst Sie, Herr Kienzle: Wünschen Sie als Berichterstatter des Ausschusses noch das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Zur Abstimmung aufgerufen ist das Gesetz zur Umsetzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Lernmittelfreiheit in Sachsen, Drucksache 5/7234, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. Wir stimmen über den genannten Gesetzentwurf ab. Auch hierzu schlage ich Ihnen wieder die artikelweise Abstimmung vor – und sehe keinen Widerspruch.

Zunächst rufe ich Artikel 1 auf, Änderung des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen, Nr. 1 und 2. Wer seine Zustimmung geben möchte, der zeige das bitte an. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Danke sehr. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür ist dem Artikel 1 dennoch nicht entsprochen worden.